Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nunmehr: Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus) gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 7. Juni 2017, Zlen. LVwG 80.34-424/2017-6 und LVwG 46.34-563/2017-5, betreffend eine Angelegenheit nach dem AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Die Revisionsbeantwortung der K GmbH in R, vertreten durch die Neger / Ulm Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Parkstraße 1, wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom 2. November 2015 stellte die K. GmbH den Antrag, die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung möge gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 in der zum Zeitpunkt der antragsbezogenen Tätigkeit (2015) geltenden Fassung feststellen, dass für die von der S GmbH erworbene Stahlwerkschlacke, die als Baumaterial für ihren bestimmungsgemäßen Zweck eingesetzt worden sei, das Abfallende im Sinne des § 5 Abs. 1 AWG 2002 eingetreten sei und diese Materialien daher mit ihrem Einsatz keinen Abfall mehr darstellten, weil diese Stahlwerkschlacke unmittelbar als Substitution von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet worden sei.
2 Mit Eingabe vom 27. Juni 2016 ergänzte die K. GmbH diesen Antrag durch den Eventualantrag auf Feststellung, dass die von der S GmbH erworbene gegenständliche Stahlwerkschlacke ein Nebenprodukt nach § 2 Abs. 3a AWG 2002 darstelle.
3 Mit Eingabe vom 14. Juli 2016 änderte die K. GmbH den verfahrensgegenständlichen Haupt- und Eventualantrag wie folgt ab:
"Die zuständige Behörde Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung möge feststellen, dass die von der S GmbH erworbene gegenständliche Stahlwerkschlacke ein Nebenprodukt nach § 2 Abs. 3a AWG 2002 darstellt,
in eventu
gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 in der zum Zeitpunkt der antragsbezogenen Tätigkeit (2015) gültigen Fassung feststellen, dass für die von der S GmbH erworbene Stahlwerkschlacke, die als Baumaterial für ihren bestimmungsgemäßen Zweck eingesetzt wurde, das Abfallende im Sinne des § 5 Abs. 1 AWG 2002 eintritt und diese Materialien daher mit ihrem Einsatz keinen Abfall mehr darstellen, weil diese Stahlwerkschlacke unmittelbar als Substitution von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet wurde.".
4 Der Aufforderung der belangten Behörde vom 15. Juli 2016, weitere Befunde, Pläne, Beschreibungen sowie Mengenangaben zu übermitteln, kam die K. GmbH im Schreiben vom 26. Juli 2016 mit der Begründung, dass für die Feststellung der Nebenprodukteigenschaft (Hauptantrag) die Vorlage der geforderten Ergänzungsunterlagen nicht von Relevanz sei, nicht nach.
5 Mit Eingabe vom 31. August 2016 begehrte die K. GmbH gegenüber der belangten Behörde eine Entscheidung über den Hauptantrag.
6 Mit Schreiben vom 5. September 2016 ersuchte die belangte Behörde die Abteilung 14 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Referat für Abfallwirtschaft und Nachhaltigkeit, um Erstattung von Befund und Gutachten zur Frage, ob die Elektroofenschlacke der S GmbH ein Nebenprodukt im Sinne des § 2 Abs. 3a AWG 2002 darstellt.
7 Mit Eingabe vom 31. Oktober 2016 wiederholte die K. GmbH gegenüber der belangten Behörde ihren Antrag auf Entscheidung über den Hauptantrag.
8 Mit Eingabe vom 24. Jänner 2017 erhob die K. GmbH Säumnisbeschwerde, in welcher sie beantragte, das Landesverwaltungsgericht Steiermark möge der Säumnisbeschwerde stattgeben und in der Sache selbst entscheiden sowie eine mündliche Verhandlung durchführen.
9 Begründend führte die K. GmbH nach Darstellung des Verfahrensgeschehens im Wesentlichen aus, die Untätigkeit der belangten und säumigen Behörde verletze sie in ihrem Recht auf unverzügliche, zumindest jedoch innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Maximalfrist von sechs Monaten ab Antragstellung zu fällenden Entscheidung gemäß § 73 AVG sowie § 8 VwGVG. Aus dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 15. Juni 2016, LVwG 46.1-1577/2016-3, gehe auf Grund der dort getroffenen (rechtskräftigen) Feststellungen eindeutig hervor, dass über den Hauptantrag antragsgemäß zu entscheiden und die Nebenprodukteigenschaft der verfahrensgegenständlichen Stahlwerkschlacke festzustellen sei. Die vorliegenden bzw. auch im Ermittlungsverfahren vorgelegten Beweisergebnisse ließen auch aus naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten keine andere Entscheidung zu. Mit antragsgemäßer Entscheidung über den Hauptantrag erübrige sich eine Entscheidung über den Eventualantrag. Zumindest jedoch hätte die belangte und säumige Behörde, die im Übrigen auch seit 15. Juli 2016 keine erkennbaren Verfahrensschritte unternommen habe, irgendeine Entscheidung über den Hauptantrag, und sei es auch dessen Abweisung, zu treffen gehabt.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht den Antrag auf Feststellung der Nebenprodukteigenschaft (Hauptantrag) nach Bejahung seiner Zuständigkeit auf Grund der Säumnisbeschwerde in der Begründung als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.) und die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) betreffend den Antrag auf zulässige Verwertung (Eventualantrag) ab (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig erklärte es die Revision für unzulässig (Spruchpunkt III.).
11 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und von Rechtsvorschriften stellte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen fest, die belangte Behörde habe zum Hauptantrag keine ergänzenden Unterlagen von der K. GmbH eingefordert und auch nach Ersuchen der K. GmbH um Entscheidungsfällung keine bescheidmäßige Erledigung getroffen. Abgesehen von ihrem Ersuchen an die Abteilung 14 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Referat für Abfallwirtschaft und Nachhaltigkeit, habe die belangte Behörde bis zur Säumnisbeschwerde keine Schritte gesetzt.
12 Ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde an der Verzögerung sei bereits dann anzunehmen, wenn kein Verschulden der Partei vorliege und der Erledigung kein unabwendbares Hindernis entgegenstehe. Die belangte Behörde habe den Auftrag zur Erstattung einer gutachterlichen Stellungnahme mehr als zwei Monate nach Einlangen des Antrags erteilt, keinen Termin für die Fertigstellung der gutachterlichen Stellungnahme gesetzt und sei nicht mit der Abteilung 14 in Kontakt getreten. Bei der Frage des Vorliegens eines Nebenprodukts handle es sich um eine Rechtsfrage, weshalb die Einholung eines fachlichen Gutachtens nicht erforderlich gewesen sei. Die K. GmbH habe mehrfach um Zwischenerledigung zur Frage der Nebenprodukteigenschaft ersucht, und es sei im Sinne der Verfahrenseffizienz eine solche zu treffen gewesen. Die belangte Behörde habe daher ein überwiegendes Verschulden an der Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den Hauptantrag zu verantworten. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Nebenprodukteigenschaft sei sohin auf das Verwaltungsgericht übergegangen. Ein ausdrücklicher Abspruch über die Stattgebung der Säumnisbeschwerde sei in diesem Fall nicht vorzunehmen.
13 Die K. GmbH habe die Elektroofenschlacke von der S GmbH käuflich erworben und diese für die Errichtung des Frostkoffers für das Bauvorhaben N. verwendet.
14 Zur Zurückweisung des Hauptantrags verwies das Verwaltungsgericht zunächst auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.3.2017, Ra 2016/05/0056, in welcher dieser die Antragslegitimation und damit Verfügungsberechtigung der S GmbH in einem Verfahren nach § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 zur Feststellung der Nicht-Abfalleigenschaft von bei ihr im Zuge eines Herstellungsverfahrens angefallener Elektroofenschlacke, die von ihr unter Eigentumsvorbehalt an diverse Personen verkauft und von diesen in der Baubranche verwendet worden war, verneint hatte.
Während diesem Fall aber der Verlust der Abfalleigenschaft durch Eintreten eines Abfallendes im Sinne des § 5 AWG 2002 zugrunde gelegen sei, gehe es hier um die Frage, ob die bei der S GmbH angefallene, von der K. GmbH gekaufte und von ihr verwendete Elektroofenschlacke ein Nebenprodukt im Sinne des § 2 Abs. 3a AWG 2002 darstelle und die K. GmbH somit gar keinen Abfall übernommen habe.
Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner zu § 4 AWG 1990 ergangenen Entscheidung vom 4.7.2001, 99/07/0177, ausgesprochen, dass Gegenstand einer Feststellung die Sache in jener Form sei, die der Antragsteller zum Gegenstand dieser Feststellung gemacht wissen wolle. In der Zusammenschau bedeute dies, dass die Frage der Verfügungsberechtigung und der Antragslegitimation nach § 6 AWG 2002 hinsichtlich des Hauptantrags einer ex-post-Betrachtung zu unterziehen sei. Bei Prüfung dieser Frage sei folglich auf jenen Zeitpunkt abzustellen, in dem die Sache in jener Form angefallen sei, die Gegenstand der Feststellung sein solle (wurde näher ausgeführt).
Unbestritten sei die S GmbH Produzentin der Elektroofenschlacke und zum Zeitpunkt der Herstellung des Materials Eigentümerin und alleinige Verfügungsberechtigte gewesen. Eine Verfügungsberechtigung der K. GmbH zu diesem Zeitpunkt werde nicht behauptet.
Die K. GmbH habe in Kenntnis der Rechts- und Sachlage zum Kaufzeitpunkt Abfall von der S GmbH übernommen. Mit Übergabe der Elektroofenschlacke als Abfall sei sohin der Zeitpunkt für die Feststellung, dass es sich um ein Nebenprodukt - also gar keinen Abfall - handle, bereits überschritten und der K. GmbH die Möglichkeit genommen worden, die rechtliche Qualifikation der von ihr übernommenen Sache anders beurteilen zu lassen, als die Produzentin selbst es getan habe oder tun habe wollen. Die K. GmbH sei erst mit dem Zeitpunkt der Übergabe des Materials Verfügungsberechtigte über die Sache geworden, die zu diesem Zeitpunkt bereits als Abfall qualifiziert gewesen sei. Mangels Verfügungsberechtigung zum Zeitpunkt der Herstellung der Elektroofenschlacke sei die K. GmbH gemäß § 6 AWG 2002 zur Frage der Nebenprodukteigenschaft nicht antragslegitimiert.
15 Im Hinblick auf den Eventualantrag verneinte das Verwaltungsgericht ein Verschulden der belangten Behörde an der Verfahrensverzögerung, weil die K. GmbH deren Aufforderung vom 15. Juli 2016 zur Nachreichung von Unterlagen und Angaben nicht nachgekommen sei. Im Übrigen behaupte die K. GmbH in der Säumnisbeschwerde nicht, dass die belangte Behörde im Hinblick auf den Eventualantrag tatsächlich säumig geworden sei. Die Säumnisbeschwerde betreffend den Eventualantrag sei daher abzuweisen.
16 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Die Revision erweist sich ob der Fragen, ob - neben dem im Gesetz vorgesehenen Antrag auf Feststellung der Abfalleigenschaft einer Sache - eigenständige Anträge auf Feststellung der Nebenprodukteigenschaft und Nichtabfalleigenschaft infolge eingetretenen Abfallendes zulässig sind und es im Hinblick auf die Antragslegitimation einen Unterschied macht, welcher Grund für das Vorliegen von Nichtabfall ins Treffen geführt wird, als zulässig.
19 In der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, die Frage, ob eine Sache Abfall sei, könne nicht in einen Antrag auf Feststellung des Abfallendes nur für den Fall des Nichtvorliegens der Nebenprodukteigenschaft aufgespaltet werden. Die Verfügungsberechtigung könne nicht von der Qualifikation einer Sache als Abfall oder Nichtabfall abhängen. Für die Antragslegitimation könne daher auch dann, wenn die Nebenproduktequalität ins Treffen geführt werde, nicht der Zeitpunkt maßgeblich sein, an dem die Sache "angefallen" sei. Das Verwaltungsgericht halte den Eventualantrag ohne nähere Begründung für zulässig.
20 Artikel 130 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2014 lautet auszugsweise:
"Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen
über Beschwerden
...
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;
..."
21 § 8 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:
"Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde
§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
..."
§ 28 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:
"Erkenntnisse
§ 28. (1) ...
...
(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.
..."
22 § 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002, BGBl. I Nr. 102, in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2013 lautet auszugsweise:
"Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind
bewegliche Sachen,
1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt
hat oder
2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als
Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.
(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.
(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und
Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange
nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange
1. eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder
2. sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie
bestimmungsgemäßen Verwendung steht.
...
(3a) Ein Stoff oder Gegenstand, der das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens ist, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstands ist, kann nur dann als Nebenprodukt und nicht als Abfall gelten, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. es ist sicher, dass der Stoff oder Gegenstand weiterverwendet wird;
2. der Stoff oder Gegenstand kann direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwendet werden;
3. der Stoff oder Gegenstand wird als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt und
4. die weitere Verwendung ist zulässig, insbesondere ist
der Stoff oder Gegenstand unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar, es werden keine Schutzgüter (vergleiche § 1 Abs. 3) durch die Verwendung beeinträchtigt und es werden alle einschlägigen Rechtsvorschriften eingehalten.
..."
§ 3 Abs. 1 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2013 regelt in Bezug auf bestimmte Stoffe Ausnahmen vom Geltungsbereich des AWG 2002, sodass diese nicht als Abfälle im Sinne des AWG 2002 anzusehen sind.
§ 5 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2013 lautet auszugsweise:
"Abfallende
§ 5. (1) Soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 oder eine Verordnung gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle nicht anderes bestimmt, gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden. Im Falle einer Vorbereitung zur Wiederverwendung im Sinne von § 2 Abs. 5 Z 6 ist das Ende der Abfalleigenschaft mit dem Abschluss dieses Verwertungsverfahrens erreicht.
..."
§ 6 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2013 lautet auszugsweise:
"Feststellungsbescheide
§ 6. (1) Bestehen begründete Zweifel,
1. ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,
...
hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten oder auf Veranlassung der Bundespolizei nach Maßgabe des § 82 oder der Zollorgane nach Maßgabe des § 83 mit Bescheid festzustellen. ...
..."
23 Bei einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren nach § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 bestimmt der Verfügungsberechtigte den Feststellungsgegenstand. Die Spezifizierung der Sache, auf welche sich der Feststellungsantrag bezieht, obliegt demjenigen, der die Feststellung von der Behörde begehrt. Der Antragsteller hat je nach Erfordernis Beschaffenheit und Menge des Feststellungsgegenstandes sowie andere für die Beurteilung relevante Umstände anzugeben (vgl. VwGH 31.3.2016, 2013/07/0156, mwN).
24 Verfügungsberechtigt im Sinne des § 6 Abs. 1 AWG 2002 ist derjenige, der rechtmäßig über den Feststellungsgegenstand bestimmen bzw. verfügen kann (vgl. VwGH 29.3.2017, Ra 2016/05/0056). In Bezug auf die Antragslegitimation stellt § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 weder auf vor der Antragstellung gelegene Verfügungsberechtigungen noch darauf ab, ob der im Antrag zu konkretisierende Feststellungsgegenstand vor diesem Antrag andere Qualifikationen aufwies als im Antragszeitpunkt.
25 Das Verwaltungsgericht ist nicht auf die somit im Hinblick auf die Antragslegitimation entscheidende Frage eingegangen, nämlich ob die K. GmbH im Zeitpunkt der Antragstellung über den Feststellungsgegenstand verfügungsberechtigt war. Auch wurde nicht dargelegt, dass die Antragslegitimation der K. GmbH in weiterer Folge etwa verlorengegangen wäre. Die Zurückweisung des Hauptantrages mangels Antragslegitimation der K. GmbH erweist sich daher als nicht nachvollziehbar begründet.
26 Wird im Übrigen in einem Feststellungsverfahren nach § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 die Abfalleigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 bis 3 AWG 2002 bejaht und die Nebenprodukteigenschaft (vgl. § 2 Abs. 3a AWG 2002) verneint (und ist auch - wie offenbar im gegenständlichen Fall - kein Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1 AWG 2002 einschlägig), liegt Abfall im Sinne des AWG 2002 vor, der diese Eigenschaft grundsätzlich nur nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 AWG 2002 verlieren kann (vgl. Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002, Rz 1 zu § 5).
27 Die Entscheidung, ob bestimmte Sachen als Abfall iSd § 2 Abs. 1 bis 3 AWG 2002 einzustufen sind, umfasst somit zwingend auch die Beantwortung der Fragen, ob die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Nebenprodukts nach § 2 Abs. 3a AWG 2002 gegeben sind und ob ein Abfall seine Abfalleigenschaft nach § 5 AWG 2002 verloren hat. Erst nach Beantwortung auch dieser Fragen ist geklärt, ob es sich um Abfall im Sinne des AWG 2002 handelt.
28 Das AWG 2002 normiert keine eigenständige Feststellung, ob ein Stoff oder Gegenstand als Nebenprodukt nach § 2 Abs. 3a AWG 2002 anzusehen ist.
29 Ein Feststellungsbescheid, der nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, stellt lediglich einen subsidiären Rechtsbehelf dar, der nur in Betracht kommt, wenn andere Möglichkeiten, die maßgebende Rechtsfrage zu klären, nicht vorhanden oder zumutbar sind (vgl. z.B. VwGH 22.11.2017, Ro 2017/03/0023). Es muss sich um ein für die Partei notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung handeln (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, 908 unter E 203 zitierte hg. Judikatur). Die rechtliche Qualifikation eines Sachverhaltes kann insoweit nicht Gegenstand eines solchen Feststellungsbescheides sein (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, 915 unter E 236 zitierte hg. Judikatur). Hat die Behörde eine Frage in einem anderen, gesetzlich vorgesehenen Verfahren zu klären, scheidet die Erlassung eines besonderen Feststellungsbescheides zu dieser Frage aus (vgl. VwGH 25.5.1960, 115/56, VwSlg 5305 A).
30 Auf der Grundlage dieser Ausführungen ist fallbezogen davon auszugehen, dass eine gesonderte Feststellung über die Nebenprodukteigenschaft ebenso nicht in Frage kommt wie eine solche über das Abfallende. Dies führt dazu, dass der dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegende Antrag der K. GmbH insgesamt nicht hinreichend eindeutig und nicht hinreichend klar ist. Es kommt der K. GmbH offenbar, gerade auch im Hinblick auf den gestellten Eventualantrag, ungeachtet des formalen Antragswortlautes auf die Feststellung der Abfalleigenschaft an. Schon aus Rechtsschutzgründen und angesichts dessen, dass der K. GmbH ein unzulässiger Antrag nicht ohne weiteres unterstellt werden darf (vgl. etwa VwGH 2.5.2001, 96/12/0062), wird daher im fortgesetzten Verfahren ihre wahre Absicht, die sie mit ihrem Begehren verfolgt, zu ermitteln sein (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, 339 unter E 59 zitierte hg. Judikatur).
31 Ein Eventualantrag stellt keine bloße "Ergänzung" des Hauptantrags oder eine "Antragsänderung" dar; es handelt sich dabei um einen eigenständig zu beurteilenden (weiteren) Antrag, der unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt (vgl. VwGH 28.5.2014, 2013/07/0282).
32 Ausgehend davon ist zu bemerken, dass sich die Ausführungen in der Säumnisbeschwerde der Sache nach nur auf den Hauptantrag bezogen. Das Verwaltungsgericht hätte daher angesichts dieser Beschwerdeausführungen und ebenso der Aktenlage schon im Hinblick auf seine Zuständigkeit vor der Abweisung der Säumnisbeschwerde in Bezug auf den Eventualantrag mangels Eindeutigkeit derselben klären müssen, ob sich die Säumnisbeschwerde überhaupt auch auf den Eventualantrag bezog.
33 Hinzuweisen ist darauf, dass auf Grund der obigen Darlegungen weder der Hauptantrag noch der Eventualantrag in der derzeit vorliegenden Fassung als solcher Gegenstand einer Sachentscheidung sein könnte.
34 Das angefochtene Erkenntnis war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
35 Die Revisionsbeantwortung der K. GmbH war zurückzuweisen, weil das VwGG den Eintritt als mitbeteiligte Partei auf Seiten des Revisionswerbers nicht kennt. Die Stellung als Mitbeteiligter setzt vielmehr rechtlich geschützte Interessen im Widerspruch zur Interessenlage des Revisionswerbers voraus (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2014/07/0070, mwN).
Wien, am 24. April 2018
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017050215.L00Im RIS seit
24.05.2018Zuletzt aktualisiert am
14.06.2018