TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/17 97/19/0782

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Veröffentlicht am 17.03.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §6 Abs1;
AVG §73 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):97/19/0783

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde 1. des 1962 geborenen S S, und 2. der 1995 geborenen F S, beide vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit eines Devolutionsantrages in Sachen einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG iVm § 73 Abs. 2 AVG wird der Devolutionsantrag der Beschwerdeführer vom 30. September 1996 zurückgewiesen.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 6.610,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer, der zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung vom 1. September 1994 bis 30 Juni 1996 für den Zweck "S/selbstständige Erwerbstätigkeit" verfügte, stellte am 26. März 1996 persönlich beim Magistrat der Stadt Wien den Antrag auf Verlängerung der letztgenannten Aufenthaltsbewilligung, wobei als Aufenthaltszweck die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit angegeben wurde. Als "derzeitiger Wohnsitz" wird ein näher bezeichneter Ort in Ägypten, als "derzeit aufrechte polizeiliche Meldung in Österreich" eine näher bezeichnete Anschrift in Wien angegeben. Letztere scheint auch unter der Rubrik "gesicherte Unterkunft in Österreich" auf.

Die am 21. Dezember 1995 in Österreich geborene Zweitbeschwerdeführerin beantragte gleichfalls am 26. März 1996, vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, beim Magistrat der Stadt Wien erstmals die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, wobei als Aufenthaltszweck Familiengemeinschaft mit ihrem namentlich angeführten Vater, dem Erstbeschwerdeführer, angegeben wurde. Die Angaben betreffend "derzeitiger Wohnsitz", "derzeit aufrechte polizeiliche Meldung in Österreich" und "gesicherte Unterkunft in Österreich" entsprechen jenen im Antrag des Erstbeschwerdeführers.

Mit Verfügung vom 2. Mai 1996 trat der Landeshauptmann von Wien diese Anträge zuständigkeitshalber dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung ab, weil die Beschwerdeführer mittlerweile an eine näher bezeichnete Anschrift nach Niederösterreich verzogen waren. Diese Verfügung (samt beiliegenden Akten) langte am 7. Mai 1996 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung ein.

Mit einer am 30. September 1996 bei der belangten Behörde eingelangten Eingabe machten die Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht in Ansehung ihrer Anträge vom 26. März 1996 auf die belangte Behörde geltend. Sie wiesen darauf hin, dass "auf Grund einer Änderung des Hauptwohnsitzes während des Verfahrens" der Akt zuständigkeitshalber an die Bezirkshauptmannschaft Mödling weitergeleitet worden war.

Eine Entscheidung der belangten Behörde über diesen Devolutionsantrag erging nicht.

Mit der am 15. April 1997 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde machen die Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde in Ansehung dieses Devolutionsantrages geltend.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai 1997, der belangten Behörde zugestellt am 16. Mai 1997, wurde diese gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgefordert, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift desselben dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

Ohne dass eine Entscheidung über diesen Devolutionsantrag ergangen wäre, legte die belangte Behörde am 23. Oktober 1997 sowie in weiterer Folge über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes am 6. Mai 1999 die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Frage des Überganges der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Devolutionsantrag auf den Verwaltungsgerichtshof:

Die belangte Behörde hat es unterlassen, über den am 30. September 1996 eingelangten Devolutionsantrag innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 27 Abs. 1 VwGG zu entscheiden. Entscheidungspflicht besteht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. 9458/A) auch dann, wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen kann. Die am 15. April 1997 erhobene Säumnisbeschwerde ist daher zulässig. Der fruchtlose Ablauf der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Nachfrist bewirkte den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Devolutionsantrag auf den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat daher anstelle der belangten Behörde über den Devolutionsantrag zu entscheiden.

2. Zur Frage des Übergangs der Entscheidungspflicht durch den Devolutionsantrag vom 30. September 1996 von der erstinstanzlichen Behörde auf die belangte Behörde (und damit nunmehr auf den Verwaltungsgerichtshof):

Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 6 Abs. 1 AVG ausgesprochen, dass das Weiterleiten eines Anbringens nach dieser Gesetzesbestimmung das Erlöschen der Entscheidungspflicht der abtretenden Behörde bewirkt, hat sie doch durch diesen Verwaltungsakt - wenn auch nicht bindend - eine im Gesetz vorgesehene Verfügung über den Antrag getroffen, die ihrem Wesen nach notwendig die Annahme des Weiterbestehens ihrer Entscheidungspflicht ausschließt und weiters zur Folge hat, dass mit dem Einlangen des abgetretenen Antrages bei der "zuständigen" Behörde diese die Entscheidungspflicht nach § 73 Abs. 1 AVG trifft (vgl. den hg. Beschluss vom 3. April 1989, Zl. 89/10/0085).

Mit "Einlangen" im Sinne dieser Bestimmung ist nach dem Vorgesagten daher das Eintreffen bei der Behörde, deren Entscheidungspflicht in Rede steht (oder etwa im Fall einer Berufung bei einer als Einbringungsstelle gesetzlich festgelegten anderen Behörde), gemeint, nicht jedoch das Einlangen bei einer anderen Behörde, welche im Zeitpunkt der Antragseinbringung unzuständig war, oder auch in der Folge (wie im vorliegenden Fall unstrittig) unzuständig wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1998, Zlen. 96/19/2190, 2191).

Daraus folgt einerseits, dass eine Säumnis des Landeshauptmannes von Wien infolge Erlöschens seiner Entscheidungspflicht nicht vorliegt (eine Fallkonstellation, dass die Beschwerdeführer auf eine Zuständigkeitsentscheidung des Landeshauptmannes von Wien "beharrt" hätten (vgl. den zit. hg. Beschluss vom 3. April 1989(, liegt nicht vor).

Andererseits war die Entscheidungsfrist von sechs Monaten (§ 73 Abs. 1 AVG) für die Bezirkshauptmannschaft Mödling namens des Landeshauptmannes von Niederösterreich, gegen deren Versäumung der Devolutionsantrag an die belangte Behörde an sich zulässig gewesen wäre, im Zeitpunkt der Einbringung des hier gegenständlichen Antrages am 30. September 1996 noch nicht abgelaufen.

Der nach dem Vorgesagten verfrüht -vor Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist - eingebrachte Devolutionsantrag der Beschwerdeführer bewirkte keinen Übergang der Zuständigkeit auf die belangte Behörde. Er war daher vom Verwaltungsgerichtshof anstelle der belangten Behörde zurückzuweisen.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff, insbesondere § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. März 2000

Schlagworte

Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen sachliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997190782.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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