Entscheidungsdatum
20.03.2018Norm
ÄrzteG 1998 §91 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Dr. Michaela Lütte als Einzelrichterin über die Beschwerde der Frau A, ***, ***, vertreten durch die B Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, gegen den Bescheid des Präsidenten der Ärztekammer für Niederösterreich vom 24. Februar 2016, Zl. ***, nach Beschwerdevorentscheidung des Präsidenten der Ärztekammer für Niederösterreich vom 06. Juli 2016, Zl. ***, aufgrund des Vorlageantrages vom 21. Juli 2016, betreffend Ermäßigung der Kammerumlagen, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) teilweise stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung dahingehend abgeändert, dass es in deren Spruch zu lauten hat:
Die Kammerumlagen werden für die Jahre 2006, 2009 und 2010 um 50% ermäßigt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) iVm Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
1.1. Mit Bescheid des Präsidenten der Ärztekammer für Niederösterreich (in der Folge: belangte Behörde) vom 24. Februar 2016, Zl. ***, wurde über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 08. April 2015, konkretisiert durch das Schreiben vom 26. Juni 2015, auf Ermäßigung der Kammerumlage im höchstmöglichen Ausmaß ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt, dahingehend entschieden, dass der Antrag für den Zeitraum von 01. Juni 1996 bis 31. Dezember 2015 abgewiesen wurde.
Begründend ist – nach Feststellung der Umsätze der Ordination der Beschwerdeführerin in *** von 1997 bis 2015 – ausgeführt, dass die aufgrund der Umlagenordnung vorgeschriebene Kammerumlage im Hinblick auf die dargelegte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Art der Berufsausübung angemessen erscheine und die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Umstände keine Ermäßigungsgründe im Sinne der Umlagenordnung seien.
1.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung mit Schreiben vom 10. Mai 2016 Beschwerde. Begründend ist ausgeführt, dass sich die Situation der Beschwerdeführerin nach dem Ableben ihres Ehegatten im Juli 2010 nicht geändert habe. Sie sei nach wie vor allein gezwungen, mit ihrem Einkommen aus ärztlicher Tätigkeit hohe Kreditraten ebenso wie die Kosten der Lebensführung für sich und ihre im Jahr *** geborene, nicht selbsterhaltungsfähige Tochter, die einem Hochschulstudium in *** nachgehe, zu finanzieren. Die Kreditbelastung stehe im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Sanierung des Hauses, das der Beschwerdeführerin als Ordination sowie ihr und ihrer Tochter als Wohnraum diene.
1.3. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 06. Juli 2016, Zl. ***, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass der angefochtene Bescheid unverändert aufrecht bleibe.
Begründend ist – nach Feststellung der Umsätze der Ordination der Beschwerdeführerin in *** von 1997 bis 2015 – ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin keine berücksichtigungswürdigen Umstände gemäß Art. IV Z 8 der Umlagenordnung, insbesondere auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vorgebracht habe.
1.4. Mit Schreiben vom 21. Juli 2016 brachte die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung einen Vorlageantrag ein, worin auch die Einvernahme der Beschwerdeführerin beantragt wurde.
Ergänzend ist ausgeführt, dass die prekäre finanzielle Situation der Beschwerdeführerin auf das Ableben ihres Ehegatten zurückzuführen sei, der bei ihr angestellt gewesen und in ihrer Ordination osteopathische Behandlungen und Massagen durchgeführt habe. Die Beschwerdeführerin selbst sei Ende des Jahres 2005 schwer an Krebs erkrankt und sei diese Erkrankung mit einer immensen psychischen Belastung verbunden gewesen. Die Beschwerdeführerin habe sich im Jänner 2006 einer Brustoperation und im Dezember 2006 einer Brustaufbauoperation unterziehen müssen. Ferner sei sie alleine durch eine Kreditrückzahlung einer monatlichen Belastung von 1.700,00 Euro ausgesetzt.
2. Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:
2.1. Dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 24. August 2016 die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt.
2.2. In Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung am 14. Dezember 2017 übermittelte die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung mit Schreiben vom 11. Dezember 2017 die Einkommenssteuerbescheide der Beschwerdeführerin für die Jahre 2015 und 2016, einen Kreditvertrag betreffend die Umfinanzierung ihres als Ordination und Wohnraum dienenden Hauses vom 09. Juni 2017 sowie eine Studienbestätigung ihrer Tochter für das Wintersemester 2017/18.
2.3. Am 14. Dezember 2017 fand am Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher die Beschwerdeführerin und ihre Rechtsvertretung sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen.
In der Verhandlung wurde Beweis erhoben durch die Verlesung des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Aktes des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich sowie durch die Einvernahme der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin erläuterte ihr bisheriges Vorbringen und wies – auf das Wesentliche zusammengefasst – darauf hin, dass die Führung der Ordination in dem Haus, in dem sich die Ordination befinde und als Wohnraum diene, mit ihrem Einkommen und dem ihres verstorbenen Gatten kalkuliert gewesen sei. Dieser habe aufgrund seiner Erkrankung ab Frühjahr 2009 nicht mehr in der Ordination tätig sein können und sei im Juli 2010 verstorben. In dieser Zeit seien auch die Umsätze der Ordination zurückgegangen. Von ihrer Krebserkrankung Ende 2005 und 2006 sei sie vollständig genesen, wenngleich sie früher Müdigkeitserscheinungen zeige als vor ihrer Erkrankung. Sie habe ab der dritten Woche nach ihrer Operation am 13. Jänner 2006 wieder angefangen in der Ordination zu arbeiten. Ergänzend brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihre Tochter ein Kind geboren habe und beide in ihrem Haus wohnen würden. Ihre Tochter habe ihr Studium wieder aufgenommen, an zwei Tagen pro Woche versorge die Beschwerdeführerin das Kind. Die Beschwerdeführerin komme auch für die Kosten der Haushaltsführung auf. Zudem weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass ihr neuer Lebenspartner bei ihr wohne, der bei seiner Scheidung im Jahr 2013 auf alles verzichtet habe. Sie komme daher auch für die gemeinsamen Lebenserhaltungskosten auf. Ihre derzeitige Kreditrate betreffend das als Ordination und Wohnraum dienende Haus betrage nach einer Umfinanzierung nunmehr – gerechnet auf 15 Jahre – 2.437,00 Euro monatlich. Sie habe in den letzten Jahren viel gearbeitet und sei teurer geworden.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich trug der Beschwerdeführerin – wie schon in der Ladung – die Übermittlung von geeigneten Umsatznachweisen betreffend ihre Ordination in *** für die Jahre 2015, 2016 und 2017 auf. Auf die Fortsetzung der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde seitens der Parteien verzichtet.
2.4. Mit Schreiben vom 21. Februar 2018 übermittelte die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung insbesondere Nachweise der Einkünfte aus selbständiger Arbeit für die Jahre 2015 bis 2017.
Diese Unterlagen übermittelte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der belangten Behörde mit der Möglichkeit zur Stellungnahme.
2.5. Mit Schreiben vom 28. Februar 2018 teilte die belangte Behörde mit, dass sich anhand der vorgelegten Unterlagen eine Einschränkung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin nicht erkennen lasse, und wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt.
2.6. Die Beschwerdeführerin fasst in ihrer Replik vom 16. März 2018 – auf das Wesentliche zusammengefasst – zusammen, dass ihre wirtschaftliche Situation nicht auf einen aufwändigen Lebenswandel sondern auf ihre Erkrankung und das Ableben ihres Ehegatten zurückzuführen sei. Die Beschwerdeführerin halte daher ihren Antrag auf Ermäßigung der Kammerumlagen aufrecht.
Dieses Schreiben wurde der belangten Behörde zur Kenntnis übermittelt.
3. Feststellungen:
3.1. Die Beschwerdeführerin ist seit 01. März 1991 in die Ärzteliste eingetragen und wird seit 03. Juni 1996 aufgrund ihrer Eintragung als Wohnsitzärztin in *** als Kammerangehörige der Ärztekammer für Niederösterreich geführt. Seit 10. September 1996 ist eine Wahlarztpraxis für Allgemeinmedizin in *** als Berufssitz der Beschwerdeführerin eingetragen. Die Beschwerdeführerin führt zudem – etwa einmal wöchentlich – eine Ordination in ***.
3.2. Die Umsätze der Beschwerdeführerin aus freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit in ***, die vorgeschriebene feste Umlage an die Ärztekammer für Niederösterreich p.a., die gesamte Kammerumlage samt Umlage an die Österreichische Ärztekammer p.a. sowie die daraus im Verhältnis zu den Einnahmen resultierenden Belastungen betragen in den angeführten Jahren wie folgt:
Jahr
Umsatz (€)
FUML NÖ
pa (€)
Umlage gesamt pa (€)
Belastung
1997
40.727,67
345,36
608,29
1,49 %
1998
47.504,55
345,36
944,24
1,99 %
1999
47.995,97
345,36
1278,2
2,66 %
2000
79.902,84
341,88
1269,36
1,59 %
2001
82.296,53
345,36
1312,3
1.59 %
2002
76.298,26
345,36
1348,07
1,77 %
2003
77.489,90
610,56
1229,59
1,59 %
2004
93.203,74
610,56
1235,41
1,33 %
2005
95.934,30
610,56
1287,19
1,34 %
2006
86.444,69
610,56
1377,69
1,59 %
2007
95.053,04
610,56
1373,55
1,45 %
2008
84.212,53
610,56
1356,32
1,61 %
2009
66.100,98
636,00
1385,64
2,10 %
2010
77.965,64
655,08
1406,55
1,80 %
2011
78.644,55
684,00
1338,23
1,70 %
2012
83.774,55
636,00
1293,94
1,54 %
2013
84.776,46
636,00
1295,47
1,53 %
2014
88.678,79
636,00
1234,95
1,39 %
3.3. Insgesamt stellt sich die finanzielle Situation der Beschwerdeführerin in den angegebenen Jahren wie folgt dar:
Umsätze aus Ordinationshonoraren (*** und ***)
Cashflow
berechnet gemäß Überschussrechnungen
Einkommen gemäß Einkommenssteuererklärung
2003
€ 98.573,15
€ 30.559,61
€ 23.873,24
2004
€ 110.598,74
€ 28.914,17
€ 16.396,34
2005
€ 105.319,81
€ 20.827,91
€ 19.130,14
2006
€ 96.766,12
€ 13.657,11
€ 11.790,75
2007
€ 105.768,04
€ 25.345,57
€ 21.995,76
2008
€ 101.867,53
€ 24.622,70
€ 19.108,90
2009
€ 80.160,98
€ 33.463,87
€ 28.153,55
2010
€ 83.247,86
€ 33.232,62
€ 26.108,97
2011
€ 84.287,62
€ 19.599,27
€ 19.645,52
2012
€ 97.714,10
€ 34.884,18
€ 31.412,38
2013
€ 89.675,23
€ 20.609,61
€ 19.368,92
2014
€ 95.612,38
€ 32.226,60
x
2015
€ 96.420,70
€ 22.539,67
€ 19.021,60
2016
€ 103.247,76
€ 27.773,41
€ 22.505,56
2017
€ 121.491,57
€ 62.005,06
x
3.4. Die Beschwerdeführerin ist betreffend die Zahlung der Wohlfahrtsfondsbeiträge und Kammerumlage bei der Ärztekammer für Niederösterreich im Rückstand, wobei der erhebliche Teil der Rückstände auf die Wohlfahrtsfondsbeiträge entfällt.
3.5. Die Beschwerdeführerin erkrankte Ende 2005 an Krebs und war die Erkrankung mit einer starken psychischen Belastung verbunden. Sie unterzog sich im Jänner 2006 einer Brustoperation und im Dezember 2006 einer Brustaufbauoperation. Die Beschwerdeführerin ist von dieser Erkrankung vollständig genesen.
3.6. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin war bei ihr angestellt und führte in ihrer Ordination in *** osteopathische Behandlungen und Massagen durch. Dieser konnte aufgrund einer schweren Erkrankung ab Frühjahr 2009 nicht mehr in der Ordination tätig sein, war pflegebedürftig und verstarb im Juli 2010. Diese Umstände beeinträchtigten die Beschwerdeführerin in dieser Zeit in der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit.
3.7. Die Beschwerdeführerin finanziert seit dem Ableben ihres Ehegatten im Juli 2010 mit ihrem Einkommen die Kosten der Lebensführung, einschließlich der Kreditrückzahlung, für sich und ihre Tochter, geboren am ***, die nunmehr in *** studiert und mit ihrem Kind in dem Haus der Beschwerdeführerin lebt, in dem sich auch die Ordination befindet. Die Beschwerdeführerin betreut an zwei Tagen pro Woche ihr Enkelkind. Die Beschwerdeführerin ist einer monatlichen Kreditbelastung iHv 2.437,00 Euro (monatliche Pauschalrate für 15 Jahre) ausgesetzt, die aus dem Erwerb und der Sanierung des Hauses resultiert, in dem sich ihre Wohnung und Ordination in *** befinden. Derzeit kommt die Beschwerdeführerin auch für die Kosten der gemeinsamen Lebensführung mit ihrem im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebensgefährten auf.
3.8. Der Beschwerdeführerin wurden Beiträge zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich unter Bezugnahme auf ihre Krankheit und die Krankheit des Ehegatten sowie dessen Ableben bereits rechtskräftig ermäßigt.
4. Beweiswürdigung:
4.1. Die in den Punkten 3.1., 3.2. und 3.5. bis 3.7. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde einschließlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin in der Beschwerde und im Vorlageantrag, den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen (insbesondere Einkommenssteuerbescheide 2015 und 2016, Überschussrechnungen 2014 bis 2017, Kreditvertrag vom 09.06.2017, Studienbestätigung der Tochter für das Wintersemester 2017/18) sowie aus den glaubhaften Ausführungen der Beschwerdeführerin in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 14. Dezember 2017.
4.2. Die in Punkt 3.3. getroffenen Feststellungen betreffend die Höhe der Ordinationshonorare aus den Ordinationen der Beschwerdeführerin in *** und ***, den Cashflow und das Einkommen der Beschwerdeführerin in den angeführten Jahren konnten im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Überschussrechnungen sowie Einkommenssteuernachweise getroffen werden. Die Ordinationshonorare sind als „Betriebseinnahmen brutto“ in den Überschussrechnungen – etwa neben Erlösen aus Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln – ausgewiesen. Das Einkommen ergibt sich aus den vorgelegten Einkommenssteuererklärungen. Der Cashflow (zur Darstellung der Liquidität der Beschwerdeführerin je Kalenderjahr) wurde aus den Angaben in den Überschussrechnungen wie folgt ermittelt: Summe aus Gewinn (ohne Abzug des Gewinnfreibetrags), Afa (Absetzung für Abnutzung) und Buchwert abgegangener Anlagen, abzüglich Privatanteile (gemäß Betriebseinnahmen brutto).
4.3. Die in Punkt 3.4. getroffene Feststellung betreffend die Beitragsrückstände der Beschwerdeführerin (Wohlfahrtsfondsbeiträge und Kammerumlage) ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt enthaltenen Überprüfungsschreiben vom 23. Februar 2015 („Überprüfung offener Saldo per 31.12.2014“) sowie aus dem Akt betreffend das Verfahren der Beschwerdeführerin vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, Zl. LVwG-AV-907-2016, das insbesondere die Höhe des Beitragsrückstands sowie die Ermäßigung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds für die Zeiträume von 01. Jänner 1991 bis 31. Dezember 2001, von 01. Juli 2012 bis 31. Dezember 2012 und von 01. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2015 zum Gegenstand hatte. In diesem Verfahren war insbesondere die Höhe des Beitragsrückstands per 31. Dezember 2014 (laut Berechnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich iHv 54.489,46 Euro; laut Berechnung der Beschwerdeführerin iHv 44.657,08 Euro; davon entfallen laut Berechnung der Ärztekammer für Niederösterreich 6.159,26 Euro auf die Kammerumlage) sowie der aktuell bestehende Beitragsrückstand insbesondere unter Berücksichtigung der beantragten Ermäßigungen der Wohlfahrtsfondsbeiträge strittig. Die Beschwerde wurde mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 04. Dezember 2017 zurückgewiesen, weil sich diese – mangels Beschlussdeckung – gegen eine nicht als Bescheid zu qualifizierende Erledigung („Nichtbescheid“) richtete. Laut telefonischer Auskunft des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich am 26. Februar 2018 wurde ein Bescheid betreffend die Ermäßigung der Wohlfahrtsfondsbeiträge für die genannten Zeiträume und Feststellung des Beitragsrückstands bislang nicht erlassen.
4.4. Die in Punkt 3.8. getroffene Feststellung ergibt sich aus den in dem die Beschwerdeführerin betreffenden Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, Zl. LVwG-AV-907-2016, vorgelegten rechtskräftigen Bescheiden betreffend Ermäßigung der Wohlfahrtsfondsbeiträge (in unterschiedlicher Höhe).
5. Rechtslage:
5.1. § 91 Abs. 1 des Ärztegesetzes 1998 (in der Folge: ÄrzteG 1998) heben die Ärztekammern zur Bestreitung des Sachaufwandes, des Aufwandes für die Organe, des Personalaufwandes und der anderen finanziellen Erfordernisse für die Durchführung der den Ärztekammern übertragenen Aufgaben (§ 84), ausgenommen für den Wohlfahrtsfonds, sowie zur Erfüllung der gegenüber der Österreichischen Ärztekammer bestehenden Umlageverpflichtungen von sämtlichen Kammerangehörigen die Kammerumlage ein.
Gemäß § 91 Abs. 3 ÄrzteG 1998 sind die Umlagen unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anhand der Einnahmen (Umstände) und/oder Einkünfte sowie die Art der Berufsausübung der Kammerangehörigen festzusetzen, wobei die Höhe der Umlagen betragsmäßig oder in Relation zu einer Bemessungsgrundlage festgesetzt werden kann. Die Höchstgrenze der Kammerumlage beträgt 3 vH der Einnahmen (Einkünfte) aus ärztlicher Tätigkeit einschließlich der Umsatzanteile an Gruppenpraxen.
§ 91 Abs. 4 ÄrzteG 1998 sieht vor, dass die Umlagenordnung nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Kammerumlage und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen sowie über die Einbehalte der Kammerumlage und Vorauszahlungen vom Kassenhonorar durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten bei Vertragsärzten, vorzusehen hat.
5.2. Die Umlagenordnung 2018 sieht für niedergelassene Ärzte ohne „§ 2-Kassenvertrag“ eine feste Kammerumlage an die Ärztekammer für Niederösterreich, deren Höhe sich nach der Dauer der ärztlichen Tätigkeit richtet (vgl. I.B.2. der Umlagenordnung), eine prozentuelle Umlage iHv 0,75% an die Ärztekammer für Niederösterreich bezogen auf alle Honorare (Freibetrag von 40.000,00 Euro; vgl. II.2. der Umlagenordnung), eine prozentuelle Umlage iHv 0,19% an die Österreichische Ärztekammer bezogen auf alle Honorare (vgl. III.B.2. der Umlagenordnung) sowie zusätzliche – feste – Umlagen (etwa Umlage für Qualitätsmanagement; vgl. III.D. der Umlagenordnung) vor.
Art. IV Z 8 des Allgemeinen Teils der Umlagenordnung regelt, dass über Antrag des Kammerangehörigen bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände eine Ermäßigung oder in Härtefällen ein Nachlass der Umlagen erfolgen kann. Feste Kammerumlagen gemäß Art. I und Art. III können nicht auf weniger als 50% der jeweils vorgesehenen Umlage ermäßigt werden.
Art. IV Z 11 des Allgemeinen Teils der Umlagenordnung bestimmt als die Bemessungsgrundlage der prozentuellen Umlagen für das laufende Kalenderjahr die Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit des drittvorangegangenen Jahres.
6. Erwägungen:
6.1. Die Beschwerde ist teilweise berechtigt.
6.2. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich weist einleitend darauf hin, dass Sache des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ausschließlich die Frage der Ermäßigung bzw. des Nachlasses der Kammerumlage für den bezeichneten Zeitraum ist; dies hängt gemäß Art. IV Z 8 der Umlagenordnung vom Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände bzw. eines Härtefalls ab. Nicht hingegen ist somit Gegenstand des Verfahrens die Bemessung der Kammerumlagen schlechthin bzw. deren Höhe im Falle einer Ermäßigung (vgl. VwGH 26.01.2017, Ro 2014/11/0052).
6.3. Zur Beurteilung des Vorliegens „berücksichtigungswürdiger Umstände“ im Sinne des Art. IV Z 8 der Umlagenordnung ist aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich auf die – insoweit übertragbare – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verständnis dieses Begriffs in § 111 ÄrzteG 1998 und in den Satzungen der Ärztekammern in den Bundesländern betreffend die Ermäßigung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds Bedacht zu nehmen.
6.4. Nach dieser Rechtsprechung (vgl. umfassend VwGH 26.01.2017, Ro 2014/11/0052, mwN) liegen berücksichtigungswürdige Umstände nur bei außergewöhnlichen Ereignissen vor, die außerhalb der Einflusssphäre des Fondsmitglieds liegen und das Fondsmitglied an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit hindern, was einen Einkommensverlust zur Folge hat. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt vor diesem Hintergrund Umstände als berücksichtigungswürdig an, die ohne Verschulden des Fondsmitglieds aktuell und beträchtlich in seine Lebenssituation eingreifen, wie insbesondere die durch eine Krankheit oder ein Naturereignis bedingte Hinderung an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit. Im Besonderen bejaht er das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände, wenn ein Fondsmitglied durch krankheitsbedingt erheblich zurückgegangene Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit die Kosten der Lebensführung für sich und seine ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht mehr bestreiten kann und sich im Verhältnis von Einkommen und Kosten der Lebensführung eine Deckungslücke von mehreren Tausend Euro ergibt (vgl. VwGH 26.02.2015, Ro 2014/11/0045, VwGH 27.01.2015, Ro 2014/11/0046).
Der Verwaltungsgerichtshof weist in seiner Rechtsprechung auch darauf hin, dass Fondsmitglieder ihre wirtschaftliche Situation grundsätzlich selbst zu verantworten haben. So stellen etwa die mit der Gründung einer Ordination verbunden Kosten oder die freiwillige Übernahme der Geschäftsverbindlichkeiten des Ehemannes keine außergewöhnlichen Ereignisse dar, weil das Fondsmitglied durch die damit verbundene typische wirtschaftliche Belastung nicht gehindert ist, weiterhin in vollem Umfang seiner ärztlichen Tätigkeit nachzugehen (vgl. erneut VwGH 26.02.2015, Ro 2014/11/0045, VwGH 27.01.2015, Ro 2014/11/0046, mwN).
Darüber hinaus trifft Antragsteller bei Anträgen um Nachsicht, für die in ihre Sphäre fallende Umstände maßgeblich waren, eine besondere Mitwirkungspflicht. Antragsteller sind daher gehalten, die Auswirkungen ihrer Erkrankungen und die damit verbundenen Einschränkungen ihrer ärztlichen Tätigkeit, aus der sie ein relevantes Einkommen erzielen, sowie ihre Vermögensverhältnisse zu konkretisieren und im Einzelnen darzulegen, wie sich dadurch ihre gesamte finanzielle Situation verändert hat (vgl. VwGH 24.05.2011, 2008/11/0182; 17.11.2009, 2008/06/0062).
6.5. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ist im vorliegenden Fall vor die Aufgabe gestellt, zu beurteilen, ob vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Ansehung der von der Beschwerdeführerin geschuldeten Beträge berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des Art. IV Z 8 der Umlagenordnung vorliegen. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung hinsichtlich der im Zeitpunkt der Erlassung dieses Erkenntnisses bestehenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin vorzunehmen (zu dieser Vorgehensweise vgl. VwGH 24.05.2011, 2008/11/0182).
6.6. Zunächst ist daran zu erinnern, dass Antragsteller ihre wirtschaftliche Situation bedingt durch ihre Lebensführung grundsätzlich selbst zu verantworten haben. Die hohe Kreditbelastung, die aus dem Erwerb und der Sanierung des als Ordination und Wohnraum dienenden Hauses resultiert, sowie der Umstand, dass die Beschwerdeführerin seit dem Tod ihres Ehegatten bis heute die Kosten für die Lebensführung für sich und ihre zum Zeitpunkt des Todes ihres Gatten 17-jährige Tochter alleine bewältigen muss – letzteres beschreibt die Beschwerdeführerin als Tatsache, dass sich an ihrer Situation seit dem Ableben ihres Ehegatten nichts geändert hat –, stellen für sich genommen keine berücksichtigungswürdigen Umstände dar, die die Beschwerdeführerin im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit gehindert hätten. Dies gilt ebenso für das freiwillige Aufkommen für die Kosten der gemeinsamen Lebensführung mit ihrem Lebensgefährten und die freiwillige Betreuung ihres Enkelkindes an zwei Tage pro Woche, zumal im Jahr 2017 im Hinblick auf die festgestellten Einkünfte der Beschwerdeführerin auch eine wesentliche Verbesserung ihrer finanziellen Situation eingetreten ist.
6.7. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt jedoch die Krankheit der Beschwerdeführerin – als außergewöhnliches Ereignis, das außerhalb ihrer Sphäre gelegen war – einen berücksichtigungswürdigen Umstand dar, der ihre damalige Lebenssituation unvorhersehbar nachhaltig beeinflusst hat. Auch ist davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführerin in dieser Zeit – wenngleich sie angibt, nach der Operation im Jänner 2006 ihre Ordinationstätigkeit rasch wieder aufgenommen zu haben – nicht in gleichem Maße der Ausübung ihrer ärztliche Tätigkeit widmen konnte, was sich an dem im Jahr 2006 erzielten – im Vergleich zu den Jahren 2005 und 2007 niedrigeren – Umsatz aus freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit in *** bzw. der Höhe der verzeichneten Ordinationshonorare insgesamt zeigt.
Zudem erkennt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die schwere Erkrankung und das Ableben des Ehegatten der Beschwerdeführerin, der bis Frühjahr 2009 in ihrer Ordination in *** beschäftigt war, als berücksichtigungswürdigen Umstand an. Die Erkrankung im Jahr 2009 und die damit verbundene Pflege sowie das Ableben des Ehegatten im Jahr 2010 haben die Lebenssituation der Beschwerdeführerin einschließlich der Organisation ihres Ordinationsbetriebs nachhaltig beeinflusst. Die Beschwerdeführerin war durch die mit der Erkrankung und dem Ableben ihres Gatten verbundene Umstellung auch ihrer persönlichen Lebenssituation gehindert, sich in den Jahren 2009 und 2010 in vollem Maße der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit zu widmen. Dies zeigt sich an den vergleichsweise niedrigeren Einkünften der Beschwerdeführerin aus selbständiger Arbeit in *** bzw. insgesamt an der Höhe der von ihr verzeichneten Ordinationshonorare in diesem Zeitraum.
6.8. Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich liegen in Ansehung der – zwar verbesserten, jedoch im Hinblick auf die Beitragsrückstände weiterhin angespannten – finanziellen Situation der Beschwerdeführerin auch zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Erkenntnisses berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des Art. IV Z 8 der Umlagenordnung im Hinblick auf die Jahre 2006 sowie 2009 und 2010 vor.
6.9. Über diesen Zeitraum hinaus ist das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die stets eine Einschränkung der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch diese Umstände vor Augen hat, nicht ersichtlich.
Auch wurden von der Beschwerdeführerin für über die Jahre 2006, 2009 und 2010 hinausgehende Zeiträume die Auswirkungen ihrer eigenen Erkrankung sowie jene der Erkrankung und des Ablebens ihres Ehegatten auf die Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit nicht entsprechend der sie bezüglich des Vorliegens berücksichtigungswürdiger Umstände treffenden besonderen Mitwirkungspflicht konkretisiert. Sie hat nicht im Einzelnen dargelegt, wie sie durch diese Umstände auch in anderen Jahren, wie etwa 2007 und 2008 oder auch noch im Jahr 2011, in ihrer ärztlichen Tätigkeit eingeschränkt gewesen wäre und wie sich dadurch auch in anderen Jahren ihre gesamte finanzielle Situation verändert hätte (vgl. VwGH 24.05.2011, 2008/11/0182; 17.11.2009, 2008/06/0062).
6.10. Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich erweist sich für die erkannten berücksichtigungswürdigen Umstände in Ansehung der finanziellen Situation der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Erkenntnisses – einerseits im Hinblick auf die bestehenden nicht unerheblichen Rückstände (auch betreffend die Kammerumlage) bei der Ärztekammer für Niederösterreich, andererseits jedoch im Hinblick auf die insbesondere im Jahr 2017 erzielten (wesentlich höheren) Einkünfte aus selbständiger Arbeit – eine Ermäßigung der Kammerumlagen um 50% für die Jahre 2006, 2009 und 2010 als angemessen.
Nicht hingegen besteht Grund für eine prozentuell höhere Herabsetzung der Kammerumlage oder liegt ein Härtefall im Sinne des Art. IV Z 8 der Umlagenordnung vor, weil sich die Beschwerdeführerin auch in den von den berücksichtigungswürdigen Umständen betroffenen Jahren 2006, 2009 und 2010 – angesichts der erzielten Umsätze – durchaus der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit widmen konnte und zu diesen Umständen auch keine weiteren nachteiligen Umstände hinzugetreten sind, die außerhalb ihrer Einflusssphäre gelegen waren.
Nur darauf hingewiesen wird, dass die Beschwerdeführerin für die Jahre, für welche ihre Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit reduziert waren, die die Bemessungsgrundlage für die prozentuellen Kammerumlagen bilden, auch einen entsprechend geringeren Betrag an Kammerumlagen zu entrichten hat.
7. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. zB VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035).
Schlagworte
Freie Berufe; Ärzte; Kammerumlage; berücksichtigungswürdige Umstände;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.908.001.2016Zuletzt aktualisiert am
24.05.2018