Entscheidungsdatum
16.05.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G308 1264163-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2017, Zahl XXXX, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid
aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung beim Zustellpostamt zugestellt am 07.09.2017, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm. § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
2. Mit dem am 19.09.2017 per Fax beim Bundesamt eingelangten Schriftsatz vom selben Tag erhob der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. Nach Darlegung der Beschwerdegründe zur behaupteten Rechtswidrigkeit des Bescheides wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben; in eventu den Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückverweisen sowie eine mündliche Verhandlung anberaumen.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten am 02.10.2017 ein.
4. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.03.2018 wurde der Beschwerdeführer um Übermittlung einer Passkopie oder eines Staatsbürgerschaftsnachweises sowie um Bekanntgabe ersucht, wann und wo er seine, das Freizügigkeitsrecht in Anspruch nehmende, rumänische Ex-Ehegattin geheiratet hat und wann, vor welchem Gericht und aus welchem Rechtsgrund die Ehe wieder geschieden wurde.
Eine entsprechende Mitteilung und Urkundenvorlage langte am 20.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Serbien. Er reiste im Jahr 2005 in das Bundesgebiet ein und stellte in der Folge einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde nach Erhebung eines außerordentlichen Rechtsmittels an den Verwaltungsgerichtshof schlussendlich mit 05.11.2008 in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer weist im Zentralen Melderegister in den Zeiträumen von 19.08.2005 bis 23.11.2007, 23.09.2014 bis 05.11.2014, 05.11.2014 bis 30.11.2016, 03.12.2016 bis 12.01.2017 (Justizanstalt XXXX), und seit 06.09.2017 Meldungen von Hauptwohnsitzen im Bundesgebiet auf. Weiters war der Beschwerdeführer von 07.08.2009-14.09.2009 mit Nebenwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet.
Seit wann sich der Beschwerdeführer zuletzt ohne Unterbrechung im Bundesgebiet aufhält, konnte nicht festgestellt werden.
1.2. Am XXXX.2015 heiratete der Beschwerdeführer im Bundesgebiet vor dem Standesamt XXXX in Niederösterreich zur Zahl XXXX die rumänische Staatsangehörige XXXX, geboren am XXXX.
Der Ehe entstammen keine Kinder.
1.3. Im Zeitraum 23.09.2014 bis 30.11.2016 meldeten der Beschwerdeführer und seine Ehegattin, welche ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, in Österreich ihren Hauptwohnsitz an denselben Adressen an.
Am 04.09.2015 erhielt der Beschwerdeführer vom Magistrat der Stadt XXXX, Magistratsabteilung XXXX (XXXX), Zahl XXXX, zur Dokumentation seines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts als Angehöriger einer freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgerin antragsgemäß eine Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers gemäß § 54 NAG mit der Nummer XXXX, welche mit Gültigkeit bis 04.09.2020 ausgestellt wurde.
1.4. Die Ehe des Beschwerdeführers mit seiner Ehegattin wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX.2016, Zahl XXXX rechtskräftig im beiderseitigen Einvernehmen geschieden. Demnach war die eheliche Lebensgemeinschaft seit Dezember 2015 bereits aufgehoben.
1.5. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom XXXX.2016, Zahl XXXX, wurde über den Beschwerdeführer wegen Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr und Tatausführungsgefahr die Untersuchungshaft verhängt.
Am 27.12.2016 langte beim Bundesamt die Verständigung von der Hauptverhandlung des Beschwerdeführers am 12.01.2017 vom Landesgericht Wiener Neustadt ein.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX.2017, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2017, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB, des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 1 WaffenG zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Monaten, davon dreizehn Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren nachgesehen, verurteilt.
1.6. Der Beschwerdeführer weist die nachfolgenden Versicherungszeiten in seinem Sozialversicherungsdatenauszug auf:
Zeitraum:
Beschäftigungsart:
26.06.2006-30.06.2006
Arbeiter
16.08.2011-09.09.2011
Arbeiter
14.09.2011-14.10.2011
Arbeiter
02.11.2011-31.01.2011
Arbeiter
01.02.2012-29.02.2012
Arbeiter
22.04.2015-12.06.2015
Arbeiter
09.10.2015-laufend
Selbstständig Erwerbstätig nach § 2 GSVG
Zum Entscheidungszeitpunkt ist der Beschwerdeführer nach wie vor als selbstständig Erwerbstätiger zur Sozialversicherung gemeldet.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht nahm Einsicht in das Zentrale Fremdenregister, das Zentrale Melderegister sowie das Strafregister und holte einen Sozialversicherungsdaten- sowie Grundversorgungsauszug ein.
Der Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft, die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers, eine Kopie seines serbischen Reisepasses sowie der rechtskräftige Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX über die einvernehmliche Scheidung des Beschwerdeführers von seiner rumänischen Ehegattin sind aktenkundig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A.) Stattgabe der Beschwerde und Aufhebung des Bescheides:
3.1. Der mit "Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers" betitelte § 54 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Fremdenrechts-Änderungsgesetzes 2017 (FrÄG 2017), BGBl. I Nr. 145/2017, lautet:
"§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.
(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;
2. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.
(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.
(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.
(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und
1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;
4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder
5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.
(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.
(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt."
Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG in der Fassung des FrÄG 2017, lautet:
"Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate
§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."
Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, ist ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.
Als sogenannter "begünstigter Drittstaatsangehöriger" gilt gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.
Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Serbien Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Durch seine Ehe mit einer rumänischen Staatsangehörigen, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangte er überdies den rechtlichen Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG. Die Ehe wurde am XXXX.2015 im Bundesgebiet geschlossen, jedoch am XXXX.2016 bereits wieder rechtskräftig geschieden.
Die belangte Behörde hat - nachdem der Beschwerdeführer strafgerichtlich verurteilt worden war - mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und diese im Bescheidspruch auf
§ 52 Abs. 4 FPG gestützt. Begründet wurde dies damit, dass sich der Beschwerdeführer aufgrund des ihm vom Magistrat der Stadt XXXX erteilten und bis 04.09.2020 gültigen "Aufenthaltstitels Angehöriger eines EWR-Bürgers" rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Durch die Scheidung verfüge der Beschwerdeführer über keine kernfamiliären Bindungen. Durch sein strafbares Verhalten stelle der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Die Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und Abs. 2 NAG lägen daher vor.
3.2. Wie in der Folge dargelegt wird, erweist sich der gegenständlich angefochtene Bescheid unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhalts jedoch als rechtswidrig:
Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei einem Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG nicht um einen Antrag auf Erlassung eines Bescheides, sondern um einen solchen auf die Ausstellung einer Urkunde handelt. Die begehrte Aufenthaltskarte verschafft nämlich kein Recht, wirkt also nicht konstitutiv, sondern bestätigt lediglich das Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, sofern ein solches überhaupt besteht. Es handelt sich somit um einen bloß deklarativ wirkenden Verwaltungsakt in Form einer Urkunde (vgl. dazu VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378).
§ 55 Abs. 3 NAG nimmt hinsichtlich der Einleitung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens nicht nur auf das Fehlen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit Bezug, sondern auch auf das Fehlen des Aufenthaltsrechts, weil die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder 54 Abs. 2 NAG nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen. Auf diese Bestimmung des § 55 Abs. 3 NAG nimmt auch der - die Ausweisung regelnde - § 66 FPG Bezug, der somit insoweit auch jenen Fall erfassen soll, in dem geprüft werden soll, ob für den Drittstaatsangehörigen, der über eine (Dauer-)Aufenthaltskarte verfügt, die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, also auch begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, nicht mehr vorliegen. Ein solches Verfahren nach § 66 FPG einzuleiten ist aber auch der Fremdenpolizeibehörde aus Eigenem - also auch ohne Vorliegen einer darauf abzielenden Mitteilung der Aufenthaltsbehörde - nach den Bestimmungen des FPG nicht verwehrt (vgl. VwGH 13.10.2011, 2009/22/0330). Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine (Dauer-)Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005).
Kommt die nach dem NAG zuständige Aufenthaltsbehörde - wie im gegenständlichen Fall aufgrund der unter drei Jahre dauernden Ehe des Beschwerdeführers mit seiner rumänischen Ehegattin zumindest diesbezüglich der Fall - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des Bundesamtes und Information des Betroffenen) zu setzen. Die Frage des Bestehens des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das Bundesamt zu beurteilen (vgl. VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Aus § 55 Abs. 4 NAG geht überdies klar hervor, dass in den davon erfassten Konstellationen die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung anhand der Bestimmung des § 66 FPG zu prüfen ist. Diesfalls kommt es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 11 FPG nicht an. Ebenso wenig ist für das zu wählende Verfahren maßgeblich, zu welchem Zeitpunkt eine allfällige Meldung nach § 54 Abs. 6 NAG erstattet wurde.
Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Wenn sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben, ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
Gemäß § 66 Abs. 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs. 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
War der Fremde auf Grund einer für ihn nach dem NAG ausgestellten Dokumentation rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig (vgl. VwGH 24.11.2009, 2007/21/0011), so stellt sich die Erlassung einer auf § 52 FPG gestützten Rückkehrentscheidung (und eines allenfalls damit nach § 53 FPG verbundenen Einreiseverbotes) als nicht zulässig dar (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005).
In Fällen wie im vorliegenden wäre eine allfällige Aufenthaltsbeendigung wegen Fehlens oder nachträglichen Wegfalls der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht somit gemäß § 66 FPG zu prüfen und - auf Grundlage des Ergebnisses dieser Prüfung -allenfalls eine Ausweisung zu erlassen gewesen. Eine Beschränkung des weiteren Aufenthalts des Beschwerdeführers wäre darüber hinaus nach den Bestimmungen und Maßstäben des § 67 FPG zu prüfen.
Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Aufenthaltsbeendigung jedoch fälschlich in Gestalt einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ausgesprochen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb in seiner Gesamtheit als rechtswidrig, weshalb der Bescheid in Stattgebung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben war.
Dadurch erübrigt sich aber auch eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Im gegenständlichen Fall konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu Spruchpunkt B.) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Dies ergibt sich schon aus der in der rechtlichen Beurteilung dargestellten und für den vorliegenden Fall einschlägigen Entscheidung des VwGH vom 18.06.2013, Zl. 2012/18/0005. Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
begünstigte Drittstaatsangehörige, Behebung der Entscheidung, Ehe,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G308.1264163.2.00Zuletzt aktualisiert am
22.05.2018