Entscheidungsdatum
08.05.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I419 2150618-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. ÄGYPTEN, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21.02.2017, Zl. XXXX, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,
dass der Spruchpunkt III des bekämpften Bescheids zu lauten hat:
"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ägyptischer Staatsangehörigkeit reiste illegal ein und stellte am 04.08.2015 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Kontrolle einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Erstbefragt gab er an, er habe am 20.04.2015 den Herkunftsstaat Richtung Türkei verlassen, wo sich auch sein Reisepass befinde. Anschließend habe er sich in Athen aufgehalten, wo er etwa drei Monate als Maler gearbeitet habe. Über Ungarn, wo er drei Tage gewesen sei, sei er dann mit dem Zug weiter nach Österreich gereist.
Ägypten habe er verlassen, weil das Leben dort sehr schlecht sei, und er seiner Familie ein gutes Leben ermöglichen wollen habe. Auch habe er dort keine Arbeit gehabt. Bei seiner Rückkehr befürchte er Armut.
3. Etwa 1,5 Jahre später einvernommen, erklärte er am 01.02.2017, dass seine Angaben bei der Erstbefragung der Wahrheit entsprächen. Er sei mit dem Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland und über "die Balkanroute" am 25.07.2015 nach Österreich gekommen.
Darüber hinaus erklärte er, bereits von 2009 bis 2015 im Ausland gewesen zu sein, daran anschließend nur noch 4,5 Monate in Ägypten, und zwar versteckt. Konkret habe er in dieser Zeit in Amman in der Landwirtschaft gearbeitet, weil er und sein Bruder nach Jordanien hätten gehen müssen, da sie verfolgt worden seien.
Im Heimatdorf habe es kurz zuvor Streit unter den Bauern wegen des zur Bewässerung benötigten Wassers gegeben, wobei ein namentlich genannter, körperlich sehr starker Bauer sich gegen den Beschwerdeführer und andere gestellt habe. Zwei Brüder aus der Gruppe der Gegner, weitschichtige Verwandte des Beschwerdeführers, hätten diesen Bauern dann im Zuge einer Messerstecherei erstochen.
Die Täter hätten Haftstrafen ausgefasst, aus denen sie in der Vorwoche entlassen worden seien. Die Familie des Opfers verfolge den Beschwerdeführer samt Bruder, da der Beschwerdeführer zwar nicht zugestochen habe und auch nicht direkt verwandt mit den Tätern sei, jedoch anwesend gewesen und nicht bestraft worden sei, beziehungsweise sich nicht gestellt und keine Strafe bekommen habe.
Konkret sei er gesucht und nach fünf Jahren in Jordanien vom Cousin des Opfers in Amman gefunden und bedroht worden. Dieser Cousin sei schon vor ihm in Amann, und zwar in einer Autowäscherei tätig gewesen und habe auch Freunde dort.
Sie hätten den Beschwerdeführer aufgefordert, Jordanien zu verlassen und ihm andernfalls mit dem Tod gedroht, worauf er sich bei seinem Bruder in einer anderen jordanischen Stadt versteckt habe, anschließend bei einem Freund in Ägypten, der das Türkei-Visum besorgt habe.
Auch in der Türkei sei der Beschwerdeführer bedroht worden, da der Erstochene dort Schlepper gekannt habe. Ein namentlich genannter Schlepper und Freund des Opfers habe andere aufgefordert, den Beschwerdeführer umzubringen, worauf diese ihn zu Beginn der Fahrt nach Griechenland "aussortiert" und ins Meer geworfen hätten, sodass er zurückschwimmen habe müssen.
Erstmals bedroht worden sei er nach seiner Hochzeit 2008, als er in der Straße als Maler gearbeitet habe, wo später die Messerstecherei stattgefunden habe. Dort sei er vom späteren Opfer und dessen Cousin bedroht worden. Er sei auch mit dem Messer gestochen, worden, was er nicht erzählt habe.
Zur Polizei sei er nicht gegangen, weil die nichts unternehme, bis "die Leiche am Boden liegt".
4. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf inter-nationalen Schutz betreffend die Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ägypten (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Grün-den" erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Ab-schiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III), wobei die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft betrage (Spruchpunkt IV).
5. Die Beschwerde wurde in zwei Teilen eingebracht, zunächst fehlten die Seiten mit gerader Seitenzahl. Am 19.04.2018 wurde sie auf gerichtliche Aufforderung ergänzt, indem die Rechtsvertretung sämtliche Seiten vorlegte. Sie bringt vor, der Beschwerdeführer werde seit der tödlichen Messerstecherei "vor etwa acht Jahren" vom Cousin des Opfers bedroht, und dieser habe ihn 2008 auch mit dem Messer verletzt. Bei seiner Flucht aus Ägypten sei der Beschwerdeführer "bei seiner Überfahrt von Ägypten nach Griechenland von Schleppern ins Wasser geworfen worden, nachdem ein mit dem Opfer befreundeter Schlepper andere dazu aufgefordert hatte, den Beschwerdeführer umzubringen.
Der Vater des Beschwerdeführers habe sich am 21.01.2017 an die Polizei gewandt, die von den Verfolgern ausgehende Gefahr angezeigt und Polizeischutz beantragt. Eine innerstaatliche Flucht komme nicht in Betracht, da der Beschwerdeführer auch gefunden worden sei, als er sich einmal untertags in Kairo aufgehalten habe, weil die Feinde trotz des sehr kurzen Aufenthalts davon gewusst und ihm dort gedroht hatten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist seit 11.09.2017 geschieden, Araber und sunnitischer Moslem, spricht arabisch als Muttersprache, hat neun Jahre die Schule besucht und zuletzt als Maler gearbeitet. Seine Identität steht fest. Er reiste am 25.07.2015 ein, ist gesund und arbeitsfähig sowie strafrechtlich unbescholten. Er wurde bei der Benützung eines Linienverkehrsmittels ohne gültigen Fahrschein angetroffen.
Seit 01.09.2017 lebt er mit einer ebenfalls geschiedenen, rund elf Jahre älteren rumänischen Staatsangehörigen zusammen, die seit 2013 unterschiedlichen Erwerbstätigkeiten in Österreich nachgeht. Diese hat am selben Tag am örtlichen Standesamt wegen einer mit dem damals noch verheirateten Beschwerdeführer angedachten Eheschließung vorgesprochen. Seit 12.04.2018 ist sie als Arbeiterin in einem Gewerbebetrieb in Niederösterreich beschäftigt.
Der Beschwerdeführer ist kein Mitglied eines Vereins oder einer anderen Organisation, geht keiner Beschäftigung nach und lebt von der Grundversorgung. In Österreich hat er keine Familienangehörigen und keine über die alltäglichen Kontakte hinaus gehenden privaten Beziehungen. Er war für einen Deutschkurs A1 im Frühjahr 2017 angemeldet, hat aber keine Besuchsbestätigung und kein Prüfungszeugnis vorgelegt.
Im Herkunftsstaat leben die beiden Kinder des Beschwerdeführers sowie deren Mutter, seine ehemalige Gattin. Weiters leben dort seine Eltern sowie ein Bruder und zwei Schwestern, deren Ehemänner in anderen Staaten arbeiten, zwei Tanten, vier Cousins, die als Maler arbeiten und eine Cousine. Ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers lebt in Jordanien.
1.2 Zum Herkunftsstaat
Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Ägypten auf dem Stand von 11.01.2016 zitiert. Diesem gegenüber weisen die aktuellen Länderinformationen mit Stand 16.04.2018 keine fallbezogen relevanten Verschlechterungen auf.
Im Beschwerdeverfahren sind auch keine Änderungen dieser entscheidenden Sachverhaltselemente bekannt geworden. Im gegebenen Zusammenhang sind daher mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
1.2.1 Sicherheitsbehörden
Lang andauernde Haft ohne Anklage ist auf Veranlassung der Sicherheitsbehörden verbreitet. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen (AA 15.12.2016).
Die primären Sicherheitskräfte des Innenministeriums sind die Polizei und die Zentralen Sicherheitskräfte. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und wichtigen in- und ausländischen Beamten. Zivile Behörden behielten die wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte bei. Die Straflosigkeit blieb jedoch auch aufgrund schlecht geführter Ermittlungen ein Problem. Die Polizei hat gemeldeten Polizeimissbrauch nicht ausreichend untersucht (USDOS 03.03.2017).
1.2.2 Bewegungsfreiheit
Bürger und Ausländer dürfen in Gebiete des Landes, die als Militärzonen bezeichnet werden, nicht reisen (USDOS 03.03.2017).
Meldewesen:
Für ägyptische Staatsangehörige besteht keine zentrale Meldepflicht; eine dem deutschen Meldewesen vergleichbare Einrichtung gibt es in Ägypten nicht. Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos (DBK 03.2014).
1.2.3 Grundversorgung und Wirtschaft
Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Die Zurverfügungstellung von subventionierten Lebensmitteln (vor allem Brot) ist eine zentrale Aufgabe des Ministeriums für Binnenhandel. Es ist nach Aussagen der ägyptischen Regierung davon auszugehen, dass ca. 70 Mio. Menschen derzeit berechtigt sind, auf subventionierte Lebens-mittel zuzugreifen. Die Verwaltung erfolgt durch familienbezogene elektronische Bezugskarten, die mit Punkten aufgeladen werden, die wiederum in staatlichen Supermärkten eingelöst werden können. Das Spektrum der in diesen Ausgabestellen verfügbaren Lebensmittel hat sich seit einer grundlegenden Reform des Systems seit Anfang 2014 deutlich verbreitert. Auch ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Anzahl der Nutzer dieser Systems der Nahrungsmittelgrundversorgung deutlich unter der o.g. Zahl der Berechtigten liegt. Eine umfassende Neuregistrierung von tatsächlich bedürftigen Personen ist hiesigem Wissen nach noch nicht erfolgt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System. Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost. Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule. Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen. Insbesondere in den letzten zehn Jahren intensivieren nicht-staatliche Organisationen - oft mit internationaler Unterstützung - Unterstützungsmaßnahmen in allen Bereichen der Gesellschaft. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Steigende Inflation und Subventionsabbau drohen die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft derzeit erheblich zu verschlechtern. Ob es gelingt, dem Unmut der Bevölkerung durch den Ausbau staatlicher Sozialhilfeprogramme entgegenzuwirken ist derzeit fraglich. Es zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 15.12.2016).
Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Außerhalb der Ballungsgebiete spielt insbesondere die Landwirtschaft eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30% des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund zwei Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28% angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potentielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund vier Prozent der Gesamtfläche des Landes aus. Aufgrund der starken Parzellierung können viele Landwirte lediglich Subsistenzwirtschaft betreiben (AA 03.2017b).
Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor. Er bietet rund 50% der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49% etwa die Hälfte zum BIP bei. Mehr als 54 Millionen Ägypter sind im arbeitsfähigen Alter. Davon sind nach Angaben der ägyptischen Statistikbehörde CAPMAS knapp 27 Millionen auf dem Arbeitsmarkt, was einer Erwerbsquote von 49,5% entspricht. Die Erwerbsquote von Frauen ist mit rund 23% die niedrigste unter vergleichbaren arabischen Ländern, was v.a. mit der Arbeitsmarktstruktur, den niedrigen Löhnen, den langen Wartezeiten auf die von Frauen bevorzugten Jobs im öffentlichen Sektor sowie kulturellen Vorstellungen zu tun hat. Der ägyptische Arbeitsmarkt ist jung. 38% der ägyptischen Arbeitskräfte sind zwischen 15 und 29 Jahre alt. In den letzten Jahren drängten jährlich etwa 800.000 Ägypter neu auf den Arbeitsmarkt, was einer Wachstumsrate von ca. 3% entspricht. Die offizielle Arbeitslosenrate schwankte in den letzten zehn Jahren zwischen 9 und 10.5%. Unabhängige Schätzungen gehen jedoch von bis zu 30% Arbeitslosen aus da viele Arbeitswillige aus der engen Definition der Arbeitssuchenden herausfallen. Grundsätzlich gilt für Ägypten, dass Armut nicht mit Arbeitslosigkeit gleichgesetzt werden kann. Anders als die Nicht-Armen, die bei Arbeitslosigkeit auf die Unterstützung ihrer Familien zählen können, können es sich die Armen nicht leisten, über einen längeren Zeitraum kein wenn auch noch so niedriges Einkommen zu haben. (GIZ 03.2017b).
1.2.4 Rückkehr
Aktuell sind Rückkehr- und Reintegrationsprojekte nicht bekannt. Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt (AA 15.12.2016).
1.2.5 Dokumente
Totalgefälschte Reisedokumente bzw. Personenstandsurkunden sind ohne größere Schwierigkeiten auf dem Schwarzmarkt zu erlangen. Gleiches gilt für echte Dokumente mit zweifelhafter Beweiskraft (AA 15.12.2016).
1.3 Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer erstattete kein nachvollziehbares Vorbringen über eine ihm drohende Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr. Auch sonst ergaben sich im Verfahren keine diesbezüglichen Hinweise.
Es kann nicht festgestellt werden, dass er in Ägypten aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bedroht oder verfolgt würde, weil er Zeuge einer tödlichen Messerstecherei gewesen wäre. Es kann weiter nicht festgestellt werden, dass er vor einer solchen Messerstecherei vom späteren Opfer oder dessen Cousin bedroht oder verletzt worden wäre. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit hat, sich vor einer privaten Verfolgung oder Bedrohung zu schützen, indem er sich an die staatlichen Behörden des Herkunftslandes wendet, sich an einen neuen Wohnort, beispielsweise Kairo begibt, oder beides tut.
Festgestellt wird auch, dass der Beschwerdeführer aus nicht asylrelevanten Gründen seine Heimat verlassen hat.
Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zum Sachverhalt:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.
2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu Religion, Volksgruppe und Sprache des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des BFA, ebenso die Feststellungen zur Familie. Der in der Beschwerde geäußerten Absicht nach, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist der Beschwerdeführer nach wie vor arbeitsfähig.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründen sich auf seine eigenen, unbedenklichen Angaben. Ebenso selbst berichtet hat er, wegen "Schwarzfahrens" bestraft worden zu sein. Zum Privatleben hat er lediglich den Deutschkurs und unspezifisch Integrationsbemühungen angegeben.
Seine Identität und Staatsangehörigkeit stehen aufgrund der vorliegenden Urkunden Personalausweis, Konsulatsbestätigung vom 12.03.2018 und Übersetzungen aus den Personenstandsregistern vom 15.02.2018 fest. Aus letzteren ergibt sich auch der Zeitpunkt der Scheidung.
Die Feststellungen zum Zusammenleben mit der rumänischen Staatsangehörigen und den damit in Zusammenhang stehenden Umständen beruhen auf dem ZMR und den Mitteilungen des BFA vom 05.09.2017 und vom 25.04.2018.
In der Beschwerdeergänzung vom 19.04.2018 wurde kein zusätzliches Vorbringen zum Privat- oder Familienleben erstattet.
2.3 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Die vorgebrachten Gründe, Verfolgung durch feindselig gesinnte Private, weil er bei der Tötung eines Clanangehörigen dabei gestanden sei und nicht aus diesem Grunde bestraft wurde, sind - abgesehen von ihrer mangelnden Asylrelevanz wegen staatlichen Schutzes und innerstaatlicher Fluchtalternative - nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer machte, wie das BFA zutreffend feststellt (AS 138) widersprüchliche Angaben, auch zu Fakten, die ihm gut im Gedächtnis sein müssen, beispielsweise folgende:
Die Altersangaben zu seinen Angehörigen machte der Beschwerdeführer ausschließlich "ca.", sogar zu Frau und Kindern. Bei der Erstbefragung (AS 17) gab der Beschwerdeführer an, sein Vater sei ca. 67, seine Frau ca. 23 Jahre alt. 18 Monate darauf einvernommen, gab er das Alter seines Vaters mit ca. 64, jenes seiner Frau mit ca. 28 an (AS 81). Das Alter seiner jüngeren Schwester reduzierte er um ein Jahr, während er seine beiden Kinder und die ältere Schwester nachvollziehbar ein Jahr älter angab als zuvor.
In der Erstbefragung erklärte der Beschwerdeführer, er habe drei Monate in Griechenland aufgehalten und diese drei Monate lang in Athen als Maler gearbeitet (AS 19). In der Einvernahme (AS 82) gab er an, in Griechenland zwei Monate "auf einer Insel" gewesen zu sein, wo er aber nur zwei Tage habe arbeiten können. Anschließend sei er zwei Monate in Rhodos gewesen. Es sei "finanziell nicht so gut" gewesen.
Das Vorbringen erklärt auch nicht, warum der angeblich ebenfalls bedrohte Bruder des Beschwerdeführers nach wie vor in Jordanien bleibt, wo der Beschwerdeführer eigenen Angaben nach bereits vor drei Jahren von den Verfolgern aufgespürt und zur Ausreise aus Jordanien gedrängt wurde (AS 81, 83), Letzteres für sich bereits eine nicht nachvollziehbare, behauptete Forderung der angeblichen Verfolger.
Während er im Verwaltungsverfahren angab, bei der Abfahrt aus der Türkei ins Wasser geworfen worden zu sein, um ihn zu töten (AS 83 f), geschah dies laut Beschwerde bei seiner Flucht aus Ägypten, konkret "bei der Überfahrt aus Ägypten nach Griechenland" (S. 2 der Beschwerde).
Die Bedrohung kombiniert mit der Verletzung durch Messerstich durch geschieht im Verwaltungsverfahren in Anwesenheit des Cousins und des später dann getöteten Opfers (AS 83), laut Beschwerde aber nach dessen Tod durch den Cousin (S. 2 der Beschwerde). Dabei bleibt auch offen, warum der Beschwerdeführer von 2008 bis 2009 mit dem Aufbruch zugewartet hat, wenn er bereits bei einem Tagesausflug nach Kairo, das ca. 10 Mio. Einwohner hat, dort von den Feinden aufgespürt und bedroht worden sein will (S. 6 der Beschwerde).
Insoweit die Beschwerde ausführt, der Beschwerdeführer sei bei der Erstbefragung "in seinem Redefluss bezüglich seiner Fluchtgründe unterbrochen" sowie angehalten worden, keine Details auszuführen, und ihm sei gesagt worden, dass er in der inhaltlichen Einvernahme die Möglichkeit bekommen werde, sein Fluchtvorbringen ausführlich zu schildern, was er auch in dieser "nachvollziehbar" erklärt habe (S. 5 der Beschwerde), deckt sich das nicht mit dem Inhalt der vorliegenden Niederschriften, denen die Beweiskraft öffentlicher Urkunden zukommt, nämlich der volle Beweis. Die in der Beschwerde als nachvollziehbar bezeichnete Erklärung lautet nämlich: "Ich habe damals von der Bedrohung gesagt. Glauben Sie mir." (AS 83) Darin kann keine solche Kritik an der Protokollierung gesehen werden, dass die Beweiskraft der Niederschrift erschüttert wäre.
Diese Überlegungen gelten auch für die in der Beschwerde erstmalige Behauptung, der Beschwerdeführer sei "nach einer langen und anstrengenden Flucht sehr müde und unkonzentriert" gewesen, zumal der Beschwerdeführer angibt, bereits am 25.07.2015 nach Österreich gekommen zu sein (AS 81), also 11 Tage vor der Erstbefragung, und zwar nach drei Tagen Aufenthalt in Ungarn "selbständig mit dem Zug" (AS 19).
Das Gericht übersieht nicht, dass der Beschwerdeführer laut Polizeibericht anlässlich der Kontrolle um 10:55 Uhr in Wien 10, bei der er seinen Antrag stellte, angab, am Morgen desselben Tages zu Fuß eingereist zu sein. Das erscheint allerdings mit Blick auf die Distanz viel weniger wahrscheinlich als die Bahnreise, da der Ort der Amtshandlung von der nächsten Stelle der ungarischen Grenze knapp 60 km Luftlinie entfernt liegt.
Wie dem BFA erscheinen dem Gericht angesichts dieser Widersprüche die Schilderungen des Beschwerdeführers wenig glaubhaft. Nach Angaben des Beschwerdeführers hat die Familie weder Haus- noch Grundbesitz, sein Vater sei pensionierter Ministeriumsmitarbeiter. Ein Streit um landwirtschaftliche Bewässerungsmöglichkeiten als Ausgangspunkt Fluchtgeschichte erscheint daher auch milieufremd.
Dazu kommt, dass er, wie das BFA aufzeigt (AS 137 f) das Fluchtvorbringen in einer Weise gesteigert hat, die auffällt:
Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass kein Asylwerber eine Gelegenheit ungenützt ließe, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten. Während anfangs nur von Armut die Rede war, gibt der Beschwerdeführer in der Einvernahme nach rund 1,5 Jahren an, er habe bereits Jahre auf der Flucht in Jordanien verbracht und sei dann nach Ägypten zurück, wo er sich 4,5 Monate versteckt gehalten habe. Nach Schilderung der Bedrohung und dem Vorhalt innerstaatlicher Fluchtalternativen ergänzt der Beschwerdeführer seine Verletzung mit dem Messer und schließlich den Versuch, ihn auch noch in der Türkei umzubringen.
Die letztgenannte Episode wird dann in der Beschwerde neu verortet in Ägypten und weiter ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sogar bei einem Tagesaufenthalt in Kairo innerhalb weniger Stunden gefunden und bedroht worden sei (S. 6 der Beschwerde). Offen bleibt dabei, warum er im Gegensatz dazu angab, dass er sich in Ägypten 4,5 Monate verstecken habe können (AS 81).
Zu den in arabischer Sprache gehaltenen Urkunden, die der Beschwerdeführer anlässlich seiner Einvernahme am 01.02.2017 vorlegte, sei angemerkt, dass es für den Ausgang der Rechtssache unerheblich ist, ob der Vater des Beschwerdeführers sich zwischen dessen Ladung zur Einvernahme und dieser Einvernahme um eine Anzeigebestätigung bemühte und ob diese - angesichts der Länderberichte, siehe oben 1.2.5 - echt ist. Eine Anzeigebestätigung bezieht sich naturgemäß auf die Tatsache der Anzeige, beweist aber nicht den angezeigten Sachverhalt.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang aber der Umstand, dass die betreffende Urkunde, die laut Beschwerde (S. 7) dem Beschwerdeführer aus Vorsichtsgründen über einen Mittelsmann zugesandt wurde, und zwar laut Kuvert am 13.02.2017 (AS 191), bereits bei der Einvernahme am 01.02.2017 dem Beschwerdeführer zur Verfügung stand (AS 81 oben).
2.4 Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Ägypten vom 02.05.2017 mit Stand 16.04.2018 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren - zum Bescheidzeitpunkt bereits, soweit fallrelevant, übereinstimmenden - Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.
In der Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergaben sich keine entscheidungswesentlichen Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen.
Wenn der Beschwerdeführer die Schutzfähigkeit der ägyptischen Polizeibehörden mit dem Argument bezweifelt, dass die Länderberichte Fälle von Folter und Gewalt sowie Korruption erwähnen, dann wird damit kein Zusammenhang zum Beschwerdeführer dargetan und nicht erklärt, wodurch die Schutzfähigkeit bei privaten Verfolgungen leiden sollte.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):
3.1.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass seiner Schilderung, Ägypten aus Gründen privater Verfolgung durch die Familie eines Bauern verlassen zu haben, bei dessen Tötung er anwesend gewesen sei, mangels Glaubhaftigkeit versagt blieb, zu einer ihr entsprechenden Feststellung zu führen. Es käme ihm indes auch im Fall ihres Zutreffens - wie oben unter Punkt 1.3 ausgeführt - mit Blick auf den Schutz durch den Herkunftsstaat und die innerstaatliche Fluchtalternative keine Asylrelevanz zu.
Anhaltspunkte für das tatsächliche Vorliegen asylrelevanter Fluchtmotive sind weder im Verfahren vor dem BFA noch in jenem des Gerichts hervorgekommen. Die ökonomischen Schwierigkeiten im Herkunftsland erreichen keine asylrelevante Intensität. Die wirtschaftliche Benachteiligung einer bestimmten, beispielsweise ethnischen Gruppe, die den Angehörigen dieser Gruppe jegliche Existenzgrundlage entzieht, kann grundsätzlich als "reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse" (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174) asylrelevant sein, wurde aber in dieser Intensität weder behauptet noch von Amts wegen festgestellt.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):
Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn der Antrag in Bezug auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.
Das Beschwerdevorbringen beinhaltet die Behauptung einer privaten Verfolgung, welcher der Beschwerdeführer nach Rückkehr ausgesetzt wäre, führte aber zu keinen einschlägigen Feststellungen im Sinn der angeführten Bestimmungen.
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandes-schaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.
Das gilt auch dann, wenn eine Unterstützung durch die Angehörigen des Beschwerdeführers unterbliebe, weil er arbeitsfähig ist, Arabisch spricht und im Herkunftsland und auch bereits berufstätig war. Seine vier Cousins sind als Maler in der gleichen Branche tätig, sodass er sich auch dies zunutze machen kann. Dann wird er, wie die Länderberichte zeigen (oben unter 1.2.3), auch (wieder) sozialversichert sein.
Es ist dem Beschwerdeführer auch unbenommen, allenfalls Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden. Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der Spruchteil II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.
3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III):
3.3.1 Nichterteilung eines Aufenthaltstitels
Im ersten Satz des Spruchpunkts III im angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt werde. Damit war, wie sich aus der Begründung des bekämpften Bescheids ergibt (S. 27, AS 145), das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.
3.3.2 Rückkehrentscheidung
Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen.
Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.
Zur Feststellung, dass eine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist, ist ausführen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund und daher erwerbsfähig.
Auch eine individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.
Der Beschwerdeführer ist nach seinen Angaben im Sommer 2015 eingereist. Seither weist er für knapp 30 Monate auch Wohnsitze im Inland auf. Im Lichte des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise damit rund 2,5 bis 3 Jahre gedauert hat. Von einer "Aufenthaltsverfestigung" allein aufgrund des bisherigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kann deshalb keine Rede sein.
Der Beschwerdeführer verfügt über kein Familienleben in Österreich und hat ein solches im Rechtssinn auch nicht behauptet.
Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in sein Privatleben. Unter den gegebenen Umständen ist das Vorhandensein eines Privatlebens evident, jedenfalls was die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin betrifft, die ihrerseits bereits wegen einer Eheschließung recherchiert hat. Er hat dafür Bestätigungen seiner - zwischenzeitlich erfolgten - Scheidung und Ehefähigkeit beigebracht.
Allerdings existiert diese Lebensgemeinschaft erst seit rund acht Monaten und entstand, als sich die Beteiligten des unsicheren Aufenthalts des Beschwerdeführers gewiss sein mussten, da der bekämpfte Bescheid bereits erlassen war.
Der Beschwerdeführer hat keine Deutschkenntnisse nachgewiesen und lebt von der Grundversorgung. Seine Aufenthaltsdauer ist nicht überlangen Verzögerungen geschuldet.
All das relativiert das Gewicht seiner privaten Interessen im Inland. Seine Lebensgefährtin ist ihrerseits Fremde und zog erst mit 36 hierher.
Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen, seine Eltern, Kinder und Geschwister, Cousins und Cousine sowie Ortskenntnisse und die Möglichkeit, alte oder neue soziale Kontakte zu pflegen oder aufzufrischen.
Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihnen das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.
Im konkreten Fall kommt dazu, dass der Beschwerdeführer nach seinem kurzen Aufenthalt kaum Integrationsmerkmale aufweist, und diesen nur mittels eines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz nach faktischer Einreise verwirklichen konnte. Das Befördern-Lassen ohne gültigen Fahrschein weist zudem auf ein sozial inadäquates und mit den Werten der Rechtsordnung nicht übereinstimmendes Verhalten hin.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.
Sie hindert auch nicht die spätere legale Einreise, beispielsweise wenn der Beschwerdeführer wegen einer Änderung der familiären Verhältnisse begünstigter Drittstaatsangehöriger würde.
3.3.3 Zulässigkeit der Abschiebung
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.
Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Ägypten einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Da der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben legal ausreiste und vom Wehrdienst befreit wurde, ist auch eine Inhaftierung nicht zu befürchten.
Auch fehlt es an jedem Indiz, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde in seinem Leben beeinträchtigt oder gar getötet würde.
Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Ägypten die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre.
Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Ägypten zumindest notdürftig leben zu können.
Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als in Ägypten, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Zudem besteht in Ägypten keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.
Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Ägypten das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht neu behauptet.
Eine der Abschiebung nach Ägypten entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.
Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Ägypten als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet.
Die Beschwerde war daher - von der Richtigstellung im ersten Satz abgesehen - auch betreffend den Spruchpunkt III abzuweisen.
3.4 Zur Ausreisefrist:
Das BFA hat die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgestellt, wobei es sich auf § 55 Abs. 1 bis 3 FPG bezog. Dieser Bestimmung - konkret Abs. 2 - ist zu entnehmen, dass diese Frist grundsätzlich 14 Tage beträgt, soweit nicht ausnahmsweise besondere Umstände eine längere Frist gebieten (Abs. 2 f) oder nach Abs. 1a keine solche besteht. Da keiner der Ausnahmefälle behauptet wurde oder vorlag, hat das BFA die Frist korrekt festgestellt, womit die Beschwerde auch für diesen Spruchpunkt abzuweisen war.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Beweiswürdigung bei gesteigertem Fluchtvorbringen oder der Abwägung privater und öffentlicher Interessen bei der Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens.
Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.
Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde im Entscheidungszeitpunkt des BFA vollständig erhoben worden und weist - aufgrund der jüngst erfolgten Eingaben, Urkundenvorlagen und Registerabfragen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.
Das Gericht musste sich auch keinen persönlicher Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).
Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.
Schlagworte
Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I419.2150618.1.00Zuletzt aktualisiert am
18.05.2018