TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/14 98/18/0322

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Veröffentlicht am 14.03.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1996/299 §1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1997/II/215 §1;
FrG 1997 §29;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/18/0323

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerden des M, (geb. 28. April 1975), in Wien, vertreten durch Dr. Barbara Pesce-Cihlar, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Kohlmarkt 4/19, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Mai 1998, jeweils Zl. SD 316/98, 1. betreffend Ausweisung und

2. betreffend Bestätigung eines Aufenthaltsrechts gemäß § 29 Abs. 3 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 8.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. Mai 1998 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 5. Juni 1995 illegal nach Österreich eingereist. Sein am 6. Juni 1995 gestellter Asylantrag sei zweitinstanzlich rechtskräftig abgewiesen und der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Baden ausgewiesen worden. Er habe daraufhin am 20. Februar 1996 das Bundesgebiet verlassen. Nach eigenen Angaben sei er noch am selben Tag neuerlich - und zwar illegal - in das Bundesgebiet eingereist. Der Beschwerdeführer sei nicht im Besitz eines Einreise- oder Aufenthaltstitels. Auch ein von ihm eingebrachter Antrag auf Ersichtlichmachung seines Aufenthaltsrechtes gemäß § 29 FrG iVm § 1 Abs. 2 der Verordnung über das vorübergehende Aufenthaltsrecht von Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. II Nr. 215/1997, sei mittlerweile - mangels Vorliegens der Voraussetzungen - abgewiesen worden. Der sohin unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung in hohem Maß, so dass sich die Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 37 Abs. 1 FrG - im Grund des § 33 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG betreffe, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer - von seiner kurzfristigen Ausreise abgesehen - seit nahezu zwei Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Er sei ledig und für niemanden sorgepflichtig, seine einzige familiäre Bindung bestehe zu seiner Schwester, bei der er auch wohne. Es sei daher von einem mit der Ausweisung des Beschwerdeführers verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff sei aber zulässig, weil dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Der Beschwerdeführer sei unter den gegebenen Voraussetzungen rechtens nicht in der Lage, eine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zu erlangen und seinen Aufenthalt dadurch zu legalisieren. Auch komme ihm kein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach der oben genannten Verordnung der Bundesregierung zu. Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten gewesen seien, als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Es würde dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen grob zuwider laufen, wenn ein Fremder auf diese Weise den Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte.

2. Mit Bescheid vom selben Tag wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ersichtlichmachung seines Aufenthaltsrechtes gemäß § 29 FrG iVm § 1 Abs. 2 der Verordnung über das vorübergehende Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. II Nr. 215/1997, ab. Der Beschwerdeführer sei erstmals am 5. Juni 1995 illegal über Italien kommend nach Österreich eingereist. Nach der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages und seiner Ausweisung durch die Bezirkshauptmannschaft Baden habe er am 20. Februar 1996 nachweislich das Bundesgebiet verlassen, sei jedoch am selben Tag wieder illegal nach Österreich eingereist. Für die Beurteilung der Frage, ob er vom Anwendungsbereich der genannten Verordnung umfasst sei, sei daher der 20. Februar 1996 als maßgeblicher Tag der Einreise heranzuziehen. § 1 der genannten Verordnung verlängere das vorübergehende Aufenthaltsrecht Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, das ihnen auf Grund der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 zukomme. Die zuletzt genannte Verordnung gestehe solchen Staatsangehörigen ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu, wenn sie in der Zeit zwischen dem 1. Juli 1993 und dem Inkrafttreten dieser Verordnung (2. Juni 1996) eingereist seien, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgt sei, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle gestellt habe und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet worden sei. Die Punkte 1, 2 und 4 sowie Abs. 2 und § 2 der genannten Verordnung (gemeint sind offenbar § 1 Abs. 1 Z. 1, 2 und 4 sowie § 2 Abs. 2 leg. cit.) seien auf Grund des Datums der Einreise des Beschwerdeführers nicht anwendbar. Da die Einreise des Beschwerdeführers am 20. Februar 1996 illegal erfolgt sei, d.h. ohne dass er sich der Grenzkontrolle gestellt habe, komme ihm kein Aufenthaltsrecht auf Grund der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 zu. Ein solches habe daher auch durch § 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 215/1997 nicht verlängert werden können. § 2 der letztgenannten Verordnung treffe auf den Beschwerdeführer schon begrifflich nicht zu. Vor diesem Hintergrund sei der Beschwerdeführer von der derzeit noch geltenden Verordnung BGBl. II Nr. 215/1997 nicht umfasst, weshalb ihm ein Aufenthaltsrecht nach dieser Verordnung nicht zukomme. Daran habe auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf seinen Bruder nichts ändern können, da dessen Fall offenbar ein anderer Sachverhalt zu Grunde gelegen sei.

3. Gegen die unter I.1. und I.2. genannten Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

4. Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete Gegenschriften, in der sie die Abweisung der Beschwerden beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur Beratung und Beschlussfassung verbunden und hierüber erwogen:

A. Zum Ausweisungsbescheid:

1. Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, dass ihm nach der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, BGBl. II Nr. 215/1997, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukomme. Gemäß § 1 Abs. 1 dieser Verordnung wurde das gemäß der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 299/1996 bestehende Aufenthaltsrecht für gewisse Gruppen von Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, weil sie infolge der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mussten und anderweitig keinen Schutz fanden, bis zum 31. Juni 1998 verlängert. Die Beschwerde bezieht sich dabei näher auf § 1 Abs. 1 Z. 2 der zuletzt genannten Verordnung, wonach Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die auf Grund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mussten und andersweitig keinen Schutz fanden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet hatten, wenn sie nach dem 1. Juli 1993, aber vor dem 15. Dezember 1995 eingereist sind und sich aus allgemein begreiflichen Gründen nicht der Grenzkontrolle gestellt haben, sofern ihre Einreise danach ohne unnötigen Aufschub der Meldebehörde, der Fremdenpolizeibehörde oder der Behörde nach dem Aufenthaltsgesetz bekannt geworden ist. Entgegen der Beschwerde vermag der Beschwerdeführer aus diesen Regelungen aber keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich abzuleiten, ist er doch

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wie auch die Beschwerde einräumt - am 20. Februar 1996 von Österreich (nach den unbestrittenen Feststellungen auf Grund einer Ausweisung durch die Bezirkshauptmannschaft Baden) nach Ungarn ausgereist und (am selben Tag) neuerlich nach Österreich eingereist. Es ist daher diese Einreise der rechtlichen Beurteilung betreffend das Vorliegen eines vorübergehenden Aufenthaltsrechtes zu Grunde zu legen. Danach kommt ein solches gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 schon aus zeitlichen Gründen nicht in Betracht. Eine Anwendung des § 1 Abs. 1 Z. 3 dieser Verordnung scheidet aber deshalb aus, weil der Beschwerdeführer bei seiner Einreise am 20. Februar 1996 unbestrittenermaßen die dort normierten Kriterien nicht erfüllt hat. Von daher gesehen existiert

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von der belangten Behörde richtig erkannt - kein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996, das im Grunde des § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 215/1997 hätte verlängert werden können. Vor diesem Hintergrund ist auch die Rüge, die belangte Behörde habe bezüglich des behauptetermaßen in Ungarn gegebenen mangelhaften Schutzes vor Verfolgung den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, nicht zielführend.

Auf dem Boden des Gesagten besteht somit gegen die Auffassung der Behörde, dass vorliegend die Voraussetzung des § 33 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) gegeben sei, kein Einwand. Wenn der Beschwerdeführer im Übrigen vorbringt, er sei am 20. Februar 1996 auf Grund einer Rechtsbelehrung eines Organs der Bundespolizeidirektion Wien aus Österreich ausgereist, so ist anzumerken, dass sich bei den vorgelegten Verwaltungsakten eine von der Bundespolizeidirektion Wien stammende an den Beschwerdeführer gerichtete "Information über die notwendige Ausreise" vom 13. Februar 1996 befindet, womit der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht wird, dass im Fall seines weiteren unerlaubten Aufenthaltes mit Zwangsmaßnahmen gegen ihn vorgegangen werden könne und er ersucht wird, dieses Schreiben einem Grenzkontrollorgan zu übergeben; auf dem selben Blatt befindet sich auch die Mitteilung der Grenzkontrollstelle Nickelsdorf, dass der Beschwerdeführer am 20. Februar 1996 über diese Grenzkontrollstelle ausgereist sei; dass der Beschwerdeführer aufgrund dieser Rechtsbelehrung wieder nach Österreich eingereist sei, wird in der Beschwerde nicht behauptet.

2. Gegen die von der Behörde vorgenommene Beurteilung gemäß § 37 Abs. 1 FrG bringt die Beschwerde nichts vor. Auf dem Boden der diesbezüglichen Erwägungen der belangten Behörde (vgl. oben I.1) hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen den angefochtenen Bescheid auch insoweit keine Bedenken.

B. Zum Bescheid betreffend die Bestätigung eines Aufenthaltsrechts:

Der Beschwerdeführer erhebt gegen diesen Bescheid im Wesentlichen die selben Einwände wie gegen den unter II. A. abgehandelten Ausweisungsbescheid. Aus den unter II. A.1. ersichtlichen Erwägungen kann der Beschwerdeführer aber aus der Verordnung BGBl. II. Nr. 215/1997 keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich ableiten, weshalb es nicht rechtswidrig war, wenn die belangte Behörde gemäß § 29 Abs. 3 FrG den Antrag des Beschwerdeführers auf Bestätigung seines Aufenthaltsrechtes nach dieser Verordnung in seinem Reisepass abgewiesen hat.

C. 1. Die vorliegenden Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet und waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

2. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die belangte Behörde dem Verwaltungsgerichtshof ihre Verwaltungsakten lediglich einmal vorlegte und der Behörde somit Kostenersatz für Vorlageaufwand lediglich einmal zusteht.

Wien, am 14. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998180322.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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