Entscheidungsdatum
09.05.2018Norm
AsylG 2005 §19 Abs2Spruch
W176 2142277-1/5E
W176 2166053-1/5E
W176 2166055-1/4E
W176 2166060-1/4E
W176 2166058-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD über die Beschwerden von (1.) XXXX , geboren am XXXX , (2.) XXXX , geboren am XXXX , (3.) XXXX , geboren am XXXX , (4.) XXXX , geboren am XXXX , sowie (5.) XXXX , geboren am XXXX , alle syrische Staatsangehörige, jeweils gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom (1.) 15.11.2016 bzw. (2.- 5.) 08.06.2017, Zlen. (1.) 1052959907 - 150236040, (2.) 1115876007 - 17079865 (3.) 1127799101- 170079615, (4.) 1127799504- 170079771 bzw.
(5.) 1115876203- 170079836, beschlossen:
A1) In Erledigung der Beschwerde der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer werden die von ihnen bekämpften Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), jeweils in ihrem Spruchpunkt I. behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung von neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
A2) In Erledigung der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird der von ihr bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 1, 2 und 5 VwGVG iVm § 34 Abs. 4 Asylgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in seinem Spruchpunkt I. aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1.1. Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um eine Frau und ihre vier Kinder; alle sich syrische Staatsanghörigr.
1.2. Die Erstbeschwerdeführerin reiste am XXXX 2015 nach Österreich ein und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.3. Zu diesem Antrag am XXXX 2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen, gab sie u.a. an, dass sich die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer in Griechenland aufhielten, wo sie Asylanträge gestellt hätten, und erklärte auf Befragung ihre Zustimmung, dass auch die Verfahren der Kinder nach der Dublin III-Verordnung in Österreich geführt werden.
1.4. Mit Bescheid vom 15.11.2016 wies das BFA den Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).
1.5. Dagegen erhob die Erstbeschwerdeführerin fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
1.6. In der Folge legte das BFA diese Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
2.1. Nachdem sie zuvor aufgrund ihrer Übernahme durch Österreich im Rahmen der Dublin III-Verordnung ins Bundesgebiet eingereist waren, stellten die - damals alle minderjährigen - Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer am XXXX 2017 Anträge auf internationalen Schutz.
2.2. Am gleichen Tag fand (in Abwesenheit eines gesetzlichen Vertreters) eine Erstbefragung der Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, bezüglich der Viertbeschwerdeführerin und des Fünftbeschwerdeführers unterblieb eine solche Befragung.
2.3. Mit Bescheiden vom 08.06.2017 wies das BFA die Anträge der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (jeweils Spruchpunkt I.), erkannte ihnen gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 den Status von subsidiär Schutzberechtigten zu (jeweils Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung (jeweils Spruchpunkt III.).
Zur Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten hielt das BFA im Wesentlichen jeweils fest, dass eigene Fluchtgründe nicht vorgebracht worden seien.
2.4. Dagegen erhoben die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen gerügt, dass in den Verfahren über ihrer Anträge auf internationalen Schutz keine Einvernahmen durch das BFA durchgeführt worden seien und vorgebracht, dass Kinder in Syrien asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt seien.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
2.1. Zu Spruchpunkt A1):
2.1.1.1. Gemäß § 15 Abs. 1 AsylG 2005 haben Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub ihre Anträge zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.
Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend insbesondere Folgendes festgehalten (VwGH v. 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063):
"Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. (...)
Der Rechtsanspruch eines von einer Entscheidung Betroffenen auf die Beachtung der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit erfasst angesichts des in § 28 VwGVG verankerten Systems auch die Frage, ob das Verwaltungsgericht seine Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache selbst dem § 28 VwGVG konform wahrnimmt. Das Verwaltungsgericht hat daher insbesondere nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht. (...)"
2.1.1.2. Gemäß § 19 Abs. 2 1. Satz AsylG 2005 ist ein Asylwerber vom BFA, soweit er nicht auf Grund von in seiner Person gelegenen Umständen nicht in der Lage ist, durch Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, zumindest einmal im Zulassungsverfahren und - soweit nicht bereits im Zulassungsverfahren über den Antrag entschieden wird - zumindest einmal nach Zulassung des Verfahrens einzuvernehmen.
Gemäß § 19 Abs. 5 letzter Satz
§ 34 AsylG 2005 lautet:
"(1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind."
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Nach den erläuternden Bemerkungen zu § 34 AsylG 2005 (RV 952 BlgNR XXII. GP, 54) sind die Asylverfahren einer Familie "unter einem" zu führen, wobei jeder Antrag auf internatio-nalen Schutz gesondert zu prüfen ist. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden. Das gemeinsame Führen der Verfahren hat den Vorteil, dass möglichst zeitgleich über die Berechtigungen, die Österreich einer Familie gewährt, abgesprochen wird. Diese Vereinfachung und Straffung der Verfahren wird auch im Berufungsverfahren (nunmehr: Beschwerdeverfahren) fortgesetzt.
Unabhängig von der konkreten Formulierung ist jeder Antrag eines Familienangehörigen in erster Linie auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gerichtet. Es sind daher für jeden Antragsteller allfällige eigene Fluchtgründe zu ermitteln. Nur wenn solche - nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren - nicht hervorkommen, ist dem Antragsteller jener Schutz zu gewähren, der bereits einem anderen Familienangehörigen gewährt wurde (VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0063)
2.1.2. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG, welche zu einer meritorischen Entscheidungspflicht führen, nicht gegeben sind. Weder steht, wie anhand der darzustellenden Ermittlungsmängel zu zeigen ist, der maßgebliche Sachverhalt fest, noch ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Dies vor allem, weil die aufzuzeigenden Ermittlungslücken derart erheblich sind, dass zu deren Beseitigung über eine der Feststellung des Sachverhalts dienende mündliche Verhandlung hinausgehende weitere Ermittlungsschritte zu setzen wären, welche durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, welches - anders als das Bundesverwaltungsgericht - eine asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde ist (so ist die sog. Staatendokumentation beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingerichtet, vgl. § 5 BFA-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012), rascher und effizienter durchgeführt werden können.
Denn in Hinblick darauf, dass - wie in der Beschwerde der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer zutreffend ausgeführt - in deren Verfahren keine Einvernahme vor dem BFA stattfand, hätte dieses nicht ohne Weiteres annehmen dürfen, dass für die genannten Beschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht worden seien. Auch kann bei rechtskonformer Auslegung von § 34 Abs. 1 AsylG 2005 im Sinne der zuvor angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht angenommen werden, dass die Anträge der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer ohnehin nur als Anträge auf die Gewährung des gleiches Schutzes wie dem der Erstbeschwerdeführerin gewährten (also subsidiärem Schutz) zu werten waren. Daher wären in den Verfahren der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer - wie von § 19 Abs. 2 AsylG 2005 angeordnet - Einvernahmen durchzuführen gewesen, bei der die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin ihrer minderjährigen Kinder zu deren Fluchtgründen bzw. die Zweitbeschwerdeführerin (zumindest ab deren Volljährigkeit) zu ihren Fluchtgründen zu befragen gewesen wäre. Denn im Falle eines nicht einvernahmefähigen Minderjährigen ist zumindest dessen gesetzlicher Vertreter zu vernehmen (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016), K9 zu § 19 AsylG 2005).
2.1.3. Die genannten Ermittlungen sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes für eine abschließende Beurteilung der Frage, ob den Zweit- bis Viert Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zu gewähren ist, notwendig. Wie zuvor gezeigt, liegen gravierende Mängel des behördlichen Verfahrens bei der Erhebung und Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes vor. Die aufgezeigten fehlenden Feststellungen können nicht ohne Durchführung von ergänzenden Ermittlungen getroffen werden. Aufgrund des Unterbleibens der oben genannten Ermittlungen und Feststellungen im behördlichen Verfahren zu diesen hier bedeutsamen Fragen im Tatsachenbereich steht der für eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache erforderlichen Sachverhalt fallbezogen nicht fest.
2.1.4. Im fortgesetzten Verfahren wird das BFA die zuvor angeführten Ermittlungen anzustellen haben.
2.2.1. Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Aus der Literatur ergibt sich, dass es sich bei einer Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG um eine materielle Erledigung der Rechtssache in Form eines Erkenntnisses handle. Diese Form der negativen Sachentscheidung sei von der Formalerledigung nach § 28 Abs. 3 2. Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand werde bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein könne.
2.2.2. Die Erstbeschwerdeführerin ist Mutter der zum Zeitpunkt der Antragstellung sämtlich minderjährig gewesenen Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer und ist daher Familienangehörige der Genannten iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005.
Folglich ist der Ausgang des die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Beschwerdeverfahrens insofern vom Schicksal des - in Hinblick auf die unter Spruchpunkt A1) des gegenständlichen Erkenntnisses getroffene Entscheidung - wieder beim BFA anhängigen Verfahrens über die Frage, ob den Zweit- bis Viertbeschwerdeführern der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen ist, abhängig, als ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten nicht abgewiesen werden kann, wenn einer/einem der Zweit- bis Viertbeschwerdeführern dieser Status zuzuerkennen wäre.
Der die Erstbeschwerdeführerin betreffende Bescheid des BFA war daher im angefochtenen Spruchpunkt I. zu beheben, damit die Verfahren betreffend der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten an die Beschwerdeführer "unter einem" beim BFA geführt werden können (vgl. VfGH 18.09.2015, E 1174/2014, wonach das Bundesverwaltungsgericht in einer vergleichbaren Konstellation den bei ihm angefochtenen Bescheid im Spruchpunkt der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten aufzuheben und die Durchführung eines Familienverfahrens mit der Familie des Betreffenden anzuordnen gehabt hätte).
3. Zu Spruchpunkt B):
3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.2. Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; schließlich ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.
3.3. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Einvernahme, Ermittlungspflicht, Familienverfahren, fehlendeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W176.2166053.1.00Zuletzt aktualisiert am
23.05.2018