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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BAO §167 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Dipl.Ing. Dr. A G in K, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Nikolaus, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1130 Wien, St. Veit-Gasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 2. November 2015, Zl. RV/4100345/2011, betreffend u. a. Einkommensteuer 2002 bis 2006, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Bundesfinanzgericht im Instanzenzug u. a. die Einkommensteuer der Jahre 2002 bis 2006 fest, wobei es davon ausging, dass der Revisionswerber in Österreich ansässig sei. Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil sich die Entscheidung insbesondere auf die vom Verwaltungsgericht im Zuge des abgeführten Beweisverfahrens gewonnenen Erkenntnisse und die sich daraus ergebende Würdigung der Beweismittel gründe.
2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Die Revision wendet sich ausschließlich gegen die Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, der Revisionswerber sei in Österreich iSd Doppelbesteuerungsabkommens mit der UdSSR bzw. der Russischen Föderation ansässig. Zu ihrer Zulässigkeit iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG bringt die Revision vor, das Bundesfinanzgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, indem es den von ihm festgestellten Sachverhalt unrichtigerweise dem Rechtssatz subsumiere, wonach der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines Steuerpflichtigen an dem Ort (Staat) liege, zu dem er die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen unterhalte (Hinweis auf VwGH 25.7.2013, 2011/15/0193). Im Zuge seiner unrichtigen Subsumtion habe es das Bundesfinanzgericht unterlassen, Feststellungen zu "rechtserheblichen Sachverhaltselementen zu treffen, obwohl hinsichtlich dieser Sachverhaltselemente von den Parteien des erstgerichtlichen Verfahrens - in weiten Teilen sogar übereinstimmendes - Vorbringen erstattet" worden sei. Im Zuge dieses "sekundären Verfahrensmangels" sei in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch zu rügen, dass es das Erstgericht unterlassen habe, den Revisionswerber zu entscheidungsrelevanten Sachverhaltselementen zu Beweisanboten (allenfalls im Hinblick auf den gegebenen Auslandsbezug auch zur Beweismittelbeischaffung) aufzufordern. Weiters habe es das Bundesfinanzgericht unterlassen, dem Revisionswerber vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses den - vom Bundesfinanzgericht als entscheidungswesentlich betrachteten - Umstand vorzuhalten, dass der Revisionswerber in den Streitjahren in Österreich Familienbeihilfe und Kindergeld für seine Kinder beantragt habe.
6 Mit diesen allgemein gehaltenen Ausführungen formuliert der Revisionswerber keine konkrete Rechtsfrage, von welcher die Lösung der Revision abhinge, sondern wendet sich in erster Linie gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts. Die in freier Beweiswürdigung getroffene Feststellung des Bundesfinanzgerichts, der Revisionswerber habe in den Streitjahren zu Österreich die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen iSd jeweils anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen unterhalten, ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nur insofern zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, sie somit den Denkgesetzen und dem allgemeinen Erfahrungsgut entsprechen. Ob die Beweiswürdigung in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 28.10.2010, 2009/15/0011).
7 Eine im Rahmen der gesonderten Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision nicht weiter substantiierte Behauptung von Verfahrensmängeln reicht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhängt (vgl. VwGH 31.1.2018, Ra 2017/15/0105). Soweit die Revision im Abschnitt der Darlegung ihrer "Zulässigkeit" auf Ausführungen zu den Revisionsgründen verweist ("wie unter III. im Einzelnen zu zeigen sein wird"), wird sie dem Erfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG, wonach die Revision auch gesonderte Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, nicht gerecht (vgl. VwGH 15.5.2015, Ra 2015/03/0030).
8 Der einzig konkretisierte Verfahrensmangel - das Bundesfinanzgericht habe den Grundsatz des Parteiengehörs verletzt, weil es dem Revisionswerber nicht zur Kenntnis gebracht habe, dass er in den Streitjahren Familienbeihilfe und Kindergeld für seine Kinder in Österreich beantragt habe - liegt nicht vor. Denn schon im Prüfungsbericht vom 6. April 2010 wird unter Punkt "A) Mittelpunkt der Lebensinteressen" ausgeführt, dass der Revisionswerber Transferleistungen in erheblicher Höhe erhalten habe. In der Stellungnahme des Prüfers vom 5. April 2011 werden die erhaltenen "Transferleistungen" sodann näher konkretisiert und ausgeführt, dass der Revisionswerber bzw. seine Ehefrau bis Ende 2010 in einer Fülle von Eingaben im Beihilfeverfahren diverse österreichische Wohnadressen ausdrücklich als "Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen und als ständigen Wohn- und Familiensitz" angegeben hätten. Damit wurde der Beihilfenbezug schon im Verwaltungsverfahren (und nicht erst im angefochtenen Erkenntnis) deutlich erkennbar in die Beweiswürdigung zur Feststellung des Lebensmittelpunktes des Revisionswerbers in Österreich miteinbezogen.
9 Schließlich begründet der Revisionswerber die Zulässigkeit der Revision noch mit folgendem Vorbringen:
"Wenn man meiner eigentlichen Rechtsansicht, wonach ich im doppelbesteuerungsrechtlichen Sinne im Streitzeitraum in Russland ansässig gewesen bin, nicht folgen und aus dem festgestellten Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht ableiten wollte, dass zwar der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Streitzeitraum nicht in Österreich gelegen war, sich für mich jedoch für den Streitzeitraum überhaupt kein Mittelpunkt der Lebensinteressen (mag er in Russland oder in Österreich gelegen sein) bestimmen lässt, so würde die Revision zusätzlich von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, deshalb abhängen, weil - soweit ersichtlich - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, wie der Ansässigkeitsstaat eines Steuerpflichtigen bei Nichtvorliegen eines Mittelpunkts der Lebensinteressen zu bestimmen ist, bislang fehlt."
10 Abgesehen davon, dass es dem Revisionswerber nach dem oben Gesagten nicht gelingt, die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts zum Vorliegen eines Lebensmittelpunktes des Revisionswerbers in Österreich zu erschüttern, enthalten die anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen in Art. 4 DBA Russische Föderation, BGBl. III Nr. 10/2003 bzw. Art. 1 DBA UdSSR, BGBl. Nr. 411/1982 ausdrückliche Regelungen, wie der Ansässigkeitsstaat bei nicht feststellbarem Mittelpunkt der Lebensinteressen zu bestimmen ist.
11 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. März 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016150011.L00Im RIS seit
18.05.2018Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018