TE Vwgh Beschluss 2018/4/19 Ra 2017/18/0436

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Veröffentlicht am 19.04.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des R N in A, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. September 2017, Zl. W123 2160936- 1/9E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans und der Volksgruppe der Hazara zugehörig, beantragte am 7. September 2015 internationalen Schutz im Bundesgebiet und führte dazu im Wesentlichen aus, in Afghanistan geboren, aber im Iran aufgewachsen und aufgrund der dortigen Probleme geflüchtet zu sein. In Afghanistan habe er zwar Verwandte, die er jedoch nicht kenne und zu denen er keinen Kontakt habe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre sein Leben aufgrund der Sicherheitslage in Gefahr und er habe dort niemanden.

2 Mit Bescheid vom 12. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen festgesetzt.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG - zusammengefasst - aus, der Revisionswerber gehöre der Volksgruppe der Hazara an, sei bereits im Kleinkindalter gemeinsam mit seinen Eltern in den Iran gezogen und dort aufgewachsen. Er habe dort fünf bis sechs Jahre die Schule besucht und danach drei bis vier Jahre als Hilfsarbeiter am Bau gearbeitet. Seine Eltern sowie Geschwister seien nach wie vor im Iran wohnhaft. Seit dem Umzug seiner Familie in den Iran sei er nicht mehr in Afghanistan aufhältig gewesen. In Afghanistan habe er zwar noch Verwandte mütterlicherseits, zu diesen bestehe jedoch kein Kontakt. Dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers komme keine Asylrelevanz zu, weil es sich ausschließlich auf dessen Aufenthalt im Iran beziehe. Eine Gruppenverfolgung der Hazara sei nicht anzunehmen. Auch subsidiärer Schutz sei dem Revisionswerber nicht zu gewähren, weil ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative insbesondere in Kabul zur Verfügung stehe. Er sei ein junger, arbeitsfähiger Mann mit einer Schulausbildung und verfüge zudem über Arbeitserfahrung als Hilfsarbeiter auf einer Baustelle. Der Revisionswerber habe bereits unter Beweis stellen können, dass er imstande sei, sich ein (ausreichendes) Einkommen zu sichern. Das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 VwGVG begründete das BVwG damit, dass dem verwaltungsbehördlichen Akt sämtliche entscheidungsrelevanten Grundlagen zu entnehmen seien, weshalb die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Begründung der Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, das BVwG habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen und weiche daher von der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Hierbei wird u.a. ausgeführt, dass der Sachverhalt nicht vollständig erhoben worden sei, zumal das BFA keine nachvollziehbaren Feststellungen zur Herkunftsregion des Revisionswerbers getroffen habe, welche jedoch für die Beurteilung einer im Falle der Rückkehr drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig seien.

6 Die Revision erweist sich als unzulässig.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

9 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

10 Soweit die Revision einen Verstoß des BVwG gegen die Verhandlungspflicht geltend macht, ist zunächst festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt ist, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 bis 0018).

11 Die Revision vermag mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen, dass das BVwG von diesen Leitlinien abgewichen wäre. Die Beschwerde des Revisionswerbers richtete sich - ohne nähere Ausführungen - gegen die mangelnde Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz bzw. der fehlerhaften Feststellung seiner Herkunftsprovinz sowie pauschal gegen die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative, zumal das BFA das Fehlen der familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte und die schlechte Versorgungslage in Afghanistan nicht berücksichtigt habe. Entgegen dem Revisionsvorbringen erweist sich die Beschwerde damit nicht als substantiiert im oben dargestellten Sinne.

12 Der Revisionswerber übersieht auch, dass das BFA (und in der Folge auch das BVwG) fallbezogen das Vorliegen der Voraussetzungen für eine innerstaatliche Fluchtalternative insbesondere in Kabul bejahte. Die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber als junger, arbeitsfähiger Mann mit fünfbzw. sechsjähriger Schulbildung und Arbeitserfahrung finde aufgrund der aufgezeigten Umstände des Einzelfalles etwa in Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative, begegnet im Lichte der insoweit einheitlichen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken (vgl. VfGH 12.12.2017, E 2068/2017, sowie VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0351, und 7.3.2018, Ra 2018/18/0103, jeweils mit weiteren Nachweisen, zu sachverhaltsmäßig gleich gelagerten Fällen).

13 Vor diesem Hintergrund lagen die Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG nach der bereits zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, weshalb eine solche entfallen konnte.

14 Im Lichte dieser Erwägungen fehlt es auch den in der Revision vorgebrachten allfälligen Verfahrensmängeln, insbesondere dem Ermittlungsmangel betreffend die Herkunftsregion, aufgrund der tragfähigen Hilfsbegründung an Relevanz (vgl. VwGH 7.11.2017, Ra 2017/18/0210, sowie 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, mit weiteren Nachweisen).

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 19. April 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180436.L00

Im RIS seit

22.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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