TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/3 W126 2154978-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

03.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W126 2154978-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sabine FILZWIESER-HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2017, Zl. 1083374104-151129645, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.11.2017 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 55, 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 19.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, sein Vater sei vor der Zeit der Taliban der Dorfführer im Heimatdorf gewesen sei. Die Taliban hätten den Vater des Beschwerdeführers getötet und danach dessen Söhne gesucht. Der ältere Bruder des Beschwerdeführers sei ebenfalls von den Taliban getötet worden. Danach habe der Beschwerdeführer mit seiner Mutter aus Angst um sein Leben Afghanistan verlassen.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, in der Provinz Parwan in Afghanistan geboren zu sein. In Afghanistan habe er drei Jahre lang eine Koranschule besucht und als Hilfsarbeiter auf Baustellen und als Landwirt gearbeitet. Die Familie habe eigene Grundstücke. Das Land habe er, als er Afghanistan verlassen habe, innerhalb eines Tages an einen Arbeitskollegen namens XXXX (in Folge D.M) verkauft; er habe lediglich auf einen Zettel geschrieben, dass er der Besitzer sei. Die Hälfte des Geldes habe er vor Ort, die andere Hälfte im Iran über einen Boten erhalten. Nach seiner Ausreise aus Afghanistan habe der Beschwerdeführer drei Jahre im Iran gelebt. Im Iran habe der Beschwerdeführer eine Afghanin, welche im Iran geboren und aufgewachsen sei, traditionell geheiratet. Die Ehefrau würde bei ihren Eltern im Iran leben. Nach einem Unfall des Beschwerdeführers in Österreich habe sich seine Ehefrau von ihm scheiden lassen. Die Mutter des Beschwerdeführers sei vier Monate nach seiner Eheschließung gestorben. Sein Bruder sei circa 2006 bei einer Bombenexplosion gestorben, als er auf dem Weg von XXXX nach Kabul in einem großen Autobus unterwegs gewesen sei, der von Taliban angegriffen worden sei.. Der Vater des Beschwerdeführers sei gestorben, als der Beschwerdeführer vier Jahre alt gewesen sei. Im Heimatland habe der Beschwerdeführer keine Verwandten mehr. In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Verwandten, Bekannten oder Freunde. Er lerne in Österreich Deutsch und Englisch und spiele gerne Fußball.

Zum Fluchtgrund befragt führte er zusammengefasst an, dass seine Mutter ihm erzählt habe, dass - als der Beschwerdeführer vier Jahre alt gewesen sei - sein Vater gegen die Taliban gekämpft habe. In Afghanistan hätten die Taliban Familien, die gegen die Taliban gekämpft hätten, gesucht, besonders die Söhne. Die Leute von XXXX hätten sich auch den Taliban angeschlossen. Es gebe in seinem Dorf einen Kommandanten mit Namen XXXX (in Folge M.G.), welcher Macht habe und mit den Taliban, aber auch manchmal mit der Regierung zusammenarbeite. Die Taliban hätten zwei bis drei Leute von seinem Dorf mitgenommen, deren Väter ebenfalls gegen die Taliban gekämpft hätten, deshalb habe er das Land verlassen.

2. Mit angefochtenem Bescheid vom 03.04.2017 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 (Spruchpunkt II.) ab und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 11.04.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den ihm beigegeben Rechtsberater, fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens sowie infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4. Mit Schreiben vom 02.11.2017 wurden dem zwischenzeitlich anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017 inkl. Kurzinformation (aktuelle Version mit Stand Ende September 2017), die Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, das Gutachten Mag. Karl Mahringer vom 05.03.2017 mit aktualisierter Ergänzung vom 15.05.2017 sowie die Notiz Afghanistan, EJPD, Alltag in Kabul, Juni 2017 (Referat von Thomas Ruttig am 12.04.2017 vorab zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung übermittelt.

Am 14.11.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertreterin teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm (entschuldigt) nicht an der Verhandlung teil.

Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung zusammengefasst an, dass er vor seiner Ausreise aus Afghanistan in der Provinz Parwan gelebt habe. Sein Vater sei etwa 1997 bei Kämpfen gegen die Taliban ums Leben gekommen. Der Bruder des Beschwerdeführers sei im Jahr 2006 bei einer Bombenexplosion ums Leben gekommen. Derzeit habe der Beschwerdeführer keine Verwandten in Afghanistan. Die Familie habe in Afghanistan Grundstücke bearbeitet. Nach dem Tod des Vaters habe die Familie bis zur Ausreise aus Afghanistan versteckt bei Nachbarn gelebt. Der Nachbar mit Namen D.M. habe auch das Grundstück der Familie gekauft. Das Haus der Familie sei aus Lehm gewesen und nach ihrer Ausreise vom Regen und Schnee zerstört worden. Der Bruder des Beschwerdeführers habe als Mechaniker gearbeitet. Nach dem Beginn der Kämpfe der Taliban in der Gegend von XXXX im Jahr 1997 habe dieser die Arbeit als Mechaniker niedergelegt und im Dorf auf den Feldern gearbeitet. Die Brüder hätten teilweise eigene Grundstücke und auch Grundstücke von anderen Dorfbewohnern bearbeitet. Im Winter habe der Beschwerdeführer drei Jahre lang die Koranschule in der Moschee besucht.

Bei den Kämpfen, bei denen der Vater des Beschwerdeführers beteiligt gewesen sei, seien zwei Söhne eines Kommandanten mit Namen M.G. und einige Leute aus der Gegend von XXXX ums Leben gekommen. Die Leiche seines Vaters sei drei Tage an jenem Ort, an dem die Kämpfe stattgefunden hätten, geblieben, weshalb die Bewohner gewusst hätten, dass sein Vater an den Kämpfen beteiligt gewesen sei. Diese Leute hätten sich danach auf die Suche nach den Familienmitgliedern des Vaters des Beschwerdeführers begeben. Die Bewohner von XXXX seien auf der Seite des Kommandanten M.G. gewesen und hätten diesen unterstützt. Im Jahr 2012, ein paar Monate vor der Ausreise des Beschwerdeführers, seien die Söhne von anderen Männern, die damals bei den Kämpfen teilgenommen hätten, identifiziert und mitgenommen worden. Deshalb habe der Beschwerdeführer Angst gehabt.

Die Familie des Beschwerdeführers habe nach dem Tod des Vaters beim Nachbarn gewohnt, da sie - falls der Kommandant M.G. oder die Taliban ins Haus des Beschwerdeführers gekommen wären - dies erfahren und die Möglichkeit gehabt hätten, sich entweder zu verstecken oder aus dem Nachbarhaus in die Berge zu gehen, um sich dort zu verstecken. Der Vater des Beschwerdeführers habe vor seinem Tod auch in der Landwirtschaft gearbeitet und habe zu den Ältesten im Dorf gezählt. Der Beschwerdeführer hätte nicht nach Kabul gehen können, da sich dort einer der Söhne des Kommandanten M.G. aufgehalten habe. Ein anderer Sohn von M.G. sei Kommandant im Dorf des Beschwerdeführers gewesen, schon nach dem Tod seines Vaters und bis zu seiner Ausreise. Dieser habe tagsüber für die Regierung gearbeitet und nachts habe er die Taliban unterstützt. Er sei immer wieder ins Heimatdorf des Beschwerdeführers gekommen und habe dort Gewalt auf die Zivilbevölkerung ausgeübt. Ob die Dorfbewohner ihn unterstützen, könne er nicht sagen, es habe ihn niemand öffentlich unterstützt, er habe aber möglicherweise Spione im Dorf gehabt. Das Leben des Beschwerdeführers sei dort in Gefahr gewesen. Vor der Ausreise habe der Beschwerdeführer keine Probleme mit dem Kommandanten gehabt, da dieser nichts über den Beschwerdeführer gewusst habe. Er habe 15 Jahre lang versteckt bei dem Nachbarn gelebt, damit diese Leute nichts über ihn erfahren würden. Nachdem der Beschwerdeführer das Grundstück an den Nachbarn verkauft habe, habe der Kommandant M.G. von ihm erfahren. Nach dem Verkauf habe dieser den Nachbarn zwei bis drei Tage mitgenommen, um Informationen über die Familie des Beschwerdeführers zu erhalten. Er habe ihn nach dem Beschwerdeführer gefragt, und habe wissen wollen, wo dieser leben würde. Der Nachbar habe ihm nur gesagt, dass der Beschwerdeführer aus dem Dorf gegangen sei, er aber nicht wissen würde, wohin. Dies habe der Beschwerdeführer erst im Iran erfahren. Als der Nachbar dem Beschwerdeführer das Geld für den Verkauf des Grundstücks geschickt habe, habe er noch mit seiner Familie im Dorf gelebt. Der Beschwerdeführer wisse aber nicht, ob es noch immer so sei. Er habe keinen Kontakt mehr zu ihm, weil kein Bedarf mehr bestehe und er auch keine Telefonnummer von ihm habe. Die Familie des Beschwerdeführers habe zwar sehr lange bei ihm gewohnt, jedoch hätten sie für sich selbst gesorgt. Der Nachbar habe sie unterstützt, indem sie bei ihm wohnen hätten dürfen. Sie hätten ihn aber nicht als Familienmitglied bezeichnet, da er sonst auch Probleme bekommen hätte. Als der Beschwerdeführer im Iran gewesen sei, habe er noch regelmäßig Nachrichten von seinem Nachbar über andere Leute, die in den Iran gereist seien, bekommen. Irgendwann sei der Kontakt abgebrochen und es sei für den Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, mit ihm Kontakt aufzunehmen.

Den Iran habe er verlassen, da er dort keiner legalen Arbeit nachgehen habe dürfen. Im Iran habe der Beschwerdeführer als Aushilfskraft auf Baustellen gearbeitet. Er habe keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten und bei seinem Schwiegervater gearbeitet. Er habe Angst davor gehabt, aufgegriffen und nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Bis zu dem Unfall, den er in Österreich gehabt habe, sei der Beschwerdeführer verheiratet gewesen. Als der Unfall stattgefunden habe, sei er vom Training mit dem Fahrrad nach Hause gefahren. Seither sei er geschieden. Als er nach Österreich gekommen sei, habe er gedacht, dass sein Asylverfahren innerhalb von sechs bis sieben Monaten erledigt sein würde und er danach gemeinsam mit seiner Ehefrau leben könne. Er habe ihr regelmäßig Geld schicken müssen, damit sie in der gemeinsamen Wohnung im Iran bleiben könne. Dazu sei er nicht in der Lage gewesen. Nach dem Unfall habe der Beschwerdeführer einen Streit mit seiner Ehefrau gehabt und diese habe sich schließlich von ihm getrennt. Man könne sich in Abwesenheit scheiden lassen, weil die Eheschließung nicht offiziell gewesen sei. Sie habe die Trennung damit begründet, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, für sie zu sorgen, weshalb sie die Wohnung nicht behalten und ihre Ausbildung nicht finanzieren könne. Außerdem sei es unklar gewesen, wie lange sich sein Asylverfahren noch ziehen würde. Seine Ehefrau sei afghanische Staatsangehörige, sei aber im Iran geboren und besitze einen Aufenthaltstitel im Iran. Im Iran gebe es kein Gesetz, dass der Beschwerdeführer als ihr Ehemann auch einen Aufenthaltstitel erhalte. Trotz dieser Karte sei es möglich, abgeschoben zu werden.

Der Beschwerdeführer sei nach Österreich gekommen, um in einem sicheren Land zu leben. Er wolle sich hier ein Leben aufbauen, auf eigenen Beinen stehen und arbeiten. In Österreich bekomme er derzeit Sozialhilfe. In Österreich habe der Beschwerdeführer den Pflichtschulabschluss gemacht und das Niveau A2 und B1 in Deutsch erreicht. Er spiele regelmäßig Fußball in einer Mannschaft und habe auch österreichische Bekannte in seiner Fußballmannschaft und aus der Schule. Die Schule, die er derzeit besuche, dauere fünf Jahre. Er habe sich für den Zweig Maschinenbau entschieden. Nach fünf Jahren könne er bei einer Firma arbeiten.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung sein Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung vom 26.09.2017, eine Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 2017/2018 des Vorbereitungslehrganges einer HTL mit voraussichtlichem Ende des Schulbesuchs im Juni 2022 und eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Grundkurs vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim. Seine Muttersprache ist Dari. Er stammt aus dem Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Parwan.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und im erwerbsfähigen Alter. Er ist zum Entscheidungszeitpunkt ledig und hat keine Kinder.

Der Vater des Beschwerdeführers wurde etwa im Jahr 1997 im Krieg getötet. Nach dem Tod des Vaters lebte der Beschwerdeführer mit seinem älteren Bruder und seiner Mutter im Heimatdorf. Der Bruder des Beschwerdeführers ist im Jahr 2006 bei einer Bombenexplosion ums Leben gekommen, als er auf dem Weg von XXXX nach Kabul in einem Autobus unterwegs gewesen ist, der von Taliban angegriffen wurde. Ein Zusammenhang zum Tod des Vaters besteht nicht.

Den Lebensunterhalt finanzierte sich der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2012 als Landwirt und half beispielsweise auch auf Baustellen im Dorf mit; auch seine Mutter trug zum Lebensunterhalt bei. Sein Bruder arbeitete als Mechaniker und ebenfalls in der Landwirtschaft. Der Beschwerdeführer besuchte drei Jahre lang im Winter die Koranschule.

Nach der Ausreise aus Afghanistan gemeinsam mit seiner Mutter wohnte der Beschwerdeführer circa drei Jahre lang im Iran. Dort lernte er eine afghanische Staatsangehörige kennen, welche er im Iran traditionell heiratete. Im Iran arbeitete der Beschwerdeführer bei seinem Schwiegervater. Er war als Hilfsarbeiter auf Baustellen tätig. Während seines Aufenthalts in Österreich trennte sich die Ehefrau des Beschwerdeführers von diesem.

1.2. Zur Rückkehrmöglichkeit nach Afghanistan:

Der Beschwerdeführer lebte nach dem Tod seines Vaters noch ungefähr 15 Jahre in Afghanistan, ohne dass es zu konkreten Bedrohungen oder Übergriffen gekommen ist. Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan nicht von den Taliban, nicht von dem Kommandanten M.G. und/oder dessen Söhnen und auch nicht von Bewohnern von XXXX bedroht oder verfolgt, weil sein Vater an Kämpfen gegen die Taliban teilgenommen hat, bei denen Söhne des Kommandanten und weiterer Bewohner des Distriktes vor über 20 Jahren ums Leben gekommen sind. Die Teilnahme des Vaters bei diesen Kämpfen bzw. bei Kämpfen gegen die Taliban wird nicht festgestellt. Im Falle einer Rückkehr drohen dem Beschwerdeführer keine gegen seine Person gerichtete Bedrohungen oder Übergriffe.

In Afghanistan hat der Beschwerdeführer zwar Verwandte, jedoch nur Verwandte seiner Mutter, welche er nie kennen gelernt hat und die aus einer anderen Gegend als der Beschwerdeführer kommen. Seine Mutter starb vier Monate nach der Eheschließung des Beschwerdeführers im Iran.

Der Beschwerdeführer hat soziale Anknüpfungspunkte in Afghanistan durch seinen ehemaligen Nachbarn und dessen Familie. Bei diesem lebte der Beschwerdeführer mit seiner Mutter nach dem Tod seines Vaters bis zur Ausreise aus Afghanistan. Er lebte aber nicht versteckt bei diesem. Der Beschwerdeführer hatte nach seiner Ausreise aus dem Iran noch längere Zeit Kontakt zu seinem ehemaligen Nachbarn in Afghanistan bis der Kontakt irgendwann abgebrochen ist. Der Nachbar hat vor seiner Ausreise die Grundstücke des Beschwerdeführers gekauft.

Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatprovinz Parwan ist nicht zumutbar.

Eine Ansiedlung des Beschwerdeführers in Kabul ist möglich und zumutbar. Er kann die Stadt Kabul von Österreich sicher mit dem Flugzeug erreichen. Der Beschwerdeführer hat bislang nicht in Kabul gelebt hat und verfügt dort über kein familiäres Netzwerk, er kann sich aber in Kabul eine Existenz aufzubauen und diese mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei er seine Arbeitserfahrung, unter anderem auf Baustellen, nutzen könnte. Der Beschwerdeführer konnte auch vor seiner Ausreise aus Afghanistan im Herkunftsdorf durch einfache Arbeiten für sich sorgen. Er hat auch die Möglichkeit, zunächst finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Er kann auch mit vorübergehender finanzieller Hilfe seines ehemaligen Nachbarn D.M. rechnen.

1.3. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Asylantragstellung am 19.08.2015 in Österreich.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich.

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt. Er ist bisher in Österreich keiner bezahlten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Er besuchte seit Beginn seines Aufenthaltes in Österreich einen Erste-Hilfe-Grundkurs und holte den Pflichtschulabschluss nach. Seit Herbst 2017 besucht er eine Höhere technische Bundeslehranstalt.

Er spielt regelmäßig Fußball in einer Mannschaft und hat Bekannte aus seiner Fußballmannschaft und der Schule.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.4. Zur maßgeblichen Lage in Afghanistan im konkreten Fall werden nachfolgende Feststellungen getroffen:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.01.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al- Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.02.2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.01.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 05.01.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.08. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.05.2017).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.01.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.01.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.06.2017; vgl. auch:

BBC 07.05.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.06.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.06.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.05.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 06.06.2017).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 01.01. und 30.06.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9.2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 08.11.2016).

Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.04.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.08.2016).

Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.04.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.09.2015).

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 08.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9.2016).

Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 08.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein - dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.08.2016).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.08.2015).

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.01.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.01.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.01.2015).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.04.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9.2016; vgl. auch: UDOS 13.04.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.02.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 06.02.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.01.2017).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016).

Im Zeitraum 01.09.2015 - 31.05.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Im Zeitraum 01.09.2015. - 31.05.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.01.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.01.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.01.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 08.02.2017; Khaama Press 10.01.2017; Tolonews 04.01.2017a; Bakhtar News 29.06.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.07.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 04.01.2017).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 02.01.2017; vgl. auch: UNAMA 06.02.2017).

Parwan

Die strategisch bedeutsame Provinz Parwan liegt 64 km nördlich von Kabul. Die Provinz Parwan grenzt an die Provinzen (Maidan) Wardak, Bamyan, Baghlan, Panjshir und Kapisa. Charikar ist die Provinzhauptstadt, während Jabal Saraj, Salang, Sayed Khel, Shinwar, Syiah Gird, Shikh Ali, Ghorband und Shurk Parsa zu den restlichen Distrikten zählen. (Pajhwok o.D.ae). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 675.795 geschätzt (CSO 2016), und die der Provinzhauptstadt Charikar auf 57.746 (UN OCHA 26.08.2015). Rund 70% der Bevölkerung sind ethnische Tadschiken, 18% Pashtunen und 11% Hazara - Turkmenen kommen auf 1% (Vertrauliche Quelle 15.09.2015).

Ein Abschnitt der Autobahn Kabul-Parwan Highway verbindet die Provinz mit Kabul und weiter mit anderen Provinzen (Khaama Press 02.11.2015; vgl. auch: Kabul Tribune 26.06.2016; Bakhtar News)

Im Zeitraum 01.09.2015 - 31.05.2016 wurden in der Provinz Parwan 140 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Das Bagram Airfield liegt in der Provinz Parwan (VoA 01.02.2017; vgl. auch: LWJ 12.11.2016). Als eine der sichersten Einrichtungen in Afghanistan ist dieser Flughafen Ziel von high-profile Angriffen durch Taliban und andere Aufständische (LWJ 12.11.2016; vgl. auch:

Pajhwok 26.10.2016). Aktiv sind die Taliban unter anderem in dem abgelegenen Dorf Dara Saidan in der Provinz (Tolonews 10.12.2016).

Militärische Operationen werden in der Provinz durchgeführt (Khaama Press 12.12.2016; Khaama Press 24.04.2016). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Taliban finden statt (Tolonews 03.01.2017; Pajhwok 29.10.2016).

Die Polizei hat in der Vergangenheit große Drogenmengen auf der Route der nördlichen Regionen beschlagnahmt. Etwa 100 Personen wurden in Zusammenhang mit Drogenschmuggel im Norden verhaftet (Pajhwok 06.10.2016).

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern (DAWN 28.01.2017).

Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 04.02.2017) (UN OCHA 05.02.2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben (UN OCHA 29.01.2017). Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren (AAN 28.12.2016).

Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen aus ihren Heimen zu fliehen (AAN 28.12.2016).

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben (UN OCHA 05.02.2017; vgl. auch: UN OCHA 29.01.2017; UN OCHA 01.11.2016; UN OCHA 01.10.2016; vgl. ACBAR 07.11.2016).

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren (IOM 17.04.2016; vgl. auch ACBAR 15.05.2016).

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc. (UNHCR 6.2016).

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden (UN News Centre 23.01.2017).

Rückkehr

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.01.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.01.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.01.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.01.2017).

Erhaltungskosten und Situation in Kabul

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.04.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9.2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seiner Herkunft ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers im Verfahren.

Das Datum der Einreise nach Österreich sowie das Datum der Asylantragstellung basiert auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes.

2.2. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wird als unglaubhaft gewertet. Die Schilderungen des Beschwerdeführers wiesen Ungereimtheiten auf und gestalteten sich als unsubstantiiert und nicht plausibel.

Der Beschwerdeführer sprach wiederholt und nur vage davon, dass sein Vater (als Dorfältester) gegen die Taliban gekämpft habe, die Taliban seinen Vater getötet und danach dessen Söhne gesucht hätten. Näheres dazu legte er nicht dar. Beim BFA und in der Verhandlung erzählte er auch, dass sein Bruder durch eine Bombenexplosion bei einem Angriff der Taliban getötet wurde, als er in einem Fahrzeug bzw. einem Autobus von seinem Heimatort nach Kabul fahren wollte. Weder lässt sich daraus ein gezielt gegen die Person des Bruders gerichteter Angriff ableiten noch eine Gefahr für den Beschwerdeführer, auch nicht, dass die genannten Verfolger irgendetwas damit zu tun hatten; auch lässt sich keine Verbindung zum Tod des Vaters herstellen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer sein wesentliches Vorbringen im Beschwerdeverfahren steigerte und in der Verhandlung erstmals die befürchteten Verfolgungsmaßnahmen durch den Kommandanten und dessen Sohn/Söhnen sowie durch weitere Bewohner des Distrikts bzw. der Gegend XXXX , weil diese Angehörige bei den Kämpfen, bei denen der Vater dabei gewesen sein soll, verloren haben, schilderte.

Generell vermochte der Beschwerdeführer die behauptete Bedrohungssituation nicht konkret und nachvollziehbar darzulegen und nicht überzeugend zu vermitteln, dass sein Vater vor zwanzig Jahren an Kämpfen gegen die Taliban teilgenommen hat und dies eine Bedrohung für ihn selbst bewirken würde; es gelang ihm nicht zu erklären, warum die genannten Verfolger ihn nicht in den letzten Jahren ausfindig machen konnten, wie diese nach einem so langen Zeitraum dann doch Kenntnis von seiner Existenz erlangen konnten bzw. könnten und ihn im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan finden sollten und warum diese von seiner Existenz nicht ohnehin schon seit dem Tod seines Vaters wussten. Dass der Beschwerdeführer 15 Jahre lang versteckt und unerkannt beim Nachbarn und dessen Familie gewohnt haben soll, erweist sich als nicht plausibel und damit unglaubhaft; vielmehr wird davon ausgegangen, dass der Nachbar und dessen Familie die Mutter des Beschwerdeführers und die beiden Söhne nach dem Tod des Vaters aufgenommen hat bzw. bei sich hat wohnen lassen und diese unbehelligt dort bis zur Ausreise gelebt haben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer mehrmals an, dass er gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Mutter nach dem Tod seines Vaters bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan - also insgesamt fast fünfzehn Jahre - versteckt bei dem Nachbarn gelebt habe, weil sein Leben in Gefahr gewesen sei und der Kommandant die ganze Zeit auf der Suche nach Familienmitgliedern jener Personen, welche an den damaligen Kämpfen beteiligt waren, gewesen sei und sowohl dieser als auch die Taliban auf ihrer Suche direkt ins Haus des Beschwerdeführers gehen würden. Weiters erklärte der Beschwerdeführer, dass einer der Söhne des Kommandanten selbst Kommandant im Dorf des Beschwerdeführers gewesen sei und seine Gruppierung sich daher regelmäßig im Dorf aufgehalten habe, um die Kontrolle darüber zu haben. Unabhängig davon, dass den Dorfbewohnern die Identität des Beschwerdeführers und die seines Bruders wohl bekannt gewesen sein muss, lässt es sich schon unter dem Gesichtspunkt nicht nachvollziehen, dass Personen, welche im Herkunftsdorf des Beschwerdeführers über Macht verfügen, es innerhalb von fünfzehn Jahren nicht schaffen sollten, herauszufinden, wer die Söhne des Mannes, der an den Kämpfen gegen die Taliban teilgenommen hat, sind und den Beschwerdeführer und seinen Bruder nicht entdeckt haben. Dazu befragt, wovon die Familie des Beschwerdeführers in Afghanistan gelebt hat, sagte der Beschwerdeführer aus, dass er in der Landwirtschaft gearbeitet und bei der Arbeit auf Feldern von anderen Dorfbewohnern und auf Baustellen geholfen hat. Auch unter dem Aspekt, dass der Beschwerdeführer sich über einen so langen Zeitraum tagsüber frei im Dorf bewegen konnte und sich regelmäßig neue Arbeit suchen konnte, erscheint es gänzlich realitätsfremd und unplausibel, dass seine Familienzugehörigkeit nicht bekannt war oder zumindest längst hätte bekannt werden müssen, zumal seinen eigenen Ausführungen nach die Bewohner des Distrikts bzw. der Gegend auf der Seite von M.G. gewesen sind und diesen unterstützt haben und dessen Sohn als Kommandant wahrscheinlich "Spione" im Heimatdorf des Beschwerdeführers hatte. Auch die Angaben in der Beschwerde, dass die Gruppierung der Taliban um M.G. ab 2012 wieder vermehrt in der Region aktiv geworden sei und Familien von Personen, welche verdächtigt worden seien, früher gegen sie gekämpft zu haben, entführt und umgebracht habe, lösen diese Implausibiliäten nicht auf und stehen darüber hinaus nicht mit den sonstigen Aussagen des Beschwerdeführers in Einklang, dass der Sohn von M.G. durchgehend Kommandant in der Gegend gewesen ist.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass M.G. nach der Ausreise des Beschwerdeführers durch den Verkauf der Grundstücke durch den Beschwerdeführer an seinen Nachbarn herausgefunden habe, dass der Beschwerdeführer der Sohn seines Vaters sei und dass dieser daraufhin den Nachbarn des Beschwerdeführers entführt habe, um mehr über den Beschwerdeführer zu erfahren, wird ebenfalls als unglaubhaft erachtet, da der Beschwerdeführer auch dies im gesamten Verfahren bis zur mündlichen Verhandlung nicht erwähnte. Auch im Rahmen der Verhandlung tätigte er diese Aussage nur auf mehrmaliges Nachfragen; seine diesbezüglichen Angaben waren zudem sehr kurz und ausweichend gehalten und auf Nachfrage, weshalb er das bisher nicht angeführt habe, antwortete er bloß, dass er dazu bisher nicht befragt worden sei. Generell konnte er nicht plausibel darlegen, wie es gerade dann zu seinem "Entdecken" gekommen ist, wie ihn der Kommandant identifizieren sollte und warum er nach so langer Zeit (immer noch) ein Interesse am Beschwerdeführer haben sollte.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten