Entscheidungsdatum
02.05.2018Norm
AlVG §27Spruch
L510 2161593-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Vorsitzenden, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. WOLFARTSBERGER und Dr. PUNZENBERGER als Beisitzer, über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Mag. Gerhard EIGNER, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 15.03.2017, GZ: XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 19.05.2017, GZ: XXXX , beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird die Beschwerdevorentscheidung vom 19.05.2017, GZ: XXXX , behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice XXXX zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Das Arbeitsmarktservice XXXX (folgend kurz: "AMS") hat mit Bescheid vom 15.03.2017, VNR: XXXX , ausgesprochen, dass der Bezug des Altersteilzeitgeldes für den Zeitraum 01.12.2014 bis 08.02.2017 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt werde und die bP zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Altersteilzeitgeldes in Höhe von Euro 51.144,50 gem. § 27 Abs. 8 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) verpflichtet werde.
Begründend wurde dargelegt, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass die bP die Leistung aus der Altersteilzeit zu Unrecht bezogen habe, da es sich laut Antrag vom 12.12.2014 um ein kontinuierliches/gleichbleibende Modell (Kostenersatz 90 %) handle, jedoch laut Stundenaufzeichnung aus Fahrtenbuch um ein Blockmodell (Kostenersatz 50 %) handle, wofür jedoch über den beantragten Zeitraum die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien.
2. Mit Schreiben vom 21.03.2017 wurde seitens der bP Beschwerde eingebracht. Es wurde im Wesentlichen dargelegt, dass mit dem Angestellten XXXX , der am 01.02.1995 in das Unternehmen eingetreten und als Vertreter im Außendienst beschäftigt gewesen sei, über dessen Ersuchen für den Zeitraum von 01.12.2014 bis 31.10.2018 Altersteizeit vereinbart worden sei.
In der Altersteilzeitvereinbarung sei die bis dahin 40 Wochenstunden betragende Normalarbeitszeit einvernehmlich um 50 %, auf 20 Wochenstunden verringert worden. Da bei einem Außendienstmitarbeiter, aufgrund in der Natur einer Außendiensttätigkeit liegender, im Vorhinein oft nicht genau planbarer Umstände (Verkehrsverhältnisse, Witterungsverhältnisse, Aufenthaltsdauer beim Kunden, etc.), Schwankungen beim Arbeitszeitausmaß würden auftreten können und ihm nicht zuletzt deshalb bei der Verteilung der Arbeitszeit zwangsläufig ein höheres Maß an Flexibilität eingeräumt werden müsse, sei in der Altersteilzeitvereinbarung ausdrücklich vorgesehen worden, dass auftretende geringfügige Schwankungen der wöchentlichen Arbeitszeit, innerhalb des Vereinbarungszeitraumes bereinigt bzw. ausgeglichen werden könnten.
Bei diesem in der Arbeitszeitvereinbarung vorgesehenen Schwankungsausgleich hätten sie sich an einem Merkblatt auf der Homepage des AMS zum Altersteilzeitgeld orientiert.
Nach diesem Merkblatt handle es sich auch dann um eine gleichbleibende bzw. kontinuierliche Altersteilzeitvereinbarung, wenn es zu Abweichungen zwischen der im AltersteiIzeitmodell vereinbarten reduzierten Arbeitszeit und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit komme, diese
Abweichungen aber nicht mehr als 20 % der vor der Altersteilzeit geleisteten Arbeitszeit beträgen und im gesamten Vereinbarungszeitraum ausgeglichen würden.
Eben darauf hätten sie auch in ihrem Antrag auf Altersteilzeitgeld Bezug genommen. Ausgehend von der vor Antritt der Altersteilzeit geltenden wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden ergebe sich im vorliegenden Fall eine wöchentliche Schwankungsbreite von +/- 8 Stunden. Schwankungen der wöchentlichen Arbeitszeit würden im vorliegenden Fall daher solange nichts an der Bewertung ändern, als kontinuierliche Altersteilzeitvereinbarung, als die Wochenarbeitszeit mindestens 12 Stunden und höchstens 28 Stunden betrage und die Schwankungen im Altersteilzeitraum ausgeglichen würden.
Der angefochtene Bescheid begründe den Widerruf und die Rückforderung des Altersteilzeitgeldes damit, dass es sich lt. Stundenaufzeichnungen aus Fahrtenbuch um ein Blockmodell (Kostenersatz 50 %) handle, wofür jedoch über den beantragten Zeitraum die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Diese Ausführungen seien für sie nicht nachvollziehbar und würden diese auch für verfehlt gehalten.
Verfehlt sei dabei schon die Annahme, bei den im Fahrtenbuch ausgewiesenen Zeiten handle es sich um die Arbeitszeiten von XXXX .
Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch dienten ausschließlich der Beurteilung, ob und in welchem Ausmaß im Zusammenhang mit der Außendiensttätigkeit Anspruch auf Reiseaufwandsentschädigung bestanden habe.
Für den Anspruch auf Reiseaufwandentschädigung komme es nicht auf das Ausmaß der Arbeitszeit an, sondern wie lange im Zuge einer Dienstreise die ununterbrochene Abwesenheit vom Dienstort bzw. Wohnort gedauert habe.
Die im Fahrtenbuch aufgezeichneten Zeiten umfassten daher nicht etwa nur die Arbeitszeit zwischen Abfahrt und Rückkehr, sondern auch in diesem Zeitraum gelegene sonstige Zeiten, insbesondere auch in diesen Zeitraum fallende, nicht zur Arbeitszeit zählende und auch nicht als Arbeitszeit zu entlohnende Pausen.
Auch der OGH habe deshalb unter Anderem schon in der Entscheidung R ObA 153/03w festgehalten, dass Angaben in Reisespesenabrechnungen, denen die tatsächliche Arbeitszeit nicht unmittelbar zu entnehmen sei (etwa wegen nicht angeführter Pausen), nicht für die Geltendmachung von Überstunden ausreichen würden.
Hinzu komme, dass Reiseaufwandentschädigungen, eine mehr als dreistündige Dienstreisedauer vorausgesetzt, für jede angefangene Stunde zustehe. Für die Beurteilung, ob und in welchem Ausmaß Anspruch auf Reiseaufwandentschädigung bestehe, sei eine Abwesenheitszeit also jeweils auf volle Stunden aufzurunden.
Dem habe XXXX bei den von ihm im Fahrtenbuch ausgezeichneten Zeiten Rechnung getragen und, wie die aufscheinenden, durchwegs "runden" Rückkehrzeitpunkte eindeutig und unzweifelhaft belegen würden, angefangene Stunden jeweils auf volle Stunden aufgerundet. Es sei völlig klar, dass auch das Ausmaß dieser, für die Ermittlung der Reiseaufwandsentschädigung relevanten Aufrundungen ebenso wie in die Abwesenheitszeit fallende Pausen keine Arbeitszeit darstellen würde.
Ziehe man von den im Fahrtenbuch als diätenpflichtig verrechneten Abwesenheitsstunden die bei einer Tagesarbeitszeit von mehr als 6 Stunden angeordnete und auch jeweils tatsächlich eingehaltene Mittagspause von 1 Stunde ab und lasse bei den verzeichneten Zeiten zudem die vorgenommenen Aufrundungen auf volle Stunden außer Ansatz, zeige sich, dass die Wochenarbeitszeit die im vorliegenden Fall geltende Obergrenze der Bandbreite von 28 Wochenstünden nie überschritten habe. Die Arbeitszeit von XXXX sei daher mit einer kontinuierlichen Altersteilzeitvereinbarung durchaus vereinbar.
Daran vermöge ihres Erachtens nichts zu ändern, dass Alfred Vogetsesder am 31.10.2016 bedauerlicherweise einen Schlaganfall erlitten habe, sich seither durchgehend im Krankenstand befinde und ein Ausgleich der Arbeitszeitschwankungen deshalb bisher nicht möglich gewesen sei und sollte sich sein Zustand nicht bessern, wohl auch in Zukunft nicht mehr möglich sein werde.
Vor dem Unglücksfall sei XXXX von ihnen darauf hingewiesen worden, dass er in der zweiten Hälfte der Altersteilzeit alle bis dahin eingetretenen Abweichungen von der reduzierten wöchentlichen Arbeitszeit ausgleichen müsse. Dies sei ihm bewusst gewesen und sei mit ihm auch schon verbindlich festgelegt worden, dass er ab November 2016 durch eine entsprechende Einschränkung der Außendiensttätigkeit einen Ausgleich der Arbeitszeitschwankungen herbeiführen werde.
Faktisch sei es nur deshalb nicht zu einem Ausgleich gekommen, weil dies zumindest bisher wegen der Folgen des bedauerlichen Schlaganfalls nicht möglich gewesen sei. Dieser allein im tragischen Schicksal von XXXX gelegene Umstand könne ihnen nicht als Wechsel des Altersteilzeltmodells angelastet werden.
Somit würden sich aus ihrer Sicht der Widerruf und die Rückforderung des Altersteilzeitgeldes schon deshalb als unbegründet erweisen, weil entgegen der Annahme des AMS sehr wohl ein kontinuierliches Altersteilzeitmodell vorliege.
Selbst wenn man aber, so wie das AMS, davon ausgehen würde, im vorliegenden Fall handle es sich in Wahrheit um eine in Form eines Blockmodells gestaltete Altersteilzeit, weil die wöchentlichen Arbeitszeiten die dargestellte Schwankungsbreite überschritten habe, wäre ein völliger Widerruf das Bezugs von Altersteilzeitgeld und die Rückforderung des gesamten ausbezahlten Altersteilzeitgeldes nicht gerechtfertigt.
Die für ein Blockmodell erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen wären bei angenommener Überschreitung der Schwankungsbandbreite nämlich jedenfalls gegeben, sei doch der Ausgleich der Abweichungen bereits verbindlich vereinbart gewesen und sei nur durch die als Folge des Schlaganfalls eingetretene Arbeitsunfähigkeit vereitelt worden.
Sie hätten auch spätestens ab November 2015 eine arbeitslose Ersatzkraft eingestellt. Selbst im Falle der Bewertung der Alterstellzeit als Blockmodell könnte daher lediglich die Höhe des Altersteilzeitgeldes berichtigt und eine teilweise Rückforderung vorgenommen werden. Der angefochtene Bescheid erscheine im Hinblick darauf jedenfalls rechtwidrig.
3. Obwohl seitens der bP in einem Telefonat am 08.03.2017 dargelegt wurde, dass es keine Stundenaufzeichnungen sondern nur das Fahrtenbuch gebe, übermittelte die bP im Zuge ihrer Stellungnahme vom 07.04.2017 Aufzeichnungen über die Arbeitszeit des Herrn XXXX (Herr V.), welche laut Angaben der bP durch die Familie des Herrn V. zur Verfügung gestellt worden seien. Diese Aufzeichnungen würden bestätigen, dass die tatsächliche Arbeitszeit für die einzelnen Wochen der Altersteilzeit zwar unterschiedlich hoch gewesen, aber nie außerhalb der bei einem kontinuierlichen Modell zulässigen Bandbreite gelegen sei.
Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass trotz diesbezüglicher Aufforderung seitens des AMS die bP die dem AMS übermittelten Aufzeichnungen nicht als elektronisches Dokument übermitteln konnte.
4. Mit im Spruch bezeichnetem Bescheid vom 19.05.2017 wies das AMS im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde der bP gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.
Begründend wurde im Wesentlichen dargelegt, dass die bP den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit von Herrn V. erstmalig nach Aufforderung des AMS durch Vorlage des Fahrtenbuches erbracht habe und auch der Mitarbeiterin des AMS, Frau E., am 08.03.2017 telefonisch mitgeteilt habe, dass es außer dem Fahrtenbuch keine anderen Arbeitszeitaufzeichnungen gebe. Im Zuge des Beschwerdeverfahrens habe sie nach Durchführung des Parteiengehörs vom 28.03.2017 mit Stellungnahme vom 07.04.2017 AZ-Aufzeichnungen von Herrn V. vorgelegt, die sie nach ihrer Stellungnahme von der Familie ihres Dienstnehmers zur Verfügung gestellt bekommen habe.
Diese Arbeitszeitaufzeichnungen habe sie in Papierform übermittelt, wobei daraus nicht ersichtlich sei, wer der Ersteller dieser Aufzeichnungen sei und wann diese Arbeitszeitaufzeichnungen angelegt worden seien, zumal der Papierausdruck der Arbeitszeitaufzeichnung keine Nachweise darüber enthalte (z.B.: Unterzeichnung der Aufzeichnungen von Dienstgeber und Dienstnehmer durch ein etwaiges Handzeichen).
Auch habe sie nach nachweislicher Aufforderung durch das AMS nicht die edv-Datei vorgelegt, in welcher diese Arbeitsaufzeichnungen durchgeführt worden seien, damit das AMS feststellen hätte können, dass diese Arbeitszeitaufzeichnungen bereits laufend von Herrn V. (neben dem Fahrtenbuch) geführt worden und nicht erst im Zuge des Beschwerdeverfahrens erstellt worden seien, um glaubhaft zu machen, dass Herr V. seine Arbeitszeit in der Bandbreite von 28 Wochenstunden bis 12 Wochenstunden erbracht habe.
Daher gehe das AMS davon aus, dass die Aufzeichnungen der Arbeitszeit im Fahrtenbuch der konkreten Arbeitszeit von Herrn V. entsprochen hätten, da sie diese zu einem Zeitpunkt dem AMS vorgelegt habe, zu dem sie noch nicht die rechtlichen Konsequenzen erkannt habe, die eintreten würden, wenn die Arbeitszeit nicht entsprechend der arbeitsrechtlichen Vereinbarung und nicht entsprechend den Angaben im Antrag auf Altersteilzeit durch ihren Dienstnehmer eingehalten werde.
5. Mit Schreiben der bP vom 29.05.2017 beantragte diese fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
6. Am 20.06.2017 langte der Verwaltungsverfahrensakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das gegenständliche Verfahren betreffend erfolgten keine ausreichenden Ermittlungsschritte des AMS um die erforderlichen Beurteilungen vornehmen zu können.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes des AMS.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Das AMS hat gegenständlich eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG erlassen und die Beschwerdeführerin hat fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG gestellt, mit dem die (gegen den ersten Bescheid gerichtete) Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist daher die an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung, wobei der Ausgangsbescheid Maßstab dafür bleibt, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht, da sich diese gegen den Ausgangsbescheid richtet und ihre Begründung auf diesen beziehen muss (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/09/0025; 17.12.2015, Ro2015/08/0026).
Zu A) Behebung des bekämpften Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2). Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes [VwGH] zu § 28 VwGVG verlangt es das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127; 29.04.2015, Ra 2015/20/0038; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 RS29).
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Das AMS stützt sich gegenständlich beweiswürdigend darauf, dass die Aufzeichnungen der Arbeitszeit im Fahrtenbuch der konkreten Arbeitszeit des Herrn V. entsprochen hätten. Die übermittelten Arbeitszeitaufzeichnungen berücksichtigte das AMS mit der Begründung nicht, da diese einerseits erst zu einem Zeitpunkt vorgelegt worden seien, in welchem der bP bereits die eintretenden rechtlichen Konsequenzen bekannt gewesen wären und andererseits diese Aufzeichnungen nicht in Form einer edv-Datei übermittelt werden konnten, aus welcher hätte festgestellt werden können, ob diese Aufzeichnungen bereits laufend durch Herrn V. geführt worden seien. Zudem sei in einem Telefonat dem AMS ursprünglich mitgeteilt worden, dass es keine Arbeitszeitaufzeichnungen gebe.
Die bP hält dem die ins Verfahren eingebrachten Aufzeichnungen entgegen, welche sie seitens der Familie des Herrn V. erhalten habe und wonach sich ergebe, dass die wöchentliche Arbeitszeit jeweils unter 28 Stunden gelegen habe.
Somit ist verfahrensgegenständlich strittig, ob Herr V. diese Aufzeichnungen tatsächlich laufend führte, oder diese erst im Nachhinein erstellt worden sind.
Vor dem Hintergrund dieser Verfahrensergebnisse hätte sich die belangte Behörde aber nicht auf die bereits geschilderte Beweiswürdigung beschränken dürfen. Die belangte Behörde hätte vielmehr maßgebliche Parteien- und Zeugeneinvernahmen durchzuführen gehabt um schließlich nach entsprechender Würdigung aller Beweisergebnisse hinreichende Feststellungen zu den im Verfahren vorgelegten Unterlagen treffen zu können (vgl. etwa VwGH v. 19.01.2011, Zl. 2008/08/0010, wonach sich die Behörde nur in Fällen, die nicht weiter strittig sind, mit einer formlosen Befragung als Beweismittel begnügen darf, bei widersprechenden Beweisergebnissen aber jene Personen, die zunächst nur formlos befragt wurden, als Zeugen (Parteien) niederschriftlich vernehmen muss).
Wenn die belangte Behörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht iSd § 39 Abs. 2 AVG keine geeignete Schritte gesetzt hat, um die erforderlichen Beurteilungen vornehmen zu können, steht die Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde und die Zurückverweisung der Angelegenheit an dieselbe im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH v. 17.03.2016, Zl. Ra 2015/11/0127), weshalb gegenständlich das dem BVwG gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das AMS zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen war.
Entfall der mündlichen Verhandlung
Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die gegenständliche Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Altersteilzeitgeld, Arbeitszeit, Ermittlungspflicht, Kassation,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L510.2161593.1.00Zuletzt aktualisiert am
17.05.2018