TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/15 97/09/0315

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Veröffentlicht am 15.03.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §37;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §90;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der E M in W, vertreten durch Dr. Manfred Ainedter und Dr. Friedrich Trappel, Rechtsanwälte in Wien II, Taborstraße 24a, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundessozialamt Vorarlberg vom 13. August 1997, Zl. OB 920-011372-000SK/M-2/97, betreffend Witwenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 13. September 1996 verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin, Josef Mangler, war Schwerbeschädigter und bezog bis zu seinem Tod eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H. Als Dienstbeschädigungen waren die Gesundheitsschädigungen "Zustand nach Teilresektion der

8. Rippe links, Zustand nach Fraktur der 7. und 9. Rippe sowie Zustand nach Pleuritis links mit Verschwartung und mittelgradiger kardiopulmonaler Funktionsstörung" anerkannt.

Die Beschwerdeführerin stellte am 30. September 1996 an das Bundessozialamt Vorarlberg den Antrag auf Gewährung einer Witwenpension und eines "Todesfallbeitrages".

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. August 1997 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundessozialamtes Vorarlberg vom 29. Jänner 1997 keine Folge gegeben und damit die Abweisung des Antrages auf Witwenrente gemäß § 34 KOVG 1957 bestätigt.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Behörde erster Instanz sei auf Grund eines eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachtens vom 7. Dezember 1996 zu dem Ergebnis gelangt, dass "der Tod des Beschädigten in erster Linie im Gefolge des ausgedehnten, metastasierenden Prostata-Karzinoms eingetreten, die respiratorische Situation durchaus als mit einem Weiterleben vereinbar anzusehen und somit ein Hinweis auf das Vorliegen einer Todesursache im Gefolge der anerkannten Dienstbeschädigungsleiden nicht anzunehmen sei". Im Berufungsverfahren sei ein lungenfachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt worden. In diesem (aktenmäßig erstatteten) Gutachten vom 4. Juni 1997 sei dargelegt worden, dass ein "akutes Herzversagen" als Todesursache und eine "koronare Herzkrankheit sowie ein metastasierendes Prostata-Karzinom mit Chemotherapie" als wesentliche Erkrankungen angegeben worden seien. Die im Versorgungsakt des Verstorbenen aufliegende Befunderhebung, die Lungenfunktionsprüfung sowie Belastungsuntersuchungen hätten ergeben, dass ein Cor pulmonale nicht mittel- oder unmittelbare Folge der anerkannten Dienstbeschädigungen sein könne. Der geringe kausale Anteil des nachgewiesenen Lungenemphysems sei mit einem Viertel anzunehmen und in der Einschätzung des anerkannten DB-Leidens nach Richtsatzposition Nr. 305 bereits inkludiert. Im Vordergrund stehe das akausale Bäcker-Asthma. Es sei zudem die Tatsache hervorgekommen, dass maligne Erkrankungen im Sinne eines paraneoplastischen Syndroms häufig thrombo-embolische Komplikationen mit entsprechenden Folgeerkrankungen (Herzinfarkt, Lungenembolie etc.) hervorrufen und bei Betrachtung der Todesursache zusätzlich zu berücksichtigen seien. Zusammenfassend sei der Tod des Schwerkriegsbeschädigten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf ein altersbedingtes Herzversagen bei Multimorbidität, das wie angeführt, auch im Zusammenhang mit dem metastasierenden Tumorleiden gesehen werden müsse, zurückzuführen. Der Tod sei somit weder unmittelbare noch mittelbare Folge der anerkannten Dienstbeschädigung. Diese Ausführungen im lungenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 4. Juni 1997 erachte die belangte Behörde als schlüssig. Da bei dem verstorbenen Schwerbeschädigten die Voraussetzungen im Sinn des § 36 Abs. 1 KOVG 1957 nicht erfüllt seien, werde der Berufung unter Zugrundelegung des genannten Sachverständigengutachtens keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Gewährung einer Witwenrente gemäß § 34 KOVG 1957 verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 oder Z. 3 lit. a, b oder c VwGG kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 34 KOVG 1957 (zuletzt geändert mit Novelle BGBl. Nr. 594/1981) regelt die "Hinterbliebenenrente". Ist der Tod die unmittelbare oder mittelbare Folge einer Dienstbeschädigung, so wird nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle Hinterbliebenenrente (Witwenrente, Witwerrente, Waisenrente, Elternrente) gewährt. Der Tod gilt nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle stets als Folge einer Dienstbeschädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Dienstbeschädigung anerkannt war und für das er bis zum Tod Anspruch auf Beschädigtenrente hatte.

Gemäß § 36 Abs. 1 KOVG 1957 ist Witwen (Witwern) nach Schwerbeschädigten, die bis zum Tod Anspruch auf eine Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 60 v.H. oder auf eine Pflegezulage hatten, der Anspruch auf Witwen(Witwer)rente auch dann gewahrt, wenn der Tod nicht die Folge einer Dienstbeschädigung war.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die Voraussetzungen einer Gewährung der Witwenrente entsprechend § 34 zweiter Satz oder § 36 Abs. 1 KOVG 1957 nicht vorgelegen sind.

Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde geltend, die belangte Behörde habe nicht einmal festgestellt, wodurch der Tod ihres Ehegatten eingetreten sei. Der Bescheid sei nicht ausreichend begründet. Konkrete Feststellungen darüber, ob "diese Ursache Folge einer Dienstbeschädigung ist", seien nicht getroffen worden. Aus der von ihr vorgelegten Todfallsanzeige und dem vorgelegten Totenbeschauschein ergebe sich akutes Herzversagen als Todesursache. Sie habe zwei Atteste des (ihren Ehegatten zuletzt) behandelnden Arztes - eines Universitätsdozenten für Interne Medizin - vorgelegt. Ob das akute Herzversagen auf die kardiopulmonale Funktionsstörung (festgestellte Dienstbeschädigung) zurückzuführen sei oder nicht, hätte nicht von einem lungenfachärztlichen Sachverständigen, sondern einem Sachverständigen für Innere Medizin beantwortet werden müssen. Die belangte Behörde habe sich in keiner Weise mit den ärztlichen Attesten des Universitätsdozent Dr. Breier auseinander gesetzt; sie hätte im angefochtenen Bescheid begründen müssen, aus welchen Gründen sie nicht diesen ärztlichen Attesten des behandelnden Arztes, sondern dem eingeholten Sachverständigengutachten Dris. Kohout folge. Bei Würdigung dieser Beweise hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass die Darstellung des Universitätsdozent Dr. Breier schlüssig sei, wonach das Herzversagen Folge der Herzinsuffizienz, diese wiederum Folge des Cor pulmonale und derart kausal auf die Kriegsbeschädigung zurückzuführen sei.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Ansprüchen aus der Kriegsopferversorgung die so genannte Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung anzuwenden. Danach ist als Ursache der eingetretenen Wirkung die Gesamtheit derjenigen Bedingungen zu werten, die an dem Erfolg wesentlich mitgewirkt haben. Wirken mehrere Bedingungen für einen Erfolg zusammen, kann nur jene Bedingung als wesentlich gewertet werden, die in ihrer Wirkung den anderen Bedingungen nach Bedeutung und Tragweite annähernd gleichwertig ist. Die Wahrscheinlichkeitsurteile nach § 4 Abs. 1 KOVG 1957 sind auch bei Prüfung von Ansprüchen nach § 34 leg. cit. zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1964, Slg. NF Nr. 6518/A).

Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Während der ursächliche Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit dem schädigenden Vorgang nur wahrscheinlich zu sein braucht, müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen (schädigender Vorgang, gesundheitliche Schädigung) selbst bewiesen werden, das heißt, es muss eine so hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass darauf die Überzeugung von der Wahrheit und nicht der bloßen Wahrscheinlichkeit gegründet werden kann. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder das Nichtfestgestelltseins einer Tatsache sind - auch bei amtswegiger Ermittlungspflicht - von dem zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, Zl. 94/09/0149, und die darin angegebene Judikatur).

Die Beschwerdeführerin hat - wie den vorgelegten Verwaltungsakten und ihrem Beschwerdevorbringen übereinstimmend zu entnehmen ist - am 16. Juli 1997 durch ihren bevollmächtigten Vertreter vom Vorarlberger Kriegsopferverband in den gegenständlichen Versorgungsakt, damit insbesondere auch in das seit 1. Juli 1997 darin befindliche Sachverständigengutachten Dris. Kohout vom 4. Juni 1997 Einsicht genommen (dem Sohn der Beschwerdeführerin wurden zudem am 7. August 1997 Kopien der beiden im Akt befindlichen Sachverständigengutachten übergeben).

Die belangte Behörde hat zur Abklärung des mit einem ärztlichen Attest von Univ.Doz. Dr. Breier vom 20. Februar 1997 belegten Berufungsvorbringen, wonach das durch Kriegsverletzungen bedingte Cor pulmonale die Todesursache gewesen sei, im Berufungsverfahren ein lungenfachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Diesem Sachverständigengutachten ist die Beschwerdeführerin bzw. ihr bevollmächtigter Vertreter vom Vorarlberger Kriegsopferverband nicht mehr entgegengetreten. Dass ihr zu den Beweisergebnissen des Berufungsverfahrens kein Parteiengehör gewährt worden sei oder sie gehindert gewesen sei, an der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes im Berufungsverfahren mitzuwirken, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Entgegen den Beschwerdebehauptungen hat die belangte Behörde gerade durch die Einholung des in Rede stehenden lungenfachärztlichen Sachverständigengutachtens eine fachmedizinische Auseinandersetzung mit den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Attesten des behandelnden Arztes Univ.Doz. Dr. Breier herbeigeführt.

Insoweit die Beschwerdeführerin ohne weitere Begründung meint, die Auswirkungen der kardiopulmonalen Funktionsstörung (festgestellte Dienstbeschädigung) hätte von einem Facharzt für Innere Medizin beurteilt werden müssen, ist zu erwidern, dass die anerkannten Dienstbeschädigungen (Folgen einer Lungendurchschuss-Steckschussverletzung und Rippenresektion) als Lungenverletzungen primär das lungenfachärztliche Fachgebiet betreffen. Dass dem (auch von der Behörde erster Instanz) beigezogenen pulmologischen Gutachter vorliegend die erforderliche Fachkenntnis fehlen würde, wurde im Verwaltungsverfahren weder in den vorgelegten ärztlichen Attesten des behandelnden Facharztes für Innere Medizin noch von der Beschwerdeführerin behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch vor dem Hintergrund der Beschwerdeausführungen die von den Behörden getroffene Auswahl der bestellten ärztlichen Sachverständigen nicht als (sachlich verfehlt bzw.) rechtswidrig zu erkennen. Die in der Beschwerde behauptete Unvollständigkeit des Ermittlungsverfahrens ist somit nicht vorgelegen.

Das im Berufungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten kommt auf Grund der im Einzelnen wiedergegebenen Befundgrundlagen und fachmedizinischen Erwägungen unter anderem ausdrücklich zu dem Ergebnis, dass ein Cor pulmonale weder unmittelbar noch mittelbar Folge der beim verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin festgestellten Dienstbeschädigung sein kann. Dass bei dem verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin rein akausale, seinen Gesundheitszustand massiv beeinträchtigende Faktoren (Prostata-Karzinom, Belastungen durch eine Chemotherapie) vorgelegen waren, wird in der Beschwerde nicht widerlegt. Die Beschwerdeführerin hat zudem nicht hinreichend dargetan, welche Tatsachen und Erwägungen die rechtliche Beurteilung stützen sollten, das ins Treffen geführte Cor pulmonale bzw. die Dienstbeschädigung habe derart wesentlich zum Tod ihres Ehegatten beigetragen, dass diese Bedingung in ihrer Wirkung anderen Bedingungen für den Eintritt des Todes annähernd gleichwertig sei.

Wenn die belangte Behörde ihrer Entscheidung in freier Beweiswürdigung das im Berufungsverfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten zu Grunde gelegt hat, ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof in dieser Hinsicht zustehenden nachprüfenden Kontrolle nicht als unschlüssig zu erkennen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 18. November 1959, Slg. NF Nr. 5050/A). Die im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung für die Heranziehung des Sachverständigengutachtens erweist sich vor dem Hintergrund unterbliebener Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen dieses Gutachten, sowie dem Umstand, dass letztlich einander widersprechende Sachverständigengutachten gar nicht vorlagen, als hinreichend (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1959 in Slg. NF Nr. 5007/A).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. März 2000

Schlagworte

Sachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997090315.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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