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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §129 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Magistrates der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 7. Oktober 2016, Zl. VGW-011/052/12142/2015-5, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (mitbeteiligte Partei: S K in W, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in 1013 Wien, Rudolfsplatz 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
I.
1 Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei (im Folgenden: Magistrat) vom 4. September 2015 wurde über die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: Mitbeteiligter) eine Geldstrafe von EUR 2.900,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und 22 Stunden) verhängt, weil er als Eigentümer eines näher bezeichneten Hauses in Wien in der Zeit vom 2. Dezember 2013 bis 23. April 2014 insofern nicht dafür gesorgt habe, dass das Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) entsprechendem Zustand erhalten worden seien, als er es unterlassen habe,
"1. den Fang mit der laufenden Nummer 9/I/Tür 9 in seiner gesamten Länge querschnittsfrei und betriebsdicht instand setzen zu lassen,
2. bei den Rauchfangköpfen mit den laufenden Nummern 1 bis 59 sämtliche Risse auszukeilen und den schadhaften Verputz instand setzen zu lassen."
Dadurch habe er § 135 Abs. 1 iVm § 129 Abs. 2 BO verletzt.
2 In Bezug auf Punkt 1. führte der Magistrat (u.a.) aus, ein sachverständiges Amtsorgan habe am 2. Dezember 2013 erstmals festgestellt, dass der in diesem Punkt genannte Rauchfang nicht querschnittsfrei und betriebsdicht in Stand gesetzt sei. In der Folge sei dem Eigentümer der Liegenschaft und des Hauses mit Bescheid des Magistrates vom 3. Dezember 2013 der Auftrag erteilt worden, diesen Mangel zu beheben. Am 6. Dezember 2013 habe der Hauseigentümer den Bauauftrag an das Kaminsanierungsunternehmen C. übermittelt, wo laut der Zeugenaussage dessen Vertreters die Übermittlung des Bauauftrages als Auftrag zur Behebung der darin angeführten Mängel aufgefasst worden sei. Am 23. April 2014 habe der zuständige Rauchfangkehrermeister das "Ausschlagen" dieses Rauchfanges durchgeführt. Am 19. September 2014 sei das Ausschleifen des Kamins durch das genannte Unternehmen erfolgt. Nach dem Ausschleifen des Kamins habe der zuständige Rauchfangkehrer am 2. Oktober 2014 diesen Kaminfang überprüft und für in Ordnung befunden.
3 In Bezug auf Punkt 2. führte der Magistrat (u.a.) aus, dass das sachverständige Amtsorgan bei der Erhebung am 2. Dezember 2013 auch festgestellt habe, dass die in diesem Punkt angeführten Rauchfangköpfe teilweise Risse aufwiesen und der Verputz an manchen Stellen fehlend und schadhaft sei. Die Baubehörde habe mit Bescheid vom 3. Dezember 2013 dem Eigentümer den Auftrag zur Behebung der Schäden binnen einer Frist von sechs Monaten erteilt. Mit der Übermittlung dieses Bescheides an das Kaminunternehmen am 6. Dezember 2013 habe der Eigentümer diesem Unternehmen auch für diese Schäden einen Sanierungsauftrag erteilt. Im Juni 2014 sei die Sanierung dieser Schäden durchgeführt worden.
4 In rechtlicher Hinsicht führte der Magistrat (u.a.) aus, dass der Mitbeteiligte, der bereits seit dem Jahr 2002 Alleineigentümer der gegenständlichen Liegenschaft sei, das objektive Tatbild der Übertretung des § 129 Abs. 2 BO erfüllt habe. Die Verletzung der Instandhaltungspflicht stelle ein Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Abs. 1 VStG dar. Der am 6. Dezember 2013 an das Kaminsanierungsunternehmen erteilte Auftrag samt der am 26. Jänner 2014 erfolgten Nachfrage des Mitbeteiligten über den Stand der Arbeiten reiche für dessen Schuldlosigkeit nicht aus. Dieser habe nicht vorgebracht, welche Schritte er in welchem Abstand (allenfalls gemeinsam mit dem Kaminunternehmen) gesetzt habe, um den (erforderlichen) Zutritt zur Wohnung eines Mieters zur ermöglichen. Der Mitbeteiligte habe bei der Sanierung der Mängel zwar auf das genannte Unternehmen vertraut, hätte jedoch, um schuldlos zu bleiben, die Durchführung der Arbeiten überwachen müssen, weshalb ihm jedenfalls ein Überwachungsverschulden zur Last zu legen sei. Dieses Verschulden in Form von Fahrlässigkeit sei als geringfügig zu werten.
5 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht).
6 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28. September 2016 wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis der Beschwerde gegen Punkt 2. des angefochtenen Bescheides zur Gänze und gegen Punkt 1. dieses Bescheides hinsichtlich des Tatzeitraumes vom 2. Dezember 2013 bis einschließlich 20. Februar 2014 Folge gegeben, der Bescheid aufgehoben und das Verfahren in diesem Umfang gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt. Ferner sprach das Verwaltungsgericht aus, dass "zu der verbleibenden Tatanlastung" der in der öffentlichen mündlichen Verhandlung auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkten Beschwerde insofern Folge gegeben werde, als die Geldstrafe auf EUR 300,-- (Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden) herabgesetzt werde. Weiters wurde in diesem Erkenntnis über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens abgesprochen sowie eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.
7 Dazu führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die in Rede stehenden Baumängel für den Mitbeteiligten ab 2. Dezember 2013 erkennbar gewesen seien. Zwar treffe die Verpflichtung zur Instandhaltung von Gebäuden und baulichen Anlagen gemäß § 129 Abs. 2 BO den Eigentümer kraft Gesetzes und liege eine Übertretung der Instandhaltungspflicht unabhängig von einem baupolizeilichen Auftrag und daher auch dann vor, wenn die Erfüllungsfrist eines auf die Beseitigung des festgestellten Baugebrechens gerichteten Bauauftrages noch nicht abgelaufen sei. Allerdings sei in diesem Zusammenhang hinsichtlich der subjektiven Tatseite zu beachten, dass dem Eigentümer bei Vorliegen von nicht erkennbaren Baumängeln im Bereich von Rauchfängen erst dann ein Vorwurf an der unterbliebenen Beseitigung der Baugebrechen gemacht werden könne, wenn diese nicht innerhalb der Erfüllungsfrist eines darauf gerichteten Bauauftrages erfolge, zumal der Eigentümer bei Setzung einer (angemessenen) Frist durch die Behörde darauf vertrauen könne, dass eine termingerechte Sanierung von Baugebrechen innerhalb offener Frist dieses Auftrages keine Strafe wegen Verletzung einer gesetzlichen Instandhaltungspflicht nach sich ziehe. Dazu sei der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die Strafanzeige des Magistrates vom 14. Mai 2014 ohnedies lediglich "auf Punkt 1." des angefochtenen Bescheides gerichtet gewesen sei.
8 Der Beschwerde sei daher in der Schuldfrage stattzugeben gewesen. In Bezug auf den verbleibenden Tatvorwurf habe der Mitbeteiligte die Beschwerde auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkt. Der Unrechtsgehalt der Tat an sich und das Verschulden des Mitbeteiligten seien nicht als geringfügig zu werten. Die Instandsetzung des in Punkt 1. des Spruches des angefochtenen Bescheides genannten Kaminfanges hätte, ebenso wie bei den übrigen Baugebrechen, innerhalb der mehr als zehnwöchigen Frist ab Kenntnis vom Mangel, somit innerhalb offener Erfüllungsfrist, bei entsprechendem Nachdruck seitens des Eigentümers erfolgen können. Als Erschwerungsgrund sei das Bestehen einer zur Tatzeit rechtskräftigen einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkung des Mitbeteiligten zu werten. Andere Erschwerungsgründe oder besondere Milderungsgründe seien nicht hervorgetreten.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Magistrates mit dem Antrag, dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
10 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser keine Folge zu geben und sie als unbegründet abzuweisen, sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen, allerdings nur, soweit die Revision nicht ohnedies zurückgewiesen werde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision erweist sich in Anbetracht der in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) bekämpften Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass die Verletzung der Instandhaltungspflicht nach § 129 Abs. 2 BO erst vorgeworfen werden könne, wenn eine Beseitigung der Baugebrechen nicht innerhalb der Erfüllungsfrist eines darauf gerichteten Bauauftrages erfolge, als zulässig. Ihr kommt auch Berechtigung zu.
12 Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa VwGH 27.6.2017, Ra 2014/05/0050, mwN) bedarf die Instandhaltungspflicht nach § 129 Abs. 2 BO - nach dieser Bestimmung hat jeder Eigentümer die Verpflichtung, Bauwerke in einem guten, der Bauordnung entsprechenden Zustand zu erhalten, wobei diese Verpflichtung kraft Gesetzes besteht - keiner Konkretisierung durch einen baupolizeilichen Auftrag, sodass etwa eine Verletzung der Instandhaltungspflicht auch dann vorliegt, wenn die Erfüllungsfrist eines auf die Beseitigung des festgestellten Baugebrechens gerichteten baupolizeilichen Auftrages noch nicht abgelaufen ist. Denn es obliegt dem Eigentümer, sich laufend vom guten Zustand seiner Baulichkeit zu überzeugen.
13 Die Verletzung dieser Instandhaltungspflicht stellt ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG dar, was bedeutet, dass bereits das bloße Nichterfüllen des Gebotes, Gebäude und deren Anlagen in gutem Zustand zu erhalten, als eine Verletzung der gesetzlichen Instandhaltungspflicht eine Strafe nach sich zieht, wenn der Eigentümer nicht aufzuzeigen vermag, dass er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen hat, um das Baugebrechen innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen. In diesem Rahmen kann auch eine behauptete vorübergehende tatsächliche Unmöglichkeit einer Sanierung eines Baugebrechens Berücksichtigung finden. Um der Vermutung des § 5 Abs. 1 VStG erfolgreich entgegenzutreten, hat daher der Beschuldigte initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht (vgl. zum Ganzen nochmals VwGH 27.6.2017, Ra 2014/05/0050, mwN).
14 Da somit die Verpflichtung zur Instandhaltung nach § 129 Abs. 2 BO zu ihrer Konkretisierung nicht erst eines baupolizeilichen Auftrages bedarf und nicht die Nichterfüllung eines baupolizeilichen Auftrages, sondern die Verletzung der Instandhaltungspflicht an sich bereits strafbar ist, kommt es - entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung - nicht darauf an, ob die Erfüllungsfrist eines auf die Beseitigung eines festgestellten Baugebrechens gerichteten Auftrages bereits abgelaufen war.
15 Mit seiner Beurteilung, dass dem Eigentümer eines Bauwerkes bei Vorliegen von nicht erkennbaren Baumängeln im Bereich von Rauchfängen - nach den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen waren dem Mitbeteiligten die in Rede stehenden Baumängel ab 2. Dezember 2013 erkennbar - erst dann ein Vorwurf wegen der unterbliebenen Beseitigung der Baugebrechen gemacht werden könne, wenn diese nicht innerhalb der Erfüllungsfrist eines darauf gerichteten Bauauftrages erfolge, zumal der Eigentümer bei Setzung einer (angemessenen) Erfüllungsfrist darauf vertrauen könne, dass bei einer termingerechten Sanierung der Baugebrechen keine Strafe wegen Verletzung der gesetzlichen Instandhaltungspflicht verhängt werde, ist das Verwaltungsgericht somit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
17 Gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG konnte von der vom Mitbeteiligten in der Revisionsbeantwortung beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.
Wien, am 24. April 2018
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016050140.L00Im RIS seit
24.05.2018Zuletzt aktualisiert am
24.09.2018