TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/2 W169 1434679-3

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Veröffentlicht am 02.05.2018
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Entscheidungsdatum

02.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 1434679-3/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2016, Zl. 627840404-2268476, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.03.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 04.04.2013 und am 10.04.2013 wurde der Beschwerdeführer seitens des Bundesasylamtes einvernommen, wobei er unter anderem zu Protokoll gab, dass er im Herkunftsstaat von 1986 bis 1993 die Grundschule besucht und bis April 2009 in seinem Heimatort bei seinen Eltern gelebt habe. Nach der Schule habe er in einer Fabrik für die Herstellung von Operationsgeräten bzw. als Zwischenhändler für diese Werkzeuge gearbeitet. Danach habe er sich in der Provinz Himajal und von November 2011 bis zu seiner Ausreise im März 2013 in Amritsar aufgehalten. Er habe dort als Tagelöhner gearbeitet und in einer Mietwohnung gelebt. Zum Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass er aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der Bhujan Samaj Partei von den Mitgliedern der Akali-Dal Partei mit dem Umbringen bedroht worden sei. Im Herkunftsstaat würden seine Eltern leben. Er sei gesund. Er habe weder einen Bezug zu Österreich noch habe er Familienangehörige im Bundesgebiet. Er nehme Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch.

2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 16.04.2013, Zahl: 13 03.967-EASt West, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien ab (Spruchpunkt II.) Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 38 Abs. 1 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

3. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und der Bescheid des Bundesasylamtes zur Gänze angefochten.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.06.2014, GZ. W191 1434679-1/8E, wurde die Beschwerde betreffend die Spruchpunkte

I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides wurden aufgehoben und das Verfahren insoweit gemäß § 75 Abs. 20 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4B-VG für nicht zulässig erklärt.

Hinsichtlich der Zurückverweisung der Prüfung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Beschwerdeführer keine in Österreich lebenden Verwandten und auch sonst keine familiären Anknüpfungspunkte habe. Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht seien schon im Hinblick auf die kurze Dauer des bisherigen Aufenthalts in Österreich (seit Ende März 2013) nicht erkennbar. So habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer über hinreichende Deutschkenntnisse verfüge oder bereits einen Deutschkurs besucht oder eine Deutschsprachprüfung erfolgreich abgelegt habe. Da sich im gegenständlichen Fall nicht ergeben habe, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre, sei das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

5. Im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.08.2014 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen zu Protokoll, in Österreich keine Arbeit zu haben, sondern von der Unterstützung eines Tempels zu leben. Er wolle in Österreich bleiben und arbeiten, sobald er eine Aufenthaltsgenehmigung habe. Er sei nicht in einem Verein oder einer sonstigen Organisation tätig, er habe keine Verwandten in Österreich und sei auch nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Seit der Ausreise aus seiner Heimat habe er keinen Kontakt zu seinen Eltern und könne auch im Falle einer Rückkehr nicht bei diesen leben. Er befürchte, seine Gegner würden ihn umbringen. Im Herkunftsstaat habe er die zehnte Schulstufe absolviert, als Vertreter für medizinisches Equipment, im Obsthandel sowie in der Landwirtschaft der Eltern gearbeitet.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.09.2014 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

7. Gegen diesen Bescheid wurde durch den bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass die bescheiderlassende Behörde nicht geprüft habe, inwieweit im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Indien dieser dort eine Lebensgrundlage habe. In Österreich werde er in einem Sikh-Tempel insoweit unterstützt, als ihm Quartier und Lebensmittel zur Verfügung gestellt würden. Eine solche Unterstützung hätte er in Indien nicht, vielmehr drohe ihm aufgrund seines asylrelevanten Vorbringens eine erniedrigende Behandlung und sohin eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Auch wenn er sich in Österreich erst ca. eineinhalb Jahre aufhalte, sei sein Privatleben insoweit schutzwürdig, als er sich in einem Tempel einer Glaubensgemeinschaft aufhalte und bestrebt sei, einer legalen Arbeit nachzugehen. Seine Integration sei zwar noch nicht überdurchschnittlich fortgeschritten, es sei aber festzuhalten, dass er keinerlei Bindungen mehr zu seinem Heimatstaat habe, strafgerichtlich unbescholten sei und auch keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung begangen habe. Auch wenn er in Österreich alleine lebe, schließe dies nicht aus, dass er eine "andere De facto-Beziehung" führe. Hervorzuheben sei, dass er zu keinem Zeitpunkt die Grundversorgung der Republik Österreich in Anspruch genommen habe, sondern immer ausreichend für seinen Lebensunterhalt selbst - wenn auch durch Unterstützung von dritten Personen - sorgen habe können. Es werde die Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.

8. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.02.2015 gemäß §§ 55 und 57 AsylG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II wurde der bekämpfte Bescheid gemäß §28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit insoweit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

9. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.01.2016 niederschriftlich einvernommen. Dabei führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass in Indien noch seine Eltern leben würden. Er habe auch andere Verwandte in Indien, zu diesen habe er jedoch keinen Kontakt. Zu seinen Eltern wolle er in Zukunft Kontakt aufnehmen. Er habe im Bundesgebiet keine Freundin und keine Kinder. Er habe Bekannte in Österreich, aber keine Familienangehörigen. Bis jetzt habe er noch keinen Deutschkurs besucht, er habe sich jedoch zu einem angemeldet. Er gehe in Österreich keiner Arbeit nach und bekomme Essen und Hilfe von Freunden. Er sei in keinem Verein tätig, sei nicht in der Grundversorgung und habe auch keine eigene Wohnung; er wohne bei einem Freund. Er habe in Indien die Volk- und Hauptschule besucht und dort als Hilfsarbeiter gearbeitet; er habe chirurgische Instrumente von einer Firma in ein Krankenhaus gebracht. Nach Indien wolle er nicht mehr zurück.

Am Ende der Einvernahme wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderfeststellungen zu Indien übergeben und ihm eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

10. Am 11.02.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine diesbezügliche Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers ein. Darin wurde ausgeführt, dass in Indien etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen leben würde. Es gäbe keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer; Sozialhilfe gebe es nicht. Die Rückkehrer seien auf die Unterstützung der eigenen Familie angewiesen. Er habe in seiner Heimat keine Möglichkeit, sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.

11. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt I). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt II).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Verwandten im Bundesgebiet habe, seine Eltern würden nach wie vor in Indien leben. Zu seinem Privatleben in Österreich wurde festgehalten, dass seine Einreise nach Österreich im Jahr 2013 illegal und rechtswidrig erfolgt sei und er sich im Bundesgebiet nur aufgrund der Betreibung eines Asylverfahrens aufhalten dürfe. Es würden keine Aspekte einer außergewöhnlichen und schützenswerten Integration in Österreich vorliegen. Folglich stehe der Erlassung einer Rückkehrentscheidung sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts des Fehlens von familiären und privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

12. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass die Behörde nicht geprüft habe, inwieweit der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Indien dort eine Lebensgrundlage habe. Da die Möglichkeit für ihn, eine Existenzgrundlage in der Heimat zu schaffen, nicht gegeben sei, werde eine Rückkehrentscheidung aufzuheben sein. Hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens in Österreich wolle er anführen, dass er seit 3 Jahren in Österreich durchgehend aufhältig sei. Er habe sich in Österreich gut integriert und sei strafgerichtlich unbescholten. Ein Erwerbsleben sei ihm nicht möglich, da er aufgrund der arbeitsrechtlichen Bestimmungen keiner legalen Beschäftigung nachgehen könne. Er habe zu keinem Zeitpunkt die Grundversorgung der Republik Österreich in Anspruch genommen. Darüber hinaus habe er sich zu einem Deutschkurs angemeldet.

13. Für den 05.04.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt. Trotz ordnungsgemäßer Ladung sind weder der Beschwerdeführer noch sein rechtsfreundlicher Vertreter erschienen, weshalb die Verhandlung auf den 25.04.2018 vertagt wurde. Daraufhin wurde versucht, die neuerliche Ladung zur Verhandlung an den Beschwerdeführer durch die Polizei zuzustellen. Einem im Akt aufliegenden Bericht der LPD-Wien, SPK Favoriten, vom 23.04.2018 ist zu entnehmen, dass trotz mehrerer Versuche niemand an der Adresse des Beschwerdeführers angetroffen werden konnte. Auf die hinterlegte Verständigung habe sich ein an der Adresse des Beschwerdeführers wohnhafter indischer Staatsangehöriger gemeldet und angegeben, dass der Beschwerdeführer seit 06.04.2018 nicht mehr an der Adresse erschienen sei, weshalb die amtliche Abmeldung des Beschwerdeführers veranlasst worden sei. Da ein anderer Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht in Erfahrung hätte gebracht werden können, habe die Zustellung der Ladung zur Verhandlung nicht erfolgen können.

14. Am 25.04.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Mail des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers ein, wonach er das Vollmachtsverhältnis zum Beschwerdeführer aufgekündigt habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und spricht Hindi und Punjabi. Im Herkunftsstaat besuchte er von 1986 bis 1993 die Grundschule und war bis zu seiner Ausreise berufstätig. Seine Eltern befinden sich im Heimatland. Der Beschwerdeführer reiste am 28.3.2013 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Beschäftigung nach, nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch und lebt von den Unterstützungsleistungen seiner Freunde. Er hat keine Verwandten im Bundesgebiet und unterhält auch sonst keinerlei Kontakte zu österreichischen Staatsangehörigen. Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und führt auch keine Lebensgemeinschaft. Er gehört keinem Verein und keiner sonstigen Gruppierung an. Der Beschwerdeführer leidet nicht an einer lebensbedrohlichen Krankheit, steht im erwerbsfähigen Alter und hat Berufserfahrung. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Hinweise, wonach der Beschwerdeführer die deutsche Sprache spricht bzw. Deutschkurse in Österreich besucht hat, bestehen nicht.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Relevante Bevölkerungsgruppen

Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf Basis von Rasse, Geschlecht, Invalidität, Sprache, Geburtsort, Kaste oder sozialen Status. Die Regierung arbeitet mit unterschiedlichem Erfolg an der Durchsetzung dieser Bestimmungen (USDOS 13.4.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016).

Quellen:

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 23.12.2016

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 7.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Indien, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8E633C2F61937CFE7189E5065CD31B93/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 23.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 28.12.2016

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2014):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 29.12.2016

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

-

FH - Freedom House (3.10.2013): Freedom on the Net 2013 - India, http://www.ecoi.net/file_upload/3714_1380802722_fotn-2013-india.pdf, Zugriff 9.1.2017

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HT - Hindustan Times (8.8.2016): National Population Register project now a Rs 4,800-crore sinkhole, http://www.hindustantimes.com/india-news/national-population-register-project-now-a-rs-4-800-crore-sinkhole/story-xwmSEA3NwijJFoOpxYe3dN.html, Zugriff 9.1.2017

-

International Business Times (2.2.2015): One Billion Indians To Have UID Numbers By Year-End As India Seeks To Boost Social Security,

http://www.ibtimes.com/one-billion-indians-have-uid-numbers-year-end-india-seeks-boost-social-security-1802126, Zugriff 9.1.2017

-

UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance India:

Background information, including actors of protection, and internal relocation,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/402790/cig_india_background_2015_02_04_v2_0.pdf, Zugriff 29.12.2016

Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorliegens eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes oder eines sonstigen Bescheinigungsmittels steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.

Die Feststellungen zur Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen im Herkunftsstaat und in Österreich beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren.

Dass der Beschwerdeführer keine Deutschkurse besucht hat, wurde bereits im oben angeführten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.06.2014 festgestellt. Auch im Rahmen der neuerlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.01.2016 hat der Beschwerdeführer keine Unterlagen bezüglich der Absolvierung eines Deutschkurses beigebracht, sondern nur vorgebracht, dass er sich zu einem Deutschkurs angemeldet hat.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine Verwandten in Österreich hat bzw. nicht Mitglied in einem Verein und in einer Organisation ist, ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.01.2016. Dass der Beschwerdeführer in Österreich in einer Lebensgemeinschaft lebt, hat der Beschwerdeführer im Verfahren nicht vorgebracht.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer keine österreichischen Freunde hat, in Österreich keiner Beschäftigung nachgeht, keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und von der Unterstützung seiner Freunde lebt bzw. strafgerichtlich unbescholten ist, ergeben sich aus seinen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.01.2016 und aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 09.01.2018. Bei den dort angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.1. Zum Spruchteil A)

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Dem Beschwerdeführer wurde von amtswegen kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt (siehe das im Akt aufliegende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.02.2015).

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Indien kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Die Ausweisung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens.

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise im März 2013 ist als nicht sehr lange zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass die Einreise illegal und der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein.

Der Beschwerdeführer geht im Bundesgebiet keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, sondern lebt von Unterstützungsleistungen Dritter. Er hat noch keinen Deutschkurs besucht, keine sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich und ist auch nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich ist zudem aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort seine Eltern leben, der Beschwerdeführer zwei Sprachen des Herkunftsstaates beherrscht und über eine schulische Ausbildung sowie Arbeitserfahrung verfügt.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, Zl. 2002/18/0112).

Es ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art 8 EMRK dar.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des L

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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