TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/4 W183 2175903-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.05.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W183 2175903-1/10E

W183 2175917-1/11E

W183 2175902-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Erika PIELER über die Beschwerden von XXXX geb.: XXXX (BF1), XXXX , geb.: XXXX (BF2) und XXXX , geb.: XXXX (BF3), alle StA: Somalia, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zl. 16-1118024207-160802964 (BF1), Zl. 14-1019749506-14652300 (BF2) und Zl. 17-1151504409-170545535 (BF3) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.01.2018 zu Recht:

A)

I. Hinsichtlich Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden die Beschwerden gem. § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide wird den Beschwerden stattgegeben und XXXX , XXXX und XXXX gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX , XXXX und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. und IV. der angefochtenen Bescheide werden gem. § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (BF1) verließ im Jahr 2014 Somalia, stellte am 08.06.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 10.10.2016 und 18.08.2017 wurde BF1 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

Der Zweitbeschwerdeführer (BF2) verließ im Jahr 2013 Somalia, stellte am 24.05.2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 25.05.2014 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 02.12.2016 und 03.05.2017 wurde BF2 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Am 07.11.2016 wurde BF 2 zeugenschaftlich in der Sache der BF 1 einvernommen.

Der Drittbeschwerdeführer (BF3) ist der nachgeborene Sohn der BF1 und BF2 und stellte durch seine gesetzliche Vertreterin am 05.05.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im behördlichen Verfahren gab BF1 als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass ihre Familie nicht mit ihrem Mann, einem Gabooye, einverstanden gewesen sei und sie nach dessen Flucht hätte zwangsverheiratet werden sollen. BF2 gab an, die Heimat wegen der al Shabaab, die ihn rekrutieren wollte, verlassen zu haben. Auch habe er Probleme mit den Verwandten seiner Frau gehabt. Für BF3 wurden keine eigenen Fluchtgründe angegeben.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung beträgt.

3. Mit Schriftsatz vom 07.11.2017 erhoben BF1 und BF2 durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist die Rechtsmittel der Beschwerde.

4. Mit Schriftsätzen vom 08.11.2017 (eingelangt am 09.11.2017) legte die belangte Behörde die Beschwerden samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

5. Mit Schreiben vom 21.11.2017 wurden die BF1 und 2 sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.01.2018 geladen und wurde darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, Wien am 25.4.2016 (letzte Informationen eingefügt am 08.08.2017)" als Feststellungen zur Situation in Somalia seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht und Stellungnahme gegeben.

6. Am 23.01.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die somalische Sprache, der BF sowie deren Rechtsvertretung statt, in welcher die BF1 und 2 ausführlich zu ihrer Person und ihren Fluchtgründen befragt wurden und ihnen Gelegenheit gegeben wurde, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Verfahren herangezogenen Länderberichten Stellung zu nehmen. Ergänzend brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.01.2018 (in der Folge LIB 2018) zum Parteiengehör. Seitens der Rechtsvertretung wurde eine schriftliche Stellungnahme zur Situation im Herkunftsland vorgelegt. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.

Ein Strafregisterauszug betreffend die BF1 und 2 wurde am Tag der Verhandlung eingeholt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer

1.1.1. BF1 ist eine 1992 geborene, volljährige somalische Staatsangehörige aus dem Clan der Hawiye (Habar Gedir). Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt. BF1 verließ im Jahr 2014 Somalia und stellte am 08.06.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie stammt aus XXXX und lebte auch in XXXX , beides in der Region Lower Shabelle. Sie verfügt über keine Ausbildung.

1.1.2. BF2 ist ein 1994 geborener, volljähriger somalischer Staatsangehöriger. BF2 gab an, Angehöriger der Midgaan/Madhibaan zu sein und kann betreffend die Clanzugehörigkeit nichts Gegenteiliges festgestellt werden. Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt. BF2 verließ im Jahr 2013 Somalia und stellte am 24.05.2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Er stammt aus XXXX und lebte vorwiegend in XXXX . BF2 arbeitete als Fahrer und in der eigenen Landwirtschaft.

1.1.3. BF1 und BF2 sind miteinander traditionell verheiratet. Die Heirat fand im Jahr 2011 in Somalia statt.

1.1.4. BF3 ist der 2017 in Österreich geborene, minderjährige Sohn der BF1 und 2. BF3 ist somalischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

1.1.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF1, 2 und 3 an einer physischen oder psychischen Erkrankung leiden.

1.2. Zu den Familienangehörigen der BF im Herkunftsstaat

Den Angaben der BF1 und 2 zufolge befinden sich in Somalia die gemeinsame Tochter der BF1 und 2. Sie lebt bei der Tante des BF2 in XXXX , zu welcher die BF1 und 2 Kontakt haben. Die Tante führt ein schwieriges Leben. BF1 hat zwei Brüder und eine Schwester, welche in XXXX wohnen. Auch die Tante und der Onkel wohnen in XXXX . Ein Onkel lebt in Mogadischu. Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF1 einen Kontakt zu ihren Familienangehörigen in Somalia hat. BF2 hat in Somalia neben seiner Tante eine Exfrau und eine Tochter mit dieser.

1.3. Zum Fluchtvorbringen

Es kann nicht festgestellt werden, dass BF1 im Falle einer Rückkehr nach Somalia Verfolgung durch ihre Familie droht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass BF2 im Falle einer Rückkehr nach Somalia Verfolgung durch die Familie der BF1 bzw. durch die al Shabaab oder aufgrund der Clanzugehörigkeit droht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass den BF aus anderen Gründen asylrelevante Verfolgung in Somalia droht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass BF3 in Somalia Verfolgung droht.

1.4. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

1.4.1. Die Herkunftsregion der BF ist unter der Kontrolle der al Shabaab (vgl. Karte im LIB 2018 S 15). In der Stadt XXXX gibt es einen AMISOM Stützpunkt, doch gilt das Gebiet als gefährdet (LIB 2018 S 27).

1.4.2. Al Shabaab herrscht autoritär und repressiv und setzt auch strikte Moralgesetze durch (Kleidervorschriften, Rasieren, Khatkonsumverbot,... vgl. LIB 2018 S 45, 53). Die Rekrutierung von Mitgliedern erfolgt im Wesentlichen über ökonomische Anreize, religiöse Überzeugung und Medienarbeit oder auch zwangsweise (vgl. LIB S 69). Primäres Ziel ist die Gruppe der 10-15 Jährigen und wird etwa in Moscheen angeworben. Zwangsrekrutierungen kommen seltener vor und richten sich an einen Clan oder eine Gemeinde, nicht aber an Einzelpersonen. Ziel der Zwangsrekrutierungen ist es, Kinder zu gewinnen. (vgl. LIB 2018 S 70f.). Es ist kein Beispiel bekannt, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hätte. In Städten liegt der Fokus der al Shabaab auf dem Eintreiben von Steuern, im ländlichen Bereich auf der Aushebung von Rekruten (vgl. LIB 2018 S 72).

1.4.3. Die Situation der Minderheit der Gabooye hat sich seit der Jahrtausendwende gebessert (vgl. LIB 2018 S 93). Mischehen kommen äußerst selten vor. Hier kann es problematisch sein, wenn ein Minderheitenmann eine Frau aus einem Mehrheitsclan heiratet. Im clanmäßig homogenen Norden ist die Stigmatisierung höher als im Süden. Konsequenz einer Mischehe kann die Verstoßung durch die eigene Familie sein. Zu Gewalt oder gar Tötungen kommt es so gut wie nie (vgl. LIB 2018 S 93).

1.4.4. Zwangsehen können in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten vorkommen, in städtischen Zentren sind sie aber nicht bekannt (vgl. LIB 2018 S 97).

1.4.5. In den Gebieten der al Shabaab ist FGM verboten. In städtischen Gebieten ist die Anonymität eher gegeben, was eine Rolle spielt, wenn Eltern ihre Tochter nicht beschneiden lassen wollen. Zu einem psychischen Druck auf die Mutter kann es kommen, doch ist dies außergewöhnlich. Ist der Kindesvater gegen eine FGM, kann auch die Mutter dem Druck leichter standhalten. Vgl. LIB 2018 S 100f.

1.4.6. Weite Teile Somalias sind derzeit dürrebedingt von einer massiven Nahrungsversorgungsunsicherheit betroffen. Mehr als sechseinhalb Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, wobei die Zahl der akut Betroffenen in den vergangenen Monaten massiv angestiegen ist und übereinstimmende Prognosen eine weitere drastische Verschlechterung der Situation erwarten lassen. Die Unterernährung von Kindern sowie die Verbreitung von Krankheiten (z.B. Cholera) sind im Steigen begriffen, seit November 2016 wurden mehr als 700.000 Menschen dürrebedingt innerhalb Somalias vertrieben. Die Lage wird als an der Kippe zur Hungersnot beschrieben, einzelne Hungertote sind bereits bestätigt. Vgl. LIB 2018 S121 ff. und die Karte auf S 125.

1.5. Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten und es sind keine Aberkennungsgründe hervorgekommen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (25.05.2014, 08.06.2016), durch das BFA (10.10.2016 und 18.08.2017; 07.11.2016, 02.12.2016 und 03.05.2017) und durch das Bundesverwaltungsgericht (23.01.2018), die Fotos von der Hochzeit der BF1 und 2 (AS 607, 609), das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia vom 12.01.2018, die Stellungnahme der BF vom 22.01.2018 und die Strafregisterauszüge vom 23.01.2018.

2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Zur Person der BF

Die Angaben betreffend Alter, Staatsangehörigkeit und Herkunftsregion, Familienangehörige, Familienstand und Gesundheitszustand sind glaubwürdig, weil sie im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibend und auch zwischen den BF übereinstimmend gemacht wurden. Es gibt keine Gründe, daran zu zweifeln und waren die BF diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig.

2.2.2. Zum Fluchtvorbringen

Das Vorbringen der BF1 betreffend ihren Fluchtgrund ist unglaubwürdig. Generell ist festzuhalten, dass die BF1 bereits im Verfahren vor dem BFA sehr gesteigert vorbringt, schwerst gefoltert und angekettet worden zu sein (AS 551 und 552). Wenn BF1 in der mündlichen Verhandlung vorbringt, beim BFA nicht angegeben zu haben, dass sie in einem Zimmer eingesperrt war, so ist das nicht nachvollziehbar, weil BF1 beim BFA mehrfach angab, eingesperrt oder angekettet gewesen zu sein und es im Anschluss an die Einvernahme eine Rückübersetzung gab, wo BF1 auch mehrerer Punkte, nicht aber diesen korrigierte. Eine falsche Übersetzung oder Protokollierung ist daher nicht anzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang auch auf den Beschwerdeschriftsatz zu verweisen, wo dezidiert als Fluchtgrund das Einsperren und Schlagen durch die Familie angegeben wird (Schriftsatz S 3).

Der von BF1 angeführte Fluchtgrund, nämlich, dass sie von der eigenen Familie verfolgt werde, weil sie einen Minderheitenangehörigen geheiratet habe, ist insgesamt unglaubwürdig, weil sie angibt, den BF2 aus der Nachbarschaft zu kennen, ihn regelmäßig getroffen zu haben und mit ihm eine große Hochzeit gefeiert zu haben.

Auch sind Angaben im Zusammenhang mit der Hochzeit widersprüchlich:

So hat sie vor dem BFA gesagt, eine große Hochzeit gehabt zu haben, wo viele Leute waren (AS 549, 553f), vor dem BVwG gab sie eine kleine Feier an (Niederschrift S 14). Vor dem BFA sagte sie, mein Mann hatte Angst, so eine große Hochzeit zu feiern, ich aber nicht (AS 554). Vor dem BVwG hingegen gab sie an: "obwohl ich Angst hatte, trug ich ein weißes Kleid" (Niederschrift S 14). Diese Inkonsistenz wurde BF1 ausführlich unter Hinweis auf das Protokoll vorgehalten, doch konnte sie keine plausible Erklärung dafür geben. Eine falsche Protokollierung ist nicht anzunehmen, weil am Ende der Einvernahme durch das BFA sehr genau korrigiert wurde und sich die BF1 ausführlich mit ihrer Einvernahme auseinandersetzte und eine Rückübersetzung erfolgte (vgl AS 561f).

Auf dem von den BF vorgelegten Foto von der Hochzeit ist die BF1 in einem weißen Brautkleid ohne Schleier zu sehen. Befragt nach dem Ablauf der Hochzeit gaben die BF in der mündlichen Verhandlung an, was sie trugen (Niederschrift S 14 und 22). Damit ist aber die Frage nicht beantwortet und ist dies vielmehr der Versuch, sich auf bereits Vorliegendes (Foto) zu beschränken. Insgesamt waren die Angaben zur Hochzeit vage und kaum initiativ. Details konnten erst auf konkrete Nachfrage erkundet werden. Nicht glaubwürdig ist die Angabe der BF1, nicht zu wissen, wie die Gäste hießen. Selbst unter Berücksichtigung, dass die BF1 nur mit den Frauen feierte, hätte sie sich an Namen erinnern müssen, gibt sie doch an, dass nur ca 30 Personen geladen waren und es sich dabei um die Nachbarn handelte. Gerade an die Namen von Nachbarn hätte sie sich jedoch erinnern können. Für das Bundesverwaltungsgericht besteht zwar kein Zweifel an einer Heirat der BF1 und 2, doch wird angezweifelt, dass es sich um eine heimliche Hochzeit einer von ihrer Familie unterdrückten Frau mit einem Mann aus einem Minderheitsclan handelte.

Es ist weiters nicht nachvollziehbar, dass BF1, die angibt, sehr schlecht von ihrer Familie behandelt worden zu sein, in der Folge doch eine versteckte Beziehung mit BF2 führen konnte und dies auch nachdem ihr Onkel erfahren hat, dass sie heiraten möchten. Beim BFA gab die BF1 an: "sie wussten von dem Kontakt mit dem Mann und haben mich eingesperrt (AS 550), vor dem BVwG sagte sie "wir führten eine versteckte Beziehung" (Niederschrift S 13).

Eine ernsthafte, asylrelevante Verfolgung der BF1 durch ihre Familie ist auch deshalb nicht anzunehmen, weil sie zwar einerseits massive Einschränkungen durch ihre Familie vorbringt, andererseits aber immer wieder freikommen konnte (zB nach dem Duschen, um dann zu heiraten: AS 551, oder nachdem sie hätte zwangsverheiratet werden sollen und unter Folter dem zustimmte, mit 200 USD zum Einkaufen geschickt wurde: AS 552). Auch ist zu beachten, dass die BF 1 und 2 im Jahr 2011 geheiratet haben und ist die BF1 erst im Jahr 2014 aus Somalia ausgereist. Ihr Mann ist ein Jahr zuvor ausgereist. Zwischen der Heirat und der Ausreise liegt somit eine lange Zeitspanne.

Nicht nachvollziehbar ist auch, dass die Tante der BF1 der Grund der angeblich asylrelevanten Verfolgung sein soll, dieselbe aber beim Anblick der schwangeren BF1 von einer Mitnahme dieser Abstand nahm (AS 554).

Auch das Vorbringen der BF1 betreffend eine drohende Zwangsheirat ist unglaubwürdig, weil sie einerseits angibt, vom Onkel gefoltert worden zu sein, um kurz darauf eine beträchtliche Summe Geld (200 USD) zum Shoppen erhalten zu haben (AS 552).

Dass es außer diesem Grund noch weitere Gründe für das Verlassen des Heimatlandes gibt, hat BF1 in der mündlichen Verhandlung explizit verneint (Niederschrift S 11).

Wenn die BF1 in der mündlichen Verhandlung vorbringt, dass sie beschnitten ist und auch ihrer in Somalia lebenden Tochter eine Beschneidung droht, so ist damit in dem konkreten Fall keine Verfolgung glaubwürdig vorgebracht worden, weil die BF1 nicht von sich aus und im ganzen Verfahren bislang nicht diese Themen zur Sprache brachte. Auch im Beschwerdeschriftsatz wird darauf nicht Bezug genommen. Auf die Frage, ob es weitere Gründe für das Verlassen Somalias gibt, antwortete die BF1 in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift S 11) explizit, dass sie keine weiteren Probleme habe und sie, wenn es die angeführten Probleme nicht gäbe, dort leben könnte. Erst als die Rechtsvertreterin am Ende der Einvernahme der BF1 konkret dieses Thema zur Sprache bringt und Fragen nach Problemen in diesem Zusammenhang stellt, führt BF1 an, dass sie Schmerzen bei der Regel habe. Die Frage, ob sie negative Konsequenzen befürchte, wenn sie ihre Tochter nicht beschneiden lasse, bejahte sie und gab an, dass es ein großes Problem sei. Von sich aus brachte BF1 aber nichts Diesbezügliches vor und machte sie insbesondere keine näheren Angaben, sondern blieb allgemein (Niederschrift S 19). So sagte sie, dass sie in der Schwangerschaft immer schwach sei. Befragt durch die Rechtsvertreterin, ob sie auch psychische Probleme habe, sagte sie "Stress" und es belaste sie, dass ihr Sohn gestorben ist. Dazu ist festzuhalten, dass es naheliegend ist, dass eine Schwangerschaft auch Änderungen in der psychischen Be- und Empfindlichkeit mit sich bringt. Ebenso nachvollziehbar ist, dass der Tod des Sohnes zu Schlaflosigkeit führt. Es handelt es sich hierbei aber um keine asylrelevante Verfolgung. Im Übrigen ist nicht glaubwürdig dargelegt worden, dass durch die Weigerung, die Tochter beschneiden zu lassen, ein asylrelevanter Druck auf sie ausgeübt wird. Schließlich hat sie initiativ dieses Thema zu keinem Zeitpunkt auch nur erwähnt und ist auch der Mann der BF1 gegen eine Beschneidung. Insgesamt lassen die Antworten der BF1 betreffend Beschneidung nicht den Schluss zu, dass sie von asylrelevanter Intensität wären. Auch vor dem Hintergrund, dass die BF1 insgesamt einen persönlich höchst unglaubwürdigen Eindruck hinterließ, ist dieser Fluchtgrund auszuscheiden.

Auch der BF2 war betreffend sein Fluchtvorbringen nicht glaubwürdig. Dass er tatsächlich von al Shabaab heimgesucht wurde, ist bereits deshalb nicht plausibel, weil seine Frau in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, wann die Männer kamen und sie das näher erzählen soll, antwortete, sich nicht daran genau erinnern zu können, auch wisse sie nicht, wann das war (Niederschrift S 17). Gerade dies wären aber Angaben, die im Rahmen der Einvernahme ihres Mannes überprüfbar wären. Abgesehen davon ist es auch nicht glaubwürdig, dass sie sich nicht daran erinnern kann, weil es sich dabei doch um das zentrale Fluchtvorbringen ihres Mannes und ein somit für die Familie einschneidendes Erlebnis handeln müsste. Andere Daten oder ungefähre Zeitangaben konnte BF1 sehr wohl machen (zB Hochzeit). Erst nach der Einvernahme des BF2 und der Durchführung einer Pause gibt BF1 an, dass ihr Mann vor dem Zimmer der Geschwister war (Niederschrift S 35). Warum sie dies nicht bereits anfangs angab, ist nicht nachvollziehbar.

Die Erzählweise des BF2 spricht ebenfalls dafür, dass es sich um eine einstudierte Fluchtgeschichte handelt. So konnte er in der mündlichen Verhandlung nicht chronologisch rückwärts seine fluchtauslösende Geschichte erzählen (Niederschrift S 29f). Ebenso war er bereits vor dem BFA nicht in der Lage, seine vorbereitete Reihenfolge zu verlassen (vgl. AS 231).

Auch wenn es nicht glaubwürdig ist, dass BF2 von al Shabaab bedroht wurde, so ist doch auch die vorgetragene Fluchtgeschichte insgesamt nicht stimmig und schlüssig, weil nach einer Verwarnung und auch bereits vollzogenen Auspeitschung kein vernünftiger Mensch weiterhin gegen Vorschriften der al Shabaab verstoßen hätte. Wenn BF2 aus einer Gegend stammt, wo al Shabaab die Kontrolle hat, muss er wissen, was deren Vorschriften sind. Das Argument, er liebe Musik und habe nicht damit aufhören können (Niederschrift S 32), ist unglaubwürdig, weil die Liebe zu Musik in keine Relation zu einer drohenden Lebensgefahr steht. Selbst wenn man annimmt, dass BF2 tatsächlich einmal ausgepeitscht wurde, ist davon auszugehen, dass er in der Folge alles unternimmt, um nicht nochmals bestraft zu werden. Gerade in einer Region, wo die al Shabaab präsent ist, ist ein derart sorgloses Verhalten wie es der BF2 setzte nicht nachvollziehbar.

Gänzlich unplausibel ist, dass BF2 im Rahmen des Gebetes flüchten konnte, obwohl er ja bereits mehrfach gegen die Moralvorschriften der al Shabaab verstoßen hat, mehrfach ausgepeitscht wurde und auch mit einem Messer gestochen wurde. Dass er Körperpflege machen kann, während Gebetszeit ist, und gerade als die al Shabaab Männer die Köpfe senkten, weglaufen konnte, ist unrealistisch.

Die Probleme des BF2 mit dem Onkel der BF1 erklärte der BF2 explizit nicht zu seinem Fluchtgrund (AS 232f.). Insgesamt sind die Angaben des BF2 betreffend seine Probleme als Minderheitenangehöriger in der mündlichen Verhandlung vage und allgemein gehalten (vgl. Niederschrift S 24: jedes Mal beschimpft, benachteiligt; S 28: er hat mich geschlagen). Auch der Pauschalverweis auf "die geschilderten Probleme" (Niederschrift S 29) macht eine tatsächliche Verfolgung durch den Onkel nicht glaubwürdig. BF2 gab an, dass er nach der Hochzeit auf in der Landwirtschaft gearbeitet hat und seine Felder neben denen der Familie der BF1 lagen. Es wurden also keine Probleme konkretisiert.

Die persönliche Glaubwürdigkeit des BF2 ist schließlich auch deshalb erschüttert, weil er im Zusammenhang mit "seinem" Handy falsche Angaben machte. Die Frage, ob er ein Handy habe, verneinte er (Niederschrift S 26). Als BF2 bei der Rückübersetzung der Einvernahme der BF1 telefonierend vor dem Verhandlungssaal von der Richterin gesehen wurde und dann darauf angesprochen wurde, verstrickte er sich in Widersprüche, war emotional sehr aufgewühlt und beriet sich mit seiner Rechtsvertreterin. BF2 gab an, mit der Frau eines Bekannten telefoniert zu haben, die Nahima heißt, konnte aber in der Folge nicht das entsprechende Anrufprotokoll zeigen. Später gab er auch widersprüchlich an, mit dem Bekannten telefoniert zu haben. Dieser Vorfall zeigt, dass BF2 nicht spontan und wahrheitsgemäß antworten kann. Es entsteht der Eindruck, BF2 wolle etwas verheimlichen.

Widersprüche zeigen sich schließlich auch bei einem Vergleich der Einvernahmen der BF1 und 2: so etwa in Bezug auf die Situation des "um die Hand Anhaltens": Während die BF1 angab (AS 551) "mein Mann kam mit seinem Onkel in unser Haus" sagte BF2 auf die Frage, welches Problem er mit dem Onkel der BF1 hatte: "Wir haben uns getroffen, außerhalb der Stadt und das war geheim. Ich war mit meinen Stammesältesten dort, um um ihre Hand anzuhalten" (AS 240).

Widersprüchlich sind auch die Datumsangaben im Zusammenhang mit der Heirat und dem Umzug der BF1 zum BF2 nach XXXX im Rahmen der mündlichen Verhandlung: So gab die BF1 an, am 15.06.2011 geheiratet zu haben (Niederschrift S 14), aber am 15.05.2011 bereits nach XXXX gezogen zu sein (Niederschrift S 7 und 8). BF 2 gab an, am 01.06.2011 geheiratet zu haben und sei seine Frau nach 2 Monaten zu ihm nach XXXX gekommen.

Ein Vergleich der beiden Fluchtvorbringen macht schließlich deutlich, dass sowohl BF1 wie auch BF2 angeben, von ihren Verfolgern gefoltert und angekettet worden zu sein und im Rahmen der Körperpflege geflüchtet zu sein (BF1: AS 551, 553; BF2: AS 232); Auch wenn sie näher auf die Folterungen zu sprechen kommen sollen, gaben sie an, mit dem Fuß getreten und auf den Kopf geschlagen worden zu sein (BF1: AS 555, BF2: AS 234). Es liegt somit eine Ähnlichkeit der Erzählweise bzw. der Konkretisierung von Details vor und ist auch deshalb von einem vorab einstudierten Fluchtvorbringen auszugehen.

Während die Antworten auf Nachfragen im Wesentlichen stets sehr kurz und allgemein gehalten sind, ist die Fluchtgeschichte ausführlich, was ebenfalls auf eine Vorbereitung und nicht eine spontane Antwort eines tatsächlichen Erlebnisses schließen lässt.

Auffallend vor allem im Rahmen der mündlichen Verhandlung war, dass die BF1 und 2 - obwohl sie insbesondere bei den Einvernahmen durch das BFA in ihrer Wortwahl sehr dramatisch waren (zB foltern, anketten, auspeitschen), in ihrem persönlichen Ausdruck emotionslos blieben. Es konnte weder durch Gestik, noch durch Stimmlage oder Gesichtsausdruck ein authentischer Eindruck des Erlebten vermittelt werden. Hätten die BF1 und 2 diese vorgebrachten Gewalteinwirkungen tatsächlich erlebt, hätten sie diese nicht bloß regungslos aufgezählt, sondern - und das ist der Zweck einer mündlichen Verhandlung gerade im Asylrecht - den Eindruck des persönlich Erlebten vermittelt. Emotionen konnten bei BF2 lediglich am Ende der mündlichen Verhandlung, als dieser das Handy vorzeigen sollte, festgestellt werden. Bereits bei der Einvernahme durch das BFA wurde die emotionslose Erzählweise festgestellt (AS 231).

Wie bereits näher ausgeführt wurde, war kein Fluchtvorbringen für sich alleine glaubwürdig. Der Umstand, dass die BF1 und 2 mehrere Gründe vorbrachten, welche potentiell asylrelevant sein könnten (Minderheitenzugehörigkeit, Mischehe, al Shabaab, Verstoß gegen deren Regeln betreffend Haarschnitt, Kath kauen, Musik hören), erweckt aber zusätzlich den Eindruck, dass die BF bestrebt waren, aus welchem Grund auch immer, Asyl zu erhalten.

Für BF3 wurden explizit keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht (AS 560) und sind auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens keine hervorgekommen.

Die Feststellung, dass den BF auch aus anderen als den angeführten Gründen keine Verfolgung in Somalia droht, ergibt sich aus deren Einvernahmen, wo sie von sich aus keine weiteren Gründe vorbrachten, sowie aus den herangezogenen Länderberichten.

Abgesehen von der persönlich unglaubwürdig vorgebrachten Verfolgung, ist eine Verfolgungsgefahr vor dem Hintergrund der festgestellten Situation im Herkunftsstaat auch objektiv nicht wahrscheinlich.

Betreffend die BF1 ist festzuhalten, dass Mischehen zwar problematisch sein können, dies aber vor allem im Norden (Somaliland) und grundsätzlich ist nicht mit Gewalt oder gar Tötung zu rechnen. Zwangsehen kommen im städtischen Bereich nicht vor und ist Qoryooley ein AMISOM Stützpunkt. Eine zwangsweise Rekrutierung des BF2 unter Gewalteinwirkung durch al Shabaab ist auch objektiv nicht wahrscheinlich, weil eher durch finanzielle Anreize geworben wird und altersmäßig die Gruppe der 10-15 Jährigen betroffen ist, BF 2 aber bereist volljährig ist. Dass gerade Angehörige der Madhiban zwangsrekrutiert werden, ist aus der Berichtslage nicht ersichtlich. Im Rahmen einer ganzheitlichen Würdigung des Vorbringens der BF vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte ist somit eine aktuell drohende Verfolgungsgefahr nicht objektivierbar.

2.2.3. Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia vom 12.01.2018 wiedergegebenen und zitierten Berichten. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme an. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde das aktuelle LIB 2018 eingeführt und Parteiengehör gewährt. Den Länderberichten wurde nicht substantiell entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.

Zu der im Rahmen der mündlichen Verhandlung von der Rechtsvertretung der BF vorgelegten schriftlichen Stellungnahme vom 22.01.2018 ist festzuhalten, dass sich die Berichte betreffend Mischehen einerseits auf Berichte älteren Datums beziehen (zB ACCORD Anfrage aus dem Jahr 2009 bzw. Berichte aus den Jahren 2010 und 2012), andererseits Fälle beschreiben, welche sich in Somaliland zutrugen. Den vom BVwG getroffenen Feststellungen liegt jedoch das LIB 2018, welches sich in Bezug auf das Thema Mischehen auf den Bericht des Schweizer Staatssekretariats für Migration zu Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 bezieht, zugrunde und handelt es sich damit um einen aktuellen Bericht. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die BF aus Zentral/Südsomalia stammen und nicht aus Somaliland, welches clanmäßig, wie festgestellt wurde, homogener ist und damit nicht als Vergleichsbeispiel tauglich ist. Im Übrigen stehen die in der Stellungnahme zitierten Berichte in keinem Widerspruch zu den vom BVwG herangezogenen Berichten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt I.

3.2.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN, vom 30. September 2015, Ra 2015/19/0066, und vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH vom 15. Mai 2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.2.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt daraus, dass, wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, die BF1 und 2 in Bezug auf ihren vorgebrachten Fluchtgrund persönlich unglaubwürdig waren und die Angaben im Zuge des gesamten Verfahrens nicht hinreichend konsistent waren. Hinzu kommt, dass die vorgebrachte Verfolgungsgefahr auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht objektivierbar ist. Für BF3 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht und konnten auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens keine wahrgenommen werden. Da die Glaubhaftmachung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Asyl ist, und es den BF nicht gelungen ist, eine aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund aktuell drohende Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft zu machen, war die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt II. und III.

3.3.1. Die gegenständlich relevante Rechtsgrundlage des § 8 AsylG 2005 lautet:

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

----------

1.-der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2.-dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

-wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Aus der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137) ergibt sich zusammenfassend Folgendes:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053 mwN). [Anm.: zuletzt auch VwGH 30.01.2018, Ra 2017/20/0406]

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 und 23.09.2009, 2007/01/0515 mwN).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Betreffend den Herkunftsstaat Somalia hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass dort eine notorische Dürrekatastrophe herrscht (VwGH 31.08.2017, Ra 2016/21/0296; 21.12.2017, Ra 2017/21/0135) und die Behörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht sich mit den Folgerungen für die konkrete Situation des Antragstellers auseinandersetzen muss.

3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt vor dem Hintergrund dieser Rechtsgrundlagen, dass bei einer Rückkehr der BF nach Somalia die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK besteht. So kann nicht festgestellt werden, dass BF1 über ein familiäres und soziales Netzwerk in Somalia verfügt. BF2 hat eine Tante in Somalia, welche die gemeinsame Tochter versorgt. Ihre wirtschaftliche Lage ist allerdings schwierig. Weiters ist die durch die anhaltende Dürre dramatisch gewordene Nahrungsmittelknappheit auch in der angegebenen Herkunftsregion des BF vorhanden, sodass im Falle der Rückkehr der BF die ernsthafte Gefahr bestünde, dass diese in eine ausweglose Lage geraten würden. Gesamtheitlich betrachtet ergibt sich in dem konkreten Fall der BF auf Grund mehrerer kumulativer Faktoren (keine wirtschaftlich verlässlichen familiären Bezugspunkte in Somalia, Unsicherheit hinsichtlich der humanitären Situation in Form von Nahrungsmittelunsicherheit und Gewährleistung von Lebensgrundlagen) eine Situation, wonach davon auszugehen ist, dass BF bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung entgegen Artikel 3 EMRK ausgesetzt wären.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht BF nicht offen, weil die Dürre mittlerweile landesweit zu einer allgemeinen schlechten Lebensmittelversorgung führte.

Unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des konkreten Falles kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr Gefahr laufen würden, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK unterworfen zu werden. Eine Rückführung der BF würde diese daher in ihren Rechten nach Art. 3 EMRK verletzen.

Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind und BF1 und 2 andererseits strafrechtlich unbescholten sind. BF3 ist minderjährig.

Dem Antrag auf internationalen Schutz war daher in Bezug auf die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten stattzugeben und den BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuzuerkennen. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 war den BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten für die Dauer von einem Jahr zu erteilen.

3.4. Zu Spruchpunkt IV.

Auf Grund der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten waren die Spruchpunkte III. und IV. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.

3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter Punkt 3.2. und 3.3. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung, Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz,
subsidiärer Schutz, Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W183.2175903.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten