Entscheidungsdatum
05.02.2018Index
L92005 Sozialhilfe Mindestsicherung Grundsicherung SalzburgNorm
MSG Slbg 2010 §10Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch die Richterin Mag. Dr. Astrid Hutter über die Beschwerde von AB AA, AD 14 Top 7, 5020 Salzburg, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg, belangte Behörde, vom 23.01.2017, Zahl 3/01-BMS/AC101/2-2017,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 4 Salzburger Mindestsicherungsgesetz wird der Beschwerde mit der Maßgabe stattgegeben, dass der Beschwerdeführerin für den Bedarfsmonat Februar 2017 eine Leistung aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gemäß § 10 Salzburger Mindestsicherungsgesetz in der Höhe von € 72,75 zuerkannt wird.
II. Gegen diese Entscheidung ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 23.01.2017, Zahl 3/01-BMS/AC101/2-2017, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Bedarfsorientierter Mindestsicherung für den Bedarfsmonat Februar 2017 abgewiesen.
In der Begründung heißt es dazu, dass die Beschwerdeführerin als deutsche Staatsbürgerin die Voraussetzungen für die Gewährung von Bedarfsorientierter Mindestsicherung nach § 4 MSG nicht erfüllen könne. Die Beschwerdeführerin habe zurzeit kein Dienstverhältnis, das letzte Dienstverhältnis habe bei der Firma AE Gebäudereinigung GesmbH & Co KG nur vier Tage gedauert. Somit erfülle die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate nicht. Auch würden keine Umstände nach § 51 Abs 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) vorliegen, die ausnahmsweise zu einem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht führen können. Für die Beschwerdeführerin sei eine Bescheinigung des Daueraufenthaltes ausgestellt worden. Diese habe jedoch nur deklaratorischen Charakter und könne von ihr kein Recht abgeleitet werden. Auch die Voraussetzungen nach § 53a NAG erfülle die Beschwerdeführerin nicht, da sie sich nicht fünf Jahre rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten habe. Folglich sei der Antrag auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung abzuweisen.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 27.01.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben. Hinsichtlich der Begründung bezieht sich die Beschwerdeführerin auf die Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 21.01.2016, Zahlen 405-9/214/24-2016, 405-9/215/24-2016, vom 21.04.2016, Zahl 405-9/268/13-2016, vom 11.05.2016, Zahl 405-9/28/1/6-2016, und vom 22.09.2016, Zahlen 405-9/85/1/7-2016, 405-9/100/1/7-2016, sowie auf die Revisionsbeantwortungen. Es werde beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, als Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zuerkannt werden.
Am 22.06.2017 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg statt, an der die Beschwerdeführerin persönlich, als Vertrauensperson Frau AF AG vom Frauentreffpunkt sowie für den Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg Frau AI AJ und Frau AK AL erschienen sind. Die Parteien wurden gehört und die Akten verlesen. Aufgrund der gleichartigen Sachverhalte wurde eine gemeinsame Verhandlung hinsichtlich der Verfahrensakten zu den Zahlen 405-9/137-2016, 405-9/151-2016, 405-9/204-2016, 405-9/205-2017, 405-9/279-2017 sowie 405-9/281-2017 durchgeführt.
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist am AC geboren und deutsche Staatsbürgerin. Am 02.08.2006 ist sie nach Österreich gezogen und lebt seitdem gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem türkischen Staatsangehörigen AM AN, geboren am yy, in der Stadt Salzburg. Bis zum 03.04.2017 waren die Beschwerdeführerin und ihr Lebensgefährte in der AO, 5020 Salzburg, mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seit 03.04.2017 bewohnen sie eine Wohnung in der AD 14 Top 7 in 5020 Salzburg.
Die Wohnungsmiete belief sich auf monatlich € 400,00, zuzüglich Betriebskosten in der Höhe von € 224,00. Die Wohnbeihilfe wurde in einer Höhe von monatlich € 242,76 zuerkannt. In den Betriebskosten enthalten sind € 41,68 Heizkosten, € 20,27 Warmwasserkosten sowie sonstige Wohnkosten in der Höhe von € 33,07.
Der Beschwerdeführerin wurde am 30.07.2007 eine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG mit dem Vermerk "Arbeiterin (§ 51 Z 1 NAG)" und am 09.03.2015 eine Bescheinigung des Daueraufenthaltes gemäß § 53a NAG mit dem Vermerk „Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt gemäß § 53a Abs 1 NAG“ vom zuständigen Amt der belangten Behörde ausgestellt.
Es wurde kein Verfahren über eine mögliche Aufenthaltsbeendigung nach § 55 NAG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingeleitet.
Beginnend mit 13.06.2008 ist die Bedarfsgemeinschaft durchgehend im Bezug von Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung. Dies ergibt sich zum einen aus den Ermessensleistungen gemäß § 4 Abs 4 MSG iVm der Mindestsicherungsverordnung-Fremde, LGBl Nr 28/2011, des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin, welcher über eine Niederlassungsbewilligung-Angehöriger gemäß § 47 Abs 3 NAG verfügt. Dem Lebensgefährten der Beschwerdeführerin wurden über diese Bestimmung Leistungen des Lebensunterhaltes und der aliquote Wohnkostenanteil gewährt.
Aus dem Versicherungsdatenauszug bzw der Versichertenauskunft der Beschwerdeführerin sind folgende Beschäftigungsverhältnisse ersichtlich:
06.07.2006 - 07.07.2006
AP Personaldienste GmbH
Kündigung DG
08.07.2006 - 30.07.2006 Lücke
31.07.2006 - 07.10.2006
AQ gesmbh
Kündigung DG
08.10.2006 - 20.10.2006
AQ gesmbh
Krankengeld
21.10.2006 - 22.10.2006 Lücke
23.10.2006 10.11.2006
Arbeitsuche
11.11.2006 - 20.12.2006 Lücke
21.12.2006 - 28.01.2007
Arbeitsuche
29.01.2007 - 20.05.2007
AR Personalservice GmbH
Kündigung DG
21.05.2007 - 25.05.2007
UA/UE AR Personalservice GmbH
25.05.2007 - 22.07.2007
Arbeitsuche
23.07.2007 - 31.07.2007
"AS" Personalmanagement GmbH
Sonstiger Grund (Kündigung DG in Probezeit)
01.08.2007 - 06.08.2007 Lücke
07.08.2007 - 17.08.2007
AT Austria
Beendigung durch DG
18.08.2007 - 18.08.2007
UA/UE AT Austria
19.08.2007 - 02.09.2007 Lücke
03.09.2007 - 12.09.2007
Arbeitsuche
13.09.2007 - 16.09.2007 Lücke
17.09.2007 - 14.10.2007
Arbeitsuche
15.10.2007 - 25.03.2008
AU GmbH
Kündigung DG
26.03.2008 - 02.04.2008
UA/UE AU GmbH
21.11.2008 - 24.11.2008
AE Gebäudedienste Ges.m.b.H.
Sonstiger Grund (Kündigung DG in Probezeit)
Es folgen in den darauffolgenden Jahren abwechselnde Phasen des Notstandshilfe- und Krankengeldbezuges. Mit Arbeitsbeginn am 13.03.2017 kann die Beschwerdeführerin wieder eine Beschäftigung bei der AV-gmbh erlangen.
Zu den besonderen Umständen dieser Beschäftigungsverhältnisse hat die Beschwerdeführerin angegeben, dass sie insbesondere bei der AR Personalservice GmbH & Co KG sowie beim AS Personalmanagement GmbH gesundheitlich sehr beeinträchtigt gewesen ist und die Tätigkeit für sie sehr belastend war. Dazu wurde ein Attest aus dem Jahr 2012 vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin wegen einer chronisch rezidivierenden Depression mit ausgeprägter Somatisierung bei Dr. AX AY in Behandlung gewesen ist. Weiters werden Migräne und Schmerzen im Bereich der Bandscheiben angeführt. Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 22.05.2013 wurde der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin mit 50% festgesetzt. In der Begründung wird dazu ein Sachverständigengutachten vom 20.04.2013 angeführt, woraus sich folgende Gesundheitsbeeinträchtigungen ergeben: chronifizierte mittelschwere Depression gemischt mit Angst, Somatisierungsstörung sowie Harnverlust unter Stresssituationen bei Blasen- und Darmsenkung, gutartige Gebärmuttertumore (Myome) sowie Gefäßkopfschmerz, Spannungskopfschmerz sowie schmerzhaftes Wirbelsäulenleiden im Bereich der Lendenwirbelsäule (Lumbago). Zu ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung im Zusammenhang mit den bisherigen Beschäftigungsverhältnissen hat die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht ausgeführt, dass sie bei der Firma AQ vom Dienstgeber gekündigt wurde, da sie starke Rückenprobleme, eine Allergie auf Reinigungsmittel und Migräne hatte. Später kamen dann auch noch Probleme mit der Schilddrüse hinzu, sie hatte darüber hinaus Beschwerden im gynäkologischen Bereich und immer wieder Schmerzen. Zum Beschäftigungsverhältnis bei der AR Personalservice GmbH & Co KG hat die Beschwerdeführerin angegeben, dass sie hier ebenfalls vom Dienstgeber gekündigt wurde. Zu diesem Arbeitsverhältnis hat die Beschwerdeführerin angegeben, dass sie hier schwere Lasten zu bewegen hatte und hier über den Tag verteilt große Gewichte zusammengekommen sind, die zu bewegen waren. Auch die Arbeitssituation generell war nach Angaben der Beschwerdeführerin sehr belastend durch fehlendes Tageslicht und geschlossene Räumlichkeiten. Aufgrund eines daraus resultierenden Krankenstands war die Beschwerdeführerin dann in weiterer Folge gekündigt worden. Zum Beschäftigungsverhältnis bei der AS Personalmanagement GmbH hat die Beschwerdeführerin konkret angegeben, dass sie hier stark unter Depressionen, Migräne und Schmerzen in der Muskulatur gelitten hatte, ebenfalls im Krankenstand gewesen ist und in weiterer Folge das Dienstverhältnis beendet worden ist. In der Versichertenauskunft der Beschwerdeführerin scheint auf, dass das Beschäftigungsverhältnis aus "sonstigen Gründen" beendet worden ist. Auf Nachfrage bei der Gebietskrankenkasse ist unter der Angabe "sonstige Gründe" zu verstehen, dass das Dienstverhältnis während der Probezeit gelöst worden ist. Nach dem Beschäftigungsverhältnis bei der AS Personalmanagement GmbH war die Beschwerdeführerin auf Arbeitsuche und hat schließlich bei AT Austria begonnen. Sie hatte sich damals nicht beim AMS gemeldet, sondern wollte selber eine neue Beschäftigung suchen. Zum damaligen Zeitpunkt war die Beschwerdeführerin gesundheitlich schon sehr angeschlagen, weswegen die Arbeitsverhältnisse auch nicht länger gedauert haben. Im Zeitraum 2006/2007 war es nach Angabe der Beschwerdeführerin schwierig, sich an neue Arbeitsverhältnisse anzupassen; dies zum einen hinsichtlich des Tempos, der Anfahrt und auch hinsichtlich der generellen Schwierigkeit, sich in neue Arbeit einzugewöhnen.
Im Versicherungsdatenauszug sind die gesundheitlichen Beschwerden der Beschwerdeführerin insbesondere ab April 2008 in einer Vielzahl von Krankenstandszeiten abgebildet.
02.04.2008
09.04.2008
Arbeitsuche
03.04.2008
09.04.2008
ALG
10.04.2008
02.05.2008
Krankengeld
03.05.2008
07.05.2008
ALG
08.05.2008
09.05.2008
Krankengeld
10.05.2008
15.05.2008
ALG
16.05.2008
16.05.2008
Krankengeld
17.05.2008
05.06.2008
ALG
19.05.2008
05.06.2008
Arbeitsuche
06.06.2008
06.06.2008
Krankengeld
07.06.2008
12.06.2008
ALG
07.06.2008
07.06.2008
Arbeitsuche
13.06.2008
24.08.2008
Krankengeld
11.07.2008
11.07.2008
Arbeitsuche
25.08.2008
12.11.2008
Arbeitsuche
25.08.2008
20.11.2008
ALG
25.11.2008
02.12.2008
ALG
29.11.2008
15.01.2009
Arbeitsuche
10.12.2008
15.01.2009
NH, ÜHG
15.01.2009
16.01.2009
Krankengeld
17.01.2009
24.01.2009
Lücke
25.01.2009
30.01.2009
Krankengeld
31.01.2009
06.02.2009
NH, ÜHG
31.01.2009
06.02.2009
Arbeitsuche
07.02.2009
27.02.2009
Krankengeld
28.02.2009
04.03.2009
NH, ÜHG
28.02.2009
04.03.2009
Arbeitsuche
05.03.2009
26.04.2009
Krankengeld
27.04.2009
17.06.2009
NH, ÜHG
27.04.2009
17.06.2009
Arbeitsuche
18.06.2009
06.09.2009
Krankengeld
07.09.2009
23.09.2009
NH, ÜHG
07.09.2009
23.09.2009
Arbeitsuche
24.09.2009
18.10.2009
Krankengeld
19.10.2009
19.11.2009
NH, ÜHG
19.10.2009
19.11.2009
Arbeitsuche
20.11.2009
03.01.2010
Krankengeld
04.01.2010
06.01.2010
Arbeitsuche
04.01.2010
25.02.2010
NH, ÜHG
12.01.2010
25.02.2010
Arbeitsuche
26.02.2010
14.05.2010
Krankengeld
15.05.2010
24.06.2010
NH, ÜHG
17.05.2010
24.06.2010
Arbeitsuche
25.06.2010
18.07.2010
Krankengeld
19.07.2010
25.08.2010
NH, ÜHG
19.07.2010
25.08.2010
Arbeitsuche
26.08.2010
29.08.2010
Krankengeld
30.08.2010
13.10.2010
NH, ÜHG
30.08.2010
13.10.2010
Arbeitsuche
14.10.2010
28.10.2010
Krankengeld
29.10.2010
13.11.2010
NH, ÜHG
29.10.2010
13.11.2010
Arbeitsuche
14.11.2010
29.11.2010
Krankengeld
30.11.2010
06.01.2011
NH, ÜHG
30.11.2010
06.01.2011
Arbeitsuche
07.01.2011
29.01.2011
Krankengeld
30.01.2011
13.02.2013
NH, ÜHG
31.01.2011
31.01.2011
Arbeitsuche
06.12.2012
13.02.2013
Arbeitsuche
14.02.2013
05.03.2013
Lücke
06.03.2013
12.4.2013
NH, ÜHG
06.03.2013
12.04.2013
Arbeitsuche
13.04.2013
02.05.2013
Lücke
03.05.2013
05.06.2014
Arbeitsuche
06.06.2014
10.06.2014
Lücke
11.06.2014
24.09.2014
NH, ÜHG
11.06.2014
24.09.2014
Arbeitsuche
25.09.2014
26.09.2014
Lücke
27.09.2014
30.09.2014
NH, ÜHG
27.09.2014
30.09.2014
Arbeitsuche
01.10.2014
30.11.2014
Sozialhilfe
01.10.2014
22.12.2014
Lücke
23.12.2014
22.04.2015
NH, ÜHG
23.12.2014
22.04.2015
Arbeitsuche
23.04.2015
23.04.2015
Lücke
24.04.2015
12.03.2017
NH, ÜHG
24.04.2015
12.03.2017
Arbeitsuche
13.03.2017
Arbeiterin
Die Beschwerdeführerin ist seit vielen Jahren im Bezug von monatlich im Nachhinein ausbezahlter Notstandshilfe. Im Bedarfszeitraum Februar 2017 hat sie Notstandshilfe in der Höhe von täglich € 17,93 erhalten, somit hatte die Beschwerdeführerin im entscheidungserheblichen Bedarfszeitraum Notstandshilfe in der Höhe von € 545,37 zur Verfügung.
Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen ergaben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus dem vor dem Landesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren, insbesondere der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 22.06.2017. Einschau wurde in den Versicherungsdatenauszug der Beschwerdeführeri