TE Vwgh Erkenntnis 2018/5/3 Ra 2017/19/0609

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2018
beobachten
merken

Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E19103000;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art10 Abs3 lita;
32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art12 Abs1;
32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art13 Abs2;
32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art2 lite;
32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art3 Abs5;
32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art9 Abs3;
62016CJ0550 A und S VORAB;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13;
AsylG 2005 §34 Abs1 Z1;
AsylG 2005 §34 Abs2;
AsylG 2005 §34;
AsylG 2005 §35 Abs1;
AsylG 2005 §35;
AVG §38;
EGVG Art1 Abs2 Z1;
EURallg;
MRK Art8;
NAG 2005 §2 Abs1 Z10;
NAG 2005 §2 Abs1 Z9;
NAG 2005 §46 Abs1 Z2 litc;
NAG 2005 §46;
NAG 2005 §47;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/19/0611 Ra 2017/19/0610

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision 1. des L A, 2. der Z A, und 3. der A A, alle vertreten durch Mag. Nicole Nossek und Mag. Wolfgang Polster, Rechtsanwälte in 1140 Wien, Moßbachergasse 4/4/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Oktober 2017, Zlen. 1) W243 2173479-1/2E, 2) W243 2173481-1/2E und

3) W243 2173477-1/2E, jeweils betreffend Visum nach § 35 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft Damaskus), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet. Die Drittrevisionswerberin ist ihre Tochter.

2 Die revisionswerbenden Parteien brachten mit Schreiben vom 13. September 2016 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus per E-Mail Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ein; ihre persönliche Vorsprache bei der Botschaft (§ 11 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz - FPG) erfolgte am 2. November 2016. Sie brachten vor, dass ihrem - als Bezugsperson für die Familienzusammenführung angegebenen und am 26. September 1998 geborenen - Sohn (Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin) bzw. Bruder (Drittrevisionswerberin) in Österreich mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 8. September 2016 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Weiters führten die revisionswerbenden Parteien aus, staatenlos zu sein. Den Anträgen wurden Kopien von - in die englische Sprache übersetzten - Unterlagen, ua. ausgestellt vom "General Commitee of Arab Palestinian Refugees", beigelegt, wonach es sich bei den revisionswerbenden Parteien um Palästinenser handle, denen in Syrien der Flüchtlingsstatus zukomme. Der Kopie des die Drittrevisionswerberin betreffenden und am 13. Oktober 2016 ausgestellten "Extract of Civil Status Record" des "General Commitee of Arab Palestinian Refugees" sowie einem von Syrien für sie ausgestellten Reisedokument zufolge sei sie am 1. Jänner 2000 geboren. Der Kopie der von den revisionswerbenden Parteien vorlegten Übersetzung des die gesamte Familie betreffenden und am 20. September 2016 ausgestellten "Extract of Civil Status Registry for Arab Palestinians" der "General Organisation for The Arab Palestinian Refugees" ist wiederum zu entnehmen, dass das Geburtsdatum der Drittrevisionswerberin mit dem 8. März 1992 verzeichnet sei.

3 Das von der Österreichischen Botschaft Damaskus in der Folge befasste Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilte in seiner Stellungnahme vom 28. April 2017 der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde mit, dass jene Bezugsperson, auf die sich die revisionswerbenden Parteien für die Familienzusammenführung berufen, bereits volljährig sei. Somit lägen die Voraussetzungen, um diese als Familienangehörige im Sinn des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ansehen zu können, nicht vor. Somit sei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an die revisionswerbenden Parteien nicht wahrscheinlich.

4 Die Österreichische Botschaft Damaskus räumte den revisionswerbenden Parteien sodann die Möglichkeit ein, zu den Ausführungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl Stellung zu nehmen. In ihrem "Reklamierungsantrag" vom 17. Mai 2017 führten sie aus, ihr am "26.06.1996" geborener Sohn bzw. Bruder sei wegen des Krieges in Syrien nach Österreich gereist und habe gewünscht, "eine bessere Lage für uns zu finden". Er habe "einen Familienzusammenführungsantrag in der Republik Österreich beworben". Am 2. November 2016 hätten die revisionswerbenden Parteien deswegen in der Botschaft vorgesprochen. Zu jener Zeit, als der Sohn bzw. Bruder die Familienzusammenführung "beworben" habe, sei er 17 Jahre alt gewesen. Sollte die Familienzusammenführung nicht gestattet werden, wäre der Sohn bzw. Bruder alleine. Die Sicherheitslage in Syrien sei sehr schwierig, weshalb die revisionswerbenden Parteien dort nicht bleiben könnten. "Angst und der schlechte humanitäre Zustand" sei der Grund, weshalb für sie die Ausstellung der Visa so wichtig sei.

5 In einer weiteren Stellungnahme vom 18. Mai 2017 wiesen die - nunmehr vertretenen - revisionswerbenden Parteien darauf hin, dass beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu C-550/16 ein Verfahren über ein Vorabentscheidungsersuchen anhängig sei, das sich mit der Frage der Auslegung des Begriffes "unbegleiteter Minderjähriger" nach Art. 2 lit. f der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (im Weiteren kurz: Familienzusammenführungsrichtlinie) befasse. Die Antwort auf das Vorabentscheidungsersuchen sei auch "für den vorliegenden Fall bindend", weshalb die gegenständlichen Verfahren ausgesetzt oder dem EuGH vorgelegt werden müssten.

6 Die Österreichische Botschaft Damaskus befasste daraufhin neuerlich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das mit Schreiben vom 31. Mai 2017 eine ergänzende Stellungnahme abgab. In dieser hielt es unter Hinweis auf den Wortlaut des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fest, dass es im Fall nachzugswilliger Eltern auf die Minderjährigkeit der Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einreiseantrag ankomme. Da infolge der bereits bestehenden Volljährigkeit der Bezugsperson die Eigenschaft als Familienangehöriger iSd § 35 Abs. 5 AsylG 2005 nicht bestehe, sei auch die Gewährung desselben Schutzes im Rahmen des Familienverfahrens nicht wahrscheinlich.

7 Mit Bescheid vom 20. Juni 2017 wies die Österreichische Botschaft Damaskus die Anträge der revisionswerbenden Parteien ab. In ihrer Begründung verwies die Behörde auf die Stellungnahmen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.

8 Die revisionswerbenden Parteien erhoben dagegen Beschwerden, in denen sie im Wesentlichen ihre bereits in der Stellungnahme vom 18. Mai 2017 vorgetragenen Argumente wiederholten.

9 Die Österreichische Botschaft Damaskus wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 11. September 2017 gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Sie führte dazu aus, es komme ihr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Befugnis zu, die Prognose des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zu überprüfen. Sie sei daran gebunden. Ungeachtet dieser Bindung sei aber auch festzuhalten, dass die für die Familienzusammenführung genannte in Österreich lebende Bezugsperson im Zeitpunkt der Entscheidung bereits volljährig sei. Dem Zweck der Ausstellung des Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005, nämlich die Gewährung desselben Schutzes im Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005, könne infolge dessen nicht mehr erreicht werden. Für eine Aussetzung der Verfahren nach § 38 AVG bestehe kein Raum. Es stelle die "Frage im Vorabentscheidungsersuchen EuGH-C-550/16 für das vorliegende Beschwerdeverfahren - wegen der anders gelagerten Fallgestaltung - keine Vorfrage zur Klärung der Hauptfrage dar".

10 Die revisionswerbenden Parteien brachten einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein.

11 Das Bundesverwaltungsgericht wies in der Folge die Beschwerden mit der nunmehr in Revision gezogenen Entscheidung als unbegründet ab und sprach aus, dass nach Art. 133 Abs. 4 B-VG die Erhebung einer Revision unzulässig sei.

12 In seiner Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren wesentlich - darauf ab, dass dem für die Familienzusammenführung als Bezugsperson genannten Sohn des Erstrevisionswerbers und der Zweitrevisionswerberin in Österreich mit Bescheid vom 8. September 2016 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Dieser sei am 26. September 2016 volljährig geworden.

13 Anders als die Österreichische Botschaft Damaskus habe das Bundesverwaltungsgericht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Einschätzung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Die Prognose des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sei allerdings zutreffend. Zu jenem Zeitpunkt, in dem die revisionswerbenden Parteien ihre Anträge per E-Mail am 13. September 2016 gestellt gehabt hätten, sei die Bezugsperson noch minderjährig gewesen. Da diese aber am 26. September 2016 volljährig geworden sei, würden der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin ab dieser Zeit nicht mehr als Familienangehörige im Sinn des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gelten. Die Drittrevisionswerberin werde als (im Zeitpunkt der Entscheidung des - vom 1. Jänner 2000 als Geburtsdatum ausgehenden - Bundesverwaltungsgerichts noch) minderjährige Schwester der Bezugsperson überhaupt nicht vom Familienbegriff des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 erfasst.

14 Der Verwaltungsgerichtshof habe sich bereits in seiner Rechtsprechung mit dem Begriff des Familienangehörigen nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 auseinandergesetzt und insbesondere unter Hinweis auf Gesetzesmaterialien ausgeführt, dass in Bezug auf den mit dieser Bestimmung zu erfassenden Personenkreis eine restriktive Tendenz des Gesetzgebers zu erkennen sei. Zudem sehe die Familienzusammenführungsrichtlinie den Nachzug von Aszendenten in ihrem Art. 4 Abs. 2 lit. a nur optional vor.

15 Auch der Verfassungsgerichthof habe "keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf eine im Entscheidungszeitpunkt nicht (mehr) vorliegende Eigenschaft der beschwerdeführenden Parteien als Familiengehörige iSd § 35 Abs. 5 AsylG 2005" gesehen.

16 Die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 stelle nur eine von mehreren Möglichkeiten der Familienzusammenführung dar, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach ihrer Einreise ein Familienverfahren im Sinn des § 34 AsylG 2005 zu eröffnen. Diesem Zweck werde aber nicht entsprochen, wenn - wie hier - den Eltern eines während des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise in Österreich gestattet würde. Sie würden im Zeitpunkt der danach erfolgten Antragstellung auf internationalen Schutz nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen. Die Ausstellung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 erweise sich daher von vornherein als ungeeignet, um dem Anliegen der revisionswerbenden Parteien auf Familienzusammenführung zu entsprechen.

17 Die revisionswerbenden Parteien seien daher auf andere - etwa nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) oder dem FPG eröffnete - Möglichkeiten der Familienzusammenführung oder der Ausstellung entsprechender Einreisetitel zu verweisen. Für einwanderungswillige Fremde stelle ein Verfahren nach dem NAG den gesetzlich vorgesehenen Weg dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Auch die Familienzusammenführung sei im Weg der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG möglich.

18 Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde seien die Verfahren auch nicht wegen des beim EuGH anhängigen und zu C- 550/16 registrierten Vorabentscheidungsverfahrens auszusetzen. Der Ausgangssachverhalt sei nämlich nicht vergleichbar, weil im dortigen Fall der Asylwerber während des Asylverfahrens volljährig geworden sei, er rückwirkend mit dem Zeitpunkt der Antragstellung Asyl erhalten habe und er im Zeitpunkt der Antragstellung auf Familienzusammenführung bereits volljährig gewesen sei. Die Behörde hätte zudem das Verfahren nach § 38 AVG nicht aussetzen dürfen, weil das AVG auf das Verfahren vor der Botschaft nicht anwendbar sei.

19 Die Revision sei nicht im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben stützen können.

20 Dagegen richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

21 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, sollte der EuGH zum ihm vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen, C- 550/16, A und S, entscheiden, dass auch während des Asylverfahrens volljährig gewordene Asylwerber Bezugspersonen für die Familienzusammenführung sein können, müsse kraft eines Größenschlusses auch den revisionswerbenden Parteien die Familienzusammenführung mit ihrem erst während des der Familienzusammenführung dienenden Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Sohn gestattet und ihnen nach dieser Bestimmung ein Visum erteilt werden.

22 Dieses Vorbringen wird in den Revisionsgründen dahingehend weiter präzisiert, dass in den vorliegenden Fällen die Familienzusammenführung nur im Weg der Bestimmungen des § 34 und § 35 AsylG 2005 erfolgen könnte, weil die gegenständlichen Konstellationen von § 46 NAG nicht erfasst würden. Insoweit könnten die revisionswerbenden Parteien nicht, wie in der bisherigen Rechtsprechung erfolgt, auf eine Familienzusammenführung nach dem NAG verwiesen werden.

23 Die Revision erweist sich zur Klarstellung der Rechtslage im Hinblick auf das von der Revision erwähnte Vorabentscheidungsersuchen als zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

24 Eingangs ist zum Vorbringen der revisionswerbenden Parteien betreffend die Pflicht zur Aussetzung der Verfahren nach § 38 AVG auszuführen, dass zwar die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, im Verfahren vor der Österreichischen Botschaft sei das AVG nicht anzuwenden, nicht zutrifft. Das Bundesverwaltungsgericht, das sich insoweit auf Rechtsprechung beruft, die zur Rechtslage vor dem 1. Jänner 2014 ergangen ist, übersieht nämlich, dass mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (BGBl. I Nr. 33/2013) auch Art. I EGVG in maßgeblicher Weise geändert wurde. Während das EGVG in seiner bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung in aufzählender Weise ausdrücklich festlegte, welche Behörden welche Verfahrensgesetze - insbesondere auch das AVG betreffend - anzuwenden hatten, wurde mit der nunmehr seit 1. Jänner 2014 in Kraft stehenden Fassung des Art. I EGVG diese taxative Aufzählung zugunsten einer Generalklausel aufgegeben (vgl. so ausdrücklich RV 2009 BlgNR

24. GP, 15; dort wird zudem darauf hingewiesen, die "lückenfüllende Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu den außerhalb des Anwendungsbereiches der Verwaltungsverfahrensgesetze geltenden ‚Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens' hat damit ihre Funktion erfüllt, wird doch dieser Bereich künftig tatsächlich in rechtsstaatlich einwandfreier Weise geregelt sein"). Somit ist - ungeachtet dessen, dass gerade für das Verfahren in Visaangelegenheiten zahlreiche gesetzliche Sonderbestimmungen existieren (in denen im Übrigen zum Teil selbst ausdrücklich Erwähnung findet, dass sie eine Abweichung vom AVG darstellen, vgl. etwa § 11 Abs. 1 und Abs. 5 FPG) - gemäß Art. I Abs. 2 Z 1 EGVG auch von der österreichischen Vertretungsbehörde das AVG auf ein von ihr geführtes behördliches Verfahren anzuwenden.

25 Die ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 38 AVG erfolgte Aussetzung eines Verfahrens stellt sich grundsätzlich als eine - letztlich auch mit Revision - bekämpfbare Entscheidung dar (vgl. etwa VwGH 20.12.2017, Ra 2017/12/0119; 29.6.2017, Ra 2016/04/0150), was die Möglichkeit einer im Rechtsweg durchsetzbaren Verletzung in einem subjektiven Recht voraussetzt. Hingegen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass § 38 AVG einer Partei keinen Anspruch auf Aussetzung eines Verfahrens einräumt (vgl. etwa VwGH 30.1.2014, 2013/05/0214; 15.5.2012, 2009/05/0056, mwN; zudem dazu, dass einer Partei selbst aus einem rechtskräftigen Aussetzungsbescheid nach § 38 AVG kein subjektives Recht auf Nichtbeendigung des ausgesetzten Verfahrens erwächst und sie durch die Fortsetzung eines ausgesetzten Verfahrens vor Beendigung des die Vorfrage betreffenden Verfahrens nicht in ihren Rechten verletzt sein kann, VwGH 17.11.2015, Ra 2015/22/0138; 13.9.2017, Ra 2017/13/0044, mwN). Anderes ist auch aus dem von den revisionswerbenden Parteien ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 2016, Ra 2016/18/0172 bis 0177, nicht ableitbar, zumal sich dort allein für die Aufhebung wegen Verfahrensfehler als maßgeblich erwies, dass sich die vorzunehmende rechtliche Beurteilung - und zwar auch, aber nicht allein in Bezug auf § 38 AVG - mangels ausreichender Feststellungen als nicht möglich darstellte. Eine andere Sicht würde dieser Entscheidung ein - ihr selbst aber nicht entnehmbares - Abweichen von der ständigen Rechtsprechung unterstellen.

26 Die Revision legt nicht dar, welche für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Feststellungen fehlen würden. Dass der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt unvollständig ermittelt worden und deshalb eine rechtliche Beurteilung nicht möglich wäre, ist entgegen den insoweit unsubstantiierten Ausführungen der revisionswerbenden Parteien in keiner Weise zu sehen.

27 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 22. November 2017, Ra 2017/19/0218 (Rn. 32 bis 40), auf das sich die Revision bezieht und von dem sie (der Sache nach) ein Abgehen fordert, Folgendes zur Regelung des § 35 AsylG 2005 festgehalten:

"Soweit in der Revision die Familienzusammenführungsrichtlinie angesprochen wird, ist darauf hinzuweisen, dass das Kapitel V (‚Familienzusammenführung von Flüchtlingen') dieser Richtlinie jene Vorschriften enthält, die auf die Familienzusammenführung von Flüchtlingen, die von den Mitgliedstaaten anerkannt worden sind, Anwendung finden (Art. 9 Abs. 1 Familienzusammenführungsrichtlinie).

Gemäß Art. 9 Abs. 3 dieser Richtlinie lässt dieses Kapitel Rechtsvorschriften, nach denen Familienangehörigen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird, unberührt.

Schon daraus ergibt sich, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen eines Asylberechtigten selbst der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Die Erlangung eines Visums nach § 35 AsylG 2005 zielt aber gerade darauf ab, dem Drittstaatsangehörigen einen Einreisetitel zum Zweck des Stellens eines Antrages auf internationalen Schutz im Inland zu ermöglichen.

Zwar nahm der Gesetzgeber mit der Regelung des § 35 AsylG 2005 auch auf unionsrechtliche Regelungen der Familienzusammenführungsrichtlinie Bedacht (vgl. dazu etwa VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0230), was letztlich dazu führen kann, dass in bestimmten Konstellationen der Familienzusammenführung dem Familienangehörigen weitergehende Rechte - etwa durch die Gewährung des Status des Asylberechtigten - eingeräumt werden als es die Familienzusammenführungsrichtlinie vorsieht. Dies lässt diese Richtlinie auch ausdrücklich zu. Gemäß Art. 3 Abs. 5 Familienzusammenführungsrichtlinie berührt diese Richtlinie nicht das Recht der Mitgliedstaaten, günstigere Regelungen zu treffen oder beizubehalten.

Somit ist festzuhalten, dass die Bestimmungen des § 34 und § 35 AsylG 2005 Fälle erfassen können, die an sich der Familienzusammenführungsrichtlinie unterliegen würden, gleichzeitig aber den Familienangehörigen eine günstigere Rechtsstellung einräumen als es diese Richtlinie verlangt.

Dann kann es allerdings nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, wenn nicht allen Angehörigen von Asylberechtigten dieser Status eingeräumt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung darstellt, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und ihnen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Diesem Zweck wird aber - beispielsweise - nicht entsprochen, wenn den Eltern eines im Lauf des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet würde, weil sie bei Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen würden. Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweist sich daher (etwa) in einer solchen Konstellation von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen eines Fremden auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn zu entsprechen; sie sind vielmehr auf andere - im NAG und im Fremdenpolizeigesetz 2005 eröffnete - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Erteilung von entsprechenden Einreisetitel zu verweisen (vgl. VwGH 21.2.2017, Ra 2016/18/0253, 0254).

Ausgehend davon, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht zum Regelungsinhalt hat, wann einem Familienangehörigen eines anerkannten Flüchtlings ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist, sondern (nur) Vorgaben dazu enthält, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen ein für den Zweck der Familienzusammenführung vorgesehener Aufenthaltstitel zu erteilen ist (vgl. Art. 13 Abs. 2 iVm Art. 2 lit. e dieser Richtlinie), ist es somit unschädlich, wenn für die Erteilung eines Visums nach § 35 AsylG 2005, dessen Erteilung nicht nur die Familienzusammenführung ermöglichen soll, sondern auch dazu dient, dem Familienangehörigen die Gelegenheit einzuräumen, zwecks Erlangung eines besonderen Schutzstatus im Weg des § 34 AsylG 2005 eine - wie oben unter Hinweis auf die Rechtsprechung dargelegt wurde: nur im Inland zulässige - Antragstellung auf internationalen Schutz vornehmen zu können, gegenüber der Familienzusammenführungsrichtlinie weitergehende Voraussetzungen festgelegt werden.

Sofern sich eine Familienzusammenführung durch Inanspruchnahme des § 35 AsylG 2005 als nicht möglich erweist, ist von einem Antragsteller - wie bereits erwähnt - ein anderer Weg im Rahmen weiterer - ebenfalls die Familienzusammenführungsrichtlinie umsetzender - Vorschriften zu beschreiten, um die Familienzusammenführung zu erreichen. Insbesondere ist hier (nochmals) § 46 NAG zu erwähnen, der im Rahmen der Familienzusammenführung die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Familienangehörigen ermöglicht, wenn der Zusammenführende (wie im vorliegenden Fall) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt (§ 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG). Dass einem Drittstaatsangehörigen die Zuerkennung desselben Schutzstatus wie dem bereits in Österreich lebenden Fremden versagt bleibt, kann somit von vornherein nicht zur Verletzung der Familienzusammenführungsrichtlinie führen. Schon deshalb muss hier nicht geprüft werden, ob einzelne für die Erteilung eines Visums nach § 35 AsylG 2005 maßgebliche Voraussetzungen in Widerspruch zu dieser Richtlinie stehen könnten.

An diesem Ergebnis vermag auch nichts zu ändern, dass sich der Gesetzgeber - ausweislich der Materialien zur Änderung des § 34 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (FrÄG 2017, BGBl. I Nr. 145/2017) gerade im Hinblick auf die Familienzusammenführungsrichtlinie (vgl. IA 2285/A BlgNR 25. GP 82: ‚Vor dem Hintergrund der Bestimmungen der Familienzusammenführungs-RL, hat die Z 2 jeweils zu entfallen.'), die, wie bereits erwähnt, günstigere Regelungen (hier in der Form der Gewährung der Familienzusammenführung nicht bloß durch Erteilung eines Aufenthaltstitels, sondern durch Einräumung desselben Schutzstatus, wie er dem Zusammenführenden zuerkannt wurde) ausdrücklich zulässt - entschlossen hat, künftig die Prüfung des bisher in § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 enthaltenen Kriteriums entfallen zu lassen und stattdessen in § 34 Abs. 6 Z 3 AsylG 2005 angeordnet wird, dass im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG) ‚dieser Abschnitt' - demnach der vierte Abschnitt des vierten Hauptstückes des AsylG 2005, der dessen §§ 34 und 35 umfasst - nicht anzuwenden ist (ob mit diesen Änderungen des § 34 AsylG 2005 vor dem Hintergrund der Erläuterungen zur Schaffung der neuen Z 3 in § 34 Abs. 6 AsylG 2005 (IA 2285/A BlgNR 25. GP 82f.), wonach der (künftige) Verweis auf die Fälle des § 30 NAG bedeute, dass sich Fremde (auch im Rahmen des Verfahrens nach § 34 AsylG 2005) auf eine Ehe, eingetragene Partnerschaft oder Adoption nicht berufen dürfen, wenn ein gemeinsames Eheleben nicht geführt wird oder die Annahme an Kindes statt ausschließlich oder vorwiegend der Erlangung eines Aufenthaltsrechts dient, überhaupt eine inhaltliche Änderung der Rechtslage herbeigeführt werden sollte, kann im gegenständlichen Fall mangels Anwendbarkeit dieser gemäß § 73 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 erst mit 1. November 2017 in Kraft gesetzten Bestimmungen dahingestellt bleiben)."

28 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auch bereits des Öfteren mit der Frage befasst, auf welchen Zeitpunkt sich die Beurteilung, ob im Sinn des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 von einem Familienangehörigen auszugehen ist, in Bezug auf nachzugswillige Eltern zu beziehen hat. In einem Fall, in dem von der Revision ebenfalls ein Abgehen von seiner bisherigen Rechtsprechung gefordert wurde, wurde dem - die bisherige Rechtsprechung zusammenfassend - nicht gefolgt und dazu im Beschluss vom 26. Jänner 2017, Ra 2016/20/0231 bis 0234, ausgeführt:

"Damit suchen die revisionswerbenden Parteien der Sache nach aufzuzeigen, dass die bisherige Rechtsprechung unzutreffend sei und der Verwaltungsgerichtshof von dieser Rechtsprechung abgehen möge.

Die Ausführungen der revisionswerbenden Parteien bieten dafür allerdings keinen hinreichenden Anlass.

Die Revision verweist zur Stützung ihrer Ansicht auf die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur mit BGBl. I Nr. 24/2016 erfolgten Neuschaffung des § 35 Abs. 2a AsylG 2005 (RV 996 dB

25. GP, 5 - diese finden sich wortgleich im Gesamtändernden Abänderungsantrag des Innenausschusses, 4/AUA 25. GP, 13, der zudem im Ausschussbericht, AB 1097 dB 25. GP, wörtlich wiedergegeben wurde). Diese lauten:

‚Abs. 2a:

Handelt es sich bei der Bezugsperson um einen unbegleiteten minderjährigen Fremden, dem internationaler Schutz zuerkannt wurde, sollen im Falle des Familiennachzuges der Eltern des Minderjährigen die zusätzlichen Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 (Unterkunftsnachweis, Krankenversicherung sowie feste und regelmäßige Einkünfte im Sinne des § 11 Abs. 5 NAG) jedoch nicht erfüllt werden müssen. Daher ist vorgesehen, dass in solchen Fällen die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt gelten. Die Minderjährigkeit des zusammenführenden Fremden muss dabei im Zeitpunkt der Antragstellung des Familiennachzugs der Eltern vorliegen.'

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 28. Jänner 2016, Ra 2015/21/0230 und 0231, ausführlich unter Einbeziehung der diesbezüglichen Materialien mit der - im Rahmen der mit BGBl. I Nr. 24/2016 erfolgten Novellierung des AsylG 2005 unverändert gebliebenen - Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 auseinandergesetzt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die unionsrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die von den revisionswerbenden Parteien angesprochene Richtlinie 2003/86/EG (Familienzusammenführungsrichtlinie), Bedacht genommen. Weiters hat er darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof infolge eines anlässlich an ihn herangetragenen Falles offenkundig keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gehegt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof ist im genannten Erkenntnis vom 28. Jänner 2016 zum Ergebnis gekommen, dass bei der Beurteilung, ob ein Einreisetitel zu den in § 35 Abs. 1 AsylG 2005 genannten Zwecken an einen Elternteil eines minderjährigen Kindes auszustellen ist, - vor dem Hintergrund, dass gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 (sowohl in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 24/2016 als auch danach) nur ‚Familienangehörige gemäß Abs. 5' den maßgeblichen Antrag stellen ‚können' - an der Relevanz der in § 35 Abs. 5 AsylG 2005 enthaltenen Definition des ‚Familienangehörigen' kein Zweifel bestehen kann, und dass ein Verständnis dahingehend, dass bei antragstellenden Eltern bezüglich des Kriteriums der Minderjährigkeit ihres in Österreich Asyl oder subsidiären Schutz erhalten habenden Kindes auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen wäre, nicht in Betracht kommt (vgl. insbesondere Pkt. 3 der Entscheidungsgründe des angeführten Erkenntnisses vom 28. Jänner 2016). Insbesondere hat der Verwaltungsgerichtshof auch mit näherer Begründung darauf hingewiesen, dass eine erweiternde Auslegung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 - sofern man sie überhaupt für möglich erachten würde - dergestalt, dass es im Verfahren nach § 35 AsylG 2005 auch bei antragstellenden Eltern eines minderjährigen Kindes für die Eigenschaft als ‚Familienangehöriger' hinsichtlich der Minderjährigkeit auf den Antragszeitpunkt ankomme, nicht in Betracht gezogen werden könne.

Die oben zitierten Erläuterungen vermögen an dieser Beurteilung nichts zu ändern, weil eine solche Auffassung mit dem Gesetz - wie im wiederholt zitierten Erkenntnis Ra 2015/21/0230 und 0231 umfassend dargelegt wurde und auf dessen Entscheidungsgründe im Einzelnen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird - nicht im Einklang steht. Sollte der Gesetzgeber beabsichtigt haben, insoweit eine Gesetzesänderung herbeizuführen, hat eine solche in der mit BGBl. I Nr. 24/2016 erfolgten Novellierung des AsylG 2005 keinen Niederschlag gefunden.

Die Erstrevisionswerberin war sohin - ihr (behauptetermaßen) in Österreich lebender Sohn, dem hier der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt worden war, war im Entscheidungszeitpunkt zweifellos (und unstrittig) nicht mehr minderjährig - nicht als Familienangehörige im Sinn des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 anzusehen. Zudem ist das Bundesverwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass auch die (behaupteten) Geschwister der in Österreich lebenden Bezugsperson aufgrund des - insoweit von vornherein als klar einzustufenden - Gesetzeswortlautes nicht als Familienangehörige gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 gelten."

29 Der Verwaltungsgerichtshof sieht auch anhand der Ausführungen in der Revision keinen Anlass von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen.

30 Das von den revisionswerbenden Parteien erwähnte Verfahren über ein Vorabentscheidungsersuchen ist mittlerweile abgeschlossen. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 12. April 2018, A und S, C-550/16, ausgesprochen:

"Art. 2 Buchst. f in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ist dahin auszulegen, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und der Stellung seines Asylantrags in diesem Staat unter 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als "Minderjähriger" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist."

31 Der EuGH hat zudem betont, dass es mit dem Ziel von Art. 10 Abs. 3 lit. a Zusammenführungsrichtlinie "sicherlich" unvereinbar wäre, dass sich ein Flüchtling, der zum Zeitpunkt seines Antrags die Eigenschaft eines unbegleiteten Minderjährigen besessen hat, aber während des Verfahrens volljährig geworden ist, ohne jede zeitliche Begrenzung auf diese Vorschrift berufen könnte, um eine Familienzusammenführung zu erwirken, weshalb er seinen Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb einer angemessenen Frist stellen muss. Zur Bestimmung einer solchen angemessenen Frist kann die vom Unionsgesetzgeber in dem ähnlichen Kontext von Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 3 dieser Richtlinie gewählte Lösung als Hinweis dienen. Der auf der Grundlage von Art. 10 Abs. 3 lit. a Familienzusammenführungsrichtlinie eingereichte Antrag auf Familienzusammenführung ist daher "in einer solchen Situation" (offenkundig gemeint: wie sie dem Vorabentscheidungsersuchen C-550/16 zugrunde lag) grundsätzlich innerhalb von drei Monaten ab dem Tag zu stellen, an dem der Minderjährige als Flüchtling anerkannt worden ist (EuGH 12.4.2018, C-550/16, A und S, Rn. 61).

32 Wie bereits im oben zitierten Erkenntnis Ra 2017/19/0218 ausführlich dargelegt wurde, ist der nationale Gesetzgeber aufgrund der Familienzusammenführungsrichtlinie nicht gehalten, einem nachzugswilligen Familienangehörigen einen besonderen Schutzstatus - hier in den Blick zu nehmen: jenen des Asylberechtigten - zu gewähren. Solches wurde auch vom EuGH im erwähnten Urteil vom 12. April 2018 nicht zum Ausdruck gebracht (und im Übrigen auch nicht vom Generalanwalt in seinem Schlussantrag, auf den sich die Revision zu stützen sucht). Gerade auf die Zuerkennung eines solchen Schutzstatus zielt aber letztlich die Visumerteilung nach § 35 AsylG 2005 ab; kann doch gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 ein solcher Antrag ausdrücklich nur "zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13" AsylG 2005 gestellt werden.

Im genannten Erkenntnis Ra 2017/19/0218 hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 35 AsylG 2005 auch auf unionsrechtliche Regelungen der Familienzusammenführungsrichtlinie Bedacht genommen hat, was letztlich dazu führen kann, dass in bestimmten Konstellationen der Familienzusammenführung dem Familienangehörigen weitergehende Rechte - etwa durch die Gewährung des Status des Asylberechtigten - eingeräumt werden als es die Familienzusammenführungsrichtlinie vorsieht. Dies lässt diese Richtlinie auch ausdrücklich zu (vgl. deren Art. 3 Abs. 5).

Andererseits ist es unschädlich, wenn für die Erteilung eines Visums nach § 35 AsylG 2005, dessen Erteilung nicht nur die Familienzusammenführung ermöglichen soll, sondern auch dazu dient, dem Familienangehörigen die Gelegenheit einzuräumen, zwecks Erlangung eines besonderen Schutzstatus im Weg des § 34 AsylG 2005 eine - nur im Inland zulässige - Antragstellung auf internationalen Schutz vornehmen zu können, gegenüber der Familienzusammenführungsrichtlinie weitergehende Voraussetzungen festgelegt werden (vgl. wiederum das schon mehrfach erwähnte Erkenntnis Ra 2017/19/0218 und die diesbezügliche oben wiedergegebene ausführliche Begründung).

33 An dieser Beurteilung ändert auch das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, ihre familiäre Beziehung zur in Österreich lebenden Bezugsperson sei infolge § 2 Abs. 1 Z 9 NAG von einer Familienzusammenführung nach § 46 NAG nicht erfasst, nichts.

34 Der Revision ist insofern Recht zu geben, dass gemäß der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG als Familienangehöriger (im Sinn des NAG) nur gilt, wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels.

35 Für die Beurteilung, ob jene Voraussetzung vorliegt, die es ermöglicht, als Familienangehöriger einen Aufenthaltstitel nach § 46 NAG erhalten zu können, ist (auch) nach der zum NAG ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (vgl. VwGH 13.11.2012, 2011/22/0074; 14.12.2010, 2008/22/0882).

36 Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung zu § 46 NAG ("Bestimmungen über die Familienzusammenführung") bereits festgehalten, dass es - um ein verfassungswidriges Ergebnis zu vermeiden - geboten sein kann, im Einzelfall den in § 46 NAG verwendeten Begriff "Familienangehörigen" von der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abzukoppeln. Besteht etwa ein aus Art. 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Familiennachzug, so ist als "Familienangehöriger" in § 46 NAG demnach aus verfassungsrechtlichen Gründen auch jener - nicht im Bundesgebiet aufhältige - Angehörige erfasst, dem ein derartiger Anspruch zukommt. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof auch betont, dass ein im Rahmen von "Begriffsbestimmungen" festgelegtes Verständnis eines Terminus nicht in jedem Fall dazu zwingt, diesen innerhalb eines Gesetzes stets im Sinn der Legaldefinition auszulegen, was im Übrigen das NAG selbst belegt. So wird etwa in § 2 Abs. 1 Z 10 NAG als "Zusammenführender" ein - bestimmte Voraussetzungen erfüllender - Drittstaatsangehöriger definiert, während in § 47 NAG als "Zusammenführende" Österreicher, EWR-Bürger oder Schweizer Bürger erfasst werden (vgl. grundlegend VwGH 17.11.2011, 2010/21/0494; sowie dem folgend etwa VwGH 13.11.2012, 2011/22/0074; 26.6.2013, 2011/22/0278; 27.1.2015, Ra 2014/22/0203; 11.2.2016, Ra 2015/22/0145).

37 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zum NAG aber auch - unter Hinweis auf das soeben zitierte Erkenntnis 2010/21/0494 - zum Ausdruck gebracht, dass eine Abkoppelung des im NAG verwendeten Begriffes des "Familienangehörigen" von seiner in § 2 Abs. 1 Z 9 NAG enthaltenen Legaldefinition auch dann geboten ist, wenn dies eine unionsrechtskonforme Interpretation der nationalen Rechtslage (etwa auch um der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften durch den EuGH Rechnung zu tragen) gebietet, um ein dem Unionsrecht widersprechendes Ergebnis zu vermeiden (vgl. VwGH 20.7.2016, Ra 2016/22/0025, Rn. 23).

38 Vor diesem Hintergrund ist es nun nach der Familienzusammenführungsrichtlinie auch weiterhin nicht geboten, den Anwendungsbereich des § 35 AsylG 2005 zu erweitern, um dem Anliegen der revisionswerbenden Parteien, nämlich die Gestattung der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Sohn, in unionsrechtskonformer Weise Rechnung zu tragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es hinreichend, dass sichergestellt ist, dass den revisionswerbenden Parteien im Einklang mit den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie ein Aufenthaltstitel nach dem NAG - was entgegen dem Revisionsvorbringen (unter Anwendung der Grundsätze der unionsrechtskonformen Auslegung bzw. allenfalls des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts im Bereich des NAG) nicht ausgeschlossen ist - erteilt wird. Dass aber eine unionsrechtliche Verpflichtung bestünde, den revisionswerbenden Parteien eine über dieses Ziel hinausgehende Rechtsstellung, die die Familienzusammenführungsrichtlinie gar nicht zum Regelungsinhalt hat, zu verschaffen (nämlich letztlich den Status des Asylberechtigten), ist weder zu sehen, noch ist solches aus dem zur Rechtssache C-550/16 ergangenen Urteil des EuGH abzuleiten.

39 Da bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Wien, am 3. Mai 2018

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017190609.L00

Im RIS seit

22.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten