TE Vwgh Erkenntnis 2018/4/18 Ra 2017/22/0205

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Veröffentlicht am 18.04.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §29 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 5. September 2017, VGW-151/011/9503/2017-2, betreffend Aufenthaltsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Ö Ö in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 2. Juni 2017 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Antrag des Mitbeteiligten, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 2. März 2017 auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz ab.

Die belangte Behörde hielt fest, der Mitbeteiligte, der bereits anlässlich der Verlängerungsanträge in den Jahren 2015 und 2016 über die Notwendigkeit eines ausreichenden Studienerfolgs belehrt worden sei, habe zunächst nur zwei positiv abgeschlossene Prüfungen vorweisen können. Später nachgereichte Prüfungsnachweise hätten nicht berücksichtigt werden können, weil die Prüfungen nicht im maßgeblichen Zeitraum (sondern im Wintersemester 2016) stattgefunden hätten. Für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sei nur jener Studienerfolg anzurechnen, der im Wintersemester 2015 und im Sommersemester 2016 erzielt worden sei. Mangels hinreichenden Studienerfolgs sei der Antrag abzuweisen gewesen.

2 Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten behob das Verwaltungsgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss vom 5. September 2017 diesen Bescheid und verwies das Verfahren gemäß § 28 Abs. 3 und 4 VwGVG an die belangte Behörde zurück. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

Das Verwaltungsgericht hielt fest, dass "dem gänzlich ungeordneten Akt als auch dem angefochtenen Bescheid keinerlei Verfahrensablauf und mit dem Spruch korrespondierende Begründung zu entnehmen" sei. Es sei für das Verwaltungsgericht "nicht nachvollziehbar, welche Zeugnisse im angefochtenen Bescheid verwertet oder auch nicht verwertet" worden seien. Das Verwaltungsgericht erachte es nicht als in seiner Kompetenz gelegen, einen "nicht im Mindesten geordneten Akt durchzuarbeiten". Daher sei der Beschwerde stattzugeben und der Antrag zur weiteren Bearbeitung an die belangte Behörde zurückzuverweisen gewesen.

3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.

4 Der Mitbeteiligte erstattete eine Stellungnahme, in der er auf in der Zwischenzeit positiv absolvierte Prüfungen verweist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG abgewichen.

Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig und auch berechtigt.

6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG (siehe das Erkenntnis VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) normiert diese Bestimmung einen prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG für eine Sachentscheidung vor, hat das Verwaltungsgericht jedenfalls eine solche zu treffen (siehe auch VwGH 27.7.2017, Ra 2017/22/0033, Rn. 12, mwN). Zudem hat das Verwaltungsgericht - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten hat - nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt (siehe VwGH 16.1.2018, Ra 2017/22/0162, Rn. 8).

7 Im vorliegenden Fall sind die Feststellungen und die Begründung des vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides der belangten Behörde vom 2. Juni 2017 zwar insofern mangelhaft, als daraus nicht klar hervorgeht, welche Prüfungen (mit welchem Umfang an ECTS-Punkten) die belangte Behörde für die Beurteilung des von ihr als nicht ausreichend angesehenen Studienerfolgs herangezogen hat.

8 Allerdings rechtfertigen auch Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Aufhebung und Zurückverweisung, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung zu vervollständigen sind (vgl. VwGH 12.12.2017, Ra 2017/22/0066, Rn. 15, mwN).

Vorliegend hat die belangte Behörde den Mitbeteiligten nach Antragstellung zur Vorlage (weiterer) Studienerfolgsnachweise aufgefordert und in der Folge - ausgehend davon, dass sie für ihre Entscheidung (gemessen am Entscheidungszeitpunkt: zutreffend) das Studienjahr 2015/2016 als das vorangegangene und somit maßgebliche Studienjahr und daher die im Wintersemester 2016 absolvierten Prüfungen als nicht relevant angesehen hat - einen Studienerfolg im Ausmaß von 8 Semesterstunden bzw. 16 ECTS-Punkten als nicht erbracht erachtet. Angesichts dessen kann nicht gesagt werden, der Revisionswerber habe jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen oder lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt.

9 Der bloße Verweis auf einen chronologisch ungeordneten Akt (wobei die vom Mitbeteiligten vorgelegten Prüfungsnachweise jedenfalls in dem dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakt aufliegen) stellt keine nachvollziehbare Begründung für ein Absehen von einer meritorischen Entscheidung dar (vgl. zur Lektüre des Aktenkonvolutes bzw. zur Verwertung von im Akt befindlichen Unterlagen VwGH 24.6.2015, Ra 2015/04/0019; 11.11.2015, Ra 2015/11/0053).

10 Der angefochtene Beschluss ist daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 18. April 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220205.L00

Im RIS seit

16.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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