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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AuslBG §26 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr, den Hofrat Dr. Doblinger sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. Juni 2017, Zl. VGW-041/025/4390/2017-18, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: E K, vertreten durch Mag. Johannes Schmidt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 8/1/1-3; vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die Strafhöhe wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis des Magistrats Wien vom 6. Februar 2017 wurde der Mitbeteiligte als unbeschränkt haftender Gesellschafter und zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer in der Gastronomie tätigen KG schuldig erkannt, er habe es zu verantworten, dass diese KG als Arbeitgeberin entgegen § 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ES (mazedonischer Staatsangehöriger) am 25. Februar 2015, JD (bosnischherzegowinische Staatsangehörige) vom 14. August 2014 bis 20. März 2015 geringfügig als Arbeiterin, FM (bosnischherzegowinische Staatsangehörige) vom 26. August 2014 bis 9. November 2014 geringfügig als Arbeiterin und GS (kroatische Staatsangehörige) vom 5. September 2013 bis zumindest 21. April 2015 als Arbeiterin beschäftigt habe, obwohl für diese keine arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen vorgelegen seien. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG verletzt und über ihn wurden gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 dritter Strafsatz AuslBG vier Geldstrafen von jeweils EUR 5.400,-- und jeweils Ersatzfreiheitsstrafen von vier Tagen und 12 Stunden verhängt.
2 Dagegen erhob der Mitbeteiligte die letztlich in der Verhandlung auf die Strafhöhe eingeschränkte Beschwerde, in welcher er ausführte, dass ES sein Onkel sei und in keinem Beschäftigungsverhältnis zu ihm gestanden sei. Bezüglich JD und FM handle es sich um Studentinnen, die bereits beim Vorgänger beschäftigt gewesen seien und die im Rahmen einer Betriebsübernahme vom Mitbeteiligten übernommen worden seien. Noch vor Arbeitsantritt der beiden Arbeitnehmerinnen habe sich der Mitbeteiligte beim Steuerberater des Vorgängers erkundigt, ob mit deren Beschäftigung alles in Ordnung gewesen wäre, was dieser bejaht habe. Aus diesem Grund habe er daraufhin die sozialversicherungsrechtliche Anmeldung der beiden Arbeitnehmerinnen vorgenommen und es treffe ihn insoweit kein Verschulden, da er sich auf die Angaben des Steuerberaters verlassen habe. GS sei als kroatische Staatsbürgerin Unionsbürgerin und genieße aus diesem Grund Arbeitnehmerfreizügigkeit und es seien die Bestimmungen des AuslBG deshalb nicht anzuwenden. Der Mitbeteiligte beantragte, das angefochtene Straferkenntnis wegen Rechtswidrigkeit ersatzlos aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, in eventu abzuändern, dass von der verhängten Geldstrafe unter Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG bei bescheidmäßiger Ermahnung abgesehen werde.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (nach Einstellung des Strafverfahrens hinsichtlich ES) den weiteren Spruchpunkten Folge, als die drei verhängten Geldstrafen von jeweils EUR 5.400,-- in Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 20 VStG auf jeweils EUR 1.000,-- herabgesetzt wurden. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
4 Das Verwaltungsgericht Wien begründete das angefochtene Erkenntnis damit, dass den Milderungsgründen, nämlich der Anmeldung aller drei hier gegenständlichen Beschäftigten zur Sozialversicherung, der Mitwirkung des Mitbeteiligten an der Feststellung des Sachverhalts und die schlussendlich gezeigte Einsicht verbunden mit dem reumütigen Geständnis des Mitbeteiligten den Erschwerungsgründen des langen Beschäftigungszeitraums und der einschlägigen Vorbestrafung gegenübergestanden seien. Es sei von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe auszugehen, zugunsten des Mitbeteiligten sei auch zu berücksichtigen, dass zwei der drei Ausländerinnen zur angelasteten Zeit nur geringfügig beschäftigt gewesen seien. Wenngleich eine Anmeldung zur Sozialversicherung erfolgt sei, sei jedoch hinsichtlich der Intensität der Beeinträchtigung des durch das AuslBG geschützten Rechtsgutes zu berücksichtigen, dass diese Intensität nicht gänzlich unerheblich gewesen sei, weil der Staat ein berechtigtes Interesse habe, die Beschäftigung von Ausländern vor einer Bewilligung zu prüfen, selbst wenn eine Anmeldung zur Sozialversicherung erfolgt sei. Das Verschulden könne nicht als bloß geringfügig erachtet werden, da es nicht ausreiche, sich hinsichtlich der Einhaltung des AuslBG auf andere Personen, wie etwa einen Steuerberater, zu verlassen.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Das Verwaltungsgericht Wien hat die Akten vorgelegt. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Abweisung der Revision.
6 Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG macht der revisionswerbende Bundesminister in seiner außerordentlichen Revision im Wesentlichen geltend, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung der Strafe nach § 20 VStG seien nicht vorgelegen. Die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Milderungsgründe seien tatsächlich nicht vorliegend bzw. unsubstanziiert und wären nicht mit Fakten hinterlegt angeführt worden. Es hätte das erhebliche Überwiegen der Milderungsgründe nachvollziehbarerweise dartun und in die Begründung aufnehmen müssen. Dies sei nicht geschehen. Es komme nicht auf die Zahl der gegebenen Milderungs- und Erschwerungsgründe an, sondern ausschließlich auf deren Bedeutung im Rahmen des konkret gegebenen Sachverhalts. Ausgehend davon wäre es zu keiner Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 20 VStG gekommen, so dass das angefochtene Erkenntnis von der ständigen Rechtsprechung abweiche.
7 Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs. 1). Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (Abs. 2 leg. cit.).
8 Nach dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen § 20 VStG kann dann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist, die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.
9 Die Anwendung des § 20 VStG (außerordentliche Milderung der Strafe) setzt voraus, dass die vorliegenden Milderungsgründe - und zwar nicht der Zahl nach, sondern - dem Gewicht nach die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen (vgl. VwGH 27.3.2015, Ra 2015/02/0009, 16.10.2001, 99/09/0058). Dass diese Voraussetzung zutrifft, hat das Verwaltungsgericht in nachvollziehbarer Weise darzutun. Das Verwaltungsgericht ist verpflichtet, in der Begründung seines Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG die für die Überprüfung der Ermessensübung maßgeblichen Gründe insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich sein kann (vgl. VwGH 28.6.2017, Ra 2017/09/0016, mwN). Dazu ist es erforderlich, die im konkreten Fall nach Meinung des Gerichts jeweils zum Tragen kommenden Milderungsgründe und Erschwerungsgründe einander gegenüberzustellen und darzulegen, dass und weshalb das Gewicht der Milderungsgründe jenes der Erschwerungsgründe "beträchtlich überwiegt" (vgl. VwGH 23.5.2013, 2011/09/0048).
10 Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe vertretbar erscheint (VwGH 25.1.2018, Ra 2016/06/0025, mwN).
11 Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles eine außerordentliche Milderung der Strafe nach § 20 VStG gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. VwGH 12.1.2018, Ra 2017/08/0043; 29.7.2015, Ra 2015/07/0096).
12 Indem die Revision aufzeigt, dass das Verwaltungsgericht von der zur Anwendung dieser Bestimmungen ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.3.2015, Ra 2015/02/0009) abgewichen ist, erweist sich die Revision als zulässig und berechtigt.
13 Der hier anzuwendende zweite Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG sieht im Falle der unberechtigten Beschäftigung von bis zu drei Ausländern im Wiederholungsfall einen Strafrahmen von EUR 2.000,-- bis EUR 20.000,-- vor.
14 Das Verwaltungsgericht hat als Milderungsgründe einerseits die Anmeldung aller drei hier gegenständlichen Beschäftigten zur Sozialversicherung, andererseits die Mitwirkung des Mitbeteiligten an der Feststellung des Sachverhalts und eines reumütigen Geständnisses den Erschwerungsgründen des langen Beschäftigungszeitraumes und der einschlägigen Vorbestrafung gegenübergestellt. Davon ausgehend kam das Verwaltungsgericht zu einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe.
15 Zum vom Verwaltungsgericht angenommenen Milderungsgrund des § 34 Abs. 1 Z 17 StGB (Ablegung eines reumütigen Geständnisses) übersieht das Verwaltungsgericht, dass der Mitbeteiligte auf frischer Tat betreten wurde. Damit käme einem vor dem Gericht abgegebenen Geständnis des Mitbeteiligten keine Bedeutung zu (vgl. VwGH 27.3.2015, Ra 2015/02/0009). Abgesehen davon kann aus dem Verhandlungsprotokoll auch kein Geständnis abgeleitet werden. Ein reumütiges Geständnis umfasst neben dem Zugeben der gegen den Täter erhobenen und in der Verurteilung für richtig befundenen Anschuldigung zumindest in ihren wesentlichen Punkten, auch ein diesbezügliches Schuldbekenntnis, verbunden mit einer nicht bloß intellektuellen, sondern gesinnungsmäßigen Missbilligung der Tat (vgl. VwGH 20.2.2014, 2013/09/0046; 18.12.2000, 98/10/0313). Der Mitbeteiligte hat noch in seiner Aussage vor dem Verwaltungsgericht kaum Schuldeinsicht gezeigt. Lediglich im Schlusswort äußerte der Mitbeteiligte sein Bedauern über den angelasteten Vorfall und gab an, in Zukunft selbst Erkundigungen (zur Rechtslage) einzuholen. Dies wird den Anforderungen an ein Geständnis daher nicht gerecht.
16 Auch die vom Verwaltungsgericht herangezogene Mitwirkung des Mitbeteiligten als Milderungsgrund überzeugt nicht.
17 Die Revision verweist zutreffend darauf, dass in § 26 Abs. 1 AuslBG eine Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers normiert ist, wonach dieser verpflichtet ist, den Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice sowie den Trägern der Krankenversicherung und den Abgabenbehörden auf deren Verlangen Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer bekanntzugeben. Die Arbeitgeber und Ausländer sind verpflichtet, den vorerwähnten Behörden und Trägern der Krankenversicherung sowie dem Bundesverwaltungsgericht die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes notwendigen Auskünfte zu erteilen und in die erforderlichen Unterlagen Einsicht zu gewähren. Die Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass bei ihrer Abwesenheit von der Betriebsstätte oder Arbeitsstelle eine dort anwesende Person den genannten Behörden und Rechtsträgern die erforderlichen Auskünfte erteilt und Einsicht in die erforderlichen Unterlagen gewährt.
18 Dies erhellt, dass die vom Verwaltungsgericht ohne nähere Feststellungen abgeleitete Mitwirkung ("...hat schon anlässlich der Kontrolle durch die Finanzpolizei mitgewirkt, hat im Zuge des Verfahrens Unterlagen vorgelegt und ist den Ladungen sowohl seitens der Verwaltungsbehörde als auch des Verwaltungsgerichtes bereitwillig gefolgt ...") den Umfang der in § 26 Abs. 1 AuslBG geregelten Verpflichtung des Mitbeteiligten nicht übersteigt und den Milderungsgrund der Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhalts im Sinn des § 34 Abs. 1 Z 17 StGB nicht verwirklicht.
19 Das Verwaltungsgericht wertet demgegenüber eine einschlägige Vorbestrafung als erschwerend. Dabei hat das Verwaltungsgericht jegliche Feststellungen dazu unterlassen, um welche Vorbestrafung es sich dabei handelt. Dies ist insofern relevant, weil zu prüfen sein wird, ob das Verwaltungsgericht - so wie es der Mitbeteiligte in seiner Revisionsbeantwortung anspricht - bei einer allfälligen Einbeziehung eines strafsatzqualifizierenden Tatbestandsmerkmals gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen könnte (vgl. dazu VwGH 21.3.1995, 94/09/0163). Mangels entsprechender Darstellung in den Feststellungen, um welche Vorbestrafung es sich tatsächlich gehandelt hat, ist derzeit eine abschließende Beurteilung nicht möglich. Bereits an dieser Stelle sei erwähnt, dass bereits getilgte Verwaltungsstrafen bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt werden dürfen (§ 55 Abs. 2 VStG).
20 Letztlich steht dem Milderungsgrund der Anmeldung der Beschäftigten zur Sozialversicherung der Erschwerungsgrund der langen Beschäftigungsdauer in zwei Fällen gegenüber. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass auch das Verwaltungsgericht von einem nicht bloß geringfügigen Verschulden ausgeht.
21 Bei Gesamtbetrachtung dieser so wie der übrigen vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Umstände kann von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe jedenfalls nicht ausgegangen werden, sodass die Anwendung von § 20 VStG durch das Verwaltungsgericht zu Unrecht erfolgte, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 25. April 2018
Schlagworte
Erschwerende und mildernde UmständeErmessen VwRallg8Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017090044.L00Im RIS seit
25.05.2018Zuletzt aktualisiert am
29.06.2018