TE Bvwg Beschluss 2018/5/14 W182 2106409-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2018
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Entscheidungsdatum

14.05.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W182 2106409-4/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dieter PFEILER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2018, Zl. 821970803-171314906, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, iVm § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. I Nr. 51/1991 idgF, behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der XXXX Volksgruppe und Muslimin, reiste gemäß eigenen Angaben am 26.12.2012 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Ihren Antrag begründete sie in einer Erstbefragung am 27.12.2012 und einer Einvernahme beim Bundesasylamt am 08.05.2013 im Wesentlichen damit, dass sie 2004 den muslimischen Glauben der Glaubensgemeinschaft der " XXXX " angenommen und seither deswegen sowie wegen ihres Sohnes, der 2005 aus dem Herkunftsland ausgereist und sich als Asylberechtigter in Österreich aufhalte, und wegen des Gatten ihrer Nichte, gegen den ein Strafverfahren eingeleitet worden sei, Probleme mit den Sicherheitsbehörden in Dagestan bekommen habe. Das letzte Mal sei die Miliz im Mai 2012 zu ihr gekommen. Im Dezember 2012 habe sie ihr Herkunftsland verlassen. Sie habe in Dagestan in einem eigenen Haus und seit 2002 von ihrer Invalidenpension gelebt. Sie leide an Herz- und Nierenproblemen sowie an erhöhtem Blutdruck und Migräne. Medizinische Behandlung habe sie im Herkunftsland zur Gänze gratis erhalten. In Dagestan würden sich zwei verheiratete Töchter, ein Bruder und 5 Schwestern aufhalten, wobei die jüngere Tochter zuvor in XXXX gelebt habe, wo sich die BF vorübergehend 6 bis 8 Monate aufgehalten habe.

Im weiteren Verfahren vor dem Bundesasylamt legte die BF ein Dokumentenkonvolut, in dem sich unter anderem medizinische Atteste, ein Pensionistenausweis sowie eine Invaliditätsbestätigung befanden, vor.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.07.2013, Zl. 12 18.708-BAI, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und sie gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das die BF ihr Heimatland verlassen habe, um bei ihrem Sohn zu leben, jedoch im Heimatland keine sie betreffende drohende Verfolgungssituation vorliege.

Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof am 20.11.2013 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2014, Zl. W129 1437334-1/17E, hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und die Angelegenheit gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 hinsichtlich der Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.) an die belangte Behörde zurückverwiesen. Bei der Verhandlung beim Asylgerichtshof führte der gleiche Richter den Vorsitz, der später das genannte Erkenntnis vom 11.11.2014 erlassen hat. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Vorbringen der BF im Hinblick auf die von ihr behaupteten Verfolgungs- und die Fluchtgründe angesichts der in der Beweiswürdigung im Detail aufgezeigten Widersprüche, Unstimmigkeiten und Unplausibilitäten unglaubwürdig sei und nicht den Tatsachen entspreche.

Das Erkenntnis wurde der BF am 17.11.2014 rechtswirksam zugestellt.

1.2. Am 22.04.2015 stellte die BF einen Antrag auf Wiederaufnahme ihres rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens und begründete diesen mit neuen Beweismittel aus ihrer Heimat, konkret ein Protokoll einer Hausdurchsuchung am 10.11.2014, ein Bestätigungsschreiben eines Imams vom 10.04.2015 zum Beweis ihrer Mitgliedschaft bei der XXXX Glaubensgemeinschaft sowie ein Schreiben ihrer jüngeren Tochter, die mittlerweile im Haus der BF wohne, wo es zur Hausdurchsuchung gekommen sei.

Der Wiederaufnahmeantrag wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.06.2016, Zl. W226 2106409-1/15E, gemäß § 32 Abs. 1 und 2 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

1.3. Bereits zuvor übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) im fortgesetzten Verfahren mit Schreiben vom 17.03.2015 der BF einen Fragenkatalog betreffend den Aufenthalt in Österreich, die integrativen Aspekte und die familiäre Situation. Dazu erstattete die BF am 21.04.2015 eine Stellungnahme, in der sie u.a. auf ihre "schlechte körperliche Verfassung" hinwies und dazu Befunde vorlegte.

Mit Bescheid vom 04.05.2015, Zl. 13-821870803, erteilte das Bundesamt der BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG 2005. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Zugleich wurde gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist und wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

In Erledigung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2016, Zl. W226 2106409-2/13E, behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Bundesamt mit der laut Aktenlage dokumentierten schwereren Erkrankungen der BF im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG nicht auseinandergesetzt habe und das Verfahren somit erhebliche Ermittlungsmängel aufweise, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei. Das Bundesamt wurde angewiesen, durch Einholung von medizinischem Sachverstand zu klären, welche konkrete Behandlung die BF derzeit im Bundesgebiet erhalte, ob aus Sicht der behandelnden Ärzte eine vergleichbare Therapie in Ländern wie dem Herkunftsstaat durchführbar sei bzw. wie sich die Behandlungsnotwendigkeiten der sich offenkundig verschlechternden Krankheitsbilder der BF in den nächsten Jahren darstellen werden.

Am 19.12.2016 wurde die BF durch einen Facharzt für Innere Medizin und gerichtlich beeideten Sachverständigen einer ärztlichen Untersuchung unterzogen und ein Internistisches Fachgutachten erstellt. Darin wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die BF u.a. an XXXX leide. Es würden keine Hinweise für eine koronare Herzerkrankung vorliegen.

Aus einer vom Bundesamt eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 06.02.2017 ging im Wesentlichen hervor, dass die von der BF benötigte medizinische Behandlung in der Russischen Föderation bzw. Dagestan gewährleistet sei. Sowohl eine medikamentöse Behandlung - allenfalls mit wirkstoffähnlichen Medikamenten - als auch eine Physiotherapie würden in Dagestan zur Verfügung stehen.

Nach einer Einvernahme der BF beim Bundesamt am 20.02.2017 wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.03.2017, Zl. 13-821870803-1600740, der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. (Spruchpunkt I.) In Spruchpunkt II. wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.10.2017, Zl. W226 2106409-3/3E, gemäß § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 FPG, als unbegründet abgewiesen.

Das Erkenntnis wurde der BF am 18.10.2017 rechtswirksam zugestellt.

2.1. Am 23.11.2017 stellte die BF neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz (1. Folgeantrag).

Diesen begründete die BF in einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.11.2017 im Wesentlichen mit dem Fortwirken ihrer bisherigen Fluchtgründe, wobei sie über ihren Bruder erfahren hätte, dass die Polizei nach ihr frage und bei einer Hausdurchsuchung Computer, Handy und andere Sachen mitgenommen worden seien. Die Tochter von ihrem Bruder (Nichte) und ihr Mann seien in die Türkei gegangen, um dort zu arbeiten, wobei die russische Polizei glauben würde, dass sie in Syrien wären. Die Polizei würde seither ständig bei ihrem Bruder vorbeikommen und fragen. Auf die Frage, ob es konkrete Hinweise dafür gebe, dass ihr bei ihrer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe drohe, gab die BF an, dass ihre Angehörigen in der Heimat bedroht werden und es gefährlich für sie sei. Wenn diese gesucht werden, würde auch nach der BF gesucht werden. Der Mann ihrer Tochter habe bei einer Abteilung der Polizei gearbeitet, wo sichergestellte Drogen unterschlagen worden seien. Er habe dazu mehrere Videos gedreht und den Innenministerium vorgelegt. Deswegen sei die ganze Abteilung geschlossen und die Leute gekündigt worden. Es habe auch mehrere Anzeigen gegeben, die Polizeibeamte betroffen habe. Seit diesem Vorfall würden der Schwiegersohn und die ganze Familie bedroht werden. Der Schwiegersohn habe bei ihr zu Hause gelebt.

Eine Einvernahme der BF beim Bundesamt am 19.03.2018 musste abberaumt werden, da diese mit Schreiben vom 16.03.2018 mitteilte, dass sie derzeit krank und schwach sei und unter einer depressiven Verstimmung und multiplen Schmerzen leide. Dazu wurde ein Befund einer Hausärztin vom 15.03.2018 beigelegt, wonach die BF wegen einer akuten depressiven Verstimmung und multiplen Schmerzen nicht erscheinen könne. Eine medikamentöse Therapie werde eingeleitet.

In einer Einvernahme beim Bundesamt am 03.04.2018 brachte die BF auf die Aufforderung hin, Ergänzungen zu den neuen Fluchtgründen, die sie am 23.11.2018 angegeben habe, zu machen, an, dass zB. ihr Schwiegersohn bei der Polizei in der Drogenabteilung gearbeitet und gesehen habe, wie Polizisten Drogen verkaufen und manipulieren. Dazu gab sie weiter an: "Er hat davon ferngehalten und musste aber die Arbeitsstelle verlassen. Er hat das alles dokumentiert und aufgenommen. Nachher hat er bis Moskau Beschwerde gemacht, er wurde trotzdem als Verdächtiger gesucht." Auf Nachfragen, wann die Angelegenheit mit Ihrem Schwiegersohn stattgefunden habe, erklärte die BF, dass der Vorfall im Jahr 2012 nach ihrer Ausreise gewesen sei. Die BF wurde daraufhin aufgefordert, "nicht die gesamte Fluchtgeschichte, die bereits rechtskräftig entschieden wurde, zu wiederholen" und zu ihrer Nichte samt Familie, die in der Türkei sei, befragt. Dazu gab die BF vorweg an, dass sie das mit ihrem Schwiegersohn noch nicht erzählt habe. Auf Vorhalt, dass der Vorfall sich 2012 ereignet hätte, und sie im Vorverfahren bis Oktober 2017 Zeit gehabt hätte, den Vorfall zu erwähnen, erklärte sie u.a., dass dies alles nicht in der Vergangenheit sei, und die ganze Familie auch wegen ihrem Schwiegersohn in Gefahr sei. Befragt, ob die neuen Fluchtgründe, die Sie bei der Erstbefragung am 23.11.2017 vorgebracht habe, "in Zusammenhang mit den Gründen für das Verlassen Ihren Herkunftsstaates des Vorverfahrens" stehen, gab die BF an:

"Ja. Ich wäre bereit hier in einem Loch zu leben als zurückzukehren." Auf die Frage, wann sie zuletzt Kontakt mit ihren Angehörigen in Dagestan oder mit Ihrer Tochter in XXXX gehabt habe, führe die BF aus: "Ich habe im Oktober nach der negativen Entscheidung mit meiner Tochter in Dagestan telefoniert und sie hat erzählt, was zu Hause passiert und das Haus durchsucht wurde. Und die Tochter meines Bruders wird auch gesucht und auf keinen Fall soll ich zurückkehren. Die Polizei war im Haus meines Bruders und hat einige Sachen mitgenommen und er darf keinen Kontakt mit Verwandten haben. Vor ein paar Tagen hatte ich telefonischen Kontakt mit meiner Tochter in XXXX ." Auf die Frage, ob sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen habe können, erklärte die BF: "Alles was ich bis jetzt erzählt habe, alles was ich heute erzählt habe ist nur die Wahrheit. Es gibt in Dagestan keine Rechte oder Demokratie und Menschenrechte sowieso nicht. Ich habe einen USB-Stick, darauf ist alles von meinem Schwiegersohn." Auf die Frage, ob sich auf dem USB-Stick die Angelegenheiten ihres Schwiegersohnes bezüglich der Drogen befinden, gab die BF an: "Ja, alles wegen der Drogen". Der BF wurde daraufhin mitgeteilt, dass der USB- Stick nicht zum Akt genommen werde, da der Vorfall im Jahr 2012 vorgefallen sei und somit bereits im Vorverfahren berücksichtigt worden sei bzw. vorgebracht werden hätte können. Dazu gab die BF u.a. an: "Es läuft noch immer und es ist noch nicht zu Ende."

2.2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag der BF hinsichtlich des Status der Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen die BF gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz der BF wurde u.a. festgestellt: "Sie stellten am 23.11.2017 einen sog. Folgeantrag und brachten im Rahmen der Erstbefragung als neuen Sachverhalt vor, dass Sie mit Ihrer Tochter und Ihrem Bruder Kontakt gehabt hätten und Ihnen diese erzählt hätten dass die Polizei und der FSB einen Computer und Handy mitgenommen hätten um festzustellen, wo Sie sich aufhalten. Ihre Nichte wäre mit Ehemann und Kindern in die Türkei ausgereist um zu arbeiten. Allerdings würde die Russische Polizei glauben, dass diese nach Syrien gereist sind. Seitdem würde die russische Polizei bei Ihrer Tochter und Bruder nach diesen nachfragen. Dazu wurden Sie am 03.04.2018 vor dem BFA einvernommen und gaben an, dass die von Ihnen vorgebrachten "neuen" Gründe für den 2. Asylantrag in direktem Zusammenhang mit Ihren Angaben zum Fluchtgrund des Vorverfahrens stehen, nämlich dass die Polizei nach wie vor nach Ihnen und Ihrem Sohn sucht. Befragt ob Sie zu den Fluchtgründen vom 23.11.2017 Ergänzungen machen wollten, gaben Sie an, dass Ihr Schwiegersohn im Jahr 2012 bei der Polizei in der Drogenabteilung gearbeitet hätte und dabei gesehen hätte dass die Polizisten Drogen verkauft und manipuliert hätten. Dies hätten Sie nun auf einem USB Stick als Beweismittel. Dazu wurde Ihnen entgegen gehalten, dass dieses Vorbringen aus dem Jahr 2012 im Vorverfahren bereits abgehandelt wurde, woraufhin Sie angaben, dass Sie diese Geschichte mit dem Schwiegersohn bis dato nicht erwähnt haben. Dem ist zu entgegnen dass Sie nunmehr seit 2012 Zeit gehabt hätten um diesen Fluchtgrund vorzubringen und nunmehr nach bereits rechtskräftig abgeschlossenem Asylverfahren 6 Jahre später aufgrund des Neuerungsverbotes nicht mehr berücksichtigt werden kann. Sie wurden im Laufe des jahrelangen Asylverfahrens seit dem Jahr 2012 mehrfach einvernommen und gefragt, ob Sie alle Ihre Fluchtgründe vorgebracht haben. Die Möglichkeit alle Ihre Fluchtgründe vorzubringen wurde Ihnen mehrfach geboten. Auch geht der VwGH davon aus, dass ein spätes gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit ein zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/025). Sie brachten im neuerlichen Asylverfahren keine asylrelevanten Gründe vor. Sie hielten auf mehrfaches Nachfragen Ihre Asylgründe des Vorverfahrens aufrecht. Anzumerken ist, dass sich Ihre Familienangehörigen im Herkunftsstaat Ihren Angaben zu Folge nach wie vor aufhalten und im Fall Ihrer Schwester sogar staatliche Rente bezieht. Ihre Angehörigen gehen Erwerbstätigkeiten nach, Ihr Bruder als Bauarbeiter, eine Tochter als Schneiderin und eine als Lehrerin, Sie berichten nicht, dass Ihre Familienangehörigen im Herkunftsstaat sich von Repressalien seitens Russischer Sicherheitsbehörden oder Institutionen gezwungen sehen sich zu verstecken oder auszureisen. Ihre Nichte reiste samt Familie in die Türkei zur Arbeitsaufnahme wie Sie vorbringen und nicht um Unannehmlichkeiten seitens des Russischen Staates zu entgehen. Es ist also davon auszugehen dass Ihre Familienangehörigen im Herkunftsstaat unbehelligt leben. Sie brachten keine Gründe vor warum Ihnen das im Fall einer Rückkehr nicht möglich sein sollte

[...]."

Die dazu im Bescheid nachfolgend getroffene Beweiswürdigung deckt sich im Wesentlichen mit den bereits wiedergegebenen (vom Bundesamt schon vorweg mit beweiswürdigenden Argumenten unterlegten) Feststellungen.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass weder in der maßgeblichen Sachlage noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages der BF nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, weshalb die Rechtskraft des ergangenen Erkenntnisses vom 18.10.2017, Zl. W226 2106409-3/3E, dem neuerlichen Antrag hinsichtlich des Status der Asylberechtigten iSd § 3 AsylG 2005 entgegenstehe. Zu Spruchpunkt II. wurde im Wesentlichen dargelegt, dass eine über das von der BF als nicht glaubhaft festgestellte Fluchtvorbringen hinausgehende Gefährdungslage im Heimatland von ihr nicht vorgebracht worden und auch aus den Länderfeststellungen nicht ersichtlich sei.

2.3. Dagegen wurde binnen offener Frist in vollem Umfang Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für die BF günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, erhoben. Dabei wurde u.a. auf einen USB-Stick mit wichtigen Beweisvideos verwiesen, welcher von der Behörde nicht angenommen worden wäre. Es sei jedoch Pflicht der Behörde, jedes Beweisstück entgegenzunehmen. Auf dem USB-Stick würden sich Videos und Tonbandaufnahmen befinden, die beweisen würden, dass die gesamte Familie der BF von russischen Sicherheitsbehörden gesucht werde. Die BF habe auf dem USB-Stick wichtige Beweise gegen den Polizeibeamten, die sie zu Verfolgten mache. Während der Einvernahme habe die Behörde nicht einmal genau gefragt, um welche Art von Beweisen es sich handle. Dies stelle einen groben Verfahrensmangel dar, da diese Beweismittel der zentrale Aspekt bei der Folgeantragstellung der BF seien. Die Behörde sei verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Durch einfaches Nachfragen hätte das Bundesamt klären können, um welche Beweise es sich handle. Aufgrund der Nichtannahme der vorgelegten Beweismittel werden diese mittels USB-Stick dem Gericht übermittelt und der Beschwerde beigefügt. Die neuen, von der BF angeführten und von der Behörde nicht angenommenen Beweise erreichten die BF erst kurz vor der Folgeantragstellung. Erst die Kenntnis dieser Vorfälle veranlasste die BF zur Folgeantragstellung.

Der USB-Stick wurde mit der Beschwerde vorgelegt. Auf dem angesprochen USB-Stick befinden sich ungefähr 20 Text- und Video-Dateien unbekannten Inhalts in russischer Sprache.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird den Feststellungen zugrundegelegt.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt, insbesondere dem vom Bundesamt herangezogenen und vorgelegten Akt zur im Spruch genannten Zahl sowie der Beschwerdeschrift samt beigelegtem USB-Stick.

2. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063):

"Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f)."

Gemäß § 18. Abs. 1 AsylG haben das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

Mit § 18 Abs. 1 AsylG 2005 (wie auch schon mit der nahezu wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997) wurde die aus § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, speziell für das Asylverfahren weiter konkretisiert (vgl. dazu VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). So verpflichtet § 18 Abs. 1 AsylG 2005 idgF das Bundesamt (zuvor Bundesasylamt), in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (zum Umfang der Ermittlungspflichten vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599).

Zu Spruchteil A):

2.2. Das Bundesamt stützte hinsichtlich Spruchpunktes I. des bekämpften Bescheides die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages auf die Feststellung, dass diesbezüglich eine entschiedene Sache nach § 68 Abs. 1 AVG vorliege.

Sache des gegenständlichen Verfahrens ist vorweg die verfahrensrechtliche Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags hinsichtlich des Status der Asylberechtigten durch das Bundesamt gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Es ist daher dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (Vgl. VwGH 25.04.2017, Zl. Ra 2016/01/0307).

Hierbei ist vorweg darauf hinzuweisen, dass das vom Bundesamt im bekämpften Bescheid diesbezüglich genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.10.2017, Zl. W226 2106409-3/3E, im Sinne der Rechtskraftwirkung von § 68 Abs. 1 AVG nicht als Vergleichsentscheidung geeignet war, zumal der Gegenstand dieser Entscheidung nicht die Prüfung der Asylgründe der BF, sondern im Wesentlichen lediglich die Frage der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung war (Vgl. etwa VwGH 16.06.2015, Zl. Ra 2015/19/0129; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 104 zu § 68 AVG). Sohin war aber als Vergleichsentscheidung das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2014, Zl. W129 1437334-1/17E, heranzuziehen.

Die BF machte zur Begründung ihres Folgeantrages im Wesentlichen aktuelle Ereignisse, nämlich Verfolgungshandlungen gegen Familienangehörige im Herkunftsland geltend, wobei sie diese u.a. auf einem auf 2012 zurückreichenden Vorfall hinsichtlich eines Schwiegersohnes stützte und sie daraus eine Gefährdung ihrer eigenen Person - offenbar aufgrund ihrer Eigenschaft als Familienangehörige - ableitete. Somit behauptete die BF grundsätzlich Verfolgungshandlungen, die sich nach Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2014 ereignet haben sollen, weshalb nicht von vornherein gesagt werden kann, dass diesem Vorbringen - würde es zu Grunde gelegt- schon die grundsätzliche Eignung zur Begründung eines Asylanspruches abzusprechen wäre, und es im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daraufhin zu überprüfen gewesen wäre, ob es einen "glaubhaften Kern" aufweist oder nicht (vgl. etwa VwGH 22.11.2005, Zl. 2005/01/0626).

Das Bundesamt begründete die zurückweisende Entscheidung erkennbar zum einem mit der Argumentation, dass die behaupteten Geschehnisse lediglich eine Fortführung des Vorbringens zum ersten Asylantrag wären, welches bereits durch eine rechtskräftige Entscheidung als unglaubwürdig erkannt worden seien, zum anderen, dass sie sich aufgrund des Umstandes, dass die BF den Vorfall aus dem Jahr 2012 nicht schon im vorhergehenden Verfahren erwähnt hat, erneut als unglaubwürdig erweisen würden. In diesem Zusammenhang hat es das Bundesamt aber völlig unterlassen, auf das diesbezügliche Vorbringen der BF einzugehen.

So wurde der BF in der Einvernahme am 03.04.2018 die Gelegenheit verwehrt, ihr Vorbringen hinsichtlich ihres Schwiegersohnes vollständig und nachvollziehbar darzulegen. Darüber hinaus wurden diesbezüglich neu angebotene Beweismittel - ohne jegliche inhaltliche Auseinandersetzung - abgelehnt. Begründend wurde dazu lediglich ausgeführt, dass es sich hierbei um einen Vorfall aus dem Jahr 2012 gehandelt hat, der von der BF längst vorgebracht werden hätte können, wobei zusätzlich auf das Neuerungsverbot verwiesen wurde. Nach Gründen, weshalb sie den Vorfall von 2012 nicht schon im vorhergehenden Verfahren erwähnt hat, wurde sie nicht befragt.

Hierzu ist festzuhalten, dass die BF zwar auf Nachfragen erklärte, dass der Vorfall "2012 nach ihrer Ausreise" gewesen wäre, doch wurde nicht geklärt, welcher konkrete "Vorfall" dabei von ihr gemeint war. Diesem Umstand kommt bereits insofern Bedeutung zu, als sie im Zusammenhang mit ihrem Schwiegersohn eine Abfolge von zeitlich auseinander fallender Vorfälle schilderte, die jeweils weder zeitlich noch inhaltlich näher hinterfragt wurden, wobei auch ihr diesbezüglich ausdrücklich erhobener Einwand, dass "nicht alles in der Vergangenheit" sei, einfach ignoriert wurde. Hierbei muss auch berücksichtigt werden, dass es sich bei der BF um eine 64-jährige Frau handelt, die unter zahlreichen gesundheitlichen Beschwerden leidet und auch in der Einvernahme erklärte, sich im Hinblick auf Kopfschmerzen und Migräne in einem kranken Zustand zu befinden, wobei sie sich hinsichtlich eines vorhergehenden Ladungstermin aus gesundheitlichen Gründen entschuldigt hatte. Allein unter Berücksichtigung dieser Umstände wäre umso mehr ein entsprechendes auf Konkretisierung des Vorbringens gerichtetes Nachfragen seitens des Bundesamtes geboten gewesen, was jedoch völlig unterlassen wurde. So wurde die BF etwa auch nicht danach befragt, wann es in diesem Zusammenhang erstmals zu Verfolgungshandlungen gegen Familienangehörige gekommen wäre bzw. wurde sie auch sonst überhaupt nicht konkret zu den jeweiligen Verfolgungshandlungen befragt, weshalb auch - mit Ausnahme einer Wohnungsdurchsuchung -völlig unklar ist, worin diese überhaupt bestanden haben bzw. bestehen würden. Vielmehr hat sich das Bundesamt offenbar damit begnügt, dass sich noch Familienangehörige der BF im Herkunftsstaat aufhalten und sich nicht verstecken würden, wobei die BF aber auch zu letzteren nicht konkret befragt wurde.

Angesichts dieser Umstände erwies es sich jedoch als besonders erschwerend, dass sich das Bundesamt weder durch Einsichtnahme oder näheres Nachfragen einen aussagekräftigen Überblick verschafft hat, um welche konkreten, zu welchen Zeitpunkt entstandenen und zu welchen Inhalten oder konkreten Ereignissen Bezug nehmenden Beweismittel es sich auf dem angebotenen USB-Stick im Einzelnen überhaupt handelt. Die diesbezüglich kaum präzisierte und auch nicht zwingend als exklusiv zu verstehende Frage, ob sich auf dem USB-Stick die Angelegenheiten ihres Schwiegersohnes bezüglich der Drogen befinden, reichte in der vorliegende Konstellation für eine pauschale Ablehnung des angebotenen Beweismittels - ohne offenbar überhaupt einen Blick darauf zu werfen - nicht aus. Dies gilt umso mehr, als sich auf den USB-Stick etwa 20 Text- und Video-Dateien in russischer Sprache befinden, deren konkreter Inhalt und die sich daraus ergebende allfällige Relevanz nicht ohne Dolmetsch oder zumindest Befragung der BF ermittelt werden können. Auch die diesbezüglichen Einwände der BF, dass es noch immer laufe und nicht zu Ende sei, wurden vom Bundesamt in diesem Zusammenhang völlig ignoriert. In der Beschwerde wurde nunmehr dazu vorgebracht, dass diese Beweismittel beweisen würden, dass die gesamte Familie der BF von russischen Sicherheitsbehörden gesucht werde und der zentrale Aspekt bei der Folgeantragstellung der BF seien.

Indem das Bundesamt dies alles unterlassen hat, hat es in Summe das Verfahren mit massiven Verfahrens- und Ermittlungsmängeln belastet, zumal sich dadurch wesentliche Punkte des Vorbringens der BF nunmehr als völlig ungeklärt erweisen. Hierbei wird auch nicht verkannt, dass der Umstand, dass die BF nur knapp einen Monat nach Rechtskraft einer gegen sie gerichteten Rückkehrentscheidung neuerlich einen Antrag gestellt hat und sich dazu großteils auf ihre bisherigen, für unglaubwürdig erachteten Fluchtgründe gestützt hat, die Annahme einer bereits entschiedenen Sache durchaus sehr nahe legt. Dies allein hat die Behörde jedoch nicht von der Verpflichtung entbunden, sich in einer nachvollziehbaren Weise mit der Glaubwürdigkeit des neuen Vorbringens der BF auseinanderzusetzen, der BF dazu die Gelegenheit einzuräumen, ihr Vorbringen unter konkreten Nachfragen vollständig zu erstatten, und die dazu vorgelegten Beweismittel nachvollziehbar zu sichten und bewerten. Letzteres wurde vom Bundesamt jedoch wie bereits ausgeführt völlig verabsäumt.

Der seitens des Bundesamtes ermittelte Sachverhalt reicht angesichts dieser groben Ermittlungsmängel für die Beurteilung der Frage, ob das nunmehrige neu erstattete Vorbringen einen "glaubhaften Kern" im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur zu § 68 AVG aufweist, keinesfalls aus.

2.3. Zusammengefasst ist daher festzustellen, dass sich das Bundesamt hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer entschiedenen Sache in völlig ungeeigneter Weise bzw. gar nicht mit dem neuen Vorbringen der BF auseinandergesetzt hat.

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis daher so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen - bereits im Kern - nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten schweren Mängeln behaftet.

Weiters haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen, mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden oder auch nur zweckmäßig wäre. Letztlich wäre es dem Bundesverwaltungsgericht zudem auch verwehrt, den Verfahrensgegenstand einer allfälligen meritorischen Erledigung zuzuführen (vgl. dazu etwa VwGH 09.11.2010, Zl. 2007/21/0493, mit Verweis auf VwGH 15.06.1987, Zl. 86/10/0168; VwGH 29.05.2009, Zl. 2007/03/0157 sowie auch VfGH vom 18.06.2014, Zl. G 5/2014-9 zu § 28 VwGVG).

Infolge der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird das Bundesamt im Rahmen einer eingehenden und detaillierten Befragung der BF insbesondere die Gelegenheit einzuräumen haben, vollständig darzulegen, welche konkreten Verfolgungshandlungen in Zusammenhang mit ihrem Schwiegersohn nach Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2014 gegen konkrete Familienangehörige im Herkunftsland erfolgt wären und inwiefern daraus eine aktuelle Gefährdung ihrer Person abzuleiten wäre. Gleichzeitig wird sich das Bundesamt hinsichtlich der in Vorlage gebrachten Beweismittel zu deren Entstehungszeit sowie jeweiligen Inhalt und Beweisthema durch Befragung einen Überblick zu verschaffen sowie in einer nachvollziehbaren Weise - erforderlichenfalls auch durch Übersetzung - damit auseinanderzusetzen zu haben.

2.3. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 leg. cit. kann eine Verhandlung entfallen, wenn u.a. bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Aufgrund der zeitlich unmittelbar erfolgten Entscheidung im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war auf den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht weiter einzugehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben (vgl. dazu die unter den Punkten II.2.2.1 f. zitierte Judikatur)

Schlagworte

aktuelle Gefahr, Behebung der Entscheidung, entschiedene Sache,
Ermittlungspflicht, Familienangehöriger, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Verfolgungshandlung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W182.2106409.4.00

Zuletzt aktualisiert am

24.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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