TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/8 W169 2176883-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.2018
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Entscheidungsdatum

08.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2176883-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2017, Zl. 16-1136336103-161604052, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.11.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Punjabi und Hindi spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Der Beschwerdeführer habe in Indien neun Jahre die Grundschule besucht und von 2006 bis 2010 als Tischler gearbeitet. In Indien würden die Eltern des Beschwerdeführers leben. Indien habe er legal, im Besitz eines Reisepasses und eines Visums, verlassen. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass es in Indien zwei verschiedene politische Parteien namens "Akali" und "Congres" gebe und zurzeit erstere an der Macht sei. Der Beschwerdeführer gehöre aber der "Congres" an. Weil Mitglieder der "Akali" ihre Landwirtschaft abgenommen hätten, habe sich sein Vater zur Wehr gesetzt. Aus diesem Grund hätten die "Akali" einen Berufsmörder namens " XXXX " auf den Beschwerdeführer angesetzt, welcher ihn mehrmals attackiert und am rechten Auge und am linken Arm verletzt habe. Aus diesem Grund habe er sein Land verlassen müssen. Für den Fall einer Rückkehr habe er Angst vor dem "Berufsmörder namens XXXX ".

2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.10.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Er spreche Punjabi, Hindi, Urdu sowie etwas Englisch und Deutsch. Der Beschwerdeführer habe im Heimatdorf mit den Eltern im Elternhaus gelebt, in Indien acht Jahre die Schule besucht, von 2004 bis 2008/2009 eine Ausbildung zum Tischler gemacht und den Beruf vier bis fünf Jahre lang ausgeübt. Daneben habe der Beschwerdeführer in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet, wo Weizen, Reis und Gemüse angebaut werden würden. Ihnen sei es wirtschaftlich sehr gut gegangen, der Beschwerdeführer habe genug Geld gehabt. Nach seiner Flucht aus seinem Herkunftsort sei der Beschwerdeführer als Abwasch-Aushilfe in Dehli tätig gewesen. Er sei ledig, kinderlos und gesund. Im Herkunftsstaat würden sich auch weiterhin die Eltern des Beschwerdeführers befinden, zu denen er seit ungefähr zwei Monaten keinen Kontakt mehr habe; er wisse nicht, ob sie immer noch an derselben Adresse wohnhaft seien, da sie von der Polizei befragt worden seien. Die Leute, mit denen er Probleme gehabt habe, hätten die Polizei bestochen. Weiters habe er einen Onkel und eine Tante in Indien, zu denen er keinen Kontakt und auch kein gutes Verhältnis habe. Der Beschwerdeführer kontaktiere immer wieder einen Schulfreund, welcher ihm Neuigkeiten über seine Eltern berichte, wenn er etwas erfahre.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (A:

nunmehriger Beschwerdeführer; F: Leiter der Amtshandlung):

"(...)

F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben (freie Erzählung)!

A: Wir haben Probleme wegen dem Grundstück. Diese anderen Menschen sind sehr mächtig und wollten unser Grundstück weggenehmen, daher gibt es Probleme. Es sind drei Brüder, welche noch mehr Leute haben, die für sie arbeiten. Einmal haben sie mich alle geschlagen. Einmal hat man unseren Anbau kaputt gemacht. Diese Menschen haben so viel Geld, dass diese auch die Polizei bestochen haben, damit meine Anzeige nicht aufgenommen wurde. Auch wenn sie mich umbringen würden, würde nichts passieren, weil sie so viel Geld haben. Dann haben sie mich noch einmal geschlagen. Bei diesem Mal wurde ich mit dem Baseballschläger am Kopf geschlagen, mit dem Messer wurde ich am linken Arm verletzt und ich wurde an den Beinen auch mit dem Schläger geschlagen. Ich habe auch genug Geld, dass ich ein gutes Leben haben könnte, aber im Vergleich zu ihnen habe ich kein Geld und ich wäre auch nicht in der Lage mich gegen sie zu wehren. Deshalb hat mein Vater beschlossen, dass ich Indien verlassen.

Das ist mein einziger Fluchtgrund. Ich möchte nicht lange in Österreich bleiben, nur so lange bis das Problem gelöst ist, dann möchte ich wieder nach Indien zurück.

F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?

A: Nein, ich habe alles erzählt. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.

F: Gab es jemals bis zu den besagten Vorfällen auf Sie irgendwelche Übergriffe oder ist an Sie persönlich jemals irgendwer herangetreten?

A: Nein.

F: Wer sind diese drei Brüder?

A: Der Vater von diesen drei Brüdern war kriminell. Er hat Drogen verkauft. Jetzt machen die drei Brüder auch das gleiche. Sie verkaufen Drogen und haben das kriminelle Business vom Vater erweitert. Der Vater hat Kontakte zu Politiker und sie haben sehr viel Geld.

F: Woher kennen Sie diese kriminelle Familie?

A: Das sind Nachbarn unseres Grundstücks.

Aufforderung: Nennen Sie die Namen der drei Brüder und dem Vater!

A: Der Vater wird XXXX genannt. Wie die Brüder heißen, kenn ich mich nicht erinnern, weil diese andere beauftragen, ihre "Feinde" zu schlagen und sie diese Arbeit nicht selbst erledigen.

F: Wie lautet der Nachname des Vaters?

A: Das weiß ich nicht.

F: Was befindet sich auf Ihrem Grundstück?

A: Dort befindet sich unsere Landwirtschaft und die anderen wollten unsere Landwirtschaft besitzen.

F: Was befindet sich auf dem Grundstück der Kriminellen?

A: Auch eine Landwirtschaft. Sie verkaufen auch Drogen. Wenn jemand fragt, woher sie so viel Geld haben, geben sie an, dass sie genug Grundstücke haben, um die Erlöse des Drogenverkaufes zu vertuschen.

F: Wie lange kennen Sie diese Familie schon?

A: Ich kenne sie schon sehr lange. Sie haben das Grundstück schon vor meiner Geburt besessen. Mein Vater kennt diese Leute auch. Mein Opa und der Opa dieser Brüder haben ein gutes Verhältnis. Seit der Opa von den Brüdern verstorben ist, gibt es diese Probleme.

F: Wie oft wurden Sie persönlich von diesen Brüdern angegriffen?

A: Einmal war es so, dass einer dieser Brüder bei mir war. Er meinte, dass unser Grundstück seines wäre, aber ich meinte, nein, das ist unsers. Dann ging er wieder. Danach hat er oder die anderen zwei Menschen beauftragt mich zu schlagen.

F: Wann wurden Sie das erste Mal geschlagen?

A: 2015.

F: Wann genau?

A: Ich kann mich nicht an den Monat erinnern. Wir waren auch bei der Polizei und haben gesagt, dass ich geschlagen worden bin. Die Brüder meinten, dass sie das nicht gemacht hätten. Ich glaube, dass sie nicht nur Menschen vom eigenen Dorf beauftragen, sondern auch Menschen von anderen Dörfern, um das nicht mehr nachweisen zu können. Beim zweiten Mal als ich geschlagen wurde, war bei einer Kreuzung. Dort waren anderen Menschen, welche mir geholfen haben, dass die Beauftragten mich gehen lassen. Die Beauftragten meinten, dass sie mich dieses Mal gehen lassen, weil Passanten da wären, aber das nächste Mal würden sie mich umbringen. Deswegen hat mein Vater mich dann ins Ausland geschickt.

F: Wie oft wurden sie insgesamt geschlagen?

A: Zwei Mal.

F: Welche Verletzungen haben Sie beim ersten Mal davon getragen?

A: Mein linker Arm wurde gebrochen.

F: Kannten Sie die "Beauftragten"?

A: Nein. Ich weiß nicht woher diese kommen und wer diese sind. Alle die mich geschlagen hatten, hatten eine Waffe, der eine einen Baseballschläger, der anderen ein Messern.

F: Waren es bei beiden Übergriffen dieselben oder unterschiedliche Personen?

A: Nur einer war immer dieselbe Person und die anderen waren unterschiedlich.

F: Wie viele Personen waren beim ersten Übergriff dabei?

A: 9-10 und ich war alleine.

Aufforderung: Schildern Sie den gesamten Tagesablauf an dem die erste Schlägerei stattfand unter Angabe sämtlicher Details!

A: Ich bin einem Geschäft gestanden, als die Beauftragten von hinten gekommen sind und mir auf den Kopf geschlagen haben. Ich fiel um. Dann haben sie mich weiter geschlagen und ich habe versucht mein Gesicht zu retten und habe die Hand vor das Gesicht gelegt. Dann haben sie mich auf meinem Arm geschlagen, wodurch dieser brach. Sie haben mich dann überall geschlagen, dann sind sie in ein Auto eingestiegen und weggefahren.

F: Was haben sie dann gemacht, als diese wegfuhren?

A: Ich habe nichts gemacht. Die Passanten haben mir geholfen und haben mich zum Arzt gebracht. Ich hatte keine Ahnung was da los war. Ich war fast bewusstlos.

F: Und dann? Waren Sie am selben Tag noch beim Arzt?

A: Ja.

F: Was hat der Arzt gemacht?

A: Er hat mir einen Gips gemacht.

F: Was war danach?

A: Ich war für einen Tag im Krankenhaus. Am nächsten Tag bin ich nach Hause gegangen.

F: Welcher Arzt hat Sie behandelt?

A: Ich kann mich nicht an seinen Namen erinnern, aber er hatte ein Schild mit M.B.B.S. (Titel).

Anmerkung: Eine Pause wird angeordnet.

Beginn: 09.45 Uhr

Fortsetzung: 10.10 Uhr

F: Wann hatten Sie den letzten "Kontakt" zu dieser kriminellen Bande?

A: Im 8. Oder 9. Monat 2015, war der letzte Kontakt. Dann habe ich das meinem Vater erzählt. Dann habe ich mein Dorf verlassen und bin nach Delhi gezogen. Als ich noch in dem Dorf Patti war, habe ich mich immer versteckt. Da ich einen Bekannten in Delhi habe, dachte ich dass ich dort in Sicherheit bin und zog nach Delhi zu ihm. Auch mein Freund XXXX wurde von diesen Brüdern befragt, wo ich wäre, da sie mich mit ihm gesehen haben. Er antwortete, dass er nicht wüsste wo ich bin.

Aufforderung: Schildern Sie den gesamten Tagesablauf des zweiten Übergriffes unter Angabe sämtlicher Details!

A: Beim zweiten Mal war ich in der Stadt namens XXXX , weil mein Freund XXXX hat dort etwas erledigen müssen. Wir waren bei einer Kreuzung. Der XXXX ging in ein Geschäft und ich wartete auf ihn bei meinem Motorrad. Dann kamen diese Menschen und haben angefangen mich zu schlagen. Einer davon hatte ein großes Messer, mit welcher er mich über meinem Auge verletzt. Als ich mein Gesicht schützen wollte, hat er mich am linken Arm verletzt. Inzwischen kam mein Freund auch vom Geschäft hinaus, welcher gesagt hat, sie sollen mich in Ruhe lassen. Das haben auch Passanten mitbekommen, welche sich eingemischt haben. Die Beauftragten haben mich gehen lassen. Von diesen Beauftragten gab es nur einen Mann, der auch beim ersten Mal dabei gewesen ist. Sie sind weggefahren. Dann hat mich XXXX zum Arzt gebracht, wo ich behandelt wurde.

F: Welche Behandlung haben Sie erhalten?

A: Ich habe einen Verband bekommen. Ich war eine viertel Stunde oder eine halbe Stunden beim Arzt. Ich habe auch auf meiner Verletzung am Auge einen Verband bekommen.

F: Wo genau hatte dieser Arzt seine Praxis?

A: In XXXX .

F: Wie viele "Beauftragte" waren beim zweiten Geschehnis dabei?

A: 5-6 glaube ich. Aber ich habe sie nicht genau zählen können, da das Motorrad auf mich fiel.

F: Wann hat der zweite Übergriff stattgefunden?

A: Im 09. Oder 10. Monat 2015. Nach 3-4 Monate nach dem ersten Angriff.

F: Weshalb wollten diese Leute unbedingt Ihr Grundstück?

A: Diese Brüder haben zu uns gesagt, dass wir das Grundstück ihnen verkaufen sollen, aber mein Vater war nicht dafür, weil wir von dem Grundstück bzw. der Landwirtschaft sehr viel Erlös gemacht haben. Daher wollten sie dann unser Grundstück.

F: Wie oft waren Sie bei der Polizei?

A: Zwei Mal.

F: Woher wissen Sie, dass der Vater der drei Brüder Kontakte zur Politik hat?

A: Das ganze Dorf weiß davon, was der Vater für eine Arbeit macht. Dass er auch andere Stücke im Dorf schon weggenommen hat.

F: Welche Kontakte in der Politik hat dieser Vater?

A: Er kennt Politiker von der Partei Akali.

F: Welche Politiker kennt dieser besagte Vater?

A: Er kennt Politiker, welche eine höhere Position haben und auch Polizisten, welche eine höhere Position haben. Er kennt auch den

M.L.A.

F: Was bedeutet M.L.A.?

A: Das ist so was wie der Landeshauptmann.

F: Wann haben Sie Anzeige erstattet?

A: Die Anzeige wurde nicht aufgenommen. Die Polizei sagt, dass wir keine Probleme mit diesen Menschen haben und alle haben Recht. Ich glaube die Polizei wurde bestochen.

F: Wann gingen Sie zur Polizei mit der Absicht eine Anzeige zu erstatten?

A: Ende 2014. Wir wollten eine Anzeige erstatten, dass diese Menschen unser Grundstück wegnehmen wollen. Nach vier oder fünf Monaten haben sie uns das erste Mal geschlagen, weil diese mitbekommen haben, dass wir bei der Polizei waren.

F: Woher wissen Sie, dass diese drei Brüder jemanden beauftragt haben?

A: Wir haben sonst mit niemanden ein Problem. Wir haben sonst keine Feinde.

F: Woher wissen Sie, dass diese Brüder die Polizisten bestochen haben?

A: Ich weiß es, weil als wir bei der Polizei waren, sagte diese, dass wir keine Probleme mit dieser Familie haben würden und die Anderen Recht hätten. Weiters sagten sie, dass wenn wir nicht von der Polizeistation gehen würden, würden sie gegen uns eine Anzeige erstatten und dann müssten wir in das Gefängnis gehen.

F: Wenn Sie sagen, dass diese Brüder sehr viel Geld hat, von wie viel Geld sprechen wir?

A: Man kann sich nicht vorstellen, wie viel Geld sie haben. Sie haben die meisten Grundstücke im Dorf.

F: Mit welchem Auto waren die "Beauftragten" bei den zwei Übergriffen unterwegs?

A: Ich weiß nicht, was das für ein Auto war. Jedes Mal war ein anderes Auto. Das Auto stand weiter weg, sie sind dann zum Auto gerannt und weggefahren.

F: Wann waren Sie das zweite Mal, als Sie zur Polizei gegangen sind?

A: Nach dem zweiten Angriff.

F: Auf welche Polizeistationen gingen Sie jeweils?

A: Bei beiden Malen gingen wir zur Polizeistation von unserem Dorf Patti.

F: Was genau tat die Polizei beim zweiten Besuch?

A: Als ich beim zweiten Mal bei der Polizei war, sagte ich, dass ich geschlagen wurde und die Menschen, welche mich geschlagen haben, von den Brüden beauftragt wurden. Dann fragte die Polizei, woher ich wüsste, dass die Brüder diese beauftragt haben, ob ich einen Beweis habe. Die Polizei meinte, dass diese die Anzeige nicht aufnehmen können, wenn ich keine Beweise habe bzw. nicht weiß, wer diese Menschen sind. Ich war mir sicher, dass diese Brüder diese Menschen geschickt haben, weil ich sonst keine Feinde habe. Außerdem hat ein Bruder zu mir gesagt, als ich gesagt hatte, dass wir das Grundstück nicht verkaufen, dass er mich "sehen" würde. Er meinte das als Drohung.

F: Warum sind Sie nicht nach dem ersten Übergriff schon zur Polizei gegangen?

A: Das was ich eben erzählt habe, war beim ersten Mal. Ich ging beim zweiten Mal nicht mehr zur Polizei, da ich wusste, dass die Polizei nichts unternimmt. Jeder hat Angst von diesen Menschen, weil diese so viel Geld und Macht haben.

F: Können Sie Ihr Vorbringen mit Beweismitteln untermauern?

A: Nein. Ich habe nur geschaut, dass mein Leben in Sicherheit ist.

F: Haben Sie sich bezüglich der erwähnten Probleme jemals an anderweitigen staatlichen Behörden oder Organisationen gewandt und diese um Hilfe ersucht?

A: Ja, mein Vater ging auch zum M.L.A. Damals war die Partei Congress nicht in der Regierung, aber jetzt schon. Ich hoffe, dass sich die Lage langsam verbessert. Als die Brüder mitbekommen haben, dass mein Vater beim M.L.A. war, haben sie meinen Vater gefoltert und seit zwei oder drei Monaten wohnt mein Vater nicht mehr im Dorf.

F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?

A: Ich habe Angst um mein Leben, da sie mir beim zweiten Mal gedroht haben, dass sie mich umbringen würden. Deshalb will ich zurzeit nicht mehr nach Indien, weil mein Leben dort nicht in Sicherheit ist.

F: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?

A: Ich bin doch nach Delhi gezogen. Aber diese Menschen haben das herausgefunden und haben wieder Leute beauftragt mich zu suchen. Das habe ich meinem Vater erzählt. Mein Vater hat mich ins Ausland geschickt.

F: Wie konnten Sie in Delhi gefunden werden?

A: Ich konnte auch nicht immer zu Hause bleiben und musste arbeiten. Ich habe 3 Monate als Abwäscher gearbeitet und so hätten sie mich gefunden. Ein Freund von mir hat mir erzählt, und gesagt, dass die Brüder wissen, dass ich in Delhi bin. Sie haben bereits schon Menschen nach Delhi geschickt um mich dort zu suchen. Dieser Freund hat das auch meinem Vater berichtet.

F: Woher wusste Ihr Freund das?

A: Mein Freund ist sehr arm und die Mutter arbeitet bei dieser Familie als Putzfrau und daher wusste er das. Nach dem zweiten Angriff hat mir dieser Freund geholfen, dass ich behandelt werde. Die Familie der Brüder sagte zu seiner Mutter, dass mein Freund nicht mehr mit mir Zeit verbringen sollte. Er hat das auch unterlassen und wir haben nur Kontakt über das Telefon.

F: Wissen Sie über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in Ihrer Heimat Bescheid?

A: Ja, darüber weiß ich Bescheid.

(...)"

Weiters verneinte der Beschwerdeführer die Fragen, ob er vorbestraft sei oder Strafrechtsdelikte begangen habe, in seiner Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht werde, von Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet worden oder aufgrund der Rasse, Religion, politischen Gesinnung, Nationalität, Volksgruppe oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden sei. Er sei nicht Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen, sympathisiere jedoch mit der der Congress Partei. Weiters gab der Beschwerdeführer befragt an, dass er eigentlich auch nie Probleme mit den Behörden gehabt habe, jedoch habe er eine Anzeige bei der Polizei erstatten wollen, welche nicht aufgenommen worden sei, weil die Polizei von den Feinden des Beschwerdeführers bestochen worden sei.

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Verwandten oder Familienangehörigen habe und viel über Indien und seine Eltern nachdenke. Sonst sei er zuhause oder besuche einen Deutschkurs. Er gehe keiner Beschäftigung nach; er sei bereit, jede Arbeit zu verrichten. Er lebe von der Grundversorgung und wohne in einem Flüchtlingsheim. Der Beschwerdeführer habe keinen Deutschkurs des Niveaus A2 gemacht, habe keinen Abschluss und besuche in Österreich keine Schule, Kurse oder sonstigen Ausbildungen. Er sei auch nicht Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation und habe keine Freunde. Auf die Frage, ob er sonstige Gründe namhaft machen könne, die für seine Integration sprechen würden, führte der Beschwerdeführer an, dass die Leute sehr nett und freundlich seien.

Dem Beschwerdeführer wurden am Ende der Einvernahme aktuelle Länderberichte zur Situation in Indien zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit einer etwaigen Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme und gab an, dass er die Situation in seiner Heimat kenne.

3. Der Beschwerdeführer legte dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Eingabe vom 04.10.2017 einen ärztlichen Befundbericht vor, wonach er an einer Schuppenflechte leide. Weiters wurde eine Bestätigung über eine Teilnahme des Beschwerdeführers an einem Deutschkurs vorgelegt.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Nach Wiederholung der Fluchtgründe wurde moniert, dass sich die Behörde nicht hinreichend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe. Da es sich beim Beschwerdeführer um einen nicht vertretenen, rechtsunkundigen Fremden handle, habe dieser nicht gewusst, welche Details für sein Vorbringen wichtig seien, jedoch sei es ihm in einer Gesamtschau durchaus gelungen, die fluchtkausalen Momente umfassend zu schildern. Auch seien die herangezogenen Länderberichte unvollständig und bestehe im Falle des Beschwerdeführers keine innerstaatliche Fluchtalternative. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht die Sprachen Punjabi, Hindi, Urdu sowie etwas Englisch. Im Herkunftsstaat lebte er im Elternhaus im Bundesstaat Punjab, wo er acht Jahre die Grundschule besuchte, eine Tischlerlehre absolvierte, etwa fünf Jahre als Tischler arbeitete und zudem in der familieneigenen Landwirtschaft aushalf. Seiner Familie ging es wirtschaftlich sehr gut. Er ist ledig und hat keine Kinder. Im Herkunftsstaat leben nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers. Ein Schulfreund des Beschwerdeführers, mit dem der Beschwerdeführer Kontakt hat, informiert den Beschwerdeführer über seine Eltern. Weiters leben ein Onkel und eine Tante des Beschwerdeführers in Indien.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine inländische Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörigen in Österreich. Er besucht einen Deutschkurs, bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer lebt in einem Flüchtlingsheim und geht keiner Beschäftigung nach. Er besucht in Österreich keine Schule, Kurse oder sonstigen Ausbildungen und ist auch nicht Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation. Er ist gesund und steht im erwerbsfähigen Alter.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

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USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

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NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale A

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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