TE Vwgh Beschluss 2018/3/27 Ra 2018/16/0043

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Veröffentlicht am 27.03.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §116 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision des JR in W vertreten durch Dr. Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 11/10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 13. Dezember 2017, RV/7200230/2013, betreffend Eingangsabgaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem im in seinem Schuldspruch in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. Juni 2012, 24 Hv 16/11y, wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Boris Ch. als Mittäter im Zeitraum vom 22. Juni bis 11. Oktober 2007 durch Vorlage wertmäßig unrichtiger, nämlich zu niedriger und gefälschter Fakturen aus China, vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Eingangsabgaben im Ausmaß von EUR 406.497,80 (darin enthalten EUR 162.437,54 Zoll und EUR 244.042,26 EUSt) bewirkt, wobei es ihnen darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßige Begehung) und hiedurch das Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben nach § 35 Abs. 2, § 38 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen.

Den Feststellungen des Urteils zufolge hätten die beiden wertmäßig unrichtige, nämlich zu niedrige und gefälschte Fakturen aus China, welche sodann Grundlage des Abgabenbemessungsverfahrens geworden seien, zur Vorlage im Zollverfahren übergeben, in welchen aus diesem Grund die genannten Eingangsabgaben zu niedrig festgesetzt worden seien. Der Revisionswerber habe dabei bewusst und gewollt zusammen mit Boris Ch. gehandelt. Ihnen sei bekannt gewesen, dass die vorgelegten Fakturen gefälscht und wertmäßig unrichtig, nämlich zu niedrig gewesen seien. Zudem hätten sie gewusst, dass mit der Vorlage dieser Falsifikate im Verzollungsverfahren gegen zollrechtliche Bestimmungen, nämlich insbesondere gegen zollrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten verstoßen werde, und hätten dies auch gewollt, indem sie die Verzollungen veranlasst hätten. Sie hätten eine Verkürzung von Eingangsabgaben im genannten Umfang ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden. Beide hätten in der Absicht gehandelt, sich durch die wiederkehrende Hinterziehung von Eingangsabgaben eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Da das österreichische Einzelunternehmen HAP als Verzollungsempfänger agitiert habe, sei das Verfahren 4000, die Überführung in den zollrechtlich und steuerrechtlich freien Verkehr, angewandt worden.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis verringerte das Bundesfinanzgericht die Mitteilung einer Nachforderung an Zoll auf den Betrag von EUR 49.253,96 sowie einer Nachforderung an Einfuhrumsatzsteuer auf die Höhe von EUR 166.545,24 sowie die Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG in der Höhe von EUR 18.370,22 und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. Im Rahmen seiner Entscheidungsgründe verwies das Bundesfinanzgericht unter Darstellung des Verfahrensganges auf den eingangs wiedergegebenen Schuldspruch des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. Juni 2012 und auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen entfalte, auf denen sein Spruch beruhe, wozu jene Tatumstände gehörten, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren Tatbestandsmerkmalen zusammensetze. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zulasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen. Die Bindungswirkung erstrecke sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen.

Im Rahmen des Ermessens seien diejenigen Gesamtschuldner, nämlich der Revisionswerber und Boris Ch., als Zollschuldner heranzuziehen, die, wie im gerichtlichen Strafverfahren ausführlich dargelegt, das größte Naheverhältnis zur entstandenen Zollschuld aufwiesen. Zum Vorbringen des Revisionswerbers des Vorliegens einer innergemeinschaftlichen Lieferung sei festzustellen, dass in sämtlichen verfahrensgegenständlichen Einfuhranmeldungen die Abfertigung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr beantragt worden sei. Auf das diesbezügliche weitere Vorbringen sei schon aus diesem Grund nicht weiter einzugehen gewesen.

3 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision erachtet sich der Revisionswerber in seinem Recht verletzt, nicht als Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer für die nach Art. 6 Abs. 3 UStG von der Einfuhrumsatzsteuer befreiten Waren herangezogen zu werden. Die Zulässigkeit der Revision sieht er zusammengefasst darin begründet, dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes mangle es an einer zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung als zentrales Begründungselement und einer Beweiswürdigung in seinen wesentlichen Punkten. Mit seiner rechtlichen Beurteilung, dass im Rahmen des Ermessens diejenigen Gesamtschuldner als Zollschuldner heranzuziehen wären, die das größte Naheverhältnis zur entstandenen Zollschuld aufweisen würden, verkenne das Bundesfinanzgericht das Wesen des Zoll- bzw. Abgabenschuldners. Gemäß Art. 201 der Mehrwertsteuer-RL werde bei der Einfuhr die Mehrwertsteuer von der Person oder den Personen geschuldet, die der Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bestimme oder anerkenne. Dies sei im Rahmen der Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes jedenfalls nicht der Revisionswerber.

4 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

Soweit nicht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt (§ 42 Abs. 2 Z 2 und 3), hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG das angefochtene Erkenntnis oder den angefochtenen Beschluss aufgrund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Revisionspunkte (§ 28 Abs. 1 Z 4) bzw. der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen.

5 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu auch jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (VwGH 28.5.2009, 2007/16/0161, mwN).

6 In diesem Lichte bedurfte es, wie das Bundesfinanzgericht zutreffend ausführte, aufgrund der bindenden Feststellungen des Urteiles des Straflandesgerichtes vom 26. Juni 2012 keiner weitergehenden eigenständigen Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes mehr.

7 Soweit der Revisionswerber unsubstantiiert seine Heranziehung als Schuldner für die Einfuhrumsatzsteuer in Zweifel zieht, begründet dies ebenfalls keine Zulässigkeit seiner Revision: nach § 26 Abs. 1 erster Satz UStG gelten, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß. Liegen einer Zollanmeldung für ein Verfahren im Sinn des Art. 201 Abs. 1 des im Revisionsfall noch maßgeblichen Zollkodex der Gemeinschaften - ZK Angaben zugrunde, die dazu führen, dass die gesetzlich geschuldeten Abgaben ganz oder teilweise nicht erhoben werden, so können gemäß Abs. 3 leg.cit. nach den geltenden innerstaatlichen Vorschriften auch die Personen als Zollschuldner angesehen werden, die für die Abgabe der Zollerklärung erforderlichen Angaben geliefert haben, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie unrichtig waren. Dies ist vorliegend nach § 71 ZollR-DG (idF vor seiner Novellierung durch das AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163) vorgesehen, wonach nach Maßgabe der Art. 201 Abs. 3 zweiter Unterabsatz ZK die Zollschuld in dem nach Art. 201 Abs. 2 ZK genannten Zeitpunkt auch für jeden entsteht, der dem Anmelder unrichtige oder unvollständige Angaben oder Unterlagen geliefert hat, die der Anmeldung zugrunde gelegt wurden.

Dass vor dem Hintergrund des bindenden Schuldspruches durch das Landesgericht für Strafsachen Wien diese klar formulierten gesetzlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Revisionswerbers nicht erfüllt wären, behauptet die Revision nicht einmal.

8 Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 27. März 2018

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018160043.L00

Im RIS seit

18.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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