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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. D O in D, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 16. Jänner 2018, Zl. LVwG 42.20-2998/2017-2, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber, einem deutschen Staatsangehörigen, seine deutsche Lenkberechtigung für die Dauer von drei Monaten. Unter einem wurde der Revisionswerber verpflichtet, ein amtsärztliches Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen vorzulegen.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 16. Jänner 2018 mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Verpflichtung zur Vorlage des amtsärztlichen Gutachtens entfalle. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis - nur hinsichtlich des Entziehungsausspruchs - richtet sich die vorliegende, vom Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Verfahrensakten vorgelegte (ordentliche) Revision. Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
5 1. Das FSG in der Fassung BGBl. I Nr.15/2017 lautet (auszugsweise):
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht
auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer
Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer
Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch
rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit
oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente
beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken
von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer
Handlungen schuldig machen wird.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat
insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
7. wiederholt in einem die Zurechnungsfähigkeit
ausschließenden Rauschzustand eine strafbare Handlung begangen hat
(§ 287 StGB und § 83 SPG), unbeschadet der Z 1;
8. eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität
und Selbstbestimmung gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB
begangen hat;
9. eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den
§§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat;
10. eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat;
...
(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.
(5) Strafbare Handlungen gelten jedoch dann nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1, wenn die strafbare Handlung vor mehr als fünf Jahren begangen wurde. Für die Frage der Wertung bestimmter Tatsachen gemäß Abs. 3 sind jedoch strafbare Handlungen auch dann heranzuziehen, wenn sie vor mehr als fünf Jahren begangen wurden.
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
... .
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. Sind für die Person, der die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen ist, zum Zeitpunkt der Entziehung im Vormerksystem (§ 30a) Delikte vorgemerkt, so ist für jede dieser im Zeitpunkt der Entziehung bereits eingetragenen Vormerkungen die Entziehungsdauer um zwei Wochen zu verlängern; davon ausgenommen sind Entziehungen auf Grund des § 7 Abs. 3 Z 14 und 15.
...
Folgen des Entziehungsverfahrens für Besitzer von ausländischen Lenkberechtigungen und Führerscheinen
§ 30. (1) Dem Besitzer einer ausländischen EWR- oder Nicht-EWR-Lenkberechtigung, der keinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, ist das Recht, von seiner Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, abzuerkennen, wenn Gründe für die Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, von der Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot unter Anwendung der §§ 24 Abs. 1, 25, 26 und 29 auszusprechen. Für die Aberkennung ist die Behörde zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Aufenthalt hat; sie hat den Führerschein abzunehmen und bis zum Ablauf der festgesetzten Frist oder bis zur Ausreise des Besitzers zurückzubehalten. Sofern dies möglich ist, hat die Behörde der Ausstellungsbehörde des Führerscheines die Tatsache der Aberkennung des genannten Rechtes mitzuteilen.
(2) Einem Besitzer einer ausländischen EWR- oder Nicht-EWR-Lenkberechtigung, der einen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, hat die Behörde die Lenkberechtigung unter Anwendung der §§ 24 bis 29 zu entziehen. ... .
..."
6 1.2. § 207a StGB in der im Revisionsfall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 154/2015 lautet (auszugsweise):
"Pornographische Darstellungen Minderjähriger
§ 207a. (1) Wer eine pornographische Darstellung einer
minderjährigen Person (Abs. 4)
1. herstellt oder
2. einem anderen anbietet, verschafft, überlässt, vorführt
oder sonst zugänglich macht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer eine pornographische Darstellung einer minderjährigen Person (Abs. 4) zum Zweck der Verbreitung herstellt, einführt, befördert oder ausführt oder eine Tat nach Abs. 1 gewerbsmäßig begeht. Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ist zu bestrafen, wer die Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder so begeht, dass sie einen besonders schweren Nachteil der minderjährigen Person zur Folge hat; ebenso ist zu bestrafen, wer eine pornographische Darstellung einer minderjährigen Person (Abs. 4) unter Anwendung schwerer Gewalt herstellt oder bei der Herstellung das Leben der dargestellten minderjährigen Person vorsätzlich oder grob fahrlässig (§ 6 Abs. 3) gefährdet.
(3) Wer sich eine pornographische Darstellung einer mündigen minderjährigen Person (Abs. 4 Z 3 und 4) verschafft oder eine solche besitzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen. Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist zu bestrafen, wer sich eine pornographische Darstellung einer unmündigen Person (Abs. 4) verschafft oder eine solche besitzt.
(3a) Nach Abs. 3 wird auch bestraft, wer im Internet wissentlich auf eine pornographische Darstellung Minderjähriger zugreift.
(4) Pornographische Darstellungen Minderjähriger sind
1. wirklichkeitsnahe Abbildungen einer geschlechtlichen
Handlung an einer unmündigen Person oder einer unmündigen Person
an sich selbst, an einer anderen Person oder mit einem Tier,
2. wirklichkeitsnahe Abbildungen eines Geschehens mit einer
unmündigen Person, dessen Betrachtung nach den Umständen den
Eindruck vermittelt, dass es sich dabei um eine geschlechtliche
Handlung an der unmündigen Person oder der unmündigen Person an
sich selbst, an einer anderen Person oder mit einem Tier handelt,
3. wirklichkeitsnahe Abbildungen
a) einer geschlechtlichen Handlung im Sinne der Z 1 oder
eines Geschehens im Sinne der Z 2, jedoch mit mündigen
Minderjährigen, oder
b) der Genitalien oder der Schamgegend Minderjähriger,
soweit es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen;
4. bildliche Darstellungen, deren Betrachtung - zufolge Veränderung einer Abbildung oder ohne Verwendung einer solchen - nach den Umständen den Eindruck vermittelt, es handle sich um eine Abbildung nach den Z 1 bis 3.
..."
7 2. Die Revision ist zulässig, weil, wie in der Revision zutreffend geltend gemacht wird, Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob auch Vergehen nach § 207a StGB eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG bilden können, fehlt.
8 3. Die Revision ist im Ergebnis auch begründet. 9 3.1.1. Das Verwaltungsgericht legt seinem Erkenntnis
folgende Sachverhaltsannahmen zugrunde:
10 Der Revisionswerber sei deutscher Staatsangehöriger, verfüge über eine deutsche Lenkberechtigung und habe seinen Wohnsitz in der Steiermark.
11 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 3. Oktober 2013 sei der Revisionswerber rechtskräftig wegen mehrerer Übertretungen des § 207a StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten (bedingt) und einer Geldstrafe verurteilt worden.
12 Mit Urteil desselben Gerichtes vom 24. August 2017 sei der Revisionswerber erneut rechtskräftig wegen des Zugriffs, des Sichbeschaffens, des Besitzens und der Weitergabe von kinderpornographischem Material verurteilt worden, und zwar zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr.
Der Revisionswerber habe
I. in zahlreichen Angriffen pornographische Darstellungen minderjähriger Personen anderen überlassen, indem er diese an bislang unbekannte Personen in verschiedenen Internet Chatforen übersandt habe, und zwar 1. pornographische Darstellungen unmündiger Personen, 2. pornographische Darstellungen mündiger minderjähriger Personen und 3. pornographische Darstellungen minderjähriger Personen,
II. pornographische Darstellungen minderjähriger Personen sich durch Beziehen über das Internet verschafft und durch Speichern auf seinem PC sowie auf Festplatten und CD/DVD bis zur Löschung der Dateien bzw. zu deren Sicherstellung besessen, und zwar 1. pornographische Darstellungen unmündiger Personen,
2. pornographische Darstellungen mündiger minderjähriger Personen und 3. pornographische Darstellungen minderjähriger Personen,
III. im Internet wissentlich auf pornographische Darstellungen Minderjähriger zugegriffen, und zwar auf
1.
pornographische Darstellungen unmündiger Personen,
2.
pornographische Darstellungen mündiger minderjähriger Personen und 3. pornographische Darstellungen minderjähriger Personen.
Als mildernd habe das Strafgericht das reumütige Geständnis, erschwerend eine einschlägige Vorverurteilung und das Zusammentreffen einer Vielzahl von Vergehen gewertet.
Nach seinen eigenen Angaben in der Beschuldigtenvernehmung habe der Revisionswerber angegeben, er wäre ab Sommer 2016, nachdem seine Psychotherapie im Rahmen der einschlägigen Verurteilung aus dem Jahr 2013 bereits beendet gewesen wäre, rückfällig geworden und hätte über ein einschlägiges Chatforum insgesamt 10 bis 20 kinderpornographische Bilddateien mit anderen Usern getauscht. Insgesamt hätte er ca. 100 kinderpornographische Bild- und Videodateien auf seinem PC gespeichert, wobei er diese verschlüsselt abgelegt hätte.
13 3.1.2. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Verwaltungsgericht die Auffassung, im konkreten Fall lägen bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG vor, weil das Speichern, Besitzen, Herunterladen und Weitergeben von pornographischen Darstellungen unmündiger Minderjähriger in derart zahlreichen Angriffen den in § 7 Abs. 3 Z 8 FSG genannten Tatsachen im Hinblick auf die Beeinträchtigung der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung der explizit genannten §§ 201 bis 207 oder 217 StGB zumindest gleichkomme, dies vor allem aufgrund des Ausmaßes und der Tatsache, dass es sich um Kinder gehandelt habe, wobei der Konsum von kinderpornographischem Material die Nachfrage erhöhe und damit auch die Beeinträchtigung und sexuelle Ausbeutung von Kindern fördere. Im Rahmen des § 7 Abs. 4 FSG seien die besondere Verwerflichkeit der Taten, die zahlreichen Vergehen sowie der Rückfall des Revisionswerbers nach einer rechtskräftigen Verurteilung zu werten, wobei der Umstand, dass bei der Begehung der Taten kein Kraftfahrzeug verwendet worden sei, nicht ins Gewicht falle.
14 Der deutsche Führerschein des Revisionswerbers sei gemäß § 30 Abs. 1 erster Satz FSG zu entziehen gewesen, weil dieser einen Wohnsitz im Bundesgebiet habe.
15 3.2. Die Revision führt, auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die vom Revisionswerber begangenen Vergehen seien in der Aufzählung der bestimmten Tatsachen in § 7 Abs. 3, insbesondere dessen Z 8, FSG nicht angeführt. Dies sei auf eine Entscheidung des Gesetzgebers zurückzuführen, der bei Schaffung der Stammfassung des § 7 FSG den § 207a StGB bereits vorgefunden habe und sich auch anlässlich von Novellen zu § 7 FSG nicht veranlasst gesehen habe, § 207a StGB in die Aufzählung der eine bestimmte Tatsache begründenden Delikte gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung aufzunehmen. Diese gesetzgeberische Entscheidung dürfe auch nicht unter Berufung auf den Umstand, dass § 7 Abs. 3 FSG nur eine demonstrative Aufzählung bestimmter Tatsachen enthalte, unterlaufen werden.
16 Damit zeigt die Revision im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.
17 3.3.1. Auszugehen ist im Revisionsfall zunächst davon, dass die vom Revisionswerber begangenen gerichtlich strafbaren Handlungen keinesfalls deswegen eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG bilden könnten, weil - wie bei Gewaltdelikten (vgl. VwGH 16.12.2004, 2004/11/0178; 13.12.2005, 2004/11/0081) - angenommen werden müsste, dass der Revisionswerber wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden werde (Abs. 1 Z 1). In Betracht käme vielmehr von vornherein nur die Annahme, dass der Revisionswerber wegen seiner Sinnesart sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde (Abs. 1 Z 2).
18 Unabdingbare Voraussetzung für die Verneinung der Verkehrszuverlässigkeit eines Bewilligungswerbers ist, wie der Wortlaut des § 7 Abs. 1 FSG unmissverständlich zum Ausdruck bringt, das Vorliegen zumindest einer erwiesenen bestimmten Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 FSG. Fehlt es an einer solchen bestimmten Tatsache (die auch in der wiederholten Begehung eines Delikts bestehen kann), so darf die Verkehrszuverlässigkeit eines Bewilligungswerbers auch dann nicht verneint werden, wenn er im Übrigen eine größere Zahl gerichtlich strafbarer Handlungen und/oder Verwaltungsübertretungen begangen hat. Für eine Verneinung der Verkehrszuverlässigkeit im Wege einer "gesamthaften Zusammenschau" des Fehlverhaltens, ist im FSG, sofern keine der strafbaren (wiederholten) Handlungen eine bestimmte Tatsache bildet, kein Raum (vgl. VwGH 14.9.2004, 2004/11/0134; 16.12.2004, 2004/11/0178; 23.11.2011, 2009/11/0263).
19 3.3.2. § 207a StGB ist in der demonstrativen Aufzählung bestimmter Tatsachen in § 7 Abs. 3 FSG nicht enthalten. § 7 Abs. 3 Z 8 FSG erfasst mit seiner Formulierung "gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217" von den strafbaren Handlungen des Zehnten Abschnitts des StGB (Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung) § 201 (Vergewaltigung), § 202 (Geschlechtliche Nötigung), § 205 (Sexueller Missbrauch einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person), § 206 (Schwerer sexueller Mißbrauch von Unmündigen), § 207 (Sexueller Mißbrauch von Unmündigen) und § 217 (Grenzüberschreitender Prostitutionshandel). Ob auch der erst mit der Novelle BGBl. I Nr. 112/2015 - und damit erst nach der letzten Änderung des § 7 FSG mit BGBl. I Nr. 74/2015 - eingeführte Straftatbestand des § 205a (Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung) erfasst ist, kann im Revisionsfall dahinstehen.
20 Als in der Stammfassung des FSG (BGBl. I Nr. 120/1997) im damaligen § 7 Abs. 4 Z 2 als eine der dort angeführten bestimmten Tatsachen die Begehung einer strafbaren Handlung "gegen die Sittlichkeit gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB" aufgenommen wurde, gehörte dem StGB bereits ein mit "Pornographische Darstellungen mit Unmündigen" überschriebener § 207a (in der Fassung BGBl Nr. 762/1996) an. Der Gesetzgeber des FSG sah sich also nicht veranlasst, den von ihm bereits vorgefunden Straftatbestand in die Aufzählung des § 7 Abs. 4 Z 2 FSG aufzunehmen. In den Materialien (RV 714 Blg NR 20. GP, 35) wird dazu lapidar ausgeführt, Abs. 4 beziehe sich auf Abs. 2, es gehe dabei nicht um das Verhalten im Verkehr, sondern um die "erleichternden Umstände", die bei gewissen Straftaten durch die Berechtigung, ein Fahrzeug zu lenken, gegeben seien.
21 Mit der 5. Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 81/2002, wurde § 7 FSG zur Gänze neu gefasst, wobei die bisherige Z 2 des § 7 Abs. 4 zur Z 9 des Abs. 3 wurde. Eine Ergänzung der angeführten Straftatbestände des StGB erfolgte nicht.
22 Nachdem mit der Novelle BGBl. I Nr. 15/2004 § 207a StGB seine im Wesentlichen noch heute geltende Fassung - mit erhöhtem Strafrahmen - erhalten hatte, wurde § 7 Abs. 3 FSG im Rahmen der 7. Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 15/2005, zur Gänze neu gefasst, wobei die bisherige Z 9 zur Z 8 wurde, ohne dass der Katalog der StGB-Straftatbestände ergänzt worden wäre. Der Gesetzgeber des FSG sah somit ungeachtet der weitgehenden Neufassung des § 207a StGB keinen Anlass, § 207a in den Katalog der eine bestimmte Tatsache bildenden strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung - so die seitdem geltende Formulierung - aufzunehmen.
23 § 207a StGB wurde danach noch durch die Novellen BGBl. I Nr. 40/2009, I Nr. 112/2015 und I Nr. 154/2015 geändert (die zuletzt genannte Novelle bewirkte die im Revisionsfall maßgebliche Fassung). Obwohl § 7 FSG in weiterer Folge jeweils durch die 8. Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 152/2005, die neunte Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 32/2006, die 13. Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 117/2010, die 14. Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 61/2011, die 15. Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 43/2013, und die 16. Führerscheingesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 74/2015, geändert wurde, zum Teil auch in seinem Abs. 3, hat der Gesetzgeber eine Erweiterung der in § 7 Abs. 3 Z 8 FSG aufgezählten strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung nicht für geboten erachtet.
24 Ungeachtet des demonstrativen Charakters der Aufzählung der strafbaren Handlungen in § 7 Abs. 3 FSG, die jedenfalls eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG bilden, muss nach den bisherigen Darlegungen aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber seit der Stammfassung des FSG den damals bereits bekannten und durch zahlreiche Novellen "verschärften" § 207a StGB nicht in die Aufzählung von strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung in die Z 8 aufgenommen hat, gefolgert werden, dass er die von § 207a StGB erfassten strafbaren Handlungen - zumindest in Bezug auf die hier einzig maßgebliche Verkehrszuverlässigkeit - als den aufgezählten nicht vergleichbar schwerwiegend angesehen hat (vgl. in diesem Zusammenhang VwGH 26.2.2002, 2001/11/0379, und 14.9.2004, 2004/11/0134, wo ausgeführt wurde, dass der Gesetzgeber mit der Nichtaufnahme des § 107 StGB in die demonstrative Aufzählung des § 7 Abs. 3 FSG zu erkennen gegeben hat, dass im Zusammenhang mit der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit derartigen Delikten nicht der gleiche Stellenwert zukommt wie der vorsätzlichen Körperverletzung).
Es ist in diesem Zusammenhang an die ständige, von Anfang an zum FSG vertretene Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu erinnern, wonach es sich bei der Entziehung der Lenkberechtigung um eine administrative Maßnahme handelt, die den Zweck verfolgt, verkehrsunzuverlässige Personen von der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Kraftfahrzeuglenker auszuschließen, nicht aber um eine Neben- oder Zusatzstrafe (vgl. zB. VwGH 28.6.2001, 2000/11/0084 (mwN zur gleichlautenden Judikatur bereits zum KFG 1967); 25.11.2003, 2002/11/0124; 20.4.2004, 2003/11/0036).
25 3.3.4. Das angefochtene Erkenntnis, mit dem die Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers bestätigt wurde, war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
26 3.4. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 VwGG abgesehen werden.
27 4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 26. April 2018
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018110004.J00Im RIS seit
23.05.2018Zuletzt aktualisiert am
27.06.2018