TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/14 99/18/0293

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Veröffentlicht am 14.03.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
SGG §12 Abs3 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des M in Wien, geboren am 18. Februar 1943, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Jänner 1999, Zl. SD 564/98, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Jänner 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm § 48 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer lebe nach seinen eigenen Angaben seit 1976 in Österreich. Am 27. Mai 1994 habe er sich allerdings nach England abgemeldet. Erst am 29. Oktober 1997 habe er sich wieder in Wien angemeldet. Im Inland lebten auch die Gattin des Beschwerdeführers, welche seit 1993 österreichische Staatsbürgerin sei, sowie seine beiden Söhne, seine Mutter und sein Bruder.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. Jänner 1992 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens gemäß § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren sowie zu einer Geldstrafe von S 300.000,-- rechtskräftig verurteilt worden. Trotz Vorliegens der erforderlichen Voraussetzungen sei damals von der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme Abstand genommen worden. (Aus dem Akteninhalt ist ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer am 30. April 1992 für den Fall eines neuerlichen strafbaren Verhaltens die "Einleitung fremdenpolizeilicher Maßnahmen" angedroht worden ist.) Am 21. Dezember 1993 sei der Beschwerdeführer von einem englischen Gericht, "dem Court London, abermals wegen Verstoßes nach dem Suchtgiftgesetz" zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Es sei davon auszugehen, dass diese Verurteilung § 73 StGB entspreche. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG sei daher gegeben. Die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei aufgrund der den sehr schweren Strafen zu Grunde liegenden Taten des Beschwerdeführers jedenfalls gerechtfertigt. Aufgrund der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und des Aufenthaltes seiner Angehörigen im Inland sei das Aufenthaltsverbot mit einem Eingriff in dessen Privat- und Familienleben verbunden. Angesichts der hohen Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten und der damit verbundenen hohen Wiederholungsgefahr, die sich beim Beschwerdeführer manifestiert habe, müsse die anzustellende Prognose zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung von strafbaren Handlungen und Schutz der Gesundheit) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei der hohe Integrationsgrad des Beschwerdeführers zu berücksichtigen gewesen. Die für eine nachhaltige Integration erforderliche soziale Komponente werde jedoch durch die Straftaten wesentlich gemindert. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stehe bei Suchtgiftdelikten selbst eine ansonsten völlige soziale Integration der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen daher nicht schwerer als die nachteiligen Folgen des Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Gründe des § 38 FrG stünden der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Ebenso sei das Aufenthaltsverbot nicht gemäß § 48 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. unzulässig, weil der Beschwerdeführer von Mai 1994 bis Oktober 1997 in England gelebt habe und daher seinen Hauptwohnsitz nicht ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet habe.

Zu dem die Krankheit des Beschwerdeführers betreffenden Vorbringen sei auszuführen, dass mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht ausgesprochen werde, in welches Land der Fremde auszureisen habe. Keinesfalls sei damit eine zwingende Ausreise nach Sarajevo verbunden. Ein Grund für die Annahme, dass das Leiden des Beschwerdeführers nur in Österreich behandelt werden könne, sei nicht gefunden worden.

2. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 8. Juni 1999, B 358/99-6, die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde ab und trat sie mit Beschluss vom 22. Juli 1999, B 358/99-8, dem Verwaltungsgerichtshof ab. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach § 49 Abs. 1 erster Satz FrG genießen Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3 leg. cit., die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt des 4. Hauptstückes. Im vorliegenden Fall findet daher auf den Beschwerdeführer, der Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin ist, die Bestimmung des § 48 Abs. 1 erster Satz FrG Anwendung, derzufolge die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig ist, wenn aufgrund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.

Im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes unter dem Blickwinkel des § 48 Abs. 1 FrG - wie unten 2.2. dargestellt, frei von Rechtsirrtum - beurteilt hat, bewirkte es keine Verletzung von subjektiven Rechten des Beschwerdeführers, wenn sie diese Maßnahme - anders als die Erstbehörde - auch auf den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG gestützt hat. Die Bestimmungen des § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG sind bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, weiterhin insofern von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 99/18/0155).

2.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 12 Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz (Handel mit Suchtgift im Umfang von zumindest dem 25-fachen einer für eine Gesundheitsgefährdung in großem Ausmaß erforderlichen Menge) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren und zu einer Geldstrafe von S 300.000,-- sowie von einem Londoner Gericht wegen Verstoßes gegen das "Suchtgiftgesetz" zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Jahren rechtskräftig verurteilt worden zu sein. Er bekämpft auch nicht die Ansicht der belangten Behörde, dass die Verurteilung durch das ausländische Gericht den Voraussetzungen des § 73 StGB entspreche.

Auf dieser Grundlage begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des - wie dargelegt als Orientierungsmaßstab heranzuziehenden - § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.2. Die - nicht bekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall die in § 36 Abs. 1 (Z. 1) FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt - und das Aufenthaltsverbot im Grund des § 48 Abs. 1 erster Satz leg. cit. zulässig - sei, begegnet im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität keinem Einwand, zumal sich schon aus den langen unbedingten Freiheitsstrafen der große Unrechtsgehalt der diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden Taten ergibt.

3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich ausschließlich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG und führt dazu neben seiner Aufenthaltsdauer und dem inländischen Aufenthalt seiner Angehörigen vor allem ins Treffen, dass er an einem Aneurismus leide. Dabei handle es sich um "ein virtuell lebensbedrohendes Hirngefäß-Aneurisma, praktische Blindheit auf dem linken Auge und ein ausgeprägtes hirnorganisches Psychosyndrom". Diese Störung sei auch mit einer ausgeprägten Depression verbunden. Diesbezüglich stehe der Beschwerdeführer in ärztlicher Behandlung, welche unerlässlich sei. Bei ausreichenden Ermittlungen - Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens - hätte die belangte Behörde festgestellt, dass eine derartige Behandlung im Heimatstaat des Beschwerdeführers nicht möglich sei.

3.2. Die belangte Behörde hat die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers und den inländischen Aufenthalt der Familienangehörigen bei der Interessenabwägung berücksichtigt. Zu Recht hat sie darauf hingewiesen, dass die für das Ausmaß der Integration wesentliche soziale Komponente durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers deutlich beeinträchtigt wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0351). Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer wiederholt begangenen besonders gravierenden Suchtgiftdelikte begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen der Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinen Bedenken, zumal - von der Behörde richtig erkannt - aufgrund der in hohem Maß sozialschädlichen Suchtgiftdelikte selbst eine ansonsten volle Integration des Beschwerdeführers dem Aufenthaltsverbot nicht entgegenstünde (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis, Zl. 98/18/0351).

Zum Einwand des Beschwerdeführers betreffend die nicht gegebene Behandlungsmöglichkeit seiner Krankheit in seinem Heimatstaat ist - mit der Behörde - auszuführen, dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. abermals das hg. Erkenntnis, Zl. 98/18/0351). Dass die Behandlung der Krankheit nur in Österreich möglich sei, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet.

4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999180293.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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