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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der R Gesellschaft m.b.H. & Co KG in B, vertreten durch Mag. Alfred Hütteneder und Mag. Michaela Hütteneder-Estermann, Rechtsanwälte in 5630 Bad Hofgastein, Salzburger Straße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 1. April 2015, Zlen. LVwG-5/28/45-2015, LVwG-17/88/2-2015, betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. S GmbH in S, vertreten durch MMag. Dr. Philipp Götzl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 19, 2. Ö GmbH in W, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Bartensteingasse 2-4), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) führte als öffentliche Auftraggeberin ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich nach den Regeln des BVergG 2006 zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung für den "Ski- und Citybusverkehr (...) Saison 2014/15" in Form von zwei Angebotseinheiten durch. Die Einheit 1 betrifft die "Linie 558 (...)", die Einheit 2 die "Linien 559/561, 566, 568 - Wintersaison - Ski- und Citybus (...) und die Linien 557/559 - Sommersaison - Citybus (...)".
2 Am 23. Dezember 2014 wurde den Teilnehmern des Verfahrens von der Auftraggeberin die Entscheidung mitgeteilt, dass die Rahmenvereinbarung mit der zweitmitbeteiligten Partei abgeschlossen werden soll.
3 Dagegen brachte die Revisionswerberin beim Landesverwaltungsgericht Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) einen Antrag auf Nachprüfung und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ein. Darin führte sie aus, dass die Mitbieter die Angebotserfordernisse nur mangelhaft erfüllten. Deren Angebote seien deshalb kostengünstiger, weil sie zu geringe oder keine Kosten für die geforderte Gestellung von Ersatzfahrzeugen enthielten.
4 Nach Zurückziehung des von der Revisionswerberin gestellten Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung teilte die Auftraggeberin mit, dass die Zuschlagserteilung erfolgt und das Verfahren ruhend gestellt worden sei. Daraufhin brachte die Revisionswerberin am 24. Februar 2015 beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Verfahrensfortsetzung als Feststellungsverfahren ein.
5 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht aus, dass dem Feststellungsantrag der Revisionswerberin, wonach im Vergabeverfahren "Ski- und Citybusverkehr (...) Saison 2014/15" der Zuschlag der Einheit 1 (Linie 558) bzw. der Abschluss der diesbezüglichen Rahmenvereinbarung wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2006 nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt worden sei, als unbegründet abgewiesen werde (Spruchpunkt I.).
6 Ebenso wurde der Antrag auf Feststellung, wonach im Vergabeverfahren "Ski- und Citybusverkehr (...) Saison 2014/15" zur Einheit 1 (Linie 558) der Zuschlag bzw. der Abruf aus der abgeschlossenen Rahmenvereinbarung mit der zweitmitbeteiligten Partei wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 2006 nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt worden und sohin rechtswidrig gewesen sei, als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II.).
7 Weiters wurde der Antrag, den in Folge des Abrufs aus der Rahmenvereinbarung abgeschlossenen Vertrag zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei für absolut nichtig zu erklären, als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt III.).
8 Den Antrag der Revisionswerberin auf Ersatz der Pauschalgebühren wies das Verwaltungsgericht ebenfalls ab. Allerdings wurden der Revisionswerberin die für den Feststellungsantrag bezahlten Pauschalgebühren in der Höhe von EUR 1.328,-- zurückerstattet (Spruchpunkt IV.).
9 Weiters wies das Verwaltungsgericht den Antrag, der Revisionswerberin einen Kostenersatz im undefinierten Ausmaß zuzuerkennen und die Auftraggeberin zum Ersatz dieser Kosten binnen einer Frist von 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu verpflichten, als unzulässig zurück (Spruchpunkt V.).
10 Schließlich wurde der Antrag auf einstweilige Verfügung auf Grund seiner Zurückziehung für gegenstandslos erklärt und das diesbezügliche Verfahren eingestellt (Spruchpunkt VI.).
11 In Spruchpunkt VII. erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.
12 2.2. In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe mit dem (ausschließlich auf die Einheit 1 bezogenen) Feststellungsantrag lediglich moniert, dass die Angebote der Mitbieter auszuscheiden gewesen wären, weil diese die geforderten "gleichwertigen Ersatzfahrzeuge" nicht angeboten hätten.
13 Die Auftraggeberin habe, obwohl sie dazu gesetzlich nicht verpflichtet gewesen wäre, eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt und die Kalkulationsblätter aller Bieter eingefordert. Die zweitmitbeteiligte Partei habe hinsichtlich der Einheit 1 ein Angebot mit EUR 203.670,-- gelegt, die Revisionswerberin in der Höhe von EUR 255.500,--. Lediglich das Angebot der Revisionswerberin sei zumindest 25 % über dem geschätzten Auftragswert von EUR 197.100,-- gelegen. Die Angebote aller Bieter würden sich einzig in der Position über die Fahrzeugkosten unterscheiden. Die Revisionswerberin habe die Neuanschaffung eines Fahrzeuges samt Wertverlust, Zinsaufwand, Versicherung und Garagierung einkalkuliert. Allein für den Wertverlust sei ein Betrag von EUR 27.000,-- kalkuliert worden. Im Unterschied dazu müsse von den Mitbietern kein neues Fahrzeug angeschafft werden. Daraus ergäben sich niedrigere Fixkosten durch den bereits vorhandenen Fuhrpark. Eine Ersatzgestellung sei in einem Umkreis von circa 50 bis 60 km jederzeit möglich.
14 Die Interpretation der Angebotsunterlagen durch die Revisionswerberin, wonach die Ersatzgestellung vor Ort erfolgen müsse, widerspreche der Tatsache, dass den bestandfest gewordenen Ausschreibungsunterlagen keine derartige Formulierung zu entnehmen sei. Darüber hinaus könnten Ersatzfahrten auch von beauftragten Unternehmen übernommen werden und gelte für nicht erbrachte Dienstleistungen im Vertrag eine Pönale als vereinbart. Die Vergabe an die zweitmitbeteiligte Partei als Billigstbieterin sei daher zu Recht erfolgt.
15 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt hat.
16 4. Sowohl die Auftraggeberin als auch die zweitmitbeteiligte Partei erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in der jeweils beantragt wird, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
17 1. Die Zulässigkeit der Revision wird im Wesentlichen damit begründet, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem bestandfesten Ausschreibungstext bzw. der bestandfesten Leistungsbeschreibung auseinandergesetzt habe. Es lägen keine Feststellungen darüber vor, dass eine Ersatzgestellung in dem Sinn, wie sie die Revisionswerberin verstehe und verstehen dürfe, nicht gefordert gewesen sei. So gehe aus dem Ausschreibungstext unmissverständlich hervor, dass eine konkrete Ersatzgestellung sicherzustellen sei. Die Mitbieter hätten den für die Ersatzgestellung notwendigen Finanzierungsaufwand nicht berücksichtigt und wären daher auszuscheiden gewesen.
18 2. Die Revision ist in Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig und auch berechtigt.
19 2.1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen (vom Verwaltungsgericht nicht festgestellten) Ausschreibungsbestimmungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt unstrittig wie folgt:
"5.1.4. Qualitätssicherung:
(...)
Für den Fall von Fahrzeugausfällen verpflichtet sich der Auftragnehmer zur Beistellung eines geeigneten Ersatzfahrzeuges. Bei einem Fahrzeugausfall ist der Auftragnehmer auch berechtigt unmittelbar ein anderes Busunternehmen mit der einstweiligen Durchführung der jeweiligen Linie zu betrauen, wobei anfallende Mehrkosten von der Auftragnehmerin zu tragen sind.
(...)"
"5.1.9. Ersatzgestellung:
Bei einem Ausfall von Fahrzeugen aus technischen Gründen hat der Auftraggeber gleichwertige Ersatzfahrzeuge einzusetzen. Jeder Ausfall von Fahrzeugen ist der Auftraggeberin anzuzeigen. Das Nichtanzeigen von ausgefallenen Kursen führt zu einem Abzug der vereinbarten Pönale.
Ersatzfahrzeuge sind im Sinne dieser Vorgaben so einzusetzen, dass der Gegenkurs fahrplanmäßig geführt werden kann. Nach Möglichkeit ist die Weiterfahrt der Fahrgäste des ausgefallenen Busses zu gewährleisten.
Sollte der Auftragnehmer nicht in der Lage sein, einen Ersatz zu stellen, wird vom Leistungsentgelt, der auf diesem Kurs nicht erbrachten Leistung die vereinbarte Pönale abgezogen."
"6.14. Einsatz / Wechsel von Subunternehmern. Übertragung von Vertragspflichten:
Der Auftragnehmer ist nicht berechtigt, ohne vorherige schriftliche Zustimmung des AG sich anderer als der im Angebot genannten Subunternehmer zu bedienen. Der neu bekannt gegebene Subunternehmer hat über die zur Leistungserbringung erforderliche fachliche Qualifikation und Eignung zu verfügen. Der AG wird binnen einer Frist von zwei Wochen ab Erhalt der die Leistungsfähigkeit und die Eignung des Subunternehmers nachweisenden Unterlagen entscheiden, ob der Subunternehmer zugelassen wird.
Der Austausch des Subunternehmers bzw. die Weitergabe von Teilen des Auftrags an nicht im Angebot angegebenen Subunternehmen ohne Zustimmung berechtigt den AG zum Rücktritt."
20 2.2. Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (vgl. etwa VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0096, mwN).
21 2.3. Wie das Verwaltungsgericht zwar zutreffend ausführt, ist der Ausschreibung dem Wortlaut nach keine ausdrückliche Verpflichtung zu einer Ersatzgestellung vor Ort zu entnehmen. Allerdings sind nach Pkt. 5.1.9. der Ausschreibung Ersatzfahrzeuge so einzusetzen, dass der Gegenkurs fahrplanmäßig geführt werden kann. Insoweit erweist sich der in der Revisionsbeantwortung der zweitmitbeteiligten Partei vorgebrachte Einwand, die vorliegende Ausschreibung verlange keine bestimmten Ersatzgestellungszeiten, als unrichtig.
22 Mit der Vorgabe, Ersatzfahrzeuge so einzusetzen, dass der Gegenkurs fahrplanmäßig geführt werden kann, hat sich das Verwaltungsgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt:
So wird insbesondere nicht nachvollziehbar dargelegt, wie die Einhaltung dieser Vorgabe durch eine Ersatzgestellung in einem Umkreis von circa 50 bis 60 km erreicht werden soll. Ebenso fehlen nähere Feststellungen dazu, inwieweit die fahrplanmäßige Führung des Gegenkurses durch Ersatzfahrten, die - nach Pkt. 5.1.4. der Ausschreibung zulässigerweise - von beauftragten Busunternehmen übernommen werden können, im konkreten Fall tatsächlich sichergestellt ist. Als ein untaugliches Argument erweist sich im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Pönale für nicht erbrachte Dienstleistungen.
1 3. Ausgehend davon war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
2 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 12. April 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015040048.L00Im RIS seit
23.05.2018Zuletzt aktualisiert am
04.07.2018