TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/14 W238 2181709-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2018
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Entscheidungsdatum

14.05.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W238 2181709-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 06.12.2017, OB XXXX, betreffend Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin stellte am 25.09.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 17.11.2017 - erstatteten Gutachten vom 05.12.2017 wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"Derzeitige Beschwerden:

Ich hatte immer wieder Durchfall, Stuhlunregelmäßigkeiten, Bauchschmerzen. 2016 hat man dann bei einer Blutuntersuchung eine Unverträglichkeit gegen Gliadin festgestellt. Abgesehen davon habe ich keine Beschwerden.

...

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: unauffällig

Sensorium: Umgangssprache wird anstandslos verstanden.

Haut und Schleimhäute: unauffällig, Lymphkoten nicht tastbar

Hals: Schilddrüse normal groß, Pulse vorhanden, keine Gefäßgeräusche, Venen nicht gestaut

Thorax: symmetrisch, mäßig elastisch

Lunge: sonorer Klopfschall, VA. Keine Dyspnoe beim Gang im Untersuchungszimmer

Herz: reine Herzgeräusche

Abdomen: unauffällig im Thoraxniveau

Rektal nicht untersucht

Wirbelsäule:

HWS: keine Funktionseinschränkungen KJA: 1 cm

BWS: keine Funktionseinschränkungen

LWS: keine Funktionseinschränkungen FBA: 20 cm

Obere Extremitäten: alle Gelenke altersentsprechend frei beweglich, grobe Kraft symmetrisch

Schulternackengriff: rechts und links möglich

Schürzengriff: rechts und links möglich

Der Faustschluss ist beidseitig möglich und der Pinzettengriff ist mit allen Fingern beidseits möglich.

Untere Extremitäten: alle Gelenke altersentsprechend frei beweglich,annähernd unauffälliger Gelenksstatus, Zehenstand und Fersenstand beidseitig möglich, Einbeinstand mit Anhalten beidseits möglich

Hüftgelenk rechts: Beugung: 130° Rotation: 40-0-40°

Hüftgelenk links: Beugung: 130° Rotation: 40-0-40°

Kniegelenk rechts: Beugung 0-0-140°

Kniegelenk links: Beugung 0-0-140°

Oberes Sprunggelenk rechts: 30-0-40°

Unteres Sprunggelenk rechts: 30-0-40°

Oberes Sprunggelenk links: 30-0-60°

Unteres Sprunggelenk links: 30-0-60°

alle Funktionen ungestört.

Zehenstand: rechts links möglich

Fersenstand: rechts links möglich

Einbeinstand mit Anhalten möglich

Keine Ödeme an den UE

Neurologisch: grob neurologisch unauffällig, Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Ungestörtes Gangbild mit normalen Straßenschuhen und ohne Gehhilfen. Freies Gehen im Untersuchungsraum anstandslos möglich.

Status Psychicus:

Zeitlich, örtlich und zur Person orientiert. Stimmungslage ausgeglichen."

Als Ergebnis der Begutachtung hielt der Sachverständige fest, dass kein Grad der Behinderung zu ermitteln sei. Das vorgebrachte Leiden Zöliakie sei weder durch den vorhandenen Laborbericht noch durch eine feingewebliche Untersuchung nachgewiesen worden. Es handle sich um einen Dauerzustand.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.12.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen, da die Beschwerdeführerin mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 0 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Sachverständigengutachten zu entnehmen, das einen Bestandteil der Begründung bilde. Als Beilage zum Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das Sachverständigengutachten vom 05.12.2017 übermittelt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Darin führte sie aus, dass sie mindestens einen Grad der Behinderung von 25 v.H. nachweisen müsse, um die Kosten der Diätverpflegung bei Zöliakie im Steuerausgleich geltend machen zu können. Es wurde um Stattgebung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses ersucht.

5. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 04.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Das Bundesverwaltungsgericht richtete in der Folge ein Ersuchen an den mit der Erstellung des Sachverständigengutachtens vom 05.12.2017 befassten Arzt für Allgemeinmedizin, sein Gutachten unter Berücksichtigung der anlässlich der Beschwerde erhobenen Einwendungen zu ergänzen. In dem daraufhin aufgrund der Aktenlage erstellten Gutachten vom 20.01.2018 führte der Sachverständige im Wesentlichen Folgendes aus (Wiedergabe ergänzt um die zugehörigen Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

"1. Bedingen die Einwände in der Beschwerde (Recht auf Kosten für Diätverpflegung wegen Zöliakie) bzw. die im Akt einliegenden Befunde:

a) die Einschätzung eines neuen Leidens (insbesondere Zöliakie)?

NEIN.

Der vorgelegte Laborbefund vom 20.10.2016, in dem erhöhte Gliadinantikörper IgG AK 121 im Serum aufscheinen, stellt einen Hinweis, jedoch keinen eindeutigen Nachweis einer vorliegenden Zöliakie dar.

b) eine abweichende Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung?

NEIN.

2. Aus welchen Erwägungen wurde im Sachverständigengutachten vom 05.12.2017 festgehalten, dass Zöliakie weder durch vorhandene Laborberichte noch durch eine feingewebliche Untersuchung nachgewiesen wurde? Dies möge insbesondere mit Blick auf den im Akt einliegenden Laborbericht vom 20.10.2016 (Gliadin IgG AK 121 - positiv) sowie das ärztliche Attest vom 23.02.2017 betreffend eine bestehende Glutenunverträglichkeit näher begründet werden.

Das Vorliegen einer Glutenunverträglichkeit, welche im allgemeinmedizinischen Attest Dr. H. XXXX vom 23.02.2016 erwähnt wird, ist infolge Fehlens vorhandener histologisch beweisender Unterlagen nicht ausreichend untermauert, um einen ausreichenden Nachweis darzustellen.

Der Antikörper-Nachweis allein reicht nicht für eine endgültige Diagnosestellung aus. Er gilt lediglich als Verdachtsmoment für eine Zöliakie. Die gesicherte Diagnose kann nur durch eine Gewebeuntersuchung des Dünndarms gestellt werden (Biopsie).

Keine Änderung des Gutachtens."

7. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.02.2018 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

Die Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin beantragte am 25.09.2017 die Ausstellung eines Behindertenpasses.

Sie hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen keine Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden. Diesbezüglich werden die Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 17.11.2017 sowie in dessen Ergänzungsgutachten vom 20.01.2018 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 0 v.H.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der Zeitpunkt der Einbringung des Antrags ist dem Akteninhalt zu entnehmen.

2.2. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ergibt sich aus dem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erstellten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.3. Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 17.11.2017 sowie auf das vom Bundesverwaltungsgericht dazu eingeholte Ergänzungsgutachten vom 20.01.2018. Darin wurde auf das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte, jedoch letztlich nicht objektivierte Leiden vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.

Einbezogen wurden vom befassten Sachverständigen die im Verfahren vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen.

Der vorliegende Sachverständigenbeweis vom 17.11.2017 und vom 20.01.2018 wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes für schlüssig erachtet. Die getroffene Einschätzung basiert auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung sowie aufgrund der Aktenlage erhobenen Befund (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen).

Diesbezüglich ist im Lichte der Anlage zur Einschätzungsverordnung festzuhalten, dass bislang weder anhand der Befundlage noch durch eine feingewebliche Untersuchung eine Zöliakie bei der Beschwerdeführerin nachgewiesen wurde. Die von der Beschwerdeführerin anamnestisch angegebenen Beschwerden (Durchfall, Stuhlunregelmäßigkeiten, Bauchschmerzen) sind auch nicht auf nachweislich chronische Schleimhautveränderungen zurückzuführen.

Ein einschätzungsrelevantes Leiden, welches einen Grad der Behinderung erreicht, konnte somit nicht objektiviert werden.

Auch die Einwendungen im Rahmen der Beschwerde waren nicht geeignet, eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen, zumal diese vom befassten Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 20.01.2018 gehörig gewürdigt und mittels einer schlüssigen Begründung in fachlicher Hinsicht entkräftet wurden. Diesbezüglich wurde vom Sachverständigen insbesondere ausgeführt, dass der vorgelegte Laborbefund vom 20.10.2016, in dem erhöhte Gliadinantikörper IgG AK 121 im Serum aufscheinen, zwar einen Hinweis, jedoch keinen Nachweis einer bestehenden Zöliakie darstellt. Der Antikörper-Nachweis reicht demnach nicht für eine endgültige Diagnosestellung aus. Er gilt lediglich als Verdachtsmoment für eine Zöliakie. Die gesicherte Diagnose kann nur durch eine Gewebeuntersuchung des Dünndarms gestellt werden (Biopsie).

Die Beschwerdeführerin, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffene Einschätzung des Sachverständigen zu entkräften, ist weder dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten noch dem vom Bundesverwaltungsgericht dazu eingeholten Ergänzungsgutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Ebenso wenig wurden diesen Gutachten widersprechende Beweismittel vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin hat zu dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs auch nicht mehr Stellung genommen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigenbeweises vom 17.11.2017 und vom 20.01.2018. Er wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."

"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(...)"

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

"§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

3.3. §§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen."

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

3.4. Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023; 20.05.2015, 2013/11/0200).

Gegenständlich wurde mit Blick auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten zwecks Beurteilung des Beschwerdevorbringens vom Bundesverwaltungsgericht ein ergänzendes Gutachten des bereits befassten Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. Die aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin sowie auf Basis der Aktenlage erstatteten Gutachten entsprechen den von der Judikatur (sowie von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen.

3.5. Wie oben unter Punkt II.2.3. eingehend ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung die schlüssigen Sachverständigengutachten vom 17.11.2017 und vom 20.01.2018 zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 0 v. H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen in der Beschwerde nicht geeignet, den Sachverständigenbeweis zu entkräften, zumal das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte ergänzende Gutachten von der Beschwerdeführerin unwidersprochen blieb.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt 0 v.H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 0 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

3.6. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

3.6.1. Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 leg.cit. normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.6.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie aus dem im Verfahren vor der belangten Behörde eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten und dem im Beschwerdeverfahren dazu eingeholten Ergänzungsgutachten. Diesen vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten Gutachten ist die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Das über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte ergänzende Gutachten, das auf die Einwendungen in der Beschwerde in fachlicher Hinsicht eingeht, wurde im Rahmen des Parteiengehörs seitens der Beschwerdeführerin unwidersprochen zur Kenntnis genommen. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3.6.3. Ergänzend ist im Beschwerdefall aus dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) auf den Umstand hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin vom Bundesverwaltungsgericht bei Einräumung des Parteiengehörs auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, indem ihr seitens des Verwaltungsgerichtes mitgeteilt wurde, dass - sollte sie eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen - eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung in Aussicht genommen werde. Die Beschwerdeführerin hat sich daraufhin nicht mehr geäußert.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Zu den einen Entfall der Verhandlung nach Art. 6 EMRK rechtfertigenden Umständen gehört auch der (ausdrückliche oder schlüssige) Verzicht auf die mündliche Verhandlung. Nach der Rechtsprechung kann die Unterlassung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsordnung unter bestimmten Umständen als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet werden. Zwar liegt ein solcher Verzicht dann nicht vor, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. VfSlg. 16.894/2003 und 17.121/2004; VwGH 26.04.2010, 2004/10/0024; VwGH 12.08.2010, 2008/10/0315; VwGH 30.01.2014, 2012/10/0193). Dies ist hier aber angesichts des erwähnten Umstands eines entsprechenden Hinweises an die Beschwerdeführerin und der ihr explizit eingeräumten Gelegenheit zur Antragstellung nicht der Fall. Die unterbliebene Antragstellung kann vor diesem Hintergrund als schlüssiger Verzicht im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gewertet werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit im Beschwerdefall relevant - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W238.2181709.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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