TE Lvwg Erkenntnis 2014/8/22 LVwG-AM-13-0354

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.08.2014
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.08.2014

Norm

ASVG §111a
ASVG §33

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Dr. Leisser als Einzelrichter über die als Beschwerde zu wertende Berufung der Finanzpolizei *** für das Finanzamt ***, gegen den Zurückweisungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 15. November 2013, Zl. ***, mit welchem dem ob genannten Finanzamt die Parteistellung im bezeichneten nach dem ASVG geführten Verfahren nicht zuerkannt wurde, zu Recht erkannt:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

2.   Die Revision ist zulässig.

Rechtsgrundlagen: § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (BVG).

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Bezirkshauptmannschaft Amstetten den Antrag der Finanzpolizei *** für das Finanzamt *** auf Bestrafung eines näher bezeichneten Dienstgebers wegen Übertretung des § 111 Abs. 1 ASVG i.V.m. § 33 Abs. 1 ASVG wegen der Beschäftigung einer Person ohne rechtzeitige Anmeldung zur Sozialversicherung gemäß § 8 AVG i.V.m. § 111a ASVG mangels Parteistellung als unlässig zurückgewiesen.

Begründend hat die Behörde dazu nach Darstellung des Verfahrensablaufes ausgeführt, dass ausgehend von den behördlichen Ermittlungen die angelastete Übertretung nicht erweisbar gewesen wäre, weshalb gemäß § 45 Abs. 2 VStG das Verfahren mittels Aktenvermerk eingestellt worden wäre.

Nach Hinweis auf die rechtlich relevanten Bestimmungen des ASVG, bestehende Judikatur des zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenates, sowie auszugsweiser Wiedergabe dieser Entscheidung wird begründend weiter ausgeführt, dass der Abgabenbehörde vorliegendenfalls im Verfahren keine Parteistellung zukomme, dies weil ausgehend vom Wortlaut der Bestimmung des § 111a ASVG eine solche im Ergebnis nur vorliege, wenn der angetroffene Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kontrolle noch immer nicht zur Sozialversicherung gemeldet ist. Also die Ableitung einer Parteistellung für die einschreitende Amtspartei vorliegendenfalls, wo der Arbeitnehmer noch vor der Betretung durch die Prüforgane zur Sozialversicherung gemeldet worden ist, vom Wortlaut des § 111a ASVG nicht erfasst sei, weshalb der Abgabenbehörde hier keine Parteistellung zukomme, wovon allerdings die gemäß § 111 Abs. 4 bestehende Pflicht zur Anzeige jedweder Ordnungswidrigkeit unberührt bleibe.

In dem gegen diese Entscheidung durch die Amtspartei erhobenen Rechtsmittel wird ausgeführt, die angefochtene Entscheidung stütze sich im Wesentlichen auf eine Einzelentscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Niederösterreich, wobei allerdings festzuhalten sei, dass die Einstellung des Verfahrens mittels Aktenvermerk vorliegendenfalls nicht zulässig wäre, weil einer Partei, nämlich der Finanzpolizei das Recht der Berufung zustehe.

Nach Zitat des § 45 Abs. 2 VStG wird vorgebracht, die zitierte Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Niederösterreich stütze sich im Wesentlichen auf die Interpretation des Wortes „Betreten“. Dies unter Hinweis auf eine Definition aus Mayers Konversationslexikon, in welchem „Betreten“ mit jemand auf frischer Tat ertappen oder handhaft werden definiert werde, woraus in der angesprochen Entscheidung der Schluss gezogen werde, dass der Finanzpolizei lediglich in jenen Fällen, in denen zum Kontrollzeitpunkt keine aufrechte Anmeldung zur Sozialversicherung vorliege eine Parteistellung zukomme. Also vorliegendenfalls, in welchem anlässlich einer Kontrolle vor Ort eine verspätete Anmeldung festgestellt worden sei, die Finanzpolizei keine Parteistellung habe.

Dem werde entgegengehalten, dass eine Interpretation des Wortes „Betreten“ mit „auf frischer Tat“ gleichzusetzen nach Sicht des Finanzamtes schlichtweg logisch nicht nachvollziehbar sei, weil die Wortgruppe „auf frischer Tat“ die Verwirklichung eines (verbotenen) rechtlichen Tatbestandes voraussetze. Ob eine Person, nun verspätet oder überhaupt nicht angemeldet, bei der Arbeit angetroffen werde, stelle für dies Person jedenfalls keine Verwirklichung eines (verbotenen) rechtlichen Tatbestandes dar, weil lediglich das Beschäftigen einer Person ohne gültige Anmeldung zur Sozialversicherung einen (verbotenen) rechtlichen Tatbestand erfülle. Eine Betretung (auf frischer Tat) einer beschäftigten Person sei deshalb unmöglich.

Weiters wird darauf hingewiesen, dass bei Übertretungen nach dem ASVG (anders als bei Dauerdelikten) die Übertretung immer in der Vergangenheit liege, weil die Übertretung in der Nichtanmeldung einer Person vor Beginn der Beschäftigung zu sehen sei. Eine Betretung auf frischer Tat sei deshalb denkunmöglich, weil vor Beginn der Beschäftigung noch nicht nachweisbar sei, dass es zu einer Beschäftigung kommen werde und nach Beginn der Beschäftigung die Übertretung schon in der Vergangenheit liege. Aus den genannten Gründen gehe die Finanzpolizei davon aus, dass ihr im Sinn des § 111a ASVG im Verfahren Parteistellung zukomme, weshalb die bescheidmäßige Erledigung des Strafantrages vom 09.09.2013 beantragt werde.

Die von der mitbeteiligten Partei im Rechtsmittelverfahren abgegebene Stellungnahme enthält faktisch nur Ausführungen dahingehend, dass der in Rede stehende Dienstnehmer zeitgerecht vor Arbeitsantritt auch zur Sozialversicherung angemeldet worden wäre.

Ausgehend vom Vorbringen der beschwerdeführenden Partei reduziert sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt auf die Klärung der Rechtsfrage, ob der rechtsmittelwerbenden Finanzbehörde im gegenständlichen Verfahren Parteistellung zukommt.

Gemäß § 111a ASVG i.d.F. BGBl. I Nr. 31/2007 (Sozialrechts-Änderungsgesetz 2007 – SRÄG 2007) haben die Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben, die entgegen § 33 Abs. 1 nicht vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurden, in den Verwaltungsstrafverfahren nach

§ 111 Parteistellung und sind berechtigt, gegen Entscheidungen Rechtsmittel und Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (77 BlgNr. 23.GP,4) wird lediglich ausgeführt, die Krankenversicherungsbehörden und Prüfbehörden sollten „bezüglich der von den Bezirksverwaltungsbehörden zu ahndenden Ordnungswidrigkeiten im Betretungsfall jedenfalls anzeigepflichtig sein bzw. Parteistellung in dem nach einer Betretung eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren haben“.

Weitere Hinweise sind den Materialien nicht zu entnehmen. § 111a ASVG unterscheidet sich sohin von den vergleichbaren Bestimmungen, wie etwa des § 28a Abs. 1 AuslBG und § 11 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 dadurch, dass § 111a ASVG allgemein nur „Entscheidungen“ und Rechtsmittel anführt, während § 28a Abs. 1 AuslBG und § 11 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 darüber hinaus etwa Berufungen gegen Bescheide und Einsprüche gegen Strafverfügungen konkret nennen. Aus dem sprachlich umfassenden Begriff „Rechtsmittel“ ergibt sich vorerst jedoch, dass durch den Gesetzgeber jedenfalls ein einschränkender Regelungsinhalt nicht beabsichtigt war. Unstrittig hat vorliegendenfalls die Finanzpolizei eine Kontrolle im Betrieb der mitbeteiligten Partei durchgeführt, anlässlich welcher sich der Verdacht ergab, dass eine näher bezeichnete Person nicht bereits vor Arbeitsantritt, sondern verspätet zur Sozialversicherung gemeldet wurde. Der diesbezügliche Sachverhalt wurde der Bezirkshauptmannschaft Amstetten angezeigt und gemäß § 111a ASVG auf die Parteistellung im Verfahren verwiesen, welche von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten unter Hinweis und Zitat auf die obgenannte Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates verneint wurde.

Wesentlicher Zweck der – vor Arbeitsantritt zu erfüllenden – Meldepflicht gemäß § 33 ASVG i.d.F. des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2007, BGBL. I Nr. 31/ 2007 ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 77 BlgNr. 23.GP,3, sowie die Erläuterung zur Regierungsvorlage zum Sozialbetrugsgesetz, mit den eine derartige Verpflichtung erstmals grundsätzlich vorgesehen wurde, 698 BlgNr. 22.GP,11).

Die in diesem Sinne eine Kontrolle durchführenden Organe des Finanzamtes haben hiebei eine Person angetroffen und kontrolliert, bezüglich welcher sich der oben angeführte Verdacht der Verletzung einer Meldepflicht ergab, wobei die der Abgabenbehörde in § 111a ASVG eingeräumte Befugnis im Sinne des Willens des Gesetzgebers und der Interpretation des Wortes „Betreten“ in der zitierten Bestimmung durchaus den Schluss zulässt, dass eine Person von den Organen des Finanzamtes angetroffen und einer Kontrolle unterzogen wird, wobei sich anlässlich der Durchführung dieser Kontrolle der Verdacht auf das Vorliegen eines Meldeverstoßes ergibt. Sohin bereits die direkte Kontrolle einer Person durch die Organe des Finanzamtes für die Zuerkennung der Parteistellung nach § 111a ASVG ausreicht und in der Folge dem legitimierten Finanzamt die in der zitierten Bestimmung angeführten Rechte zukommen.

Der angefochtene Zurückweisungsbescheid war deshalb unabhängig von der Frage, ob tatsächlich eine Meldepflichtverletzung vorliegt oder nicht aufzuheben.

Die ordentliche Revision ist zulässig, weil eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, da bezüglich der Frage der Parteistellung der Abgabenbehörde betreffend der Betretung von Personen, die entgegen § 33 Abs. 1 vor Arbeitsantritt nicht zur Sozialversicherung angemeldet waren, es noch an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung fehlt.

Schlagworte

Sozialversicherungsrecht; Verwaltungsstrafe; Betretung; Parteistellung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2014:LVwG.AM.13.0354

Zuletzt aktualisiert am

23.05.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten