TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/7 96/05/0021

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Veröffentlicht am 07.03.2000
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
L85004 Straßen Oberösterreich;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §825;
AVG §59 Abs1;
BauO OÖ 1994 §1 Abs1;
BauO OÖ 1994 §25 Abs1 Z7;
BauO OÖ 1994 §48 Abs1;
BauO OÖ 1994 §48 Abs2;
BauRallg;
LStG OÖ 1991 §12 Abs3;
VVG §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. Dezember 1995, Zl. BauR - 011584/1 - 1995 Ba/Lg, betreffend einen Instandsetzungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Maria Röser in Linz, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in Linz, Wischerstraße 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Landeshauptstadt Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Mitbeteiligten gehört das Grundstück Nr. 492, KG Katzbach, mit der Adresse Linz, Magdalenastraße 36. Sowohl an der Westseite als auch an der Ostseite wird dieses Grundstück von der Magdalenastraße (öffentliche Verkehrsfläche; Grundstück Nr. 1497/4 umschlossen. An der Westseite des Grundstückes der Mitbeteiligten befindet sich zur Straße hin eine Stützmauer.

Am 23. September 1994 fand an Ort und Stelle eine von der Baubehörde erster Instanz amtswegig anberaumte Verhandlung statt.

Dabei wurde folgendes Baugebrechen festgestellt:

"Die gegenständliche Stützmauer ist westseitig der Liegenschaft Magdalenastraße 36 im direkten Anschluss an die öffentliche Straße gelegen. Die Mauer ist als Schwergewichtsmauer aus Natursteinmauerwerk hergestellt, wobei im oberen Bereich eine Betonmauer mit einer Höhe von ca. 1,0 m aufgesetzt ist. Die Gesamtlänge der Mauer beträgt ca. 30 m, die Höhe variiert von ca. 3,5 bis 5,0 m. Im Zuge des heutigen Ortsaugenscheines wurde festgestellt, dass sich die Mauer im Mittelbereich auf eine Länge von ca. 10 m zur Straße ausbaucht und bereits klaffende Fugen zwischen den Granitblöcken bzw. Abplatzungen des Fugenmörtels bzw. vereinzelter Mauersteine aufgetreten sind. Nach der Aussage der Grundeigentümerin wurde die Stützmauer auf gewachsenem Fels gegründet und die Mauer mit Erdmaterial hinterfüllt. ... Auf Grund der Tatsache, dass sich die Stützmauer zur Straße hin ausbaucht, klaffende Fugen und Abplatzungen des Fugenmörtels aufgetreten sind, ist darauf zu schließen, dass die erforderliche Standsicherheit der Mauer nicht mehr gegeben ist und es bei einem weiteren Ansteigen der Erddruckkräfte zu einem Einsturz der Mauer kommen kann. Ein Einsturz der Mauer stellt eine Gefahr für das Leben und die Sicherheit von Personen dar."

Ein von der Mitbeteiligten eingeholter Kostenvoranschlag für die Sanierungskosten belief sich (inkl. USt.) auf rund S 280.000.--.

In der Folge erachtete die Baubehörde eine Vermessung der exakten Lage der Mauer durch das Vermessungsamt als erforderlich, weil die Stützpfeiler auf Grund ihrer Dicke eventuell ins öffentliche Gut ragten; es sollte der Mauerfuß hinsichtlich seiner Situierung zur Grundgrenze und unter Angabe der Höhenkoten die maximale Ausbauchung (eventuelle Auskragung über der Grundgrenze) und die Mauerkrone vermessen werden. Der vom Vermessungsamt vorgelegte Lageplan vom 20. Februar 1995 zeigt, dass der Mauerfuß bis zu 45 cm in das öffentliche Gut ragt, während die Mauerkrone sich ausschließlich auf dem Grundstück der Mitbeteiligten befindet.

Mit Bescheid vom 25. August 1995 trug der Magistrat der Landeshauptstadt Linz als Baubehörde erster Instanz der Mitbeteiligten die Durchführung folgender Instandsetzungs- bzw. Sicherungsmaßnahmen bis spätestens 30. November 1995 auf:

"1. Die Stützmauer ist im geschädigten Bereich durch eine befugte Firma unter Berücksichtigung der Bodenverhältnisse hinter dieser Mauer abzutragen und in der ursprünglichen Höhe neu aufzumauern.

2. ..."

Die Baubehörde erster Instanz ging davon aus, dass die Mauer zwar öffentliches Gut benütze, dass aber auf Grund der außerordentlichen Ersitzungszeit von mehr als 40 Jahren gegen die Gemeinde von der Mitbeteiligten Alleineigentum erworben worden wäre, sodass sich die Mauer in ihrer Gesamtheit im Eigentum der Mitbeteiligten befände. Der Instandsetzungsauftrag wurde auf § 48 Abs. 2 O.ö. BauO 1994 gestützt.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung machte die Mitbeteiligte geltend, dass die Straße nach St. Magdalena beginnend mit dem Jahr 1939 neu trassiert worden sei. Zur Verbreiterung sei Erdreich abgetragen und der darunter befindliche anstehende Granit gesprengt worden. Aus ihrem Hausakt könne sie nicht entnehmen, dass jemals eine Baubewilligung für die fragliche Stützmauer erteilt worden sei. Sie nehme an, dass die Stützmauer im Rahmen der Straßenerrichtung zwischen 1939 und 1941 geschaffen worden sei.

Zu ihrem Vorbringen, dass die Stützmauer im Zuge des Straßenbaues errichtet worden sei, legte sie ein Schreiben der "F.B.W.-AG", gerichtet an den Magistrat der Gauhauptstadt Linz vom 6. Februar 1941, vor. Dort wird mitgeteilt, dass jenes Unternehmen an der Straßenkurve "bei Magdalena" (offenbar eine Kehre nördlich vom Grundstück der Mitbeteiligten, womit erklärbar wäre, dass die Magdalenastraße beidseits dieses Grundstückes verläuft) Sprengungen für eine Stützmauer und für eine Straßenverbreiterung durchgeführt habe. Es wird auf Risse am Haus der Mitbeteiligten hingewiesen und gleichzeitig in Abrede gestellt, dass diese Risse durch die Sprengungen verursacht seien.

Auf Grund dessen fand am 5. Dezember 1941 eine Verhandlung statt, bei der es um die Feststellung von Bauschäden und deren Ursachen ging. Folgende Feststellungen wurden bei dieser Verhandlung getroffen:

"Im Sommer und Herbst 1941 wurden in der nächsten Nähe des Hauses anlässlich des Straßenbaues und der zugehörigen Stützmauererrichtung Sprengungen von der Firma F.B.W.-AG durchgeführt. ... An der Südseite des Gartens verläuft eine 3 m hohe (im Mittel) Bruchsteinstützmauer. Sie wirkt beim unteren Teil als Futtermauer, da dort der Felshang anschließt, im oberen Teil als Stützmauer für die ungefähr 1 m hohe Anschüttung. Die Dimensionierung ist verhältnismäßig schwach. Sie weist auch bereits einige Ausbauchungen und Risse auf. Ob die Stützmauer bzw. Futtermauer in Wechselwirkung mit der Hausfundierung steht, müsste noch durch eine Fundamentuntersuchung bzw. Freilegung desselben festgestellt werden. Die Mindestentfernung des Hauses von der Stützmauer beträgt 3 m. ..."

Mit Bescheid vom 5. Oktober 1995 gab der Stadtsenat der beschwerdeführenden Landeshauptstadt dieser Berufung insoferne Folge, als der Punkt 2) der Vorschreibung entfiel und hinsichtlich des Punktes 1) des Instandsetzungsauftrages eine längere Erfüllungsfrist festgelegt wurde. Gemäß § 48 Abs. 2 O.ö. BauO 1994 sei ausschließlich dem Eigentümer der vom Baugebrechen betroffenen baulichen Anlage die Instandsetzung aufzutragen. Bei Miteigentum müsse jedem Eigentümer ein solcher Auftrag erteilt werden. Die Mauer befinde sich teilweise auf dem Grundstück der Mitbeteiligten, teilweise auf öffentlichem Gut. Aus den vorgelegten Unterlagen könne nur entnommen werden, dass die Mauer im Jahr 1941 bereits existiert habe. Sie diene sowohl dem Grundstück der Mitbeteiligten als auch dem Straßengrundstück, weil offenkundig ein Abrutschen des aufgeschütteten Teiles des Grundstückes Nr. 492 auf das Straßengrundstück verhindert werden soll. Bei der Vorfragenbeurteilung sei primär auf § 854 ABGB Bedacht zu nehmen, wonach u.a. Mauern, die sich zwischen benachbarten Grundstücken befänden, für ein gemeinschaftliches Eigentum angesehen würden. Ausgehend von dieser Beweislastumkehr im Gesetz ergebe sich jedenfalls nicht eindeutig, dass die Mauer nicht zumindest teilweise im Eigentum der Mitbeteiligten stehe. Da sie Miteigentümerin sei, sei der baupolizeiliche Auftrag ihr gegenüber jedenfalls zu Recht ergangen; eine Vollstreckung komme nur in Betracht, wenn der baupolizeiliche Auftrag sich gegen alle Miteigentümer richte, was jedoch nicht in einem einheitlichen Bescheid erfolgen müsse. Die Sachvoraussetzungen des Vorliegens eines Baugebrechens im Sinne des § 48 O.ö. BauO 1984 lägen unzweifelhaft vor.

In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung bestritt die Mitbeteiligte zunächst ihr Miteigentum an der gegenständlichen Mauer. Sie verwies darauf, dass seinerzeit eine Grundabtretung zur Verbreiterung der Straße erfolgt sei, was sie mit einem Bauansuchen aus 1950, in welchem auf die frühere Grundabtretung für den Straßenbau im Jahr 1939 Bezug genommen wird, belegte.

Wörtlich heißt es in dem Bauansuchen der Rechtsvorgänger der Mitbeteiligten vom 14. Februar 1950, betreffend eine Garage:

"Die Ausführung des Bauvorhabens ist auf dem vom Bauamt Linz als Gegenleistung für reales Entgegenkommen unsererseits beim Straßenbau St. Magdalena-Oberbairing im Jahre 1939 erstellten Unterbau vorgesehen."

Die belangte Behörde behob mit dem angefochtenen Bescheid den Berufungsbescheid des Stadtsenates der beschwerdeführenden Landeshauptstadt und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Beschwerdeführerin zurück. Sie ging davon aus, dass gemäß § 2 O.ö. Straßengesetz 1991 bauliche Anlagen im Zuge einer Straße, wie Tunnels, Brücken, Straßengräben, Böschungen und Anlagen zur Ableitung anfallender Wässer Bestandteile einer Straße seien. Nach dem Ausschussbericht gehörten zu diesen baulichen Anlagen auch Trennstreifen, Stützmauern und Futtermauern. Werde also im Zuge eines Neu- oder Umbaues einer öffentlichen Straße eine Stütz- oder Futtermauer errichtet, so gelte diese als Bestandteil der Straße. Würden Schäden an einer solchen Nebenanlage auftreten, so sei die jeweilige Straßenverwaltung vor dem Hintergrund des § 1319a ABGB verpflichtet, Sanierungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen zu setzen, die bei Verkehrsflächen der Gemeinde die jeweilige Gemeinde zu tragen habe. Diese Verpflichtung ergebe sich aus § 12 Abs. 3 O.ö. Straßengesetz. Das im Eigentum der Stadt Linz (öffentliches Gut) stehende Grundstück Nr. 1497/4 diene unbestritten dem Gemeingebrauch, sodass von einer öffentlichen Straße auszugehen sei.

Hinsichtlich der Stützmauer habe sich aus den von der Mitbeteiligten vorgelegten Urkunden ergeben, dass zumindest Anfang der 40er-Jahre an den beim Hause St. Magdalena Nr. 53 vorbei führenden Straßen Bauarbeiten vorgenommen worden wären, wobei für die zu errichtende Stützmauer Sprengungen durchgeführt worden seien. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seien die Rechtsvorgänger der Mitbeteiligten nicht die Errichter dieser Stützmauer; da sich auf Grund des Vermessungsplanes der Mauerfuß zur Gänze auf öffentlichem Grund befinde und nur die Mauerkrone teilweise in das Grundstück der Mitbeteiligten rage, sei anzunehmen, dass sich die Stadt Linz für die Errichtung der Stützmauer ihrer eigenen Grundflächen bediente. Unwesentlich sei, ob sich das Bauwerk, um als Bestandteil der Straße zu gelten, auf öffentlichem Grund befinden müsse. Das O.ö. Straßengesetz 1991 treffe diesbezüglich keine Anordnungen. Die Erhaltungsverpflichtung treffe die jeweilige Gemeindestraßenverwaltung.

Die Vorgangsweise der Stadtbehörden, zur Behebung von Baugebrechen an straßenseitigen Einfriedungen mit einem baupolizeilichen Auftrag nach § 48 O.ö. Bau 1994 vorzugehen, widerspreche den speziellen Bestimmungen des O.ö. Straßengesetzes mit dem vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Ergebnis einer Aushöhlung der im § 12 O.ö. Straßengesetz 1991 gesetzlich verankerten Verpflichtung zur Tragung der Baulast öffentlicher Verkehrsflächen durch die jeweils zuständige Straßenverwaltung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der dazu gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG legitimierten Landeshauptstadt. Sie beantragt die Aufhebung des Bescheides der Aufsichtsbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die Mitbeteiligte, eine Gegenschrift. Die Mitbeteiligte legte weiters das Ergebnis einer Bodenuntersuchung durch die Boden- und Baustoffprüfstelle des Amtes der O.ö. Landesregierung vom 15. November 1994 mit der Erklärung vor, die Profile zeigten ganz deutlich die Führung der Gesteinsschichten, die plötzlich wie abgeschnitten erschienen; links der Mauer setze sich ihr Grundstück vor Abtretung wegen des Straßenbaues als Steilhang fort.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Tragender Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides war, dass die Aufsichtsbehörde im Gegensatz zur Baubehörde die Stützmauer als Bestandteil der Straße ansah und davon ausging, dass hinsichtlich einer Straße nicht mit einem Bauauftrag nach § 48 O.ö. Bau 1994 vorgegangen werden dürfe, sondern dass die speziellen Bestimmungen des O.ö. Straßengesetzes 1991, insbesondere dessen § 12, Anwendung fänden. Tragender Aufhebungsgrund war aber nicht, dass die belangte Behörde die Vorfrage des Eigentumsrechtes an der Stützmauer dahingehend beurteilt hätte, dass die Stadt Linz Alleineigentümerin wäre und aus diesem Grund ein Auftrag nach § 48 O.ö. Bau 1994 nicht an die Mitbeteiligte hätte ergehen dürfen.

§ 1 O.ö. BauO 1994 in der Stammfassung LGBl. Nr. 66/1994 (BO) lautete:

"§ 1

Geltungsbereich

(1) Dieses Landesgesetz regelt das Bauwesen im Land Oberösterreich, soweit es sich nicht um technische Anforderungen an Bauten handelt.

(2) Soweit durch Bestimmungen dieses Landesgesetzes der Zuständigkeitsbereich des Bundes berührt wird, sind sie so auszulegen, dass sich keine über die Zuständigkeit des Landes hinausgehende rechtliche Wirkung ergibt."

§ 1 BO wurde durch die hier nicht anwendbare Novelle LGBl. Nr. 70/1998 durch einen Abs. 3 ergänzt; dieser Absatz lautet auszugsweise:

"(3) Dieses Landesgesetz gilt nicht für ....

8. Kanäle, Verkehrsflächen, Brücken und Stege;"

Die weiters hier interessierenden Bestimmungen der BO lauten wie folgt:

"§ 25

Ausnahmen von der Baubewilligungspflicht

(1) Ausgenommen von der Bewilligungspflicht sind:

...

7. Straßen, Brücken und Stege;

...

9. Stützmauern bis zu einer Höhe von einem Meter über dem Gelände sowie sonstige Einfriedungen einschließlich freistehende Mauern, sofern sie nicht unter § 24 Abs. 1 Z. 2 fallen;

...

§ 48

Baugebrechen

(1) Hat sich der Zustand einer baulichen Anlage so verschlechtert, dass

1. eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit, die Hygiene oder die körperliche Sicherheit von Menschen oder für fremde Sachwerte entsteht,

2.

das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet wird oder

3.

schädliche Umwelteinwirkungen entstehen,

liegt, gleichgültig worauf die Verschlechterung zurückzuführen ist, ein Baugebrechen vor.

(2) Erlangt die Baubehörde Kenntnis vom Vorliegen eines Baugebrechens, hat sie die allenfalls erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen und dem Eigentümer unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des festgestellten Baugebrechens durch Instandsetzung oder, wenn eine Instandsetzung nicht mehr möglich ist oder so weitgehend wäre, dass sie einer Erneuerung der baulichen Anlage gleichkommen würde, die Abtragung aufzutragen. Ein Instandsetzungsauftrag steht der Erteilung einer Abbruchbewilligung nicht entgegen.

(3) ..."

Die hier anzuwendenden Bestimmungen des O.ö. Straßengesetzes 1991, LGBl. Nr. 84/1991 (StraßG), lauten:

"§ 1

Geltungsbereich

(1) Dieses Landesgesetz regelt die Verwaltung von öffentlichen Straßen mit Ausnahme der Bundesstraßen in Oberösterreich.

(2) Bestehen auf Grund einer Vereinbarung oder einer behördlichen Entscheidung besondere, von diesem Landesgesetz abweichende Verpflichtungen zur Herstellung oder Erhaltung einer öffentlichen Straße oder von Teilen davon, so bleiben diese Verpflichtungen weiter bestehen.

§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) Straßen im Sinne dieses Landesgesetzes sind Grundflächen, die ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung (Straße, Weg, Platz und dgl.) dem bestimmungsgemäßen Verkehr von Menschen, Fahrzeugen und Tieren dienen oder dienen sollen.

(2) Bestandteile einer Straße sind

1. die unmittelbar dem Verkehr dienenden Anlagen, wie Fahrbahnen, Gehsteige, Gehwege, Radwege, Radfahrstreifen, Geh- und Radwege, Parkplätze, Abstellflächen, Haltestellenbuchten, Bankette und der Grenzabfertigung dienende Flächen,

2. bauliche Anlagen im Zuge einer Straße, wie Tunnels, Brücken, Straßengräben, Böschungen und Anlagen zur Ableitung anfallender Wässer,

3. von der Straßenverwaltung errichtete Anlagen zum Schutz der Nachbarn vor Beeinträchtigungen durch den Verkehr auf der Straße sowie

4. im Zuge einer Straße gelegene, der Erhaltung und der Beobachtung des baulichen Zustandes von Straßen dienende bebaute oder unbebaute Grundstücke.

(3) Öffentliche Straßen im Sinne des § 1 Abs. 1 sind Straßen, die dem Gemeingebrauch (§ 6 Abs. 1) durch Verordnung gemäß § 11 Abs. 1 ausdrücklich gewidmet sind oder für die das Vorliegen des Gemeingebrauchs durch Bescheid gemäß § 10 festgestellt ist.

(4) ...

...

§ 5

Öffentliches Gut

(1) Die öffentlichen Straßen sind als öffentliches Gut von jener Gebietskörperschaft, die gemäß § 12 Abs. 2 zur Straßenverwaltung berufen ist, in ihr Eigentum zu übernehmen. Ist die Übernahme in das Eigentum ausnahmsweise, wie etwa bei Brücken oder Tunnels, nicht zweckmäßig, so ist durch die Einverleibung der erforderlichen Dienstbarkeiten der Gemeingebrauch sicherzustellen.

(2) Grundstücke, die im Grundbuch als öffentliches Gut (Straßen, Wege usw.) eingetragen sind und allgemein für Verkehrszwecke benützt werden, gelten bis zum Beweis des Gegenteiles als öffentliche Straße im Sinne dieses Landesgesetzes.

...

§ 12

Straßenverwaltung

(1) Die Straßenverwaltung umfasst die Herstellung (die Planung und den Bau) und die Erhaltung (die Gesamtheit der auf die Gewährleistung des Gemeingebrauches ausgerichteten Tätigkeiten) der Verkehrsflächen.

(2) Die Straßenverwaltung der Verkehrsflächen des Landes (§ 8 Abs. 1) obliegt dem Land; die Straßenverwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde (§ 8 Abs. 2) obliegt der Gemeinde. Die mit diesen Aufgaben befassten Organe des Landes bzw. der Gemeinde erhalten die Bezeichnung "Straßenverwaltung".

(3) Das Land bzw. die Gemeinde haben, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, die Kosten für die Herstellung und Erhaltung ihrer Verkehrsflächen zu tragen.

(4) Die Herstellung und die Erhaltung der öffentlichen Straßen haben zur Vermeidung von Fehlentwicklungen und unwirtschaftlichen Aufwendungen im größtmöglichen Einvernehmen zwischen den beteiligten Straßenverwaltungen zu erfolgen."

Unter Hinweis auf den bei Neuhofer O.ö. Baurecht4, 780, wiedergegebenen Ausschussbericht zu § 2 StraßG ging die belangte Behörde davon aus, dass die im § 2 Abs. 2 StraßG vorgenommene Aufzählung von Bestandteilen nur demonstrativ sei und dass unter baulichen Anlagen im Zuge einer Straße auch Trennstreifen, Stütz- und Futtermauern und dgl. zu verstehen seien. Die hier vorliegende Verkehrsfläche sei gemäß § 5 Abs. 2 StraßG eine öffentliche Straße im Sinne dieses Landesgesetzes, weshalb hinsichtlich der Erhaltung § 12 zur Anwendung gelange. Das StraßG sei eine Spezialnorm, weshalb nicht mit einem baupolizeilichen Auftrag nach § 48 BO vorgegangen werden dürfe.

Auch wenn man davon ausgeht, dass Stützmauern als Bestandteil einer Straße anzusehen seien (vgl. § 3 Bundesstraßengesetz 1971), genügt die Qualifizierung des StraßG als "Spezialnorm" noch nicht, um damit die Unanwendbarkeit der BO zu rechtfertigen. KRZIZEK (Das öffentliche Wegerecht, 34) schließt aus der allgemeinen Definition für einen Bau bzw. ein Bauwerk oder eine Baulichkeit als Anlage, die zu ihrer Herstellung ein gewisses Maß bautechnischer Kenntnisse erfordert, mit dem Boden in eine Verbindung gebracht und geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren, dass nicht nur Straßen, Brücken, Überführungen und Unterführungen, Futter- und Stützmauern einer Straße, sondern überhaupt alle nach den Regeln der Ingenieurkunst hergestellten Straßenbauten Bauwerke im Sinne des Baurechtes seien. Wenn Bauordnungen Bestimmungen enthielten, die außer den Neu-, Zu- und Umbauten auch alle sonstigen baulichen Anlagen über und unter der Erde einer Baubewilligung unterwerfen, könne es nicht zweifelhaft sein, dass zumindest die Kunstbauten einer Straße auch einer Bewilligung nach der Bauordnung bedürften, und zwar unabhängig davon, ob die Herstellung der Straße nach dem in Betracht kommenden Straßengesetz einer straßenrechtlichen Bewilligung bedarf oder nicht.

Dass nach der hier anzuwendenden BO Straßen gemäß § 25 Abs. 1 Z. 7 BO von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind, stützt den Standpunkt der belangten Behörde keineswegs. Das Gesetz nennt bewilligungspflichtige Bauten (§ 24 BO), Ausnahmen von der Bewilligungspflicht (§ 25 BO) und anzeigepflichtige Bauvorhaben (§ 26 BO); das V. Hauptstück der BO, bestehende bauliche Anlagen betreffend, bezieht sich regelmäßig auch auf bewilligungsfreie Anlagen, wie sich dies aus den §§ 46 Abs. 2, 47 Abs. 1 und 49 Abs. 6 BO unzweifelhaft ergibt; § 48 BO bezieht sich auf "bauliche Anlagen" ohne jede Unterscheidung dahingehend, ob diese Anlage bewilligungspflichtig, anzeigepflichtig oder bewilligungsfrei ist.

Gemäß § 1 Abs. 1 BO wird durch dieses Landesgesetz das Bauwesen im Land Oberösterreich geregelt; wenn der Gesetzgeber im § 25 Abs. 1 Z. 7 BO "Straßen" von der Baubewilligungspflicht ausnimmt, dann hat er damit unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass "Straßen" dem Regelungsbereich "Bauwesen" unterliegen. Erst durch die Novelle LGBl. Nr. 70/1998 wurde klargesetellt, dass "Straßen" (nunmehr: Verkehrsflächen) vom Regelungsbereich der Bauordnung ausgenommen sind; in den Gesetzesmaterialien (Beilage 7/1997) zum kurzschriftlichen Bericht des O.ö. Landtages, XXV. Gesetzgebungsperiode, wird dazu ausgeführt:

"Bauliche Anlagen, für die die O.ö. Bauvorschriften insgesamt nicht gelten sollen (oder aus kompetenzrechtlichen Gründen gar nicht gelten können), waren bisher nur von der Baubewilligungspflicht ausgenommen. § 1 Abs. 3 soll diesbezüglich Klarheit schaffen und außer Zweifel stellen, dass z.B. wasserrechtlich bewilligungspflichtige Bauten nicht nur von der baubehördlichen Bewilligungs- (oder Anzeige-)pflicht, sondern vom Geltungsbereich der O.ö. Bauvorschriften insgesamt ausgenommen sind."

Ausgehend von der hier anzuwendenden Rechtslage ist es somit belanglos, ob die vorliegende Stützmauer als Bestandteil einer Straße auch dem Regelungsbereich des StraßG unterliegt. Die Erhaltungspflicht des Straßenerhalters wird nicht dadurch "ausgehöhlt", dass die durch ein Gebrechen entstandene Gefahrenlage auch unter Anwendung anderer gesetzlicher Bestimmungen beseitigt werden kann.

Da diese Stützmauer jedenfalls vom Regelungsbereich der BO erfasst ist, war die Behörde auf Grund der unbestrittenen Gebrechen

gemäß § 48 Abs. 2 BO zu einem Einschreiten verpflichtet ("... hat ... anzuordnen"). Da die belangte Behörde diese (grundsätzliche)

Verpflichtung verneinte und deswegen mit einer Aufhebung des Bescheides der Gemeindebehörde vorging, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die Frage, ob der Mitbeteiligten ein Auftrag nach § 48 Abs. 2 BO erteilt werden durfte, hängt wesentlich von deren Eigentümerschaft ab; diesbezüglich liegt eine eindeutige Festlegung im angefochtenen Bescheid dahingehend, dass die Mitbeteiligte auch nicht zu einem Teil Eigentümerin wäre, nicht vor. Die Beantwortung dieser Frage ist aber bei einer neuerlichen Entscheidung über die Vorstellung der Mitbeteiligten unerlässlich. Zu Recht hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, dass dann, wenn Miteigentümerschaft vorliegt, eine Vollstreckung nur dann in Betracht kommt, wenn ein Beseitigungsauftrag gegen alle Miteigentümer ergangen ist (hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/06/0211, und vom 29. November 1988, Zl. 88/05/0203).

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren unter Abstandnahme vom bisherigen Aufhebungsgrund neuerlich über die Vorstellung der Mitbeteiligten zu entscheiden haben; was die Eigentumsfrage an der Mauer betrifft, fällt auf, dass aus der von der Mitbeteiligten vorgelegten Untersuchung der Boden- und Baustoffprüfstelle des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung weder zu entnehmen ist, dass die Mauer mehr als 45 cm dick wäre, noch, dass sie eine besondere Neigung aufweist, sodass das Abweichen zwischen Mauerfuß und Mauerkrone damit nicht in Einklang gebracht werden kann.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. März 2000

Schlagworte

Baupolizei Vollstreckung Kosten BauRallg10 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996050021.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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