TE Vfgh Erkenntnis 2018/3/14 E1073/2017

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Veröffentlicht am 14.03.2018
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Index

L3703 Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall

Spruch

I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungsbestimmungen in ihren Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Das Land Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1.       Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt an einem näher bezeichneten Standort im Gemeindegebiet von Braunau am Inn zwei Wettterminals. Mit Bescheid vom 29. Februar 2016 schrieb der Bürgermeister der Stadtgemeinde Braunau am Inn der beschwerdeführenden Gesellschaft für den Betrieb dieser beiden Wettterminals beginnend mit März 2016 – unter anderem gestützt auf die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 11. Februar 2016, Top III/5, mit der eine Lustbarkeitsabgabeordnung erlassen wird – eine Lustbarkeitsabgabe von € 200,– pro Wettterminal für jeden angefangenen Kalendermonat als Dauerabgabe vor.

2.       Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Braunau am Inn wies mit Bescheid vom 11. Juli 2016 die gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 29. Februar 2016 erhobene Berufung als unbegründet ab. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.

3.       Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Beschwerde mit der Maßgabe statt, dass der Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe wie folgt festgesetzt wurde: "Die festgesetzte Abgabe ist am 15. eines Monats für den unmittelbar vorangegangenen Monat zur Zahlung fällig und zu entrichten." Im Übrigen wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde als unbegründet ab, wobei sich das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich unter anderem auf Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 11. Februar 2016, Top III/5, mit der eine Lustbarkeitsabgabeordnung erlassen wird, stützte.

4.       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG, auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK sowie auf Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG geltend gemacht wird. Ferner behauptet die Beschwerde die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des Oö. Lustbarkeitsabgabegesetzes 2015 und einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 11. Februar 2016, Top III/5, mit der eine Lustbarkeitsabgabeordnung erlassen wird.

5.       Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

5.1.    Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 1. März 2018, V108/2017-13, ausgesprochen, dass die Wortfolge ", und (2) Wettterminals im Sinn des §2 Ziff. 8 des Oö. Wettgesetzes" in §1 erster Satz, der letzte Satz des §1, §2 Abs2, die Wortfolge "und von Wettterminals" in §3 erster Satz, die Wortfolge "oder Wettterminals" in §3 letzter Satz, die Wortfolge "bzw. des Wettterminals" in §4 Abs1 und §5 letzter Satz der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Braunau am Inn vom 11. Februar 2016, Top III/5, mit der eine Lustbarkeitsabgabeordnung erlassen wird, bis zum Ablauf des 27. September 2016 gesetzwidrig waren.

5.2.    Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986). Im – hier allerdings nicht gegebenen Fall – einer Beschwerde gegen eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes, der ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. 5.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (VfSlg 17.687/2005).

Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren zu V108/2017 begann am 1. März 2018. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 4. April 2017 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wendete bei der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses die als gesetzwidrig erkannten Verordnungsbestimmungen an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass dadurch die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig beeinflusst wurde. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde somit wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungsbestimmungen in ihren Rechten verletzt.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

6.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

7.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:E1073.2017

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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