TE OGH 2018/4/10 14Ns8/18i

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Veröffentlicht am 10.04.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 10. April 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dietmar F***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB in dem zu AZ 35 Hv 176/17g des Landesgerichts St. Pölten und zu AZ 12 Hv 52/17i des Landesgerichts Linz geführten Kompetenzkonflikt nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1/ Das Landesgericht St. Pölten ist zur Führung des Strafverfahrens gegen Dietmar F***** zuständig.

2/ Dieses Strafverfahren wird dem Landesgericht St. Pölten abgenommen und dem Landesgericht Linz delegiert.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit am 20. September 2017 beim Landesgericht Linz eingebrachtem Strafantrag (ON 4) legte die Staatsanwaltschaft Linz Dietmar F***** zur Last, er habe Anfang Juli 2016 „in N*****“ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Asie S***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, zahlungswilliger und -fähiger Übernehmer ihres Geschäfts „A*****“ zu sein und dafür einmalig 10.000 Euro und fortlaufend Miete zu zahlen, zur Überlassung der Geschäftsräumlichkeiten samt Ware und Inventar verleitet, wodurch die Getäuschte „mangels jeglicher Zahlung und Verwertung der Fahrnisse“ im 5.000 Euro übersteigenden Betrag von 17.154 Euro am Vermögen geschädigt wurde. Die Staatsanwaltschaft subsumierte dieses Verhalten dem Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB.

In der (nach § 485 Abs 1 Z 4 iVm § 213 Abs 4 StPO angeordneten) Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Linz gaben der Angeklagte und das Opfer übereinstimmend an, den Übernahmevertrag in H***** (in Niederösterreich) unterschrieben zu haben. Der Einzelrichter dieses Gerichts überwies die Sache nach § 38 Abs 1 StPO dem Landesgericht St. Pölten (ON 9 S 3).

Dieses holte zunächst eine schriftliche Erklärung des Opfers ein, wonach „das verfahrensgegenständliche Objekt bzw die Schlüssel zu diesem Objekt“ in T***** (in Oberösterreich) „an den Angeklagten übergeben“ worden seien (ON 14). Daraufhin erklärte sich das Landesgericht St. Pölten mit (übrigens [nach Anordnung der Hauptverhandlung] verfehlt im Sinn des § 86 StPO ausgefertigtem [vgl RIS-Justiz RS0125311; Oshidari, WK-StPO § 38 Rz 7/1 mwN]) „Beschluss“ für örtlich unzuständig und legte die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung des Kompetenzkonflikts vor.

Für das Hauptverfahren ist nach § 36 Abs 3 erster Satz StPO primär das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Der Ort des Erfolgseintritts ist (subsidiär) nur dann maßgebend, wenn der Ort der Handlung im Ausland liegt oder nicht festgestellt werden kann (§ 36 Abs 3 zweiter Satz StPO).

Erstreckt sich die den Tatbestand erfüllende Verhaltensweise über mehrere Orte, gibt jener den Ausschlag, wo die die deliktische Handlung vollendende Tätigkeit, also in der Regel die letzte Ausführungshandlung stattgefunden hat (Nordmeyer, WK-StPO § 25 Rz 1). Dies ist beim hier verfahrensgegenständlichen Betrug – auch wenn allenfalls nach dem Tatplan eine Mehrheit von Täuschungsakten zu einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung führen soll – die für die tatbildliche Irreführung entscheidende Täuschungshandlung. Nach dem angeklagten Sachverhalt und dem Akteninhalt ist davon auszugehen, dass diese Täuschungshandlung anlässlich der Vertragsunterzeichnung in H***** gesetzt wurde (RIS-Justiz RS0126858 [T2, T3 und T4]). Der Ort, an dem das Vertragsobjekt samt Schlüssel übergeben wurde, ist hingegen – mangels Hinweises auf eine vom Angeklagten dort (vom vorlegenden Gericht auch nicht behauptete) Täuschungshandlung – als Ort des Erfolgseintritts hier für die Zuständigkeitsanknüpfung nicht maßgeblich (vgl zum Ganzen auch RIS-Justiz RS0120597, RS0089526; Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 22 und 124 ff).

Demnach ist das Landesgericht St. Pölten nach § 36 Abs 3 erster Satz StPO für die Durchführung des Strafverfahrens zuständig.

Da aber nach der Aktenlage der Angeklagte (ON 17) und sämtliche in Betracht kommende Zeugen (vgl ON 4 S 2) ihren Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts Linz haben, ist dieses in der Lage, das Strafverfahren mit geringerem Aufwand weiter zu führen als ein anderes Landesgericht, sodass wichtige Gründe im Sinn des § 39 Abs 1 StPO für eine amtswegige Delegierung der Sache gegeben sind (13 Ns 31/14h; vgl Nordmeyer, WK-StPO § 28 Rz 9).

Textnummer

E121323

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0140NS00008.18I.0410.000

Im RIS seit

19.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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