TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/15 97/09/0354

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Veröffentlicht am 15.03.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs4 Z1 impl;
HDG 1994 §35 Abs3;
HDG 1994 §45 Z2;
HDG 1994 §72 Abs2;
HDG 1994 §76 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des FF in E, vertreten durch Mag. Wulf Sieder, Rechtsanwalt in 4470 Enns, Stadlgasse 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Korpskommando III in Baden vom 15. Oktober 1997, Zl. 2/2 - DOKUOCH III/97, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Vizeleutnant in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist als "NUO" bei der Heeresunteroffiziersakademie in Enns tätig.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Militärkommando Oberösterreich vom 2. Oktober 1996 wurde der Beschluss gefasst, in der Disziplinarsache gegen den Beschwerdeführer wegen näher dargestellter Dienstpflichtverletzungen gemäß § 71 Abs. 1 des Heeresdisziplinargesetzes 1994 - HDG 1994, BGBl. Nr. 552, ein Disziplinarverfahren einzuleiten und gemäß § 72 Abs. 1 HDG 1994 eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 1996 lehnte der Beschwerdeführer den ihm im genannten Bescheid als Vorsitzenden der Disziplinarkommission bekannt gegebenen Oberstleutnant S. unter Berufung auf § 72 Abs. 2 HDG 1994 ab.

In geänderter Zusammensetzung der Disziplinarkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Militärkommando Oberösterreich - mit Major B. als Vorsitzendem - wurde der Beschwerdeführer nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Disziplinarerkenntnis vom 20. November 1996 wie folgt für schuldig erkannt und über ihn die nachstehende Strafe verhängt:

"Vzlt. F ist schuldig, dass er

1. den Befehl des Ref Ltr, Ref 3/2/StbA HUAk, sich für Tätigkeiten, die nicht unmittelbar mit seinen Tätigkeiten als NUO zusammenhängen, beim jeweiligen Ref Ltr oder beim DfUO, Vzlt K persönlich abzumelden, am 28 06 96 nicht befolgt hat (Verstoß gegen § 7 Abs. 1 der Verordnung der allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer, ADV - BGBl Nr. 43/1979 - Gehorsam).

2. am 28 06 96 unter Angaben von falschen Gründen die Kaserne ohne Genehmigung für ca. 2 Stunden verlassen hat (Verstoß gegen § 48 Abs 1 Beamtendienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979, BGBl. Nr. 333 in der Fassung des BGBl. Nr. 820/1995 - Dienstplan und § 3 Abs. 1 ADV - Allgemeine Pflichten des Soldaten).

3. den Befehl des Referatsleiters, Olt MUHR, am 28 06 96 sich sofort nach seinem Eintreffen an der Dienststelle bei ihm zu melden nicht befolgt hat (Verstoß gegen § 7 Abs. 1 ADV - Gehorsam).

4. am 28 06 96 um ca. 1130 Uhr die Kaserne ohne Genehmigung verlassen hat und erst wieder am 01 07 96 um 0730 Uhr zum Dienst erschienen ist. (Verstoß gegen § 7 Abs. 1 ADV - Gehorsam, § 48 Abs. 1 BDG - Dienstplan und § 3 Abs. 1 ADV - Allgemeine Pflichten des Soldaten).

Am 10 07 96 erstattete der Disziplinarvorgesetzte die Disziplinaranzeige, die letztlich zum gegenständlichen Disziplinarverfahren führte.

Durch sein, dem Schuldspruch zu Grunde liegendes Verhalten hat der Beschuldigte die Bestimmung der unter Pkt. 1-4 angeführten Rechtsnormen verletzt und Pflichtverletzungen im Sinne des § 2 Abs. 1 HDG begangen. Für Vzlt F wird daher gem. § 50 Z 3 HDG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- verhängt.

Gemäß § 78 HDG hat Vzlt F zusätzlich einen Kostenbeitrag von S 1.000,-- zu leisten -

Ratenbewilligung: 12 Monatsraten a S 916,-- werden bewilligt."

Mit Berichtigungsbescheid der Disziplinarkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Militärkommando Oberösterreich vom 4. Dezember 1996 wurde dieser Bescheid gemäß § 62 Abs. 4 AVG dahingehend berichtigt, dass über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 15.000,-- verhängt werde und er einen Kostenbeitrag von S 1.500,-- zu leisten habe; zwölf Monatsraten würden bewilligt. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass ein Schreibfehler vorliege, und die Höhe der Geldstrafe von der mündlichen Verlautbarung bei der Verhandlung abweiche.

Gegen beide Bescheide erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er das gegen ihn ergangene Disziplinarerkenntnis hinsichtlich Schuld und Strafe bekämpfte. Gegen den Berichtigungsbescheid brachte der Beschwerdeführer vor, dass schwer verständlich sei, dass es sich nur um einen Schreibfehler gehandelt habe. Auch ein Rechenfehler dürfte vorliegen, es sei die Geldstrafe mit fünfzig Prozent der Bemessungsgrundlage gerechnet worden. Vermutlich werde diesbezüglich ein neuerlicher Berichtigungsbescheid folgen.

Die Disziplinaroberkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Korpskommando III in Baden hob das Disziplinarerkenntnis vom 20. November 1996 mit Bescheid vom 7. Februar 1997 gemäß § 35 Abs. 2 HDG 1994 auf und verwies die Disziplinarsache an die Behörde erster Instanz zurück, weil wesentliche Mängel des Verfahrens die Wiederholung in erster Instanz erforderlich machten. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass auf Grund der Aktenlage nicht nachvollziehbar sei, warum die Geldstrafe von S 10.000,-- auf S 15.000,-- berichtigt worden sei. Nach den vorhandenen Unterlagen habe der Senat in seiner Beratung einstimmig eine Geldstrafe von S 10.000,-- beschlossen. Es sei nicht erkennbar, welche Geldstrafe tatsächlich ausgesprochen worden sei, die verkündete Entscheidung sei entgegen § 62 Abs. 2 AVG nicht in das Verhandlungsprotokoll aufgenommen worden. Außerdem sei der Berichtigungsbescheid insofern mangelhaft, als die Geldstrafe von S 15.000,-- nicht 50 Prozent der Bemessungsgrundlage entsprechen könne.

Der Vorsitzende der Disziplinarkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Militärkommando Oberösterreich lud den Beschwerdeführer mit Ladung vom 7. April 1997 zu einer neuerlichen Disziplinarverhandlung und gab ihm - verbunden mit einem Hinweis auf sein Ablehnungsrecht gemäß § 72 Abs. 2 HDG 1994 - bekannt, dass diese sich aus denselben Mitgliedern zusammensetze, die - mit Major B. als Vorsitzendem - das von der Berufungsbehörde aufgehobene Disziplinarerkenntnis vom 20. November 1996 erlassen hätten. Mit an die Disziplinarkommission gerichtetem Schreiben vom 14. April 1997 lehnte der Beschwerdeführer unter Berufung auf § 72 Abs. 2 HDG 1994 den Senatsvorsitzenden Major B. ab.

Nach neuerlicher Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter dem Vorsitz des Major B. am 22. April 1997 wurde der Beschwerdeführer daraufhin neuerlich mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Militärkommando Oberösterreich vom 30. April 1997 wegen derselben Dienstpflichtverletzungen für schuldig befunden, wie im Disziplinarerkenntnis vom 20. November 1996 (in Pkt. 3 des Spruches wurde zusätzlich als übertretene Rechtsvorschrift § 44 Abs. 1 BDG 1979 genannt), über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- verhängt und ihm Kosten in der Höhe von S 2.000,-- auferlegt; eine "Ratenbewilligung" wurde erteilt.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Beschwerdeführer neuerlich Berufung, in welcher er es hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen die Schuld und Strafe betreffend bekämpfte und u.a. auch ausführte, er sei ihm unverständlich, warum ihm bei der Ladung die Möglichkeit der Ablehnung eines Kommissionsmitgliedes angeboten sei, obwohl eine Ablehnung in einer Instanz nur einmal möglich sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Disziplinaroberkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Korpskommando III in Baden vom 15. Oktober 1997 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 50 Z. 1 HDG 1994 teilweise Folge gegeben, über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- verhängt und er zur Bezahlung eines Kostenbeitrages von S 1.500,-- verpflichtet. Es wurde die Abstattung der Geldleistung in 15 Monatsraten bewilligt.

Diese Entscheidung wurde mit ausführlichen Erwägungen zu den einzelnen Anschuldigungspunkten und zur Strafbemessung begründet.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde werden inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die Beschwerde wird zunächst damit begründet, dass die belangte Behörde unrichtig zusammengesetzt gewesen sei, weil der Ablehnung des Senatsvorsitzenden Major B. durch den Beschwerdeführer entgegen § 72 Abs. 2 HDG 1994 nicht Rechnung getragen worden sei. Es sei unhaltbar, den Beschwerdeführer in der Ladung das Ablehnungsrecht ausdrücklich nochmals einzuräumen und sich dann anschließend auf den Standpunkt zu stellen, dass dieses Recht ohnehin in dem bisher abgeführten Verfahren bereits verbraucht worden sei. Es entspreche einem allgemeinen Rechtsgrundsatz von zivilisierten Staaten, dass in einem Strafverfahren bei einer Aufhebung einer Entscheidung und Zurückverweisung an die erste Instanz überhaupt andere Senatsmitglieder zur Entscheidung herangezogen werden, um eine Benachteiligung des Rechtssuchenden zu vermeiden. Insoferne verwies der Beschwerdeführer auf § 68 Abs. 2 letzter Satz StPO. Die Einräumung des Ablehnungsrechts sei im vorliegenden Fall auch in Bescheidform erfolgt.

Für weiters rechtswidrig hält der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid deswegen, weil in seinem Fall das Verbot der reformatio in peius missachtet worden sei, das sich nicht nur auf die Entscheidung der Berufungsbehörde, sondern auch auf die Entscheidung erster Instanz nach einer Aufhebung durch die Berufungsbehörde beziehe. Im ersten Rechtsgang sei der Beschwerdeführer mit dem schriftlich ergangenen und somit jederzeit überprüfbaren Bescheid vom 20. November 1996 zu einer Geldstrafe von S 10.000,--, zahlbar in zwölf Monatsraten a S 916,-- verurteilt worden. Die mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 5. Dezember 1996 erfolgte Erhöhung der Strafe auf S 15.000,-- in Form eines Berichtigungsbescheides gemäß § 62 Abs. 4 AVG sei zu Unrecht erfolgt, weil im konkreten Fall keinesfalls von einem offenkundigen Fehler gesprochen werden könne, da hiedurch der materielle Inhalt des Bescheides abgeändert worden sei. Demgemäß sei von einer Strafe in der Höhe von S 10.000,-- auszugehen und auf Grund des Verbotes der Reformatio in peius die ursprünglich verhängte Strafe in der Höhe von S 10.000,-- oberstes Limit.

Die Beschwerde enthält im Übrigen Ausführungen hinsichtlich die einzelnen Anschuldigungspunkte sowie die Höhe der Strafe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens (unvollständig) vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Zum Vorwurf, die Behörde erster Instanz hätte auch im zweiten Rechtsgang der Ablehnung des Vorsitzenden der Disziplinarkommission durch den Beschwerdeführer Rechnung tragen müssen, beruft sich die belangte Behörde auf den Wortlaut des § 72 Abs. 2 HDG 1994, nach welchem dies nicht erforderlich gewesen sei. Die belangte Behörde verteidigt auch die Höhe der über den Beschwerdeführer verhängten Strafe und bestreitet - allerdings ohne nähere Begründung -, das Verbot der reformatio in peius missachtet zu haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer gehört als Militärperson des Dienststandes im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 2 lit. a Wehrgesetz 1990 - WG zu den Soldaten im Sinne des § 1 Abs. 1 HDG 1994. Für ihn gilt zufolge § 56 Abs. 1 zweiter Satz WG das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) mit Ausnahme seines neunten Abschnittes (§§ 91 bis 135; Disziplinarrecht).

Die Disziplinarbehörden haben zutreffend in Hinblick auf das Verfahren und die Behördenzuständigkeit das Heeresdisziplinargesetz 1994, BGBl. Nr. 522 (HDG 1994) angewendet. Das vorliegende Disziplinarverfahren wurde als Kommissionsverfahren (§§ 67 bis 76 HDG 1994) durchgeführt.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 HDG 1994 sind Soldaten wegen Verletzung der ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten disziplinär zur Verantwortung zu ziehen. Diese Pflichten ergeben sich - soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung - aus dem BDG 1979, dem WG und aus den Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV; Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 43/1979).

Die maßgeblichen Bestimmungen des HDG 1994 lauten:

HDG 1994:

"Pflichtverletzungen

§ 2. (1) Soldaten, sind disziplinär zur Verantwortung zu ziehen wegen

1. Verletzung der ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten oder

2. gröblicher Verletzung der ihnen im Miliz- oder Reservestand auferlegten Pflichten oder

3. einer im Miliz- oder Reservestand begangenen Handlung oder Unterlassung, die es nicht zulässt, sich ohne Nachteil für den Dienst und damit für das Ansehen des Bundesheeres in ihrem Dienstgrad zu belassen.

...

Ordentliche Rechtsmittel

§ 35. (1) ...

...

(3) Auf Grund einer ausschließlich vom Beschuldigten oder zu seinen Gunsten erhobenen Berufung darf keine strengere Strafe verhängt werden als in der angefochtenen Entscheidung.

...

Disziplinarstrafen

1. Abschnitt

Disziplinarstrafen für Soldaten, die den Grundwehrdienst

leisten

Arten der Strafen

§ 45. Disziplinarstrafen für Soldaten, die den Grundwehrdienst oder im Anschluss an diesen den Aufschubpräsenzdienst leisten, sind

1.

der Verweis,

2.

die Geldbuße,

3.

das Ausgangsverbot und

4.

die Unfähigkeit zur Beförderung und die Degradierung.

...

Verhandlungsbeschluss

§ 72. (1) Ist nach Durchführung der notwendigen Erhebungen der Sachverhalt ausreichend geklärt, so hat der Senat

1.

einen Verhandlungsbeschluss zu fassen oder,

2.

sofern ein Einstellungsgrund nach § 61 Abs. 3 vorliegt, das Verfahren mit Beschluss einzustellen.

Im Verhandlungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte im Einzelnen anzuführen und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung anzuordnen. Gegen den Verhandlungsbeschluss ist kein Rechtsmittel zulässig.

(2) Dem Beschuldigten ist gemeinsam mit dem Verhandlungsbeschluss die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder mitzuteilen. Der Beschuldigte hat in jeder Instanz des Kommissionsverfahrens einmal das Recht, binnen einer Woche nach Zustellung dieser Mitteilung ein Mitglied oder Ersatzmitglied des Senates ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Die rechtzeitige Ablehnung bewirkt den Ausschluss dieses Mitgliedes vom Verfahren.

(3) Ab der Zustellung des Verhandlungsbeschlusses können die Parteien Beweisanträge für die mündliche Verhandlung stellen. Über die Berücksichtigung dieser Anträge hat der Senatsvorsitzende zu entscheiden. Gegen diese Entscheidung ist kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig. Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung sind vom Senatsvorsitzenden zu bestimmen. Er hat die Parteien sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden. Die mündliche Verhandlung ist so festzusetzen, dass zwischen ihr und der Zustellung der Ladung an die Parteien ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegt.

...

Verfahren vor der Disziplinaroberkommission

§ 76. (1) Im Verfahren vor der Disziplinaroberkommission ist ein Verhandlungsbeschluss nicht erforderlich. Dem Beschuldigten ist spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder mitzuteilen. Im Verfahren vor der Disziplinaroberkommission ist § 73 Abs. 2 und 3 AVG über den Übergang der Entscheidungspflicht nicht anzuwenden.

(2) Die Disziplinaroberkommission hat im Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn

1. die Berufung als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist oder

2. in erster Instanz der Beschluss gefasst wurde, das Verfahren nicht einzuleiten oder

3.

das Verfahren in erster Instanz eingestellt wurde oder

4.

eine Ergänzung der Ermittlungen notwendig ist und diese Kommission den Disziplinarvorgesetzten mit dieser Ergänzung beauftragt oder

              5.              der Sachverhalt nach der Aktenlage hinreichend geklärt ist und keine Partei in der Berufung ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat oder

              6.              wesentliche Mängel des Verfahrens die Wiederholung der mündlichen Verhandlung in erster Instanz erforderlich machen oder

              7.              die Berufung wegen des Kostenbeitrages erhoben wurde.

Im Falle der Z 2 ist der Beschluss der Disziplinarkommission aufzuheben und dieser Kommission die Einleitung des Disziplinarverfahrens aufzutragen oder der Beschluss zu bestätigen. Im Falle der Z 3 ist der Beschluss der Disziplinarkommission aufzuheben und dieser Kommission die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen oder der Beschluss zu bestätigen. Im Falle der Z 6 ist das angefochtene Disziplinarerkenntnis aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung an die Disziplinarkommission zurückzuverweisen.

..."

Die Rüge des Beschwerdeführers, die Behörde erster Instanz hätte seiner Ablehnung des bekannt gegebenen Vorsitzenden gemäß § 72 Abs. 2 HDG 1994 Rechnung tragen müssen, ist berechtigt. Nach dem Wortlaut des § 72 Abs. 2 zweiter Satz HDG 1994 hat der Beschuldigte "in jeder Instanz des Kommissionsverfahrens einmal das Recht ... ein Mitglied oder Ersatzmitglied des Senates ohne Angabe von Gründen abzulehnen". Dies bedeutet, dass - solange das Kommissionsverfahren in ein und der selben Instanz anhängig ist - nur eine Ablehnung zulässig ist. Wird die Angelegenheit jedoch gemäß § 76 Abs. 2 letzter Satz HDG 1994 zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen und dadurch im Verfahren eine weitere "Instanz" im Sinn des § 72 Abs. 2 HDG 1994 eröffnet, so kommt das Ablehnungsrecht nach dieser Bestimmung neuerlich zum Tragen. Mit dem Wort "einmal" in § 72 Abs. 2 zweiter Satz HDG 1994 soll bloß klargestellt werden, dass das Ablehnungsrecht während der Anhängigkeit des Verfahrens in ein- und derselben Instanz nur einmal zusteht und nicht etwa vor jeder Tagsatzung der Verhandlung ausgeübt werden kann. Im vorliegenden Fall durfte dem Beschwerdeführer daher auch im zweiten Rechtsgang, in dem auf Grund des Aufhebungsbescheides der Disziplinaroberkommission vom 7. Februar 1997 ein vollkommen neues Verfahren erster Instanz durchgeführt werden musste, das ihm zustehende Ablehnungsrecht gemäß § 72 Abs. 2 zweiter Satz HDG 1994 - ungeachtet des Umstandes, dass es sich bei der Mitteilung des Vorsitzenden der Behörde erster Instanz über die Zusammensetzung der Disziplinarkommission um keinem Bescheid handelte - nicht vorenthalten werden. Hingegen wäre es durchaus zulässig gewesen, dass das im ersten Rechtsgang abgelehnte Mitglied der Behörde erster Instanz im zweiten Rechtsgang wieder tätig geworden wäre, weil sich das Ablehnungsrecht des Beschuldigten in jeder Instanz nur auf ein Mitglied der Disziplinarkommission erstreckt.

Auf Grund ihrer unrichtigen Zusammensetzung war die Disziplinarkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Militärkommando Oberösterreich sohin als unzuständige Behörde erster Rechtsstufe eingeschritten. Dadurch, dass die belangte Behörde diese Unzuständigkeit nicht wahrnahm, belastete sie ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid aufzuheben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. April 1998, Zl. 94/09/0305, Slg 14.872/A).

Die Behörden werden im Übrigen gemäß § 63 Abs. 1 VwGG im fortgesetzten Verfahren zu beachten haben, dass der Beschwerdeführer im ersten Rechtsgang zunächst - von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unbestritten - mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Unteroffiziere und Chargen beim Militärkommando Oberösterreich vom 20. November 1996 mit einer Geldstrafe von S 10.000,-- bestraft worden ist. Die - rechtskräftige - Aufhebung dieses Bescheides sowie des Berichtigungsbescheides durch die Disziplinaroberkommission erfolgte im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Berichtigung unzulässig gewesen sei.

Im Hinblick auf diesen Umstand darf daher über den Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 3 HDG 1994 auch im zweiten Rechtsgang keine strengere Strafe verhängt werden (vgl. zur Wirkung des - mit § 35 Abs. 3 HDG 1994 weitgehend gleich lautenden - Verbots der Reformatio in peius gemäß § 51 Abs. 6 VStG nach der Behebung eines vorinstanzlichen Bescheides durch die Berufungsbehörde vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0092 m.w.N.).

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. März 2000

Schlagworte

Umfang der Abänderungsbefugnis Reformatio in peius

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997090354.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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