Entscheidungsdatum
11.05.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W158 2172021-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Johannes Schalk, XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX den Beschluss:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige Afghanistans reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Am XXXX wurde die BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Oberösterreich niederschriftlich erstbefragt. Dabei gab sie an, sie sei am XXXX geboren und verheiratet. Sie selbst habe keine Probleme, sondern ihr Sohn habe gesagt, er sei in Gefahr. Ihr Sohn habe sie mitgenommen.
I.3. Am XXXX langte ein vorbereitender Schriftsatz des im Spruch genannten Vertreters ein, in dem ausgeführt wird, der Sohn der BF sei zum Christentum konvertiert. Der Schwiegervater des Sohnes der BF bedrohe auch die BF. Außerdem sei sie in Afghanistan unversorgt.
I.4. Am XXXX wurde die BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde sie u.a. zu ihrem Gesundheitszustand, ihrer Identität, ihrer Volksgruppenzugehörigkeit, ihrer Religionszugehörigkeit, ihren Familienangehörigen, ihrer Herkunftsprovinz, ihrem Leben in Afghanistan und ihrem bisherigen Leben in Österreich befragt. Zu ihrem Gesundheitszustand führte sie aus, sie müsse Medikamente wegen ihrer Psyche nehmen. Es seien keine großen Probleme, es sei lediglich alles neu für sie in Österreich, weswegen sie die Medikamente nehmen müsse.
Zu ihren Fluchtgründen befragt führte die BF aus, sie sei vom Schwiegervater ihres Sohnes mit dem Umbringen bedroht worden, weil ihr Sohn zum Christentum konvertiert sei. Sollte der Schwiegervater des Sohnes diesen nicht erwischen, habe er gedroht die BF und ihren Mann umzubringen, da sie seine Tochter entführt hätten. Zuvor sei sie mit ihrem Leben in Afghanistan sehr zufrieden gewesen.
Als Beilage zur Niederschrift wurden mehrere Deutschkursbestätigungen und eine Kopie der Tazkira genommen.
I.5. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid des BFA vom XXXX , dem Vertreter am XXXX zugestellt, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel wurde der BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte die Behörde zu Spruchpunkt I. an, dass nicht festgestellt werden könne, dass die BF ihr Heimatland aus Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Zu Spruchpunkt II. wurde dargelegt, dass die BF bei einer Rückkehr in ihr Heimatland keiner Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt wäre, sodass ihr auch kein subsidiärer Schutz zuzuerkennen sei. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Bei einer Rückkehrentscheidung werde nach einer Abwägung auch nicht gegen Art. 8 EMRK verstoßen, sodass diese zulässig sei.
I.6. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde der BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.7. Mit Schreiben vom XXXX , beim BFA am XXXX eingelangt, erhob die BF durch ihre Rechtsvertretung Beschwerde gegen den Bescheid des BFA wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, fehlerhafter rechtlicher Beurteilung, sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und stellte die Anträge den Bescheid dahin abzuändern, dass der BF der Status einer Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheids an die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu den Bescheid dahingehend abzuändern, dass der BF der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, allenfalls die Ausweisung aufzuheben und jedenfalls eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
I.8. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 50/2016, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was gegenständlich nicht der Fall ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
II.2. Zum Spruchpunkt A):
II.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11 mwN).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
II.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):
* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
* Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 leg.cit. verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
II.3. Der angefochtene Bescheid erweist sich vor diesem Hintergrund in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt als mangelhaft:
Dem BFA ist eine nur ansatzweise Ermittlung im Hinblick auf den Gesundheitszustand der BF und einer möglichen Behandlung in Afghanistan vorzuwerfen. Es ist zwar richtig, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (VwGH 23.03.2017, Ra 2017/20/0038). Die BF gab an, an psychischen Problemen zu leiden und deswegen auch Medikamente nehmen zu müssen. Die BF gab zwar auf Nachfrage selbst an, dass es sich um keine großen Probleme handle, nichtsdestotrotz wäre das BFA verpflichtet gewesen nachzufragen, um welche Medikamente es sich dabei handelt und wie oft sie diese einnehmen muss. Trotz ihrer angegeben gesundheitlichen Probleme fehlen im angefochtenen Bescheid überhaupt jegliche Feststellungen zur medizinischen Versorgung in Afghanistan. Der Vollständigkeit halber sei auch festgehalten, dass das BFA auch in der rechtlichen Beurteilung die Krankheit (und das Alter) der BF nicht beachtet hat, sondern vielmehr dieser Beurteilung die aktenwidrige Annahme eines gesunden, jungen Mannes, der bei seiner Flucht ein Jahr im Iran verbracht hat, zugrunde gelegt hat.
Der angefochtene Bescheid leidet daher unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen die BF gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität insbesondere im Hinblick auf eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention; der vorliegende Sachverhalt erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung der BF unter dem Aspekt der Gewährung des Status der subsidiär Schutzberechtigten als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.
Im gegenständlichen Fall sind der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint, zumal auch der Bescheid ihres Mannes aufzuheben war. Die Vornahme der angeführten Feststellungen und Erhebungen durch das BVwG selbst verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des VwGH und unter Effizienzgesichtspunkten. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das BFA als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation gemäß § 5 BFA-Einrichtungsgesetz für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist, und weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich. Es war daher gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides und einer Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde vorzugehen.
II.4. Das BFA wird sich im fortgesetzten Verfahren daher mit der individuellen Situation der BF zu befassen haben und dabei insbesondere zu prüfen haben, an welcher Krankheit die BF leidet und welche Medikation sie benötigt. Auf Basis dieser Ermittlungen wird sodann neben entsprechenden Feststellungen zur medizinischen Versorgung in Afghanistan festzustellen sein, ob die Krankheit ein derartiges Ausmaß erreicht, dass sie in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK fallt und bejahendenfalls, ob die notwendige Behandlung für die BF auch in Afghanistan zugänglich wäre. Dabei wird insbesondere das Alter der BF sowie die (von der BF geltend gemachte) fehlende familiäre Unterstützung zu bedenken sein. Sollte die BF keinen Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wird das BFA zu beurteilen, ob bei einer Rückkehr nach Afghanistan gegen Art. 3 EMRK verstoßen werden würde.
Abschließend sei auch noch festgehalten, dass auch die Feststellungen zum Privat- und Familienleben in Österreich nicht ausreichend sind für die Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG. Dabei unterließ das BFA insbesondere Feststellungen dahingehend zu treffen, inwiefern ein (finanzielles) Abhängigkeitsverhältnis zu dem in Österreich lebenden Sohn und dessen Familie besteht und ob dieses auch bereits in Afghanistan bestand. Bejahendenfalls wäre dieses Abhängigkeitsverhältnis auch bei der Interessensabwägung zu berücksichtigen, zumal in diesem Fall möglicherweise von einem schützenswerten Familienleben auszugehen ist und eine Prüfung erfordert, ob in dieses geschützte Familienleben in zulässiger oder unzulässiger Weise eingegriffen wird.
Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
II. 5. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, gesundheitlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W158.2172021.1.00Zuletzt aktualisiert am
18.05.2018