TE Vwgh Beschluss 2018/4/25 Ra 2018/18/0187

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Veröffentlicht am 25.04.2018
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Index

E1P;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;

Norm

12010P/TXT Grundrechte Charta Art7;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des M T Z alias T T, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Februar 2018, Zl. W105 2137029-2/8E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 20. Jänner 2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 25. September 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, sprach aus, dass Kroatien für die Prüfung des Antrages zuständig sei, ordnete die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an und stellte fest, dass dessen Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

3 Mit Beschluss vom 12. Jänner 2017 gab das Bundesverwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde - der es zunächst mit Beschluss vom 30. November 2016 die aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte - gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG statt, behob den Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurück.

4 Mit Bescheid vom 24. Mai 2017 wies das BFA im zweiten Rechtsgang den Antrag des Revisionswerbers erneut gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach aus, dass Kroatien für die Prüfung des Antrages zuständig sei, ordnete die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an und stellte fest, dass dessen Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht - nachdem es dieser zuvor mit Beschluss vom 14. Juni 2017 die aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte - mit dem hier angefochtenen Erkenntnis vom 13. Februar 2018 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6 Soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren relevant, prüfte das Bundesverwaltungsgericht auch eine mögliche Verletzung der gemäß Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte des Revisionswerbers. In diesem Zusammenhang stellte das Gericht zunächst fest, dass der Revisionswerber mit keinen sonstigen Bezugspersonen im österreichischen Bundesgebiet enge, persönliche Kontakte pflege und keine wechselseitigen "Abhängigkeiten zu Bezugspersonen" in Österreich bestünden. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Gericht aus, es ergäben sich keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außerordentliche Integration des Revisionswerbers in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer. Die privaten Interessen des Revisionswerbers träten gegenüber den öffentlichen Interessen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen in den Hintergrund. Es bestehe daher für Österreich keine Verpflichtung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

7 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 14. März 2018, E 728/2018-5, die Behandlung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehnte und mit Beschluss vom 23. März 2018, E 728/2018-7, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat. Betreffend die Ablehnung der Beschwerde führte der Verfassungsgerichtshof u. a. aus, dem Bundesverwaltungsgericht könne unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiege.

8 Die vorliegende außerordentliche Revision beruft sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit - unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - zunächst darauf, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der gemäß Art. 8 EMRK durchzuführenden Interessenabwägung den Pflichtschulabschluss, den österreichischen Freundeskreis des Revisionswerbers sowie den Umstand, dass dieser seit mehreren Monaten bei einer Familie in Österreich lebe, nicht ausreichend berücksichtigt habe. Zudem betrage die längste, in der Dublin III-Verordnung vorgesehene Frist, innerhalb derer eine Überstellung stattfinden soll, 18 Monate, weshalb im Hinblick auf den ca. zweijährigen Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet "die neuerliche Anwendung des Art. 29 Abs. 1 letzter Satz Dublin III-Verordnung" infolge zweimaliger Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in den gegenständlichen Beschwerdeverfahren unverhältnismäßig erscheine. Weiters bestehe keine Rechtsprechung des EuGH zu der Frage, ob mit Blick auf Art. 7 GRC auch die privaten Interessen im aufnehmenden Staat zu berücksichtigen seien. Schließlich verweist die Revision auf die in § 21 Abs. 7 BFA-VG festgelegten Voraussetzungen für den Entfall der mündlichen Verhandlung.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass die grundrechtskonforme Interpretation des AsylG 2005 eine Bedachtnahme auf die - in Österreich im Verfassungsrang stehenden - Bestimmungen der EMRK erfordert. Es ist daher bei Entscheidungen nach § 5 AsylG 2005 auch Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und es ist bei einer drohenden Verletzung (u.a.) dieser Vorschrift das im Dublin-System vorgesehene Selbsteintrittsrecht auszuüben (VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0163).

13 Soweit das Bundesverwaltungsgericht von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers ausgeht, ist auf dem Boden der vorliegenden Revision nicht ersichtlich, dass das Ergebnis dieser Interessenabwägung unvertretbar im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wäre (vgl. beispielsweise VwGH 16.1.2018, Ra 2018/22/0006; 6.9.2017, Ra 2017/20/0209; 16.2.2017, Ra 2016/18/0316; 13.9.2016, Ra 2015/22/0171; siehe zudem den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2018, E 728/2018-5). Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon wiederholt betont, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. auch VwGH 6.9.2017, Ra 2017/20/0209).

14 Vor diesem Hintergrund gelingt es der Revision im Zusammenhang mit der durch das Gericht vorgenommenen Interessenabwägung nicht, die Relevanz des von ihr geltend gemachten Begründungs- beziehungsweise Verfahrensmangels für das Ergebnis des Verfahrens aufzuzeigen (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2018/20/0090). Da Art. 7 GRC keinen über Art. 8 EMRK hinausgehenden Gewährleistungsumfang aufweist (vgl. ebenfalls den oben zitierten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2018), ergibt sich im Hinblick auf die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Bestimmung der GRC fallbezogen keine andere Beurteilung.

15 Betreffend das auf Art. 29 Abs. 1 Dublin III-Verordnung bezogene Vorbringen des Revisionswerbers genügt es festzuhalten, dass die Revision eine unzutreffende Anwendung des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-Verordnung nicht behauptet und die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung auch unter Berücksichtigung des ca. zweijährigen Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet - wie oben dargestellt - nicht als unvertretbar zu qualifizieren ist.

16 Soweit die Revision auf § 21 Abs. 7 BFA-VG verweist, beschränken sich die Zulässigkeitsausführungen auf die Wiedergabe eines Rechtssatzes, ohne einen konkreten Bezug zum vorliegenden Fall herzustellen. Damit wird den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an eine ordnungsgemäße Zulässigkeitsbegründung gestellten Anforderungen nicht entsprochen (vgl. etwa VwGH 26.1.2017, Ra 2016/20/0300).

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. April 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180187.L00

Im RIS seit

23.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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