TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/9 99/07/0094

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2000
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §68 Abs4;
AVG §68 Abs7;
WRG 1959 §60;
WRG 1959 §72;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der G-Ges.m.b.H. & Co KG in A, vertreten durch Hager - Teuchtmann, Rechtsanwälte in Linz/Urfahr, Hauptstraße 33, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 3. Mai 1999, Zl. 14.604/02-I4/99, betreffend eine Wasserrechtsangelegenheit,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird hinsichtlich Punkt 1. des Antrages der Beschwerdeführerin vom 20. März 1995 zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Punktes 2. des Antrages der Beschwerdeführerin vom 20. März 1995 richtet, infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Wasserbuch des Bezirkes Linz-Land ist unter Postzahl 56 für die Wasserkraftanlage Aumühle in Freindorf Nr. 23 ein Wasserbenutzungsrecht mit folgender Erhaltungspflicht eingetragen:

"1. Laut Entschdg vom 4.2.1904, Zl: 1142, Punkt 4 hat der Besitzer alle durch die Anlage entstehenden Bauten zu erhalten, insbesondere auch die Räumung des Unterwassergrabens und der anschließenden Strecke des Strobels'schen O.W.-Grabens, so weit die Gefälleregulierung reicht, allein durchzuführen.

2. Laut Bescheid des Landeshauptmannes von Oberdonau vom 23.12.1939, Zl. Vc/WR-4538/1, ist die Firma für sich u. ihre Rechtsnachfolger verpflichtet, das Bachgerinne im Anschluss an die Lell-Dammeinlaufschleuse in Audorf, km 2.964 und an die Lell-Dammfeilbachschleuse in Freindorf in km 4.312 in ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten.

Die Erhaltung der neuen Lell-Wehranlage sowie die neue Flußstrecke 50 m aufwärts der Wehrkrone und 50 m abwärts des Rampenfußes obliegt der Fa. G.F. Lell KG."

Die Beschwerdeführerin ist Trägerin des vorgenannten Wasserbenutzungsrechtes.

Mit Eingabe vom 20. März 1995 erstattete die Beschwerdeführerin folgendes Vorbringen:

"Wir sind Wasserberechtigte am Audorf Freindorf-Mühlbach und haben dabei die Erhaltungspflicht bis zur Fischdorfer Brücke. Bis 1952 besaß die Fa. Lell Grundstreifen entlang des südlichen Ufers. In der Zwischenzeit ist das südliche Ufer im Stadtbereich Ansfelden und Linz verbaut, sodass wir unserer Erhaltungspflicht nicht nachkommen können.

Wir stellen daher die Anträge:

1. Die Erhaltungspflicht des Gewässers ab dem Grundstück 936, KG Wambach, bis zur Fischbacher Brücke möge von uns genommen werden.

2. Zur Gewährleistung der Erhaltungspflicht möge die Benützung der Grundstücke 935, KG Wambach, und 2753, KG Ansfelden, grundbücherlich zu unseren Gunsten sichergestellt werden."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des im Devolutionswege zuständig gewordenen Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 3. Mai 1999 wurde den Anträgen der Beschwerdeführerin "gemäß § 63 i.V.m. § 72 Abs. 1 WRG 1959 i.d.g.F. keine Folge gegeben". Gemäß § 63 lit. b WRG 1959 könne die Wasserrechtsbehörde unter den dort genannten Voraussetzungen die notwendigen Dienstbarkeiten einräumen oder entgegenstehende dingliche Rechte einschließlich Nutzungsrechte einschränken oder aufheben, damit die genehmigte Anlage mit den zu ihr gehörigen Werken und Vorrichtungen hergestellt, betrieben oder erhalten, sowie der Vorschreibung sonstiger Maßnahmen entsprochen werden könne. Dabei müsse der Begründung bzw. Inanspruchnahme des Zwangsrechtes gemäß § 60 Abs. 2 leg. cit. der effektive Versuch einer gütlichen Übereinkunft vorangehen. Des Weiteren werde die Zwangsrechtsentscheidung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit determiniert. Aus dem vorliegenden Antrag bzw. den Unterlagen gehe weder hervor, dass dem Antrag auf Einräumung des Zwangsrechtes ein gütlicher Einigungsversuch vorangegangen wäre, noch dass ein Zwangsrecht die einzige Alternative wäre. Unter den unter § 72 Abs. 1 WRG 1959 genannten Voraussetzungen seien nämlich die Grundstückseigentümer zur Duldung des Betretens und Benutzens ihrer Grundstücke verpflichtet; die Wasserberechtigten wiederum seien in gleicher Weise gehalten, eine vorübergehende Einschränkung oder Einstellung der Wasserbenutzung zu dulden. Diese Legalservitut ermögliche es dem Wasserberechtigten, auch ohne Einräumung eines Zwangsrechtes seiner Instandhaltungspflicht nachzukommen. Da somit das angestrebte Ziel (Räumung) auch auf andere Weise zu erreichen sei, sei auch aus diesem Grunde dem Antrag keine Folge zu geben. Die Erhaltungspflicht ergebe sich aus den eingangs zitierten Bewilligungsbescheiden und dem weiter bestehenden Wasserbenutzungsrecht. Eine Aufhebung dieser Verpflichtung wäre nur im Zusammenhang mit den Bewilligungsbescheiden (Löschung des Wasserrechtes) bzw. im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 21a WRG 1959 möglich. Darüber hinaus bestehe kein Anlass, die Erhaltungspflicht von der Wasserberechtigten zu nehmen, da diese für die Erhaltung des Gewässers erforderlich sei und sie auf Grund der Legalservitut des § 72 WRG 1959 berechtigt sei, zum Zwecke der Erhaltung des Gewässers auch fremde Grundstücke zu betreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Aufhebung der Verpflichtung zur Erhaltung des Unterwassergrabens des Freindorfer Mühlbaches auf dem Grundstück Nr. 936, KG Wambach, bis zur Fischdorfer Brücke und/oder in dem Recht auf Einräumung einer grundbücherlich sichergestellten Servitut zur Gewährleistung der Möglichkeit der Ausübung der Erhaltungsarbeiten, insbesondere auf den Grundstücken Nr. 935, KG Wambach, und 2753, KG Ansfelden, verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In ihrer Eingabe vom 20. März 1995 beantragte die Beschwerdeführerin zunächst, die ihr bescheidmäßig auferlegte "Erhaltungspflicht" des Gewässers ab dem Grundstück Nr. 936, KG Wambach, bis zur Fischdorfer Brücke "zu erlassen". Wie den Feststellungen im angefochtenen Bescheid und den Sachverhaltsdarstellungen der Beschwerde entnommen werden kann, ergibt sich diese "Erhaltungspflicht" aus den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheiden vom 4. Februar 1904 und vom 23. Dezember 1939.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Nach § 68 Abs. 7 AVG steht auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes niemandem ein Anspruch zu, wobei mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge nach § 35 zu ahnden sind.

Die Beschwerdeführerin hat demnach keinen Rechtsanspruch auf Abänderung der vorgenannten wasserrechtlichen Bewilligungsbescheide, weshalb ihr Antrag insoweit zurückzuweisen war (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. Februar 2000, Zl. 99/07/0192, uva). Zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, dass die in den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheiden enthaltene "Erhaltungspflicht des Gewässers" untrennbar mit der wasserrechtlichen Bewilligung verbunden ist. Durch die Abweisung dieses Antrages kann die Beschwerdeführerin in dem vom Beschwerdepunkt umfassten Recht nicht verletzt sein, weshalb die Beschwerde insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 4 leg. cit. gebildeten Senat zurückzuweisen war. Sollten - wie die Beschwerdeführerin behauptet - die wasserrechtlichen Bewilligungsbescheide aus den Jahren 1904 und 1939 tatsächlich "gegenstandslos" sein, bestünde auch die darin enthaltene "Erhaltungspflicht" für die Wasserbenutzungsberechtigte nicht mehr. Ob ein von der Beschwerdeführerin erwähnter wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 8. August 1958 diese wasserrechtlichen Bewilligungsbescheide von 1904 und 1939 insoweit abgeändert hat, dass die darin festgeschriebenen Erhaltungspflichten nicht mehr bestehen, bedarf keiner weiteren Erörterung, weil bei Zutreffen dieser Behauptung der Punkt 1. des Antrages der Beschwerdeführerin überflüssig und sinnlos wäre.

Mit Punkt 2. ihres Antrages vom 20. März 1995 begehrte die Beschwerdeführerin "zur Gewährleistung der Erhaltungspflicht" die Einräumung eines entsprechenden Benützungsrechtes auf näher bezeichneten Grundstücken Dritter. Die belangte Behörde hat diesen Antrag zunächst mit der Begründung abgewiesen, dass der Einräumung eines Zwangsrechtes nach § 63 WRG 1959 der effektive Versuch einer "gütlichen Übereinkunft" gemäß § 60 Abs. 2 leg. cit. vorangehen müsse.

Gemäß § 60 Abs. 2 WRG 1959 sind zwar Zwangsrechte im Sinne des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle nur dann zulässig, wenn eine gütliche Übereinkunft zwischen den Beteiligten nicht erzielt werden kann. Dies bedeutet aber nicht, dass für die Zulässigkeit eines Antrages auf Einräumung eines Zwangsrechtes im Sinne des § 63 WRG 1959 der Versuch einer gütlichen Übereinkunft Voraussetzung wäre. Eine gütliche Übereinkunft zwischen den Beteiligten ist vielmehr gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 im Zuge des wasserrechtlichen Verfahrens und sohin bis zur Erlassung des mit dem Übereinkommen im notwendigen Zusammenhang stehenden Bescheides möglich.

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid aus, die beantragte Einräumung eines Zwangsrechtes (Benützung fremder Grundstücke zur Erfüllung der bescheidmäßig festgesetzten Erhaltungspflicht) wäre deshalb nicht erforderlich, weil das angestrebte Ziel (Räumung) auch auf andere Weise erreicht werden könnte.

Zutreffend geht die belangte Behörde in diesem Zusammenhang davon aus, dass ein Zwangsrecht nach § 60 WRG 1959 zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Zieles geeignet (adäquat) sein muss, nach Art und Umfang nicht unverhältnismäßig sein darf und das angestrebte Ziel nicht durch andere - gelindere - Maßnahmen bzw. Rechte zu erreichen ist (vgl. hiezu Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, Rz 7 zu § 60 WRG 1959, und die dort referierte hg. Rechtsprechung). Insbesonders scheidet die Einräumung eines Zwangsrechtes für die im § 72 leg. cit. genannten gesetzlichen Verpflichtungen aus.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Antrag vom 20. März 1995 darauf hingewiesen, dass sie ihren in den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheiden näher festgelegten und aus dem Wasserbuch ersichtlichen Erhaltungspflichten auf Grund der geänderten tatsächlichen Verhältnisse (Verbauung) nicht mehr nachkommen könne. Im angefochtenen Bescheid fehlen nun Begründungsdarlegungen, auf Grund welcher Beweisergebnisse die belangte Behörde zu der in der rechtlichen Beurteilung enthaltenen Feststellung gelangt ist, die in den hier maßgeblichen wasserrechtlichen Bewilligungsbescheiden enthaltene Erhaltungspflicht des Wasserbenutzungsberechtigten könne im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Duldungspflichten Dritter gemäß § 72 WRG 1959 durchgesetzt werden und es bedürfe hiezu keiner Begründung von Zwangsrechten gemäß § 63 WRG 1959. Dieser Verfahrensmangel wurde von der Beschwerdeführerin ausdrücklich gerügt. Auch mit den Ausführungen in der Gegenschrift vermag die belangte Behörde nicht nachvollziehbar nachzuweisen, dass von der beantragten Zwangsrechtseinräumung im Hinblick auf die Regelung des § 72 WRG 1959 Abstand genommen werden könne.

Auf Grund dieses das Ergebnis des angefochtenen Bescheides beeinflussenden, somit entscheidungserheblichen Begründungsmangels belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Punktes 1. des Antrages der Beschwerdeführerin vom 20. März 1995 mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Insoweit war daher der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Im Übrigen war jedoch die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 und 3 VwGG Abstand genommen werden. Wien, am 9. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999070094.X00

Im RIS seit

12.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten