TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/16 I419 2148657-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.05.2018
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Entscheidungsdatum

16.05.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z8
FPG §53 Abs3 Z4
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

I419 2148657-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. ÄGYPTEN, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 08.02.2017, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der Spruchpunkt III des bekämpften Bescheides zu lauten hat:

"III. Die Frist für die freiwillige Ausreise wird mit 14 Tagen festgesetzt."

und im Spruchpunkt II die Wortfolge "§ 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 8" durch folgende ersetzt wird: "§ 53 Abs. 1, Abs. 2 Z. 8 und Abs. 3 Z. 4".

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer gelangte im Wintersemester 2012/13, also in einem Alter etwas über Mitte 20, mit einem Touristenvisum nach Österreich und hatte anschließend bis 06.10.2015 eine Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Studierender".

In dieser Zeit hat er weder eine Deutsch- noch andere Prüfungen nachgewiesen.

2. Am 18.07.2015 heiratete er eine 1986 geborene rumänische Staatsangehörige, die Anfang Juni 2015 nach Österreich gezogen war und sich am 06.08.2015 wieder abmeldete. Anschließend beantragte er eine Aufenthaltskarte als Angehöriger eines EWR- oder Schweizer Bürgers. Vier Tage darauf meldete sich seine Gattin wieder an, diesmal für rund zehn Monate an der Anschrift des Beschwerdeführers, wo sie auch gemeldet blieb, als dieser auszog.

Das BG XXXX hat den Beschwerdeführer und dessen Gattin am 14.06.2016 wegen des Vergehens des Eingehens von Aufenthaltsehen zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt, was das LG XXXX nach Berufungen beider Beschuldigter am 27.02.2017 bestätigte.

Am 08.08.2017 wies der LH von XXXX den Antrag des Beschwerdeführers die Aufenthaltskarte betreffend zurück und stellte im Hinblick auf die Aufenthaltsehe fest, dass der Beschwerdeführer nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt. Diesen Bescheid bestätigte das VwG Wien am 04.04.2018.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das BFA dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie die Abschiebung nach Ägypten für zulässig erklärt (Spruchpunkt I).

Zugleich verhängte das BFA mit Spruchpunkt II ein drei Jahre währendes Einreiseverbot und aberkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt III).

4. In der dagegen erhobenen Beschwerde wird im Wesentlichen geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei nicht rechtskräftig verurteilt und habe seine Gattin nicht nur zum Schein geheiratet.

Er lebe seit über vier Jahren in Österreich, und das rechtmäßig, weil er keine Aufenthaltsehe eingegangen sei, habe in dieser Zeit gearbeitet und viele Freundschaften geschlossen, und sei deswegen familiär, sozial und beruflich integriert.

Beantragt wurden ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und aufschiebende Wirkung der Beschwerde. Letztere hat dieses Gericht am 06.03.2017 mit der Begründung zuerkannt, es könne ohne nähere Prüfung des Sachverhalts die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 8 EMRK durch eine Abschiebung nicht ausgeschlossen werden.

5. Anschließend wurden dem Gericht am 23.02.2018 das Berufungsurteil LG XXXX, am 14.03.2018 der Bescheid des LH von Wien und am 18.04.2018 das Erkenntnis des VwG Wien übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Ägyptens, Diabetiker und erwerbsfähig. Er hat keine legale Erwerbstätigkeit in Österreich und keine engen sozialen Kontakte belegt. Als nicht angemeldeter Angestellter erzielt er ein Einkommen von etwa € 400,-- monatlich. Zwei seiner Cousins wohnen mit ihren Familien in Österreich. Er verfügt nach eigenen Angaben über Deutschkenntnisse auf Niveau A2. Seine Identität steht fest. Er wollte sich durch die Heirat einer EU-Bürgerin die Möglichkeit schaffen, aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu entgehen. Die Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft beabsichtigte das Brautpaar weder, noch erfolgte sie.

Seine Gattin hat drei Kinder von einem rumänischen Staatsangehörigen. Sie ist seit 05.04.2017 nicht mehr im Inland gemeldet. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer ein Kind hätte. Er hat die mit dem Aufenthalt als Studierender verbundenen sozialen und freundschaftlichen Kontakte im Inland geschlossen. Außer der angeführten Verurteilung weist er keine weitere auf.

Der Beschwerdeführer war im Oktober 2015 eine Woche lang wegen erhöhten Blutzuckers stationär in Behandlung.

Die weiteren Angehörigen des Beschwerdeführers leben im Herkunftsstaat. Er spricht dessen Sprache Arabisch. Er hat vor seiner Ausreise mehr als 25 Jahre im Herkunftsstaat gelebt und konnte für sich sorgen. Er wird bei einer Rückkehr einer Erwerbstätigkeit nachgehen können.

1.2 Zum Herkunftsstaat

Der Beschwerdeführer hat keinerlei zu erwartende Schwierigkeiten im Falle einer Rückkehr behauptet, weder auf die Frage nach der Motivation, einen weiteren Aufenthalt im Inland anzustreben, im Zuge des Parteiengehörs (AS 73 ff), das er gänzlich ungenutzt ließ, noch in der Beschwerdeschrift.

Insofern bleibt zum Herkunftsland festzustellen, dass ihm dort weder relevante Gefahren noch Verfolgungen drohen.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten, einschließlich des Verwaltungsakts des Landeshauptmanns von Wien (MA 35) betreffend den Beschwerdeführer, und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und den Lebensumständen des Beschwerdeführers gründen sich auf die Kopie aus dem Reisepass des Beschwerdeführers im BFA-Akt, aus der sich die Identität ergibt, sowie die Auszüge aus dem ZMR und dem Zentralen Fremdenregister. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen basieren auf der Heiratsurkunde des Standesamts Mödling sowie den Erst- und Rechtsmittelerledigungen im gerichtlichen Straf- und im Administrativverfahren des Landes, einschließlich der beiden Urteile der Strafgerichte (OZ 7 und AS 28 ff), aus denen sich, neben der "Schwarzarbeit" vor allem die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale einer Aufenthaltsehe durch den Beschwerdeführer als Beitragstäter ergibt.

Der Einwand, der Beschwerdeführer sei wegen dieses Delikts nicht rechtskräftig verurteilt, geht nach der abweisenden Entscheidung des Berufungsgerichts ins Leere, weshalb sich das Gericht dessen Feststellungen sowie auch jenen des zurückweisenden Bescheids des Landeshauptmanns von Wien anschließt, der nun auch bestätigt wurde.

Der Beschwerdeführer gab in der Hauptverhandlung am 23.05.2016 an, mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Kind zu haben (AS 56 f), welches in Rumänien bei der Großmutter lebe und an Asthma leide. Demgegenüber führte er vor dem Verwaltungsgericht am 03.04.2018 zu den angeblichen Besuchen seiner Gattin aus: "Sie [!] hat einen kranken Sohn und kann daher nicht länger bleiben." Auch im Strafverfahren sind Widersprüchlichkeiten dieses angebliche Kind betreffend dokumentiert (AS 36 f, 70). Im Verwaltungsverfahren erwähnte er es nicht und legte dementsprechend auch keine Urkunden dazu vor. Eine Vaterschaft des Beschwerdeführers konnte daher nicht festgestellt werden, wobei das allfällige Kind in Rumänien lebt und somit in Österreich kein Familienleben begründet.

Der Zuzug der rumänischen Staatsangehörigen Anfang Juni 2015 ergibt sich aus ihrer Anmeldung am 05.06.2015, die weiteren Wohn- und Meldeverhältnisse ebenso aus dem ZMR.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründen sich auf seine Angaben im Strafverfahren (AS 56) und das Fehlen gegenteiliger Behauptungen in der Beschwerde. Daraus und aus dem Alter ergibt sich die Arbeitsfähigkeit. Auf der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich stets eines Dolmetschs für Arabisch bediente, beruht die Feststellung, dass er diese Sprache spricht.

2.3 Zum Herkunftsstaat

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers haben sich keine Hinweise ergeben, dass diesem im Herkunftsland Verfolgung oder existenzielle Gefährdung drohen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) (Abweisung der Beschwerde):

Betreffend die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Rechtsgrundlagen macht es einen Unterschied, ob der Beschwerdeführer als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu behandeln ist, oder die generellen Regeln für Drittstaatangehörige anzuwenden sind. Die nachgewiesene Aufenthaltsehe für sich allein genommen reicht für diese Entscheidung nicht (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293; 23.03.2017, Ra 2016/21/0349).

Zum Zeitpunkt der bekämpften Entscheidung lag - im Gegensatz zur Gegenwart - noch keine rechtskräftige Feststellung im Sinn des § 54 Abs. 7 NAG vor. Daher wäre damals die vom BFA vorgenommene amtswegige Prüfung der Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 und § 57 AsylG 2005 schon von vornherein nicht in Betracht gekommen, weil die Bestimmungen des 7. Hauptstücks gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige gelten. Das BFA hätte gegen den Revisionswerber auch keine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot nach dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstücks des FPG erlassen dürfen, sondern auf ihn die aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen begünstigte Drittstaatsangehörige regelnden Bestimmungen des 4. Abschnitts des genannten Hauptstücks anzuwenden gehabt (VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349).

Da die nach dem NAG zuständige Behörde zwischenzeitlich rechtskräftig den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG gemäß § 54 Abs. 7 NAG wegen Vorliegens einer Aufenthaltsehe zurückgewiesen und festgestellt hat, dass der Beschwerdeführer nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt, hat sich der Sachverhalt insofern geändert.

Das Gericht hat bei seiner Entscheidung grundsätzlich von der aktuell gegeben Sach- und Rechtslage auszugehen, sodass nunmehr das genannten 7. Hauptstücks anwendbar ist.

3.1 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, Rückkehrentscheidung und Abschiebung (Spruchpunkt I)

3.1.1 Nichterteilung eines Aufenthaltstitels

In der Beschwerde wird vorgebracht, dem Beschwerdeführer wäre wegen der Dauer seines Aufenthalts ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Nach § 55 AsylG 2005 ist Drittstaatsangehörigen eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn das gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, unter weiteren Voraussetzungen stattdessen eine "Aufenthaltsberechtigung plus".

Wie sogleich gezeigt wird, bestehen betreffend die erlassene Rückkehrentscheidung keine Hindernisse, die sich aus den Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG ergeben würden. Demgemäß liegt die Voraussetzung der Notwendigkeit im Sinn des Art. 8 EMRK nicht vor.

3.1.2 Rückkehrentscheidung

Nach § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn sich ein Drittstaats-angehöriger nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen, da der Beschwerdeführer kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht genießt, und die Befristungen seines Visums und seiner Aufenthaltstitel abgelaufen sind (§ 31 Abs. 1 Z. 1 f FPG).

Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Eine individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt, dass ein Eingriff in das Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.

Die zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Gattin geschlossene Ehe ist eine Aufenthaltsehe. Das BFA hat zu Recht keinen Anlass gesehen, Nachforschungen über eventuelle private oder familiäre Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers im Schengen-Raum anzustellen, weil dafür keinerlei Hinweis vorlag. Im BFA- und im Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer das Vorhandensein eines Kindes nämlich im Gegensatz zum Strafverfahren nicht einmal behauptet.

Der Beschwerdeführer verfügt über kein Familienleben in Österreich, auch wenn wie angegeben seine zwei hier lebenden Cousins bei der "Hochzeitsfeier" anwesend gewesen sein sollten. Da diese bei ihren Familien leben, besteht zum Beschwerdeführer in keiner Richtung ein Abhängigkeitsverhältnis. Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in sein Privatleben.

Der gut fünfjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers ist nicht auf den Behörden zurechenbare überlange Verzögerungen zurückzuführen. Er gründete sich auf ein Touristenvisum und anschließend auf Aufenthaltstitel mit einem Ausbildungszweck, der sich letztlich als Vorwand oder zumindest nicht erreichbar erwies. Der Beschwerdeführer spricht nach dem mehrjährigen angeblichen Studium immer noch kaum Deutsch, selbst nach eigenen Angaben erst auf A2-Niveau, was - entgegen seinen Ausführungen - nicht auf seine Zuckerkrankheit zurückgeführt werden kann. Von einer sprachlichen Integration kann demnach nicht die Rede sein.

Die letzten Jahre setzte der Berufungswerber, um seinen Aufenthalt zu legalisieren, vergeblich auf eine Aufenthaltsehe, womit er gegen die öffentliche Ordnung im Bereich des Fremdenpolizeirechts verstieß und sich auch gerichtlich strafbar machte. Sein Aufenthalt ist nach den Feststellungen der NAG-Behörde im Ergebnis als rechtswidrig zu betrachten.

Wenn er zudem für mehrere hundert Euro monatlich unangemeldet arbeitet, dann zeigt auch das - entgegen seinem Berufungsvorbringen -, dass er nicht gewillt ist, sich an österreichische Gesetze zu halten. Diesem Teil seines Privatlebens fehlt zugleich die Schutzwürdigkeit.

Es liegen auch keine Hinweise vor, dass er in Österreich einen maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde, dies insbesondere, da er darüber hinaus keinerlei Vereins- und sonstige Mitgliedschaften oder andere Integrationsschritte vorgebracht hat, abgesehen von "vielen Freundschaften".

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihnen das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- oder Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch seine faktische Einreise und einen unzulässigen Asylantrag erzwungen hat und nun in der Strafhaft fortsetzt. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.

Im Fall des Beschwerdeführers kommt neben dem mangelnden Vorweis von Integrations-schritten in Österreich hinzu, dass er durch die begangene Straftat ein Verhalten gesetzt hat, das keine Achtung der rechtlich in Österreich - und insgesamt in der Union - geschützten Werte zeigt.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.1.3 Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt II):

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig betont die Rechtsprechung des VwGH jedoch unter Hinweis auf jene des EGMR, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Nach den Feststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

Zur Feststellung, dass eine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist, ist ausführen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Das gilt auch, wenn eine Unterstützung durch eventuelle Angehörige ausbleiben sollte. Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund und daher erwerbsfähig, weshalb er in Ägypten zweifelsfrei die Möglichkeit hat, am Arbeitsmarkt fündig zu werden.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann, genügt nicht für die Annahme, er würde in Ägypten keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände. Bedenken betreffend die Behandlung seiner Zuckerkrankheit hat der Beschwerdeführer weder zum Ausdruck gebracht, noch würden solche für sich allein ein Hindernis bilden, das fallbezogen gegen eine Rückkehr in konkret den Herkunftsstaat Ägypten spräche, weder der Schwere der Krankheit nach, noch nach der daraus folgenden Relevanz aus EMRK-Perspektive.

Zudem besteht in Ägypten keine so extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre. Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Ägypten das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Es ist dem Beschwerdeführer auch unbenommen, allenfalls Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden. Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der letzte Satz des Spruchpunktes I des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

Demnach war die Beschwerde betreffend den Spruchpunkt I abzuweisen.

3.2 Zum Einreiseverbot(Spruchpunkt II):

Das BFA hat das Einreiseverbot auf § 53 Abs. 3 Z. 8 FPG gestützt, wonach ein solches für bis zu zehn Jahre zu erlassen ist, wenn die Annahmen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, durch die Tatsache gerechtfertigt ist, dass der betreffende Fremde "öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt".

Wie die Begründung des angefochtenen Bescheids zeigt (S. 9, AS 92), handelt es sich um einen Schreib- oder Diktierfehler, da in Wirklichkeit nicht Abs. 3 Z. 8 gemeint war, sondern Abs. 2. Z. 8 des § 53 FPG, wonach ein Einreiseverbot für bis zu fünf Jahre verhängt werden kann, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Abs. 2). Dies ist insbesondere dann anzunehmen (Z. 8), wenn der Fremde "eine Ehe geschlossen [...] und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts [...] oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe [...] berufen, aber mit dem Ehegatten [...] ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat".

Nach den Feststellungen ist dieser Tatbestand erfüllt. Darüber hinaus ist auch jener des § 53 Abs. 3 Z. 4 FPG erfüllt, da es sich bei der Aufenthaltsehe um eine gerichtlich strafbare Handlung nach dem FPG handelt, sodass sich für das Einreiseverbot sogar ein Zeitrahmen von bis zu zehn Jahren oder unbefristet als vorgesehen erweist, da die Verurteilung des Beschwerdeführers als Tatsache zu gelten hat, welche die Annahme rechtfertigt, dass dessen Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit bildet.

Im vorliegenden Beschwerdefall sind jedoch keine Umstände zutage getreten, die dem Gericht eine Änderung der Befristung von drei Jahren nahelegen würden. Sie lässt es diesem auch offen, nach fristgerechter Ausreise im Fall geänderter (Privat- oder Familien-) Verhältnisse in absehbarer Zeit das BFA wegen einer zeitigeren Wiedereinreise zu befassen (§ 60 Abs. 2 FPG).

Die Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) steht weder der Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels durch einen Mitgliedstaat entgegen, noch muss sie unter allen Umständen aufrechterhalten werden (VwGH 13.09.2012, 2011/23/0413). Der Betroffene kann sich auf die Rechtswirkungen, die sich aus dem gegebenen Falls vom ausschreibenden Vertragsstaat einzuleitenden Konsultationsverfahren ergeben, sowie auf die sich daraus ergebenden Verpflichtungen berufen (EuGH 16.01. 2018, C-240/17, E).

Nach all dem war die Beschwerde auch betreffend diesen Spruchpunkt II abzuweisen, der allerdings auf die Anführung der zutreffenden Vorschriften des FPG zu korrigieren war.

3.3 Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III):

Insoweit mit dem angefochtenen Bescheid der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, erübrigt es sich, über die Rechtmäßigkeit dieses Spruchpunkts abzusprechen, zumal dieses Gericht mit Beschluss vom 06.03.2017 der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat.

Auf Grund der der Beschwerde somit zukommenden aufschiebenden Wirkung war aber gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft festzulegen, weil keine Hinweise auf besondere Umstände vorliegen, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, und daher auch keine auf solche, welche die Gründe der Rückkehrentscheidung überwögen.

3.4 Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Dem hat dieses Gericht mit dem Beschluss vom 06.03.2017 - wie gesetzlich angeordnet: von Amts wegen - Rechnung getragen, als weder die Rechtskraft der Verurteilung des Beschuldigten wegen der Aufenthaltsehe bekannt war, noch die Feststellung, dass er nicht unter das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht fällt.

Ein Antragsrecht, das auf die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gerichtet wäre, ist nicht vorgesehen. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erweist sich damit als unzulässig, weshalb er mit Beschluss zurückzuweisen wäre, würde er nicht mit der Erlassung der vorliegenden inhaltlichen Entscheidung ohnehin gegenstandslos, die den Spruchteil III austauscht.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage der Rückkehrentscheidung und der Einreiseverbote betreffend straffällige Drittstaatsangehörige, auch nicht mit Inlandsanknüpfungen im Privat- oder Familienleben.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.

Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass die jüngst eingelangten Rechtsmittelentscheidungen der NAG-Behörde und des Berufungsgerichts im Strafverfahren den Sachverhalt bestätigen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.

Zwar kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu (VwGH 23.03.2017, 2016/21/0349), und das auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände. Daraus ist aber keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen positiven persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422), wobei im vorliegenden Fall kein solcher Antrag gestellt wurde.

Das Gericht musste sich keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen solchen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist. Angesichts des fast völligen Fehlens familiärer Anknüpfungspunkte - zwei Cousins im Inland - kann auch bei einem (vom Beschwerdeführer nicht mit Beweisanträgen unterstützten) Nachweis der behaupteten vielen Freundschaften kein anderes Ergebnis im Beschwerdeverfahren erzielt werden.

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Schlagworte

Aufenthaltsehe, Einreiseverbot, Gefährdungsprognose,
Interessenabwägung, öffentliche Ordnung, öffentliches Interesse,
Rückkehrentscheidung, strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I419.2148657.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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