TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/9 99/07/0189

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Veröffentlicht am 09.03.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §37;
VwRallg;
WRG 1959 §21 Abs1;
WRG 1959 §21 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des W und der GR in H, vertreten durch Dr. Paul Friedl, Rechtsanwalt in Eibiswald 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 14. September 1999, Zl. 514.210/01-I 5/99, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einer Wasserrechtsangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz (BH) vom 23. September 1992 wurde den Beschwerdeführern gemäß den §§ 21 Abs. 1, 32 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a, 98, 107, 111 und 112 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer biologischen Kläranlage mit anschließender Einleitung biologisch gereinigten Abwassers in einen Vorflutgraben, befristet bis zum möglichen Anschluss an die Ortskanalisation, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2003, erteilt.

In der Begründung heißt es zur Befristung, mit einer Befristung der wasserrechtlichen Bewilligung bis zum möglichen Anschluss an die Ortskanalisation bzw. längstens bis zum 31. Dezember 2003 habe gemäß § 21 Abs. 1 WRG 1959 deshalb vorgegangen werden müssen, weil die wasserwirtschaftliche Entwicklung derzeit nicht verlässlich beurteilt werden könne und es sich erweisen könnte, dass durch die unbefristete Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung eine wesentliche Behinderung des Gemeingebrauches, eine Gefährdung der notwendigen Wasserversorgung oder der Landeskultur eintreten werde, was jedoch aus öffentlichen Rücksichten unbedingt zu vermeiden sei.

Mit Eingabe vom 25. Oktober 1998 - sie befindet sich nicht im Akt - beantragten die Beschwerdeführer bei der BH die Aufhebung der Befristung der ihnen erteilten wasserrechtlichen Bewilligung, und zwar in dem Punkt, dass die wasserrechtliche Bewilligung bis zum möglichen Anschluss an die Ortskanalisation befristet wurde.

Mit Schriftsatz vom 30. April 1999 beantragten die Beschwerdeführer beim Landeshauptmann von Steiermark (LH) den Übergang der Entscheidungspflicht hinsichtlich ihres Antrages vom 25. Oktober 1998. Zur Begründung führten sie aus, zum Zeitpunkt der Erlassung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides der BH vom 23. September 1992 sei noch nicht klar gewesen, dass einer im Pflichtanschlussbereich einer gemeindeeigenen Kanalisation stehenden Abwasserentsorgungsanlage allein unter Berufung auf die Anschlussverpflichtung die wasserrechtliche Genehmigung nicht versagt werden dürfe. Diese Klarstellung sei erst durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Februar 1994, 93/07/0031, erfolgt. Die Beschwerdeführer hätten daher entsprechend der damaligen Rechtslage gegen die im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid enthaltene Befristung kein Rechtsmittel erhoben. Da nunmehr die Gemeinde Hengstberg mit Bescheid vom 28. Mai 1998 die Kanalanschlussverpflichtung für das Anwesen der Beschwerdeführer ausgesprochen habe und damit auch in den Raum gestellt werde, dass für dieses Anwesen ein Anschluss an die Ortskanalisation möglich wäre, hätten die Beschwerdeführer bei der BH mit Antrag vom 25. Oktober 1998 die Aufhebung der Befristung der ihnen erteilten wasserrechtlichen Bewilligung beantragt, nämlich die Aufhebung in dem Punkt, dass die wasserrechtliche Bewilligung bis zum möglichen Anschluss an die Ortskanalisation befristet worden sei. Über diesen Antrag habe die BH bisher nicht entschieden.

Mit Bescheid vom 18. Juni 1999 wies der LH den Antrag der Beschwerdeführer "betreffend Aufhebung eines Befristung und Verlängerung einer wasserrechtlichen Bewilligung" als unzulässig zurück.

Begründet wurde diese Entscheidung damit, Befristungen seien Nebenbestimmungen eines Bescheides, welche mit der Bewilligung in untrennbarem Zusammenhang stünden. Anträge auf Abänderungen rechtskräftiger Bescheide seien unzulässig. Konsensfristen nach § 21 Abs. 1 WRG 1959 seien nicht verlängerbar (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1988, 85/07/0269). Ein Antrag auf Neu- oder Wiederverleihung des Wasserbenutzungsrechtes liege nicht vor.

Die Beschwerdeführer beriefen.

Sie machten geltend, da sie die Eingabe vom 25. Oktober 1998 betreffend die Aufhebung der Befristung nicht durch einen rechtskundigen Vertreter eingebracht hätten, sei die Wasserrechtsbehörde verpflichtet gewesen, ihnen die nötigen Anleitungen zu geben. Zumindest aber sei ihre Eingabe als Antrag auf Neu- bzw. Wiederverleihung der wasserrechtlichen Bewilligung anzusehen, weshalb der Antrag nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen. Überdies seien Befristungen "bis zum möglichen Anschluss an die Ortskanalisation" rechtlich gar nicht möglich. Selbst wenn daher der Antrag auf Aufhebung dieser Befristung nicht als Antrag auf Wieder- bzw. Neuerteilung des Wasserrechts zu werten gewesen wäre, hätte die Behörde erkennen müssen, dass die Befristung keine Rechtswirksamkeit entfalte.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 14. September 1999 wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründet wurde diese Entscheidung damit, die im § 13a AVG grundgelegte Manuduktionspflicht könne nicht soweit gehen, dass die Behörde bei einem klar formulierten Antrag, der auf eine an sich mögliche Behördenentscheidung gerichtet und nur durch die konkrete Gesetzesanordnung unmöglich sei, den "wahren Parteiwillen" zu erkunden und danach die Partei dahingehend anzuleiten habe, dass diese den konkreten Verfahrensschritt besser unterließe und stattdessen einen anderen Antrag stelle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführer bringen vor, sie hätten in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck gebracht, dass mit der von ihnen begehrten Aufhebung der Befristung bis zum möglichen Anschluss an die Ortskanalisation die Aufrechterhaltung der wasserrechtlichen Bewilligung angestrebt werde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 21 Abs. 1 WRG 1959 ist die Bewilligung zur Benutzung eines Gewässers nach Abwägung des Bedarfes des Bewerbers und des wasserwirtschaftlichen Interesses sowie der wasserwirtschaftlichen und technischen Entwicklung, gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf eine abgestufte Projektsverwirklichung, auf die nach dem Ergebnis der Abwägung jeweils längste vertretbare Zeitdauer zu befristen. Die Frist darf bei Wasserentnahmen für Bewässerungszwecke 10 Jahre, sonst 90 Jahre nicht überschreiten.

Nach § 21 Abs. 3 leg. cit. können Ansuchen um Wiederverleihung eines bereits ausgeübten Wasserbenutzungsrechtes frühestens fünf Jahre, spätestens 6 Monate vor Ablauf der Bewilligungsdauer gestellt werden. Wird das Ansuchen rechtzeitig gestellt, hat der bisher Berechtigte Anspruch auf Wiederverleihung des Rechtes, wenn öffentliche Interessen nicht im Wege stehen und die Wasserbenutzung unter Beachtung des Standes der Technik erfolgt. Der Ablauf der Bewilligungsdauer ist in diesem Fall bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Ansuchen um Wiederverleihung gehemmt; wird gegen die Abweisung eines Ansuchens um Wiederverleihung der Verwaltungsgerichtshof oder der Verfassungsgerichtshof angerufen, wird die Bewilligungsdauer bis zur Entscheidung dieses Gerichtes verlängert.

Eine Befristung im Sinne des § 21 Abs. 1 WRG 1959 kann durch Festsetzung eines kalendermäßig bestimmten Zeitpunktes, durch Bestimmung eines Zeitraumes, aber auch durch Hinweis auf irgendein Ereignis erfolgen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1996, 95/07/0232). Auch ein Ausspruch des Inhalts, dass eine wasserrechtliche Bewilligung befristet bis zum möglichen Anschluss an die Ortskanalisation erteilt wird, stellt daher eine Befristung im Sinne des § 21 Abs. 1 WRG 1959 dar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1997, 95/07/0036). Für solcherart befristete Wasserbenutzungsrechte gelten daher die Bestimmungen des § 21 Abs. 3 WRG 1959 über die Wiederverleihung.

Der Entscheidung der belangten Behörde liegt erkennbar die Auffassung zugrunde, dass der von den Beschwerdeführern gestellte Antrag auf Aufhebung der Befristung im Hinblick auf die mit ihm verbundenen Rechtsfolgen gänzlich anders zu bewerten sei als ein Antrag auf Wiederverleihung eines befristeten Wasserbenutzungsrechtes. Diese Auffassung wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt.

Mit dem Antrag auf Aufhebung der Befristung wollten die Beschwerdeführer erreichen, dass das Wasserbenutzungsrecht über den Befristungszeitraum hinaus aufrecht bleibt. Es wird damit dasselbe Ergebnis angestrebt wie mit einem sich streng formal an die Gesetzesterminologie haltenden Antrag auf Wiederverleihung des Wasserbenutzungsrechtes. Ein inhaltlicher Unterschied zwischen dem Antrag der Beschwerdeführer und einem "korrekten" Wiederverleihungsantrag ist nicht erkennbar. War aber die Intention der Beschwerdeführer eindeutig erkennbar, dann konnte eine nicht dem Gesetzeswortlaut entsprechende Wortwahl bei der Formulierung ihres Antrages nicht zur Zurückweisung desselben führen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1993, Slg. N.F. Nr. 13.941/A).

Die Erstbehörde hat sich für ihren gegenteiligen Standpunkt auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1988, 85/07/0269, berufen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine für die Benutzung eines Gewässers rechtskräftig bestimmte Zeitdauer im Allgemeinen überhaupt nicht erstreckt werden kann, sondern dass es vielmehr zur Festsetzung einer neuen zeitlichen Beschränkung (oder deren Aufhebung) einer eigenen wasserrechtlichen Bewilligung bedarf.

Aus diesem Erkenntnis ist für den Standpunkt der Erstbehörde und der belangten Behörde nichts zu gewinnen, da es keine Aussage zu der Frage enthält, wie ein Antrag auf Aufhebung (oder Verlängerung) eines befristeten Wasserbenutzungsrechtes zu behandeln ist. Das Erkenntnis besagt nur, dass eine Erstreckung einer Befristung nicht möglich ist. Dem zitierten Erkenntnis lag kein Fall zugrunde, in welchem eine Aufhebung oder Verlängerung der Befristung eines Wasserbenutzungsrechtes beantragt worden war; vielmehr handelte es sich um einen Fall, in welchem gemäß § 28 WRG 1959 von der Wasserrechtsbehörde festgestellt worden war, dass die beabsichtigte Wiederherstellung einer zerstörten Wasserkraftanlage dem früheren Zustand entspreche. Diese bescheidmäßige Feststellung behob der Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung, dass das in Rede stehende Wasserrecht schon vor Erlassung des Feststellungsbescheides infolge einer im Bewilligungsbescheid enthaltenen Befristung erloschen war. In diesem Zusammenhang ist die Aussage über die Unmöglichkeit einer Erstreckung der Befristung eines Wasserbenutzungsrechtes eingebettet. Über die Frage hingegen, wie ein Ansuchen um Verlängerung oder Aufhebung einer Befristung eines Wasserbenutzungsrechtes zu behandeln ist, findet sich in dem Erkenntnis nicht.

Gleiches gilt für das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1995, 94/07/0156. Darin wurde ausgesprochen, dass § 21 Abs. 1 WRG 1959 in der Fassung vor der WRG-Novelle 1990 die einem Bewilligungsbescheid beigesetzte Befristung einer Verlängerung entzog. Dieser Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in welchem es um das Erlöschen eines Wasserbenutzungsrechtes zur Versickerung von häuslichen Abwässern ging. Die Ausführungen über die mangelnde Verlängerbarkeit der Befristung dieses Wasserbenutzungsrechtes dienten dazu, darzutun, dass ein von den damaligen Beschwerdeführern gestellter Antrag auf Verlängerung nichts am Ablauf der Befristung zu ändern vermochte, weil § 21 WRG 1959 in der Fassung vor der Novelle 1990 für Abwasserbeseitigungsanlagen nicht die Möglichkeit vorsah, Ansuchen um Wiederverleihung bereits vor Ablauf der Befristung mit der Konsequenz zu stellen, dass der Ablauf der Bewilligungsdauer bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Ansuchen um Wiederverleihung gehemmt werde. Darüber, wie ein Antrag auf Verlängerung eines befristeten Wasserbenutzungsrechtes zu deuten und zu behandeln ist, besagt auch dieses Erkenntnis nichts.

Aussagen zu diesem letztgenannten Thema hingegen enthält das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1997, 96/07/0153. Dort heißt es:

"Das Erlöschen eines mit 31.12.1989 befristeten Wasserrechtes der Versickerung von Abwässern und die Wirkungen eines im Dezember 1989 gestellten Antrages auf 'Verlängerung' dieses Rechtes sind im Lichte der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage des WRG 1959 in der Fassung vor der Novelle 1990 zu beurteilen. Der Antrag, der nach dieser Rechtslage nicht als verspätet anzusehen war, dem aber auch keine das Erlöschen hemmende Wirkung zukam, ist als Begehren auf neuerliche Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung des bisher erteilt gewesenen Inhalts zu verstehen."

Die Aussage, dass ein Antrag auf "Verlängerung" als Antrag auf Neuverleihung eines Wasserbenutzungsrechtes zu deuten sei, erfolgte für einen Zeitpunkt, zu dem es für Wasserbenutzungsrechte betreffend Abwasserbeseitigung noch keine dem § 21 Abs. 3 WRG 1959 idF der Novelle 1990 entsprechende Regelung betreffend die Wiederverleihung gab. Im zeitlichen Geltungsbereich des § 21 Abs. 3 WRG 1959 idF der Novelle 1990 ist ein solcher Antrag als Antrag auf Wiederverleihung anzusehen.

Die Beschwerdeführer haben einen Antrag auf "Aufhebung" der Befristung gestellt. Für einen solchen Antrag gilt das Gleiche wie für einen Antrag auf "Verlängerung" der Befristung. Ein solcher Antrag zielt auf nichts anderes ab als auf die Wiederverleihung des Wasserbenutzungsrechtes. Der Antrag der Beschwerdeführer hätte daher nicht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden dürfen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. März 2000

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Pflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages Erforschung des Parteiwillens Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999070189.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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