TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/7 W103 2191401-1

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Veröffentlicht am 07.05.2018
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Entscheidungsdatum

07.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W103 2191401-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Auttrit als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Ukraine, vertreten durch den XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2018, Zl. 1156483007-170785803, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46 und 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine volljährige Staatsbürgerin der Ukraine, gelangte im Besitz eines Schengen-Visums in das Bundesgebiet und stellte am 05.07.2017 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes, zu welchem sie am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Dabei gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie gehöre dem christlich-orthodoxen Glauben sowie der Volksgruppe der Ukrainer an, ihre Muttersprache sei Russisch, sie verfüge zudem über exzellente Kenntnisse der ukrainischen und grundlegende Kenntnisse der englischen Sprache. Im Herkunftsstaat habe sie zuletzt als Pädagogin/Psychologin gearbeitet. In der Ukraine habe sie auf dem Gebiet der Krimhalbinsel gelebt, den Entschluss zur Ausreise habe sie Anfang Juni 2017 gefasst. Sie führe ihren gültigen ukrainischen Reisepass bei sich, in welchem ein am XXXX von der Österreichischen Botschaft in XXXX, bis zum XXXX gültiges, Visum ersichtlich ist (vgl. AS 27 ff; eine Kopie des Visumsakts der ÖB XXXXliegt auf AS 69 ff ein).

Zu ihrem Fluchtgrund führte die Beschwerdeführerin an, zuletzt auf der Krimhalbinsel bei einem XXXX für Kinder gearbeitet zu haben und oft in die Ukraine gefahren zu sein. Beim letzten Mal sei sie von einem ukrainischen Zollbeamten kontrolliert worden. Da sie sich mit ihrem ukrainischen Reisepass ausgewiesen und die Behörden beim Durchsuchen ihrer Tasche ihren russischen Reisepass gefunden hätten, sei sie zur ukrainischen Polizei gebracht worden. Sie sei gefragt worden, weshalb sie als Ukrainerin einen russischen Pass besitzen würde; die Beschwerdeführerin habe dies nur gemacht, weil sie dort weiter arbeiten habe wollen und ohne russischen Pass keine Chance gehabt hätte. Sie hätten ihr den russischen Reisepass weggenommen und behauptet, dass sie eine russische Spionin wäre und für die Russische Föderation arbeiten würde. Sie sei von der Polizei festgenommen worden, sie hätten ein hartes Verhör durchgeführt. Sie hätten sie gezwungen, zuzugeben, dass sie Informationen für die Russische Föderation "hergestellt" hätte; damit hätten sie gemeint, dass sie eine russische Spionin wäre. Sie hätten gesagt, sie würden jeden ihrer Schritte beobachten und sie bei Verdacht wieder festnehmen und ins Gefängnis bringen. Deshalb habe sie aus Angst vor Verfolgung flüchten müssen. Im Falle einer Rückkehr befürchte sie, eingesperrt zu werden und habe Angst um ihr Leben.

Nach Zulassung ihres Verfahrens wurde die Beschwerdeführerin am 25.01.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich zu den Gründen ihrer Antragstellung einvernommen. Dabei brachte sie auf entsprechende Befragung hin zusammenfassend vor, gesund zu sein; sie sei in einer näher angeführten Stadt auf dem Gebiet der Krimhalbinsel geboren, sei ukrainische Staatsbürgerin, ihr letzter Lebensmittelpunkt sei im XXXX gewesen, wo sie mit Kollegen wohnhaft gewesen wäre. Sie gehöre der ukrainischen Volksgruppe an und bekenne sich zum christlich-orthodoxen Glauben, sie beherrsche die Sprachen Ukrainisch, Russisch sowie ein bisschen Englisch und Deutsch. Sie habe an der XXXX Universität studiert und circa zwölf Jahre als Psychologin gearbeitet. Eine Großmutter lebe noch auf der Krim, in Österreich und anderen Staaten Europas verfüge sie über keine Familienangehörigen. Zu ihrem Reiseweg führte die Beschwerdeführerin aus, Anfang Juni 2017 aus der Krim nach XXXX gereist zu sein, aus der Ukraine sei sie Anfang Juli 2017 in einem privaten Kleinbus ausgereist und am 03.07.2017 auf Grundlage eines Touristenvisums legal nach Österreich eingereist.

In Österreich führe sie mit niemandem ein Familienleben und bestreite ihren Lebensunterhalt aus Ersparnissen sowie der Grundversorgung. Sie besuche einen Sprachkurs und habe verschiedene Leute kennengelernt. Sie verrichte freiwillige Arbeiten für das XXXX und habe eine mögliche Arbeitszusage bei einem Kinderlager.

In ihrer Heimat sei sie nie politisch tätig gewesen und habe bis zu dem Vorfall keine Probleme mit den dortigen Sicherheitsbehörden, Gerichten oder dem Militär gehabt. Zum Grund ihrer Antragstellung gab die Beschwerdeführerin an, sie sei geflüchtet, da sie - als die Krim 2014 okkupiert worden wäre - zwangsweise russische Pässe bekommen hätten. Ihnen sei gesagt worden, dass sie, sollten sie den Pass nicht annehmen, dort nicht arbeiten dürften. Daher habe die Beschwerdeführerin einen ukrainischen und einen russischen Pass. Als sie zu Freunden nach XXXX gefahren wäre, habe der ukrainische Zoll den russischen Pass gefunden und habe begonnen, die Beschwerdeführerin zu befragen. Sie hätten ihr mitgeteilt, dass sie festgenommen sei, da sie den Pass eines nicht existierenden Landes hätte. Daraufhin sei sie zur Polizei gebracht und nochmals befragt worden. Grund sei, dass die Krim zwischen zwei Ländern liege, und dies eine schwere Lage ergebe. Sie hätten begonnen, ihr Telefon zu durchsuchen, sie gefragt wo das Hauptquartier in Russland wäre und wem sie dort Informationen aus der Ukraine übergeben würde. Sie habe nicht verstanden, worum es ginge. Sie hätten sie gefragt, wo sie arbeite und wem sie Informationen über ukrainische Militärtechnik überliefern würde. Sie hätten sie sehr grob behandelt, sie angeschrien und gesagt, sie sei wahrscheinliche eine russische Spionin, sie hätten allerlei Fluchworte benutzt. Sie seien sehr grob gewesen und die Beschwerdeführerin hab bereits Angst gehabt. Dann habe man ihr gesagt, sie solle in der Zelle nachdenken, ob sie nicht gestehen wolle. Dort habe man sie mehrere Tage festgehalten, es seien aber immer mehr Leute gekommen und die Zelle sei übervoll geworden, weshalb sie vermute, dass sie sie deshalb freigelassen hätten. Danach sei sie nach XXXX zu Freunden, mit denen sie studiert hätte, gefahren. Sie hätten ihr bei der Polizei den russischen Reisepass abgenommen und nicht mehr zurückgegeben. Überdies hätten sie gesagt, sie würden auf sie aufpassen, sie beobachten und sie hätte einen Strafprozess. Sie würden sie wegen Vaterlandsverrates einsperren. Dazu sei gekommen, dass sie Russische spreche und sie die Behörden gefragt hätten, weshalb sei nicht Ukrainisch sprechen würde, wo sie doch Ukrainern wäre. Auch ihr Zentrum sei umbenannt worden und alle Dokumente seien in russische Dokumente überschrieben worden. Sie habe Angst gehabt, zurück auf die Krim zu fahren, da sie ihr den russischen Pass abgenommen hätten. Sie habe befürchtet, dass man dort sagen könnte, sie wäre eine ukrainische Spionin. Im Internet würde man jetzt viel darüber lesen, dass es Listen von verschwundenen Krimbewohnern gebe; deshalb habe sie Angst. Ihre Freunde hätten sich erkundigt, einer ihrer Freunde habe jemanden von der Staatsanwaltschaft gekannt; dort sei nachgesehen worden und bestätigt, dass ein Strafverfahren im Laufen wäre. Ihre Freunde hätten ihr geraten, das Land zu verlassen oder irgendwie unterzutauchen. Sie habe sich entschieden, zu flüchten und ein Visum beantragt. Sie habe am XXXX im Reisebüro ein Visum beantragt, sie habe nicht gewusst, ob sie es bekommen würde oder nicht. Am 29.06.2017 sei der Pass mit dem Visum gekommen. Am 01. Juli sei sie von XXXX nach XXXX und dann ins Ausland gefahren. Weitere Fluchtgründe habe sie nicht. Der erwähnte Vorfall habe sich am 04.06.2017 zugetragen. Sie habe kein Geständnis unterschrieben, sie habe gesagt, dass sie nichts angestellt hätte. Sie hätten ein langes Protokoll geschrieben. Auf die Frage, ob ein Haftbefehl bestünde, erklärte die Beschwerdeführerin, ihr sei gesagt worden, dass sie festgenommen werde und es ein Gerichtsverfahren geben würde. Sie hätten verschiedene Paragrafen zitiert, wie Vaterlandsverrat, auf den 15 Jahre Haft stünden. Nachgefragt, habe sie keinen rechtlichen Beistand konsultiert, da dies so ein Durcheinander wäre. Über einen Nachweis für das Strafverfahren verfüge sie nicht, sie sei geflüchtet. Nach der groben Befragung und dem Aufenthalt in der Zelle habe sie wirklich Angst gehabt. In der Zelle seinen Männer gewesen, die geschlagen worden wären und verletzt gewesen seien. Sie fürchte, dass sie im Fall einer aktuellen Rückkehr für viele Jahre eingesperrt würde oder dass man sie verschwinden ließe und sie auf der Liste aufschiene.

Vorgelegt wurden eine Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs sowie eine Bestätigung über die unentgeltliche Mithilfe der Beschwerdeführerin in einem gemeinnützigen Verein.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22.02.2018 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Behörde stellte die Staatsbürgerschaft, Identität, Volksgruppenzugehörigkeit sowie Religion der Beschwerdeführerin fest und legte ihrer Entscheidung ausführliche Feststellungen zur aktuellen Situation in deren Herkunftsstaat zu Grunde. Begründend wurde im Wesentlichen erwogen, dass sich die von der Beschwerdeführerin angegebenen Gründe für das Verlassen ihres Herkunftsstaates als nicht glaubhaft erwiesen hätten. Es habe nicht festgestellt werden können, dass diese in der Ukraine asylrelevanter Verfolgung oder Gefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt gewesen wäre bzw. dies künftig der Fall sein würde. Ein Nachweis für ein Strafverfahren liege nicht vor. Auch die Tatsache, dass es ihr möglich gewesen wäre, legal auszureisen, belege, dass sie keine Probleme mit den Behörden der Ukraine gehabt hätte. Eine Verfolgung aufgrund ihrer Herkunft aus der Krim erweise sich als nicht glaubhaft. Es hätten keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin Gefahr liefe, in der Ukraine unmenschlicher Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Die Beschwerdeführerin sei im arbeitsfähigen Alter, verfüge über einen Abschluss einer XXXX Universität sowie über mehrjährige Arbeitserfahrung als Psychologin. Es habe nicht festgestellt werden können, dass diese im Falle einer Rückkehr in die Ukraine in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Die Beschwerdeführerin führe in Österreich kein Familienleben und verfüge über keine vertiefte Integration.

3. Mit Eingabe vom 26.03.2018 wurde durch die nunmehrige gewillkürte Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben, in welcher der dargestellte Bescheid vollumfänglich wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit angefochten wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe ihre Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung und mangels Fähigkeit ihres Heimatlandes, sie vor Übergriffen - sowohl von privater als auch von staatlicher Seite - zu schützen, verlassen, weshalb sie Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Einvernahme angegeben, dass sie in der Ukraine wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der auf der Krim lebenden Menschen diskriminiert werde. Sie habe weiters angegeben, von der Polizei festgenommen und als russische Spionin bezichtigt worden zu sein; es werde ein Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin geführt. Laut Länderfeststellungen sei eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Ukraine gegeben; leider könne die Beschwerdeführerin die Alternative nicht in Anspruch nehmen, da die Menschen in Zentral- und Westregionen die ganze Schuld auf Flüchtlinge schieben würden. Man werde oft als Verräter beschimpft und beschuldigt. Vor allem Frauen und Mütter würden Ostukrainer als Auslöser des Krieges beschuldigen. Viele Familien hätten die Männer im Krieg verloren. Auch manche Behörden würden die Aufnahme von Männern aus der Ostukraine verweigern. Verwiesen wurde auf einen Bericht von Amnesty International, welcher die von der Beschwerdeführerin getätigten Angaben untermauern würden. Man könne klar sehen, dass nicht nur Separatisten, sondern auch die ukrainische Armee an unmenschlichen und willkürlichen Taten in der Ostukraine beteiligt wären. Auch ein weiterer Bericht spreche von Entführungen, Folterungen, Verschwindenlassen von Personen und Morden. Zivilisten seien Opfer geworden und müssten sogar mit ihrem Leben bezahlen. Menschenrechtsverletzungen würden nunmehr zum Tagesablauf gehören. Auf Grund dieser unsicheren Lage sei die Beschwerdeführerin aus ihrer Heimat zunächst nach Polen geflüchtet und sei mit ihrem ukrainischen EU-Pass und einem Schengen-Visum nach Österreich eingereist. Die Behörde habe die Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer persönlichen Fluchtgründe als nicht glaubhaft eingestuft. Dem sei entgegenzusetzen, dass deren substantiiertes Vorbringen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit den Länderfeststellungen zur Ukraine übereinstimme. Die Beweiswürdigung der Behörde erweise sich als grob mangelhaft, nicht nachvollziehbar und lasse eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem Fall vermissen. Die Behörde sei der Pflicht, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln, nicht nachnachgegangen. Die Angaben der Beschwerdeführerin seien klar und nachvollziehbar gewesen, ihr sei die Glaubwürdigkeit ohne plausible und nachvollziehbare Erklärung aberkannt worden. Die Beschwerdeführerin lebe seit weniger als einem Jahr in Österreich und habe sich ein soziales Umfeld aufgebaut. Sie sei Mitglied des Vereins XXXXgeworden und nehme aktiv am Vereinsleben teil. Die Beschwerdeführerin besuche derzeit einen Deutschkurs und bereite sich auf eine Sprachprüfung vor. Der Beschwerdeführerin stünde ein Status nach § 3 AsylG zu, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie im Falle einer Rückkehr einer individuellen Verfolgung ausgesetzt sei. Aus den Berichten ginge hervor, dass die Sicherheitslage in der Ukraine sehr schlecht wäre.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 05.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Auf Grundlage des Verwaltungsakts der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in der Ukraine wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Ukraine, sie gehört der ukrainischen Volksgruppe sowie dem christlich-orthodoxen Glauben an. Ihre Identität steht fest. Die Beschwerdeführerin reiste im Juli 2017 auf Grundlage eines am XXXX durch die Österreichische Botschaft XXXX ausgestellten Schengen-Visums der Kategorie C in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Die Beschwerdeführerin stammt aus dem Gebiet der Krimhalbinsel, ihre Mutter und ihre Großmutter leben nach wie vor im Herkunftsstaat.

1.2. Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin in der Ukraine aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführerin in der Ukraine festgestellt werden.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, welche einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat entgegenstehen würden. In der Ukraine besteht eine ausreichende medizinische Grundversorgung.

Die unbescholtene Beschwerdeführerin verfügt in Österreich über kein schützenswertes Privat- oder Familienleben. Im Bundesgebiet verfügt die Beschwerdeführerin über keine familiären oder sonstigen engen sozialen Bezugspunkte. Die Beschwerdeführerin besuchte einen Deutschkurs, erbrachte jedoch bis dato keinen Nachweis über eine absolvierte Sprachprüfung. Daneben leistete sie unentgeltliche Hilfstätigkeiten für den Verein "XXXX." Sie ging bislang keiner Erwerbstätigkeit nach, bestreitet ihren Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Eine tiefgreifende Verwurzelung der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet konnte nicht erkannt werden. Eine die Beschwerdeführerin betreffende aufenthaltsbeendende Maßnahme würde keinen ungerechtfertigten Eingriff in deren gemäß Art. 8 EMRK geschützte Rechte auf Privat- und Familienleben darstellen.

1.3. Insbesondere zur allgemeinen Situation und Sicherheitslage, zur allgemeinen Menschenrechtslage, zur medizinischen Versorgungssituation und zur Lage von Rückkehrern wird unter Heranziehung der erstinstanzlichen Länderfeststellungen Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

142

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

43

Selbsthilfe (Samopomitsch)

26

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

20

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

48

(AA 2.2017a)

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).

Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017

-

DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU,

http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

2. Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).

Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).

Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon

9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist.

Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).

Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

? AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

? AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

? ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

? USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017

2.1. Halbinsel Krim

Die Halbinsel Krim wurde 2014 von der Russischen Föderation besetzt. Das "Referendum" über den Anschluss an Russland, welches auf der Krim durchgeführt wurde, wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ungültig erklärt. Die Resolution 71/205 der Generalversammlung der UN bezeichnet die Russische Föderation als Okkupationsmacht auf der Krim. Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der Machthaber zu beobachten:

Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erreicht wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters bestehen Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit anderer politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische "Anti-Terror"-Gesetze zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Individuen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend investigativ und juristisch verfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Der Mejlis, die krimtatarische gewählte Versammlung zur Repräsentation der Krimtataren, wurde am 18. April 2016 durch die lokalen Behörden suspendiert und am 26. April vom Russischen Obersten Gerichtshof als "extremistisch" eingestuft und verboten. Menschenrechtsorganisationen sowie Journalisten haben keinen uneingeschränkten Zugang zur Krim. Bestimmte Webseiten werden blockiert und unabhängige Medien mussten auf das ukrainische Festland übersiedeln. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt. Am 7. März 2016 wurden in Simferopol alle öffentlichen Versammlungen verboten, die nicht von den Machthabern organisiert wurden (ÖB 4.2017).

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Auf der Krim werden seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland im März 2014 staatliche Aufgaben von russischen Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Einwohner der Krim, die ihr Widerspruchsrecht nutzten haben damit u.

a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren. Die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblichen Restriktionen. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim reisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren, das Selbstverwaltungsorgan Medschlis, wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, seine Mitglieder werden verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Medien stehen unter Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Seine Sendungen können auf der Krim nur noch im Internet und dort sehr eingeschränkt verfolgt werden. Auch jüngste Berichte von UNHCR sowie Amnesty International listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert (AA 7.2.2017).

Auf der Halbinsel Krim sind Dissidenten das Ziel systematischen Missbrauchs und der Verfolgung durch die russischen Behörden. Es gibt Berichte über Fälle von Verschwindenlassen. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise auf die Krim verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung (USDOS 3.3.2017a).

Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen Staaten und internationale Organisation auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert. Die russischen Sicherheitsbehörden konsolidieren ihre Kontrolle der Halbinsel weiterhin und beschränken die Menschenrechte durch unverhältnismäßige Anwendung repressiver russischer Gesetze. Abweichende und Meinungen und Opposition zur Annexion der Krim werden von den russischen Behörden durch Einschüchterung unterdrückt. Dazu gehören Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlung, politische Prozesse, wiederholte grundlose Vorladungen durch die Sicherheitsbehörden, gegenstandslose Festnahmen, usw. Bestimmte Gruppen, vor allem ethnische Ukrainer und Krimtataren werden systematisch diskriminiert und ihre Menschenrechte eingeschränkt. Der Selbstverwaltungskörper der krimtatarischen Minderheit, der demokratisch gewählte Mejlis, wurde als extremistische Organisation verboten. Personen, welche die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft verweigern, werden beim Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeitsmarkt diskriminiert. Es gibt auch Eingriffe in die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, speziell durch Behinderung bei der Pflege des kulturellen Erbes und durch Einschränkung des Zugangs zu Unterricht in ukrainischer und krimtatarischer Sprache. Die Medienfreiheit auf der Krim wird ebenfalls eingeschränkt, unabhängige Medien gibt es nicht mehr. Die wenigen verbleibenden unabhängigen bzw. kritischen Journalisten wurden eingesperrt und wegen Extremismus angeklagt. Es kommt zu politischer Einmischung in gerichtliche Verfahren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten. Tausende Personen flüchteten als Binnenvertriebene in die Ukraine. Bei den russischen Behörden auf der Krim herrscht betreffend Menschenrechtsverletzungen ein Klima der Straflosigkeit. Fälle von Entführung oder Tötung von Einwohnern der Krim in den Jahren 2014 und 2015 werden nicht angemessen untersucht (USDOS 3.3.2017b).

Die Rechte der Bevölkerung der Krim, besonders der Krimtataren, werden weitgehend verletzt. Der krimtatarische Mejlis wurde verboten und krimtatarische Führungspersönlichkeiten dürfen die Krim nicht betreten oder sind inhaftiert (FH 29.3.2017).

Auf der Krim setzten die de-facto-Behörden ihre Maßnahmen zur Unterdrückung jeglicher pro-ukrainischer Opposition fort, wobei sie zunehmend auf russische Gesetze zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus zurückgriffen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Dutzende Personen anstrengten, die als illoyal betrachtet wurden. In keinem der Fälle von Verschwindenlassen, die sich im Anschluss an die russische Besetzung ereignet hatten, gab es gründliche Ermittlungen. Die russischen Behörden hielten Parlamentswahlen auf der Krim ab, die international nicht anerkannt wurden. Die bereits stark eingeschränkten Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurden 2016 noch weiter beschnitten. Die Websites einiger unabhängiger Medienkanäle, die in den Jahren zuvor gezwungen waren, ihren Sitz auf das ukrainische Festland zu verlegen, wurden von den De-facto-Behörden auf der Krim gesperrt. Am 7. März 2016 verbot der Bürgermeister von Simferopol, der Hauptstadt der Krim, alle öffentlichen Versammlungen, die nicht von den Behörden organisiert wurden. Ethnische Krimtataren waren von dem Bestreben der De-facto-Behörden zur Beseitigung jeglicher pro-ukrainischer Opposition nach wie vor besonders stark betroffen. Am 18. April wurde der Medschlis, eine von der krimtatarischen Volksversammlung Kurultai gewählte Vertretung, aufgelöst und am 26. April von einem Gericht als "extremistisch" verboten. Das Verbot wurde am 29. September vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation bestätigt (AI 22.2.2017).

Russland setzt Kritiker der Krim-Okkupation weiterhin politischer Strafverfolgung aus und schränkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit weiter ein. Krimtataren werden unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung verfolgt (HRW 12.1.2017).

Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).

Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren aus. Exemplarisch sei auf das Argument verwiesen, wonach Parkflächen während der Schulferien für Kinderaktivitäten freizuhalten und dementsprechend öffentliche kulturelle Veranstaltungen der Krimtataren aus Anlass des Tags der Flagge der Krimtataren in Simferopol am 26. Juni 2014 zu untersagen seien (ÖB 4.2017).

Quellen:

? AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/336532/479204_de.html, Zugriff 1.6.2017

? FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/338537/481540_de.html, Zugriff 1.6.2017

? HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/334769/476523_de.html, Zugriff 6.6.2017

? ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

? USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

? USDOS - US Department of State (3.3.2017b): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/local_link/337269/480036_de.html, Zugriff 1.6.2017

2.2. Ostukraine

Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 rissen pro-russische Separatisten in einigen Gebieten der Ost-Ukraine die Macht an sich und riefen, unterstützt von russischen Staatsangehörigen, die "Volksrepublik Donezk" und die "Volksrepublik Lugansk" aus. Der ukrainische Staat begann daraufhin eine sogenannte Antiterroroperation (ATO), um die staatliche Kontrolle wiederherzustellen. Bis August 2014 erzielten die ukrainischen Kräfte stetige Fortschritte, danach erlitten sie jedoch - bedingt durch militärische Unterstützung der Separatisten aus Russland - zum Teil schwerwiegende Verluste. Die trilaterale Kontaktgruppe mit Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE bemüht sich darum, den militärischen Konflikt zu beenden. Das Minsker Protokoll vom 5. September 2014, das Minsker Memorandum vom 19. September 2014 und das Minsker Maßnahmenpaket vom 12. Februar 2015 sehen unter anderem eine Feuerpause, den Abzug schwerer Waffen, die Gewährung eines "Sonderstatus" für einige Teile der Ost-Ukraine, die Durchführung von Lokalwahlen und die vollständige Wiederherstellung der Kontrolle über die ukrainisch-russische Grenze vor. Die von der OSZE-Beobachtermission SMM überwachte Umsetzung, etwa des Truppenabzugs, erfolgt jedoch schleppend. Die Sicherheitslage im Osten des Landes bleibt volatil (AA 2.2017b).

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Berichte der OSZE-Beobachtermission, von Amnesty International sowie weiteren NGOs lassen den Schluss zu, dass es nach Ausbruch des Konflikts im März 2014 in den von Separatisten kontrollierten Gebieten zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Dazu zählen extralegale Tötungen auf Befehl örtlicher Kommandeure ebenso wie Freiheitsberaubung, Erpressung, Raub, Entführung, Scheinhinrichtungen und Vergewaltigungen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte spricht von einem "vollständigen Zusammenbruch von Recht und Ordnung", von einem "unter den Bewohnern vorherrschenden Gefühl der Angst, besonders ausgeprägt in der Region Lugansk", sowie einer durch "fortgesetzte Beschränkungen der Grundrechte, die die Isolation der in diesen Regionen lebenden Bevölkerung verschärft, sowie des Zugangs zu Informationen" gekennzeichneten Menschenrechtslage. Die Zivilbevölkerung ist der Willkür der Soldateska schutzlos ausgeliefert, Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit sind faktisch suspendiert. Nach UN-Angaben sind seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen umgekommen. Es sind rund 1,7 Mio. Binnenflüchtlinge registriert und ca. 1,5 Mio. Menschen sind in Nachbarländer geflohen. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt: Die Sicherheitslage hat sich verbessert, auch wenn Waffenstillstandsverletzungen an der Tagesordnung bleiben. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt jedoch trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt neben den Lokalwahlen im besetzten Donbas der Dezentralisierungsprozess für den Donbas, den die Rada noch nicht abgeschlossen hat. In den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Gebiete Donezk und Lugansk wird die staatliche Ordnung erhalten oder wieder hergestellt, um Wiederaufbau sowie humanitäre Versorgung der Bevölkerung zu ermöglichen (AA 7.2.2017).

Die von Russland unterstützten Separatisten im Donbas verüben weiterhin Entführungen, Folter und unrechtmäßige Inhaftierung, rekrutieren Kindersoldaten, unterdrücken abweichende Meinungen und schränken humanitäre Hilfe ein. Trotzdem dies offiziell weiterhin abgestritten wird, kontrolliert Russland das Ausmaß der Gewalt in der Ostukraine und eskaliert den Konflikt nach eigenem politischen Gutdünken. Die separatistischen bewaffneten Gruppen werden weiterhin von Russland trainiert, bewaffnet, geführt und gegebenenfalls direkt im Einsatz unterstützt. Die Arbeit internationaler Beobachter wird dabei nach Kräften behindert. Geschätzte 70 Quadratkilometer landwirtschaftlicher Flächen in der Ostukraine wurden von den beiden Seiten vermint, speziell nahe der sogenannten Kontaktlinie. Diese Verminungen sind oft schlecht markiert und stellen eine Gefahr für Zivilisten dar. Bis zu 2.000 Zivilisten sollen im ostukrainischen Konfliktgebiet umgekommen sein, meist durch Artilleriebeschuss bewohnter Gebiete. Die Zahl derer, die durch Folter und andere Menschenrechtsverletzungen umgekommen sein dürften, geht in die Dutzende. 498 Personen (darunter 347 Zivilisten) bleiben vermisst. Die von Russland unterstützten Separatisten begingen systematisch zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Schläge, Zwangsarbeit, Folter, Erniedrigung, sexuelle Gewalt, Verschwindenlassen aber auch Tötungen) sowohl zur Aufrechterhaltung der Kontrolle als auch zur Bereicherung. Sie entführen regelmäßig Personen für politische Zwecke oder zur Erpressung von Lösegeld, besonders an Checkpoints. Es kommt zu willkürlichen Inhaftierungen von Zivilpersonen bei völligem Fehlen jeglicher rechtsstaatlicher Kontrolle. Diese Entführungen führen wegen ihrer willkürlichen Natur zu großer Angst unter der Zivilbevölkerung. Von einem "Kollaps von Recht und Ordnung" in den Separatistengebieten wird berichtet. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise in die Separatistengebiete verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung. Journalisten werden willkürlich inhaftiert und misshandelt. Die separatistischen bewaffneten Gruppen beeinflussen direkt die Medienberichterstattung in den selbsternannten Volksrepubliken. Freie (kritische) Meinungsäußerung ist nicht möglich. Da die separatistischen Machthaber die Einfuhr von humanitären Gütern durch ukrainische oder internationale Organisationen stark einschränken, sind die Anwohner der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk mit starken Preisanstiegen konfrontiert. An Medikamenten herrscht ein erheblicher Mangel. Das erschwert auch die Behandlung von HIV und Tuberkulose. Mehr als 6.000 HIV-positive Personen in der Region leiden unter dem Mangel an Medikamenten und Medizinern (USDOS 3.3.2017a).

In den ostukrainischen Konfliktgebieten begingen Berichten zufolge auch Regierungstruppen bzw. mit ihnen verbündete Gruppen Menschenrechtsverletzungen. Der ukrainische Geheimdienst (SBU) soll Personen geheim festhalten bzw. festgehalten haben (USDOS 3.3.2017a). Nach einem Bericht über illegale Haft und Folter, sowohl durch den ukrainischen SBU sowie durch prorussische Separatisten, reagierte im Juli 2016 der SBU mit der Entlassung von 13 Personen aus der Haft (die Illegalität der Haft wurde aber abgestritten). Von der separatistischen Seite ist nichts dergleichen berichtet, obwohl deren Vergehen viel zahlreicher waren (FH 1.2017; vgl. HRW 12.1.2017).

Trotz des Abkommens von Minsk ist in der Ostukraine immer noch kein tragfähiger Waffenstillstand zustande gekommen. Russland liefert weiterhin Waffen und stellt militärisches Personal als "Freiwillige". 2016 haben sich die lokalen Verwaltungen in den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk institutionell konsolidiert und der Aufbau russisch kontrollierter Staatsgebilde ist überwiegend abgeschlossen. Unabhängige politische Aktivitäten und politische Parteien sind jedoch verboten, NGOs arbeiten dort nicht, und eine freie Presse ist nicht vorhanden (FH 29.3.2017).

Nach wie vor kam es im Osten der Ukraine auf beiden Seiten zu sporadischen Verstößen gegen den vereinbarten Waffenstillstand. Sowohl die ukrainischen Streitkräfte als auch die pro- russischen Separatisten verübten Verletzungen des humanitären Völkerrechts, darunter Kriegsverbrechen wie Folter, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. In der Ukraine und den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk wurden Personen, die der Unterstützung der jeweils anderen Seite verdächtigt wurden, rechtswidrig inhaftiert, auch zum Zwecke des Gefangenenaustauschs. Sowohl seitens der ukrainischen Behörden als auch der separatistischen Kräfte im Osten der Ukraine kam es auf den von der jeweiligen Seite kontrollierten Gebieten zu rechtswidrigen Inhaftierungen. Zivilpersonen, die als Sympathisanten der anderen Seite galten, wurden als Geiseln für den Gefangenenaustausch benutzt. Wer für einen Gefangenenaustausch nicht in Frage kam, blieb häufig monatelang inoffiziell in Haft, ohne Rechtsbehelf oder Aussicht auf Freilassung. In den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk setzten lokale "Ministerien für Staatssicherheit" die ihnen im Rahmen lokaler "Verordnungen" verliehenen Befugnisse dazu ein, Personen bis zu 30 Tage lang willkürlich zu inhaftieren und diese Haftdauer wiederholt zu verlängern. Die ukrainischen Behörden schränkten den Personenverkehr zwischen den von den Separatisten kontrollierten Regionen Donezk und Lugansk und den von der Ukraine kontrollierten Gebieten weiterhin stark ein (AI 22.2.2017).

In den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk agieren lokale Sicherheitsdienste in einem vollkommenen rechtlichen Vakuum, wodurch die von ihnen festgenommenen Personen jeglicher Rechtssicherheit oder Beschwerdemöglichkeiten beraubt (HRW 12.1.2017).

In den von pro-russischen Kräften besetzten Gebieten im Osten der Ukraine kann in keinster Weise von einer freien, gar kritischen Presse die Rede sein. Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).

Pro-russische Separatisten in der Ostukraine entführen, inhaftieren, schlagen und bedrohen Mitglieder der ukrainisch-orthodoxen Kirche Kiewer Patriarchats, Zeugen Jehovas und Angehörige protestantischer Kirchen. Auch antisemitische Rhetorik und Handlungen werden berichtet. Sie verwüsten oder beschlagnahmen weiterhin Kirchenvermögen und geben vor, nur "offizielle Kirchen" dürften tätig werden. Faktisch werden religiöse Gruppen außer der ukrainisch-orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats systematisch diskriminiert (USDOS 10.8.2016).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

? AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/336532/479204_de.html, Zugriff 1.6.2017

? FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/338537/481540_de.html, Zugriff 1.6.2017

? FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/336975/479728_de.html, Zugriff 22.6.2017

? HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/334769/476523_de.html, Zugriff 6.6.2017

? ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

? USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Die ukrainische Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Gerichte sind aber trotz Reformmaßnahmen der Regierung weiterhin ineffizient und anfällig für politischen Druck und Korruption. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz ist gering (USDOS 3.3.2017a).

Nach einer langen Phase der Stagnation nahm die Justizreform ab Juli 2016 mit Verfassungsänderungen und neuem rechtlichem Rahmen Fahrt auf. Für eine Bewertung der Effektivität der Reform ist es noch zu früh (FH 29.3.2017).

Die Reform der Justiz war eine der Kernforderungen der Demonstranten am sogenannten Euro-Maidan. Das größte Problem der ukrainischen Justiz war immer die mangelnde Unabhängigkeit der Richter von der Exekutive. Auch die Qualität der Gesetze gab stets Anlass zur Sorge. Noch problematischer war jedoch deren Umsetzung in der Praxis. Auch Korruption wird als großes Problem im Justizbereich wahrgenommen. Unter dem frisch ins Amt gekommenen Präsident Poroschenko machte sich die Regierung daher umgehend an umfassende Justizreformen. Mehrere größere Gesetzesänderungen hierzu wurden seither verabschiedet. Besonders hervorzuheben sind Gesetz Nr. 3524 betreffend Änderungen der Verfassung und Gesetz Nr. 4734 betreffend das Rechtssystem und den Status der Richter, die Ende September 2016 in Kraft traten. Mit diesen Gesetzen wurden die Struktur des Justizsystems reformiert und die professionellen Standards für Richter erhöht und ihre Verantwortlichkeit neu geregelt. Außerdem wurde der Richterschaft ein neuer Selbstverwaltungskörper gegeben, der sogenannte Obersten Justizrat (Supreme Council of Justice). Dieser ersetzt die bisherige Institution (Supreme Judicial Council), besteht hauptsächlich aus Richtern und hat ein Vorschlagsrecht für Richter, welche dann vom Präsidenten zu ernennen sind. Ebenso soll der Oberste Justizrat Richter suspendieren können. Die besonders kritisierte fünfjährige Probezeit der Richter wurde gestrichen und ihr Einkommen massiv erhöht. Auf der anderen Seite wurden die Ernennungskriterien für Richter erhöht, bereits ernannte Richter müssen sich einer Überprüfung unterziehen. Die Antikorruptionsregelungen wurden verschärft und die richterliche Immunität auf eine rein professionelle Immunität beschränkt. Richter, die die Herkunft ihres Vermögens (bzw. das enger Angehöriger) nicht belegen können, sind zu entlassen. Besonders augenfällig ist

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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