Entscheidungsdatum
11.05.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W139 1416323-2/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 17.07.2012, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens, reiste illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.08.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. In seiner Erstbefragung am 19.08.2010 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei im Bezirk XXXX , Mogadischu, Somalia geboren und er gehöre der Volksgruppe der Ashraaf an. Zum Fluchtgrund führte er aus, er fühle sich von den Islamisten "Al Shabaab" verfolgt und habe Angst, von ihnen getötet zu werden. Er habe in XXXX , Mogadischu, einen eigenen "Callshop" gehabt, wo man telefonieren habe können. Einer seiner Kunden sei ein Mann namens XXXX gewesen, der als Spion für die Regierung gearbeitet habe und die Regierung vom Callshop aus über Aktivitäten der Al Shabaab informiert habe. Da die Al Shabaab diese Gegend kontrolliert habe, habe sie gewusst, welche Leute im Shop telefoniert hätten. Am 10.06.2010 ca. um 11 Uhr seien zehn bewaffnete Jugendliche, Anhänger der Al Shabaab, wovon er einige vom Sehen gekannt habe, in den Callshop gekommen. Sie hätten beweisen wollen, dass XXXX im Shop telefoniert habe. Nach einigen Minuten hätten die Mitglieder der Al Shabaab den Callshop geschlossen und den Beschwerdeführer und XXXX mitgenommen. Sie seien zu einem Gericht im selben Ort gebracht und getrennt vorgeführt worden. Der Beschwerdeführer sei aufgefordert worden, wahrheitsgemäß auszusagen, dass XXXX für die Regierung arbeite. Man habe ihm vorgeworfen, dass er diese Person telefonieren lassen habe. Er sei auch mit Fäusten und Gewehrgriffen im Schulterbereich geschlagen und verletzt worden, damit er weitere Angaben mache. Das Verhör bei Gericht habe ca. von 11 bis 18 Uhr gedauert, dann sei sein Vater ins Gericht gekommen und habe die Verantwortung für den Beschwerdeführer übernommen. Da man auch keine Beweise gegen den Beschwerdeführer gehabt habe, sei er freigelassen worden. Einen Tag später, als der Beschwerdeführer nicht zu Hause gewesen sei, seien Leute der Al Shabaab gekommen und hätten seine Eltern aufgefordert, ihn wieder zu ihnen zurück zu bringen. Von 15.06.2010 bis 05.07.2010 habe sich der Beschwerdeführer sodann im Regierungsviertel XXXX bei seiner Tante mütterlicherseits aufgehalten. Seit dieser Zeit habe er keinen Kontakt mehr zu Leuten der Al Shabaab gehabt, diese seien aber zu seinem Vater gegangen und hätten diesem gesagt, wenn sie den Beschwerdeführer finden würden, "sei er tot". Das sei sein einziger Fluchtgrund. Andere Gründe habe er nicht, da es ihm aufgrund des Callshops finanziell gut gegangen sei und er auch sonst nichts zu befürchten gehabt habe.
3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.10.2010, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, als unzulässig zurückgewiesen. Es wurde festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz Griechenland zuständig sei. Der Beschwerdeführer wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 08.11.2010 Beschwerde erhoben. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.12.2010, Zl. XXXX , wurde der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Das Verfahren wurde zugelassen und von der belangten Behörde fortgeführt.
4. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 08.02.2011 legte der Beschwerdeführer einen somalischen Reisepass sowie einen somalischen Personalausweis vor. Er führte zusammengefasst im Wesentlichen aus, bisher habe er unter anderem betreffend seinen Reiseweg und den Ausreisezeitpunkt nicht die Wahrheit gesagt, da er Angst vor einer Abschiebung nach Griechenland gehabt habe. Nunmehr wolle er wahrheitsgemäße Angaben machen. Er habe Mogadischu am 10.04.2010 verlassen. Er sei ledig und habe keine Kinder. In Mogadischu habe er mit seinen Halbgeschwistern, seinem Vater und dessen Gattin zusammengelebt. Seine Mutter sei bereits verstorben. Wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe er keine Probleme gehabt. Im Jahr 2008, während des Krieges in Mogadischu, sei er nach Kenia geflüchtet und habe sich dort etwa acht Monate aufgehalten. Dort habe er sich auch die Dokumente ausstellen lassen. Er sei dann freiwillig nach Somalia zurückgekehrt. Der Beschwerdeführer wiederholte sein Vorbringen zu den Fluchtgründen und führte ergänzend aus, der Mann, der für die Regierung gearbeitet habe, sei öfter in den Callshop zum Telefonieren gekommen. Beim Viehmarkt in Mogadischu gebe es einen Stützpunkt der Al Shabaab, wo üblicherweise alle in der Nähe festgenommenen Gefangenen hingebracht würden, so auch der Beschwerdeführer. Der Ort sei bekannt, weil sie in der Nähe gewohnt hätten. Er sei dann stundenlang befragt worden und man habe ihm vorgeworfen, mit Regierungssoldaten zusammenzuarbeiten. Die Al Shabaab hätten wissen wollen, ob er den Mann näher kenne, wo er ihn kennengelernt habe und auch, ob der Beschwerdeführer für die Regierung arbeite. Er habe immer wieder gesagt, dass er diesen Mann nur als Kunden kenne und über ihn nichts wisse. Als der Beschwerdeführer einige Tage später nicht zuhause gewesen sei und die Al Shabaab nach ihm gefragt hätten, hätten sie den Vater des Beschwerdeführers geschlagen. Seine Stiefmutter habe ihn dann angerufen und gesagt, dass Al Shabaab da seien und seinen Vater schlagen würden und dass der Beschwerdeführer nicht nach Hause kommen solle. Sein Vater habe ihm dann gesagt, dass der andere Mann zwischenzeitlich getötet worden sei und dass der Beschwerdeführer nach wie vor gesucht werde.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.07.2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 (Anm: wohl irrtümlich iVm § 34 Abs 3) AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 01.07.2013 erteilt (Spruchpunkt III.).
Die belangte Behörde begründete die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei. Seine Angaben seien sehr oberflächlich, zu blass und wenig detailreich und ohne Emotionen vorgebracht. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass ihm vorgeworfen werde, die Regierung zu unterstützen, er aber noch am selben Tag wieder freigelassen worden sei. Der Beschwerdeführer könnte durch die Begründung eines Wohnsitzes in einem anderen Teil Somalias der behaupteten Verfolgung durch die Al Shabaab entkommen (innerstaatliche Fluchtalternative). Weder die allgemeinen Verhältnisse im Heimatstaat, noch eine Bürgerkriegssituation würden für sich allein die Flüchtlingseigenschaft indizieren. Aufgrund der allgemein instabilen Sicherheitslage und des innerstaatlichen Konfliktes in Somalia sei jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.
6. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde mit Schriftsatz vom 24.07.2012 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, daraus, dass der Beschwerdeführer einen eigenen Callshop in Mogadischu gehabt habe und es ihnen wirtschaftlich relativ gut gegangen sei, ergebe sich, dass er nicht aus wirtschaftlichen Gründen geflohen sei. XXXX sei ein Spion der Regierung gewesen und der Beschwerdeführer sei von den Al Shabaab verdächtigt worden, mit diesem zusammenzuarbeiten. XXXX sei von ihnen ermordet worden. Der Vorwurf der Spionage sei in Somalia lebensbedrohlich, da die Al Shabaab im Fall eines Verdachtes nicht davor zurückschrecken würden, den Menschen zu töten. Mogadischu sei keinesfalls frei von den Al Shabaab. Auch in einem von der Regierung besetzten Bezirk wäre der Beschwerdeführer nicht in Sicherheit gewesen. Es bestehe also keinesfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative. Der Beschwerdeführer beantragte die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten.
7. Am 17.06.2016 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Somali statt, bei welcher der Beschwerdeführer einvernommen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung unentschuldigt fern.
Der Beschwerdeführer legte keine weiteren Dokumente vor. Im Rahmen der Befragung gab der Beschwerdeführer an, bei der letzten Einvernahme die Wahrheit gesagt zu haben. Bei der ersten Befragung habe er verschwiegen, dass er in Rumänien gewesen sei. Die letzte Einvernahme sei ihm rückübersetzt worden, an die anderen könne er sich nicht erinnern. Bei den bisherigen Einvernahmen habe er die Dolmetscher gut verstanden.
Weiters gab der Beschwerdeführer (BF) entscheidungswesentlich Folgendes an (VR = erkennende Richterin, RB = Rechtsberaterin) [evtl. Rechtschreib- oder Tippfehler vom Bundesverwaltungsgericht korrigiert]:
"VR: Bleiben Sie bei Ihrem bisherigen Vorbringen?
BF: Ja.
VR: Hat sich an den Gründen der Asylantragstellung seit Erhalt des Bescheides etwas geändert?
BF: Nein.
VR: Wie heißen Sie?
BF: XXXX .
VR: Wo und wann wurden Sie geboren?
BF: Am XXXX bin ich in Mogadischu, Bezirk XXXX , geboren.
VR: Sie haben bei der Erstbefragung angegeben, am 05.06.1985 geboren zu sein. Können Sie mir das erklären?
BF: Ich bin am XXXX geboren, in meinem Reisepass steht das auch so. Woher die anderen Angaben stammen, daran erinnere ich mich nicht.
VR: Geben Sie mir bitte Ihre Staatsangehörigkeit und Religion bekannt!
BF: Ich bin Muslim und aus Somalia.
VR: Welchem Clan bzw. Subclan gehören Sie an?
BF: Ich bin Digil und Mirifte. Darunter bin ich Ashraaf.
VR: Wurden Sie jemals unmittelbar aufgrund der Clanzugehörigkeit persönlich verfolgt?
BF: Nein.
VR: Geben Sie bitte genau an, wo Sie in Somalia gelebt haben, wann und mit wem?
BF: Ich habe bei meinem Vater und seiner Frau und den Halbgeschwistern gelebt in Mogadischu, im Bezirk XXXX , Unterbezirk:
XXXX .
VR: Wo hat Ihre Mutter gelebt?
BF: Meine Mutter ist gestorben.
VR: Wann ist sie gestorben?
BF: Ich war sehr jung. Ich glaube es war 1996.
VR: Hat Ihr Vater nach dem Tod der Mutter wieder geheiratet?
BF: Nein. Sie haben sich getrennt, bereits als meine Mutter mit mir schwanger war.
VR: Haben Sie immer bei Ihrem Vater gelebt und nie bei Ihrer Mutter?
BF: Nein. Ich habe bei meiner Mutter 1-2 Jahre gelebt. Danach hat sie einen anderen Mann geheiratet. Dann habe ich bei meiner Großmutter und meinem Onkel mütterlicherseits gelebt. Nachdem mein Vater geheiratet hat, bin ich zu meinem Vater gezogen.
VR: Wo leben Ihr Vater und Ihre Halbgeschwister jetzt?
BF: In Mogadischu, im Bezirk XXXX , so wie zuvor.
VR: Haben Sie noch zu Ihren in Somalia lebenden Verwandten Kontakt? Wenn ja zu wem? Wie oft?
BF: Ja. Ich habe zu meinem Vater und meinen Halbgeschwistern Kontakt. Sie haben zu Hause Internet.
VR: Wie oft?
BF: Fast jeden Tag. Einmal oder zweimal.
VR: Wie geht es Ihren Familienangehörigen? Bitte schildern Sie mir die Lebensumstände, unter denen Ihre Familie in Somalia lebt. Wie ist die wirtschaftliche Situation Ihrer Familie?
BF: Gesundheitlich geht es ihnen gut. Mein Vater ist ein bisschen krank. Es geht ihnen nicht schlecht. Mein Vater arbeitet.
VR: Was arbeitet er?
BF: Er hat ein Lager. Er verkauft Baumaterial.
VR: Haben Sie sonstige Verwandte in Somalia?
BF: Es gibt Tanten mütterlicherseits, zwei Halbgeschwister mütterlicherseits, eine Schwester und einen Bruder.
VR: Haben Sie zu diesen noch Kontakt?
BF: Öfters habe ich Kontakt mit meinem Halbbruder, mit meiner Halbschwester nicht so oft, weil sie kein Internet hat.
VR: Haben Sie in Österreich oder in anderen Staaten außerhalb ihres Herkunftsstaates noch Verwandte?
BF: Eine Tante väterlicherseits in England. Tanten mütterlicherseits in Saudi-Arabien.
VR: Besteht zu diesen ein Kontakt?
BF: Zu meiner Tante in England habe ich keinen Kontakt. Zu meinen Tanten mütterlicherseits in Saudi-Arabien habe ich öfters Kontakt.
VR: Welche Ausbildung haben Sie in Somalia erhalten?
BF: Ich habe die Schule besucht, bis zur zehnten Klasse.
VR: Wissen Sie, von wann bis wann das etwa war?
BF: Von 2000 bis 2008.
VR: Dann kommen wir nun zu den Gründen, warum Sie Somalia verlassen haben. Angesichts der Bürgerkriegssituation haben Sie subsidiären Schutz bekommen. Nun geht es aber darum, ob Sie auch Asyl bekommen. Schildern Sie mir daher jetzt ausführlich und detailliert, weshalb Sie Somalia verlassen haben!
BF: Ich habe in einem Callshop gearbeitet. Ein Kunde ist öfters zu mir gekommen. Er hat telefoniert und sich oft mit mir unterhalten. Er hat für die Regierung gearbeitet. Ich wusste nicht, dass er für die Regierung arbeitet. Die Al Shabaab hat von seiner Tätigkeit erfahren. Eines Tages, als er bei mir im Shop am Vormittag war, sind Mitglieder der Al Shabaab gekommen. Sie haben uns mitgenommen. Mir wurde auch vorgeworfen, dass ich mit ihm arbeite. Sie haben uns gewaltsam mitgenommen. Sie haben uns inhaftiert. Dort haben sie uns befragt. Sie haben mich befragt, wer dieser Mann ist und mit wem er arbeitet und wie ich ihn kennengelernt habe. Sie haben mir vorgeworfen, dass ich für die Regierung arbeite. Mein Vater hat später erfahren, dass ich in Haft bin. Mein Vater hat mit der Al Shabaab gesprochen und hat für mich gebürgt. Ich wurde am späten Nachmittag frei gelassen. Sie haben mich viel gefragt. Mein Vater hat gesagt, dass ich nicht für die Regierung arbeite. Das hat er öfters bestätigt. Einige Tage später ist die Al Shabaab zu uns nach Hause gekommen. Ich war bei meiner Tante. Ich war nicht zu Hause. Sie haben nach mir gefragt, wo ich sei. Mein Vater hat gesagt, dass ich im Bezirk XXXX bin. Sie haben meinen Vater geschlagen. Dann hat meine Stiefmutter angerufen und sagte, dass ich nicht nach Hause kommen soll, weil Al Shabaab Männer nach mir suchen und sie bei uns waren. Dann hat mich mein Vater angerufen, ich solle nicht nach Hause kommen. Er hat mich gewarnt. Ich habe dann einige Wochen im Bezirk XXXX verbracht. Mein Vater hat gesehen, dass die Männer intensiv nach mir suchen. Er hat gesehen, dass es gefährlich ist, für mich weiter zu bleiben und dann hat er mich weggeschickt.
VR: In welchem Bezirk hatten Sie den Callshop? Haben Sie auch dort gewohnt?
BF: In unserem Bezirk XXXX , Unterbezirk: XXXX .
VR: War das Ihr eigenes Geschäft oder waren Sie dort nur angestellt?
BF: Das Geschäft gehörte mir, das hat mein Vater für mich eröffnet.
VR: Wissen Sie noch wie dieser Mann geheißen hat, der verdächtigt wurde, für die Regierung zu arbeiten?
BF: Er hieß XXXX .
VR: Woher kannten Sie den Namen?
BF: In meinem Geschäft haben wir uns kennen gelernt. Er hat bei mir telefoniert und wir haben uns unterhalten.
VR: Bevor die Al Shabaab bei Ihnen auftauchte, wussten Sie nicht, dass er für die Regierung arbeitet?
BF: Nein.
VR: Sind die Mitglieder der Al Shabaab nur dieses einzige Mal zu Ihnen ins Geschäft gekommen?
BF: Nein. Sie sind manchmal vorbeigekommen, um zu sagen, dass jetzt Gebetzeit ist und dass ich das Geschäft schließen soll. Man soll sich an die Vorschriften der Al Shabaab halten, aber sonst sind sie nicht gekommen.
VR: Erinnern Sie sich noch an das Datum, an dem die Al Shabaab Sie und XXXX festnahmen?
BF: Nein.
VR: Ungefähr?
BF: Ende Februar oder Anfang März 2010.
VR: Wann haben Sie Somalia verlassen?
BF: Im April 2010.
VR: Können Sie sich erklären, warum Sie bei der Erstbefragung angegeben haben im Juli 2010 ausgereist zu sein und dass der Vorfall am 10. Juni 2010 stattgefunden hat?
BF: Zuerst sind sie zu mir in das Geschäft gekommen. Nach einigen Tagen sind sie zu uns nach Hause gekommen. Nach ein paar Wochen, ca. nach 3-4 Wochen, nachdem ich zu Hause aufgesucht wurde, wobei nur mein Vater zu Hause war, habe ich das Land verlassen.
VR: Sie können nicht erklären, warum Sie einerseits gesagt haben, Sie sind im Juli ausgereist und beim BAA, sowie heute haben Sie angegeben, dass Sie im April ausgereist sind?
BF: Nein, im Juni war ich bereits in Rumänien. Im Mai 2010 habe ich Griechenland verlassen und ich wurde in Rumänien aufgegriffen. Dort bin ich bis August 2010 geblieben.
VR: Sie haben keine Erklärung dafür, warum Sie immer andere konkrete Daten beim BAA nannten?
BF: Das weiß ich nicht. Ich war bereits in Rumänien.
VR: Wer hat sich in dem Callshop befunden, als die Al Shabaab-Mitglieder bei Ihnen auftauchten?
BF: Ich und dieser Kunde. So glaube ich es.
VR: Aber Sie wissen es nicht mehr ganz genau?
BF: Es liegt schon lange zurück. Ich erinnere mich nicht mehr genau.
VR: Wohin wurden Sie zur Befragung durch die Al Shabaab gebracht? Wie hat es dort ausgesehen?
BF: In unserem Bezirk gab es einen Platz, wo man das Vieh verkauft hat. Es war ein Markt. Dort gab es ein Gebäude. Die Al Shabaab hat dieses Gebäude als eine Art Polizeiquartier für sich beansprucht.
VR: Wie lange wurden Sie von der Al Shabaab festgehalten?
BF: Am Vormittag, ca. um 10.00 Uhr, haben sie mich festgenommen, bis zum späten Nachmittag, zum Sonnenuntergang.
VR: Was wurde Ihnen konkret vorgeworfen?
BF: Dass ich mit diesem Mann zusammenarbeite. Sie haben herausgefunden, dass er für die Regierung arbeitet und dass ich mit ihm zusammenarbeite, weil er öfters zu mir in das Geschäft gekommen ist.
VR: Wurden Sie dabei auch körperlich misshandelt?
BF: Ja. Als sie uns mitgenommen haben, haben sie uns mit dem Gewehrkolben geschlagen.
VR: Was ist mit diesem anderen Mann passiert?
BF: Später habe ich gehört, dass er getötet wurde. Mehr Information über ihn weiß ich nicht.
VR: Wer hat Ihnen das berichtet?
BF: Mein Vater.
VR: War das zu dem Zeitpunkt als Sie schon geflüchtet waren?
BF: Es war bevor ich das Land verlassen habe, als ich mich in XXXX aufgehalten habe.
VR: Sie wurden ja dann über Intervention Ihres Vaters freigelassen. Wie konnte Sie Ihr Vater in dem "Gericht" finden? Woher wusste er, dass Sie von den Al Shabaab mitgenommen wurden?
BF: Mein Callshop liegt auf einer großen asphaltierten Straße und alle haben gesehen, wie wir von der Al Shabaab mitgenommen wurden.
VR: Wie hat der Vater dann davon erfahren?
BF: Er war in seinem Lager. Die Leute haben beobachtet, wie uns die Al Shabaab mitgenommen hat. Diese Leute haben das meinem Vater erzählt.
VR: Woher konnte er wissen, dass Sie genau in diese Art Polizeistation gebracht wurden?
BF: In unserem Bezirk gab es diese zwei Gebäude, wohin die Al Shabaab die Leute gebracht hat, eines heißt XXXX . Dort war ein Lager der Al Shabaab. Sie haben dort Leute ausgebildet und dieses Gebäude, wo ich hingebracht wurde, hatten sie auch als Art Polizeistation verwendet.
VR: Ihr Vater hat es offenbar geschafft, dass Sie wieder freigelassen wurden und eine besondere Abmachung getroffen [mit] der Al Shabaab. Warum wurden Sie tatsächlich wieder frei gelassen?
BF: Sie haben meinen Vater gekannt. Er war ein Händler und er hatte ein Lager. Er war ein älterer Mann, der im Bezirk respektiert wurde.
VR: Warum meinen Sie, sind die Al Shabaab doch wieder zu Ihnen nach Hause gekommen?
BF: Ich weiß es nicht. Ich glaube aber, der Verdacht, dass ich für die Regierung arbeite, ist stärker geworden. Es kann sein, dass dieser Mann gesagt hat, dass ich zusammen mit ihnen arbeite.
VR: Ihr Vater hat Ihnen nicht berichtet, warum die Al Shabaab noch einmal gekommen ist?
BF: Er sagte mir, dass sie gewaltsam in das Haus eingedrungen sind und dass sie gesagt haben, sie werden mich töten.
VR: Wie oft ist die Al Shabaab nochmals zu Ihrem Vater gekommen?
BF: Damals, als sie nach mir im Haus gesucht haben, war ich nicht im Haus. Man hat mir nicht gesagt, dass sie nochmals gekommen sind. Sie haben die Kontrolle über unseren Bezirk damals gehabt. Sie wussten, wer im Bezirk geblieben ist und wer nicht.
VR: Haben Sie für die Regierung gearbeitet?
BF: Nein.
VR: Wo haben Sie sich aufgehalten, nachdem Sie nicht mehr nach Hause zurückgekehrt sind, bis zur Ausreise?
BF: Im Bezirk XXXX , wo meine Tante und meine Großmutter wohnen.
VR: Sie haben bei der Tante und bei der Großmutter gelebt?
BF: Das ist ein großes Haus. Ich habe mehrere Tanten. Sie wohnen im Haus mit meiner Großmutter und jeder hat ein Zimmer.
VR: Dort wurden Sie von der Al Shabaab nicht gesucht?
BF: Nein. Sie kannten unser Haus in XXXX nicht.
VR: Wenn man Sie wirklich finden hätte wollen, hätte man das nicht herausfinden können?
BF: XXXX war damals unter der Kontrolle der Regierung. Sie konnten nicht ganz normal erscheinen mit ihren Militäruniformen. Nur wenn man sich im Freien befindet, hätten sie mich erschießen können.
VR: Für den Erhalt von Asyl muss heute eine Gefahr aus den in der GFK festgelegten Gründen (d.h. Sie müssen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt werden) für Sie bestehen. Asyl bekommen Sie nicht weil Ihnen früher einmal etwas passiert ist, sondern nur wenn dieselbe Gefahr oder eine andere heute bestehen würde. Ich frage Sie daher: Was befürchten Sie daher konkret im Falle Ihrer jetzigen Rückkehr nach Somalia? Weshalb nehmen Sie an, dass auch heute noch, nach beinahe 6 Jahren Abwesenheit, eine aktuelle Gefahr für Sie persönlich besteht?
BF: Diese Al Shabaab Männer töten wie zuvor auch noch heute Menschen in der Stadt. Sie haben auch schon Regierungssoldaten getötet. Sie töten wen sie wollen in der Stadt.
VR: Warum glauben Sie, dass Sie konkret heute noch in Gefahr sind?
BF: Sie suchen nach mir. Deshalb werden sie mich töten. Ich bin vor der Al Shabaab geflüchtet. Ich habe Angst, dass sie mich töten.
VR: Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass Sie heute noch gesucht werden?
BF: Al Shabaab haben alle getötet, die verdächtigt worden sind, mit der Regierung zu arbeiten. Ich habe Angst, dass ich getötet werde, weil mir auch vorgeworfen wurde, dass ich für die Regierung arbeite.
VR: Gibt es konkrete Hinweise darauf, dass noch an Ihrer Person Interesse besteht?
BF: Was mir zeigt, dass die Al Shabaab mich töten würde, wenn ich zurückkehre ist, dass sie jeden getötet haben, den sie verdächtigt haben, für die Regierung gearbeitet zu haben. Ich wurde auch verdächtigt von der Al Shabaab, dass ich für die Regierung arbeite.
VR: Ist Ihnen bekannt, dass nach Ihrer Flucht noch nach Ihnen gesucht wurde?
BF: Sie haben nach mir nicht gesucht. Sie wissen ja, dass ich nicht mehr dort bin. Wenn ich zurückkehre, werden sie nach mir suchen. Man wird auch in der Stadt gesehen, beispielsweise, dass man Fußball spielt. Für die Al Shabaab sind junge Männer und Jugendliche aus dem Bezirk tätig, aber man weiß nicht, wer diese Personen sind.
VR: Wissen Sie, sind Sie damals namentlich registriert oder fotografiert worden?
BF: Ja, als ich in diese Haft gebracht wurde, haben sie unsere Namen registriert.
VR: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wurde aber Ihre Familie nachdem Sie zu Hause nochmals von der Al Shabaab aufgesucht wurden, seitens der Al Shabaab nicht mehr gesucht. Stimmt das?
BF: Seitdem sie damals nach mir gesucht haben und mein Vater mir gesagt hat, dass die Al Shabaab ihm gesagt haben, sie werden mich töten, wenn sie mich finden, bin ich nicht mehr in unseren Bezirk zurückgekehrt und sie haben bei mir zu Hause nicht mehr nach mir gesucht. Denn sie wissen ja, dass ich nicht mehr zurückkehren würde.
VR: Es wird festgehalten, dass den Länderfeststellungen, die auch zur Entscheidung zugrunde gelegt werden, zu entnehmen ist, dass die Al Shabaab heute nicht mehr die Kontrolle in Mogadischu hat. Weshalb meinen Sie, würde man Sie sich heute noch an Sie erinnern und wie würde man Sie erkennen?
BF: Die Al Shabaab ist nicht so mächtig in Mogadischu wie früher. Sie haben noch immer ihre Leute in Mogadischu. Die Al Shabaab in höherer Position haben Mogadischu verlassen, aber ihre einfachen Mitarbeiter sind noch immer in Mogadischu und töten noch immer wie zuvor. Vorigen Monat haben sie einige Parlamentsmitglieder getötet. Ihre Soldaten sind noch immer in Mogadischu. Man kann sie nicht erkennen, denn sie sind wie die anderen Zivilisten gekleidet und ich habe Angst, dass sie mich töten. Ich bin vor diesen Leuten geflüchtet.
Ich habe lange in meinem Bezirk gelebt. Mindestens 10 Jahre. Die Männer und Jugendlichen, die dort sind, kennen mich. Sie werden mich erkennen. Ich bin kein wildfremder Mensch und die Al Shabaab Männer stammen aus dem Bezirk. Sie sind Bezirksbewohner. Sie sind auch kein fremder Mensch. Sie werden mich erkennen.
VR: Möchten Sie noch etwas Ergänzendes vorbringen?
BF: Nein. Ich möchte nur sagen, dass ich Angst habe, dass mich diese Männer töten, wenn ich dorthin zurückkehren müsste."
8. Mit Schreiben vom 06.02.2018 wurden dem Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderinformationen zu Somalia übermittelt und es wurde die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. In einer Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 22.02.2018 wurde ausgeführt, die Al Shabaab sei nach wie vor in der Lage, auch auf schwer bewachte Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen. Die Al Shabaab richte regelmäßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen unter dem Vorwurf hin, diese hätten mit der Regierung zusammengearbeitet.
9. Im Strafregisterauszug der Republik Österreich vom 19.04.2018 - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheint keine Verurteilung auf.
10. Am 20.04.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Somali statt, bei welcher der Beschwerdeführer einvernommen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung unentschuldigt fern. Der Beschwerdeführer legte eine Lohnabrechnung, einen Kontoauszug sowie ein österreichisches Sprachdiplom (A1 Grundstufe Deutsch 1) vor.
Im Rahmen der Befragung bestätigte der Beschwerdeführer zunächst kurz die bisherigen Angaben zu seiner Person. Weiters gab der Beschwerdeführer (BF) entscheidungswesentlich Folgendes an (RI = erkennende Richterin, RV = Rechtsvertreter) [evtl. Rechtschreib- oder Tippfehler vom Bundesverwaltungsgericht korrigiert]:
"RI: Vor dem Bundesverwaltungsgericht hat bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in welcher Sie zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen wurden. Können Sie sich noch an Ihre damaligen Angaben erinnern und wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht?
BF: Ja, ich kann mich an einiges erinnern. Ich erhalte mein bisheriges Vorbringen aufrecht.
RI: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit der letzten mündlichen Verhandlung etwas geändert?
BF: Inzwischen ist in meinem Heimatland viel passiert, es wurden viele Leute getötet. Es hat sich aber an den Gründen meiner Asylantragstellung nichts geändert.
RI: Schildern Sie mir bitte nochmals jenen Tag, an dem Sie von den Al Shabaab gefangen genommen wurden.
BF: Ich war in meinem Geschäft, es war ein Callshop. Der XXXX war dabei, er war ein Freund von mir und gleichzeitig ein Kunde von mir. Er hat für die Regierung gearbeitet. Die Al Shabaab haben ihn verdächtig, für die Regierung gearbeitet zu haben. Ich wusste aber nicht, ob er das wirklich getan hat. Sie haben uns beiden das vorgeworfen. Al Shabaab Männer sind in das Geschäft gekommen und sagten, dass wir zwei für die Regierung arbeiten. Sie haben uns mitgenommen. Sie haben das Geschäft zum Teil zerstört und sie haben uns dann verschleppt. Das Geschäft ist offen zurückgelassen worden. Ich konnte es nicht schließen. Dann haben sie uns zu einer Al Shabaab-Station, ähnlich wie eine Polizeiinspektion, gebracht. Dort haben sie Befragungen durchgeführt und die Leute in Haft genommen. In der Nähe von XXXX (Früher war es ein Viehmarkt, später dann ein freier Hof) befindet sich diese Station. Dort haben sie uns gefangen gehalten. Sie haben uns beide befragt, ich sagte, dass ich, so etwas nicht mache. Ich habe immer in XXXX (der Unterbezirk nennt sich auch so) gelebt. Ich bin woanders geboren, aber dort habe ich seit langer Zeit gelebt und ich weiß nicht, was XXXX macht. Ob er für die Regierung arbeitet oder nicht, weiß ich nicht.
RI: Wie lange waren Sie in der Station?
BF: Vormittags hat man uns festgenommen, wir wurden befragt und dann am Nachmittag hat mein Vater für mich gebürgt und man hat mich freigelassen.
RI: Hat man XXXX auch freigelassen?
BF: Ob er auch, so wie ich, freigelassen wurde, weiß ich nicht. Später habe ich gehört, dass er getötet wurde.
RI: Wissen Sie noch, wann Sie das erfahren haben und von wem?
BF: Mein Vater hat mir das erzählt. Das war damals, als ich dort war in XXXX .
RI: Wissen Sie noch, wann dieser Vorfall stattgefunden hat? Wieviel Zeit ist nach diesem Vorfall verstrichen, bis Sie Somalia verlassen haben?
BF: Anfang März 2010. Ich schätze ca. drei Wochen später bin ich aus Somalia geflüchtet. Aber ich weiß es nicht mehr ganz genau.
RI: Sie waren dann in XXXX . Bei wem haben Sie dort gelebt?
BF: Meine Großmutter und Tanten mütterlicherseits haben dort gelebt. Meine Großmutter ist inzwischen gestorben.
RI: Weshalb haben Sie sich dort aufgehalten und nicht zuhause bei Ihrem Vater?
BF: Damals hatte die Al Shabaab die Kontrolle in XXXX gehabt. XXXX hatte die Regierung unter Kontrolle. Die Al Shabaab ist dorthin auch gekommen, aber nur heimlich. Sie waren in XXXX nicht so einflussreich wie in XXXX . Mein Vater sagte, ich soll hier nicht weiter bleiben, weil die Al Shabaab Männer gedroht haben mich zu töten. Auch nach der Freilassung, sind sie zu uns nachhause gekommen. Man konnte sich nicht auf die Situation verlassen.
RI: Können Sie sich erklären, wieso Sie freigelassen und dann doch wieder gesucht wurden?
BF: Ja, sie haben nach der Freilassung, bei der mein Vater für mich gebürgt hat, wieder nach mir gesucht. Ich war aber nicht im Haus, ich war bereits in XXXX . Ich weiß nicht warum, aber es kann sein, dass der XXXX gesagt hat, dass er mich kennt. Ich vermute das nur.
RI: Wie lange haben Sie diesen Callshop betrieben?
BF: Von Ende des Jahres 2008 bis zu meiner Ausreise.
RI: Haben Sie den Callshop alleine betrieben?
BF: Ja, alleine habe ich diesen Shop betrieben. Mein Vater hat diesen Callshop für mich eröffnet.
RI: Bei der Erstbefragung haben Sie gesagt, Sie haben den Callshop gemeinsam mit Ihrem Halbbruder betrieben. Können Sie sich das erklären?
BF: Nein, mein Bruder war jung. Er war damals in der Schule. Er ist erst 1993 geboren und er hat mir nur manchmal geholfen. Betrieben habe den Shop aber nur ich, diesen hat mein Vater für mich eröffnet. Die anderen Halbbrüder haben andere Väter und lebten damals im Jemen, jetzt aber nicht mehr. Im Jemen gibt es jetzt nur einen Halbbruder. Ein Halbbruder wurde nach Mogadischu abgeschoben.
RI: Wie viele Geschwister haben Sie? Wie viele Brüder und wie viele Schwestern? Sind das Halbgeschwister oder nicht?
BF: Ich habe keine richtigen Geschwister. Alle meine Geschwister sind Halbgeschwister, entweder mütterlicher- oder väterlicherseits. Die Eltern haben sich während der Schwangerschaft getrennt. Meine Mutter hatte noch zwei Söhne zur Welt gebracht und eine Tochter. Mein Vater hat vier Töchter und fünf Söhne, von zwei verschiedenen Frauen.
RI: Sie haben bei der Erstbefragung gesagt, dass Ihr Vater noch zwei Söhne hat und von den Kindern Ihrer Mutter haben Sie gar nichts gesagt. Wie können Sie sich das erklären?
BF: Ich weiß es nicht, ich wurde wahrscheinlich nicht gefragt. Meine Mutter hatte aber drei weitere Kinder. Mein Vater hat im Jahr 2010, 2012 und 2014 weitere Söhne bekommen. Damals gab es nur zwei Halbbrüder. Einer war erwachsen und der andere war klein.
RI: Können Sie sich erinnern, wie oft dieser Mann namens XXXX in Ihrem Geschäft war und über welchen Zeitraum hindurch?
BF: Knapp ein Jahr, vor dem Vorfall, hat er begonnen in mein Geschäft zu kommen.
RI: Sie sagten er war auch ein Freund. Kannten Sie XXXX vorher schon und haben Sie sich auch außerhalb des Geschäftes getroffen?
BF: Eng befreundet waren wir nicht. Ich habe ihn schon davor gekannt, er wohnte auch in unserem Bezirk. Wir haben uns miteinander unterhalten.
RI: Sie haben gesagt, dass Sie sich nach diesen Vorfällen in XXXX aufgehalten haben. Ich frage Sie heute nochmals, weshalb Sie meinen, dass Sie während Ihres Aufenthaltes in XXXX von den Al Shabaab nicht gefunden wurden?
BF: Ich war die ganze Zeit im Haus, ich habe das Haus nicht verlassen. Ich hatte die Angst, dass die Al Shabaab mich findet. Damals war die Al Shabaab sehr stark in Mogadischu, sie hatten bis zu 60% die Kontrolle in der Stadt.
RI: Wo befinden sich/leben Ihre Familienangehörigen derzeit?
BF: Es gibt einen Bruder, der an die Universität in Ägypten geht. Meine Schwestern sind in Mogadischu, ein paar sind verheiratet, ein paar nicht. Ein Bruder lebt im Jemen. Mein Vater lebt in Mogadischu, meine Mutter ist gestorben. Der Rest befindet sich in Somalia. Es gab einen Bruder in Saudi Arabien, aber dieser wurde abgeschoben. Die zwei genannten Brüder befinden sich in Ägypten und im Jemen, der Rest meiner Brüder befindet sich in Somalia in Mogadischu.
RI: Haben Sie mit diesen noch Kontakt? Wenn ja, mit wem und wie häufig?
BF: Ich habe mit meinem Vater und meinen Schwestern Kontakt. Sie haben Internet zuhause. Wir haben regelmäßigen Kontakt.
RI: Wie geht es Ihren Familienangehörigen in Somalia? Bitte schildern Sie mir deren Lebensumstände/wirtschaftliche Situation?
BF: Sie haben keine Probleme, außer dass der Vater derzeit krank ist. Er war in Indien zur Behandlung, auch wegen Gastritis. Im Jänner ist er zurück nach Somalia gekommen.
RI: Berichten Ihre Angehörigen über die Sicherheitslage? Inwieweit sind Ihre Familienangehörigen davon betroffen?
BF: Eine gute Sicherheit ist dort nicht gegeben. Vor allem im Bezirk wo sie leben gibt es viele Al Shabaab. Aber sie haben mir nicht erzählt, dass jemand nach ihnen sucht. Sie haben mir auch nicht erzählt, dass man nach mir suchen würde.
RI: In welchem Bezirk lebt Ihre Familie derzeit?
BF: In XXXX XXXX .
RI: Ist das der Ort an dem Sie auch ursprünglich gelebt haben?
BF: Ja.
RI: Im Falle einer Rückkehr würden Sie dorthin zurückkehren und dort leben?
BF: Wenn es diese Probleme, die ich habe, nicht mehr dort gibt und wenn diese Männer nicht mehr stark dort sind, dann würde ich dorthin zurückkehren, wo meine Familie ist.
RI: Was befürchten Sie konkret für sich im Falle einer eventuellen Rückkehr nach Somalia? Wovor haben Sie im Falle einer potentiellen Rückkehr nach Somalia Angst?
BF: Die Al Shabaab haben mich verdächtigt, dass ich für die Regierung arbeite. Ich habe Angst, wenn ich zurückkehre, dass sie mich deshalb töten werden.
RI: Zu der von Ihnen geäußerten Angst. Aus welchem Grund sollte man Sie heute noch nach acht Jahren verfolgen? Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte oder konkreten Hinweise, dass weiterhin konkret an Ihrer Person Interesse besteht?
BF: Weil die Al Shabaab Männer noch immer dort sind, sie sind noch immer stark. In der Nacht greifen sie die Polizeistationen und auch andere Sicherheitskräfte an. Die Regierungskräfte können sich dagegen nicht verteidigen. In der Nacht können die Regierungskräfte nicht in gewisse Bezirke gehen, weil die Al Shabaab dort ist. Viele Menschen sind ums Leben gekommen, mehr als 1.000 schätze ich, sind in der Zeit zwischen der letzten und der heutigen Verhandlung, durch Anschläge der Al Shabaab ums Leben gekommen. Ich bin wegen der Al Shabaab geflüchtet, sie haben mir Probleme gemacht. Die Al Shabaab befindet sich noch immer dort, sie sind noch immer so stark. Sie machen den anderen Probleme. Für mich gilt das gleiche, wie für die anderen die von der Al Shabaab verfolgt wurden.
RI: Weshalb meinen Sie, würde man sich heute noch an Sie erinnern und wie würde Sie die Al Shabaab wieder erkennen bzw. finden?
BF: Ich habe eine lange Zeit dort gelebt, dort gibt es viele Menschen die mich kennen und gleichzeitig Al Shabaab Mitglieder waren. Es kann sein, dass diese mich erkennen. So könnte ich gefunden werden.
RI: Meinen Sie nicht, wenn die Al Shabaab an Ihnen weiterhin ein Interesse hätte, dass man Ihrer Familie, weil Sie auch geflüchtet sind, unterdessen Probleme gemacht hätte?
BF: Sie glauben, dass sie nur denjenigen, den sie als schuldig sehen, suchen müssen und die Familie damit nichts zu tun hat.
RI: Wurden Sie, abgesehen von den Vorfällen, die Sie erzählt haben, jemals in Somalia von irgendjemandem persönlich bedroht oder auf sonstige Weise verfolgt?
BF: Nein, ich habe früher die Schule besucht. Danach hat mein Vater das Geschäft für mich eröffnet. Dann ist mir der Vorfall passiert. Davor hatte ich keine anderen Probleme.
RI: Wurden Sie jemals aufgrund Ihrer Clanzugehörigkeit verfolgt?
BF: Nein.
RI: Konnten Sie all Ihre Fluchtgründe anführen? Möchten Sie zu Ihren Fluchtgründen etwas Ergänzendes vorbringen?
BF: Ja. Ich möchte nichts Ergänzendes vorbringen.
RI gibt RV die Gelegenheit, Fragen zu stellen und Anmerkungen zu machen.
RV: Als Sie in der Haft waren. Wurde da etwas über Ihre Identität aufgenommen?
BF: Ja, wenn jemand befragt wird, werden seine Daten auch aufgenommen. Sie haben meine Daten aufgenommen, sie haben meinen Namen aufgeschrieben. Bilder haben sie aber nicht gemacht.
RI: Haben Sie gesehen, dass Ihre Daten verzeichnet wurden und haben Sie gesehen wo diese verzeichnet wurden?
BF: Ja, sie haben nach meinen Daten gefragt und auf ein Blatt Papier geschrieben, danach wurde ich in Haft genommen."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:
Aufgrund des Antrages auf internationalen Schutz vom 18.08.2010, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch die belangte Behörde, der Beschwerde vom 24.07.2012 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 17.07.2012, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente sowie auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen. Er ist Staatsangehöriger von Somalia, gehört dem Clan Digil-Mirifle und dem Subclan Ashraf an und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er wurde in Mogadischu, Bezirk XXXX , geboren. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Somali. Weiters beherrscht er Deutsch und etwas Englisch. Der Beschwerdeführer ist ledig. Seine Mutter ist bereits verstorben. Der Beschwerdeführer hat Halbgeschwister, und zwar zwei Halbbrüder und eine Halbschwester mütterlicherseits sowie fünf Halbbrüder und vier Halbschwestern väterlicherseits. Der Beschwerdeführer lebte zuletzt mit seinem Vater, dessen Frau und einigen seiner Halbgeschwister in Mogadischu, Bezirk XXXX , Unterbezirk XXXX . Sein Vater sowie seine Halbschwestern und seine Halbbrüder (ausgenommen zwei Halbbrüder) befinden sich nach wie vor in Mogadischu, XXXX , XXXX . Der Beschwerdeführer hat regelmäßig mit seinem Vater und seinen Halbschwestern Kontakt.
Der Beschwerdeführer besuchte in Somalia von 2000 bis 2008 die Schule. Danach betrieb er im Bezirk XXXX , XXXX , einen Callshop, den sein Vater für ihn eröffnete. Einer seiner Kunden, mit dem er sich öfter unterhielt, wurde seitens der Al Shabaab-Miliz verdächtigt, mit der Regierung zu kollaborieren, wovon der Beschwerdeführer allerdings nichts wusste. Als dieser Mann sich eines Vormittags im März 2010 im Callshop befand, kamen Mitglieder der Al Shabaab in das Geschäft, nahmen den Mann und den Beschwerdeführer unter dem Vorwurf, für die Regierung zu arbeiten, gewaltsam mit und brachten beide in eines ihrer Gebäude in der Nähe von XXXX . Dort wurde der Beschwerdeführer den ganzen Tag gefangen gehalten. Seine Daten wurden aufgenommen. Er wurde befragt und geschlagen und die Al Shabaab warf ihm vor, dass er mit dem anderen Mann für die Regierung tätig ist. Am späten Nachmittag wurde der Beschwerdeführer freigelassen, nachdem sein Vater für ihn gebürgt hatte. Einige Tage später, als sich der Beschwerdeführer bei Verwandten im Bezirk XXXX befand, suchten Mitglieder der Al Shabaab-Miliz in seinem Elternhaus nach dem Beschwerdeführer, schlugen seinen Vater und drohten, den Beschwerdeführer zu töten. Der Beschwerdeführer wurde von seiner Familie gewarnt und hielt sich danach noch einige Wochen in XXXX auf. Während dieser Zeit erfuhr der Beschwerdeführer von seinem Vater, dass der Mann, der mit ihm festgenommen wurde, getötet wurde. Der Beschwerdeführer verließ Somalia im April 2010.
Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in Somalia von Al Shabaab als eine Person angesehen wird, die mit der Regierung kollaboriert. Für den Fall seiner Rückkehr nach Somalia fürchtet der Beschwerdeführer, wiedererkannt und von Mitgliedern der Al Shabaab-Miliz verfolgt zu werden und einer Bestrafung von erheblicher Intensität bis hin zur Tötung ausgesetzt zu sein, da er unter dem Verdacht steht, als Spion für die Regierung gearbeitet zu haben.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er lebt als subsidiär Schutzberechtigter auf Basis einer befristeten Aufenthaltsberechtigung in Österreich.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia (12.01.2018; Auszüge)
1. Politische Lage
Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).
Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).
Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).
Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).
Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal- islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).
Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017.
Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)
Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).
Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl NLMBZ 11.2017).
Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.
Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).
Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich