TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/2 W142 2148827-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.05.2018
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Entscheidungsdatum

02.05.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W142 2148827-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, vertreten durch RA Mag. Dr. Bernhard ROSENKRANZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2017, Zl. 1067338306-150460853, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

2005, BGBl. I Nr. 100/2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist ein Staatsangehörige aus Somalia, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 06.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In ihrer Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch, gab die BF zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt an, dass sie traditionell verheiratet und sunnitische Muslimin sei. Sie gehöre der Volksgruppe der Gaboye an und sei Analphabetin. Sie habe keine Berufsausbildung und habe als Hausfrau gearbeitet. Zu ihren familiären Verhältnissen führte sie aus, dass ihr Vater vor vier Jahren getötet worden sei und ihr die Aufenthaltsorte ihrer Geschwister und ihrer Mutter nicht bekannt seien. Zu ihrem Ehemann habe sie seit 2,5 Jahren keinen Kontakt mehr. Ihre beiden Söhne würden sich bei ihrem Ehemann aufhalten. Sie habe ihn Mogadischu gelebt.

Zu ihrem Fluchtgrund brachte sie vor, dass in ihrer Heimat Bürgerkrieg herrsche. Wegen der allgemein fehlenden Sicherheit habe sie ihre Heimat verlassen. Persönlich verfolgt oder bedroht werde sie in ihrer Heimat nicht. Dies sei ihr einziger Fluchtgrund. Sonst habe sie keine anderen religiösen, ethnischen oder politischen Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr habe sie Angst vor dem Bürgerkrieg.

Am 10.11.2015 legte die BF Dokumente einer norwegischen Non-Profit Organisation vom 16.10.2015 vor.

3. Am 16.01.2017 wurde die BF durch die belangte Behörde in der Sprache Somali ausführlich einvernommen. Zu ihrem Gesundheitszustand gab die BF an, dass sie an Bluthochdruck leide und medikamentös behandelt werde. Aufgrund einer Genitalverstümmelung sei es ihr nicht möglich gewesen ihre beiden Kinder auf normale Weise zu gebären. Es seien Kaiserschnitte gemacht worden. Zudem habe sie Probleme mit ihrer Periodenblutung und beim Beischlaf mit ihrem Mann gehabt. Im Sommer 2016 sei sie operiert worden (operative Entfernung der zusammengewachsenen Haut). Jetzt habe sie diesbezüglich keine Probleme mehr. Zu ihren persönlichen Verhältnissen gab sie an, dass sie sich in Somalia vorwiegend in Mogadischu aufgehalten habe. Momentan seien ihre Mutter und ihr Bruder in Mogadischu. Zu diesen habe sie keinen Kontakt. Ihre Geschwister seien in Kenia und Äthiopien. Wo ihr Ehemann sei, wisse sie nicht. Bei ihrer Ausreise habe sie ihren Ehemann und ihre Kinder das letzte Mal gesehen. Sie habe keinen Kontakt mehr zu ihrem Ehemann, da er sich einer "Mafia-Gruppe" angeschlossen habe und Überfälle gemacht habe. Wegen ihrem Mann habe sie Somalia verlassen müssen. Er habe sie jeden Tag geschlagen. Sie habe ihre Kinder nicht mitnehmen können. Ihr Mann sei im Jahr 2008 kriminell geworden. Sie habe zu keinem von ihrer Familie Kontakt. Sie gehöre dem Clan der Gaboye - Muse Deryo an und sei seit ihrem 13. Lebensjahr verheiratet. Ihr Onkel habe ihr bei der Flucht geholfen. Der Onkel lebe in Mogadischu. Sie würde bei ihm nicht unterkommen können, da sie dann ihrem Ehemann ausgeliefert wäre.

Zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, dass sie sich in ihrer Heimat nicht aufhalten habe können. Sie habe keine Schule besuchen und keiner Arbeit nachgehen dürfen. Später habe sie geheiratet. Ihr Ehemann sei brutal und sie habe seine Probleme, die er verursacht habe, nicht mehr aushalten können. Er habe sie geschlagen und sie habe überall Verletzungen am Körper gehabt. Ihr Leben sei in Gefahr gewesen. Wenn sie bei ihm geblieben wäre, dann würde sie nicht mehr am Leben sein. Sie sei der familiären Gewalt ausgeliefert gewesen. Sie könne weder lesen, noch schreiben, dies hätte mit ihrer Clanzugehörigkeit zu tun. Zudem sei sie von anderen Clan unterdrückt worden. Befragt, warum sie ihren Mann geheiratet habe, gab sie an, dass sie diesen nicht heiraten habe wollen. Die Ehe sei von ihren Eltern arrangiert worden. Ihre Mutter habe ihren Ehemann ausgesucht. Bezüglich ihres Clans führte sie aus, dass sie nicht zur Schule habe gehen dürfen und als Midgan bezeichnet worden sei. Sie sei rassistisch diskriminiert worden. In ihrem Bezirk hätten nicht viele Clanangehörige gelebt und sie habe keinen Kontakt zu diesen gehabt, da sie nur zu Hause habe sein dürfen. Ihr Ehemann habe ihr verboten das Haus zu verlassen. Sie habe ihren Mann nie geliebt und ihr Mann habe ebenfalls den Muse Deriyo angehört. Sie sei ausschließlich aus familiären Gründen geflüchtet.

Im Zuge der Einvernahme legte die BF eine Besuchsbestätigung für einen Deutschkurs (Alphabetisierung 1) vom 09.01.2017 sowie folgende medizinischen Unterlagen vor:

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Ambulanzbrief vom 28.01.2016, wonach bei der BF eine Arterielle Hypertonie (Anm.: Bluthochdruck) diagnostiziert wurde.

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Laborbefund vom 28.01.2016.

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Ambulanzbrief vom 11.06.2016, wonach bei der BF eine Hypertensive Entgleisung diagnostiziert wurde.

4. Mit Bescheid vom 06.02.2017, wies die belangte Behörde den Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Somalia zuerkannt (Spruchpunkt II.) und der BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis 06.02.2018 erteilt.

Die Identität der BF habe nicht festgestellt werden können. Sie gehöre dem Gaboye-Clan, Subclan der Muse Deriyo an. Die BF sei verheiratet, habe zwei Söhne und bekenne sich zum Islam.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die BF in ihrem Herkunftsstaat keiner Verfolgung ausgesetzt sei. Ihre Einschränkungen bzw. Beschimpfungen wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit würden keine individuelle Verfolgung iSd GFK darstellen. Es sei glaubhaft, dass sie in ihrer Heimat familiärer Gewalt ausgeliefert gewesen sie. Dies stelle aber keinen Fluchtgrund iSd GFK dar.

5. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Angehörige der Midgan eine besonders benachteiligte Gruppe seien. Dazu werde auf ACCORD-Anfragebeantwortungen verwiesen. Die BF habe viele Jahre auf Grund der Zwangsheirat körperliche, seelische und sexuelle Gewalt erlitten. Sie sei aus der Familie ausgestoßen. Auch ihr Onkel könne ihr nicht mehr helfen. In Österreich habe sie die Genitalverstümmelung rückoperieren lassen, weswegen sie in Somalia als "Hure" angesehen werde. Die insbesondere wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem sehr niederen Clan. Eine Existenz als alleinstehende Frau sei in Somali unvorstellbar und unmöglich. Sie werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wiederum Gewalt in hohem Ausmaß ausgesetzt sein. Die BF gehöre in Somalia der sozialen Gruppe von alleinstehenden jungen selbstbewussten Frauen, die unter Gewalt gelitten haben und der Ehe entflohen seien, an. Die Verfolgung der BF sei als politische und religiöse Verfolgung zu betrachten. Die BF hätte keine Möglichkeit sich vor Gewalt vor Gericht zu schützen. Die BF habe Somalia aus politischen Gründen, bzw. auf Grund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie, verlassen. Der Beschwerde wurde der Bericht "Country Information and Guidance Somalia: Woman fearing gender-based harm and violence" vom 02.August 2016, eine ACCORD-Anfragebeantwortung zur "Situation der Madhiban, Situation von Frauen in Somalia" vom 25. März 2004, ACCORD-Anfragebeantwortung zu Somalia "Allgemeine Information zum Clan der Bajuni" vom 12. Juli 2016, ein Somalia Country Report aus dem Jahr 2016, einem Bericht von ACCORD zu "Clans in Somalia" vom 15. Mai 2009 sowie einem Bericht von UNHCR vom 05. Mai 2010, beigefügt.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.05.2017 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somali und im Beisein eines Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt entschuldigt nicht teilnahm. Die BF führte aus, dass sie Somalia aus familiären Gründen verlassen habe. Sie sei Gaboye. Die Gaboye hätten kein eigenes Land und seien schon immer diskriminiert worden. Man sage ihnen, dass sie schlechte Menschen, Midgan und Schuhmacher seien. Sie würden wegen ihrer Tätigkeiten beschimpft werden (z.B. Haarschneider, Tiere schlachten). Die BF sei auch beschimpft worden. Sie habe nicht in die Schule gehen können, obwohl sie gerne in die Schule gegangen wäre. Zu ihren Problemen führte sie aus, dass sie mit 13 Jahren zwangsverheiratet worden sei. Ihr Mann sei dann schlecht geworden, habe viel getrunken und sie geschlagen. Er sei Mafia-Mitglied geworden. Bevor sie verheiratet gewesen sei, sei sie beschnitten worden. In Österreich sei sie ärztlich behandelt worden und alles sei in Ordnung gebracht worden. Wenn sie jetzt in ihre Heimat zurückkehren müsse, dann würden ihr Ehemann und ihre Familie erfahren, dass sie wieder "offen" und eine schlechte Frau sei. Sie würde getötet werden. Dies sei eine alte Tradition. Sie würden wissen, dass sie schon "zu" gewesen sei und jetzt wieder "offen" sei und deswegen würde sie getötet werden. Sie hätte sich an niemanden wenden können. Auf Befragung durch den Rechtsvertreter führte sie aus, dass "schlecht" in ihrem Kulturkreis bedeute, dass man eine Prostituierte sei. Sie sei immer der Kontrolle der Familie und der Familie ihres Mannes ausgesetzt gewesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF, die über keine Schulbildung verfügt, ist Staatsangehörige von Somalia und Angehörige der Midgan. Die BF stellte am 06.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Sie hat vor ihrer Ausreise nach Europa in Mogadischu gelebt. Die BF wurde mit 13 Jahren zwangsverheiratet. Aus dieser Ehe entstammen zwei Söhne. Ab dem Jahr 2008 schloss sich ihr Ehemann einer kriminellen Organisation an. Sie wurde von ihrem Ehemann, der ein starker Trinker ist, immer wieder schwer misshandelt. Die BF erhielt keine Hilfe seitens ihrer Mutter und ihren beiden Brüdern, die in Mogadishu leben.

Die BF wurde im Kindesalter in Somalia infibuliert, also einer weiblichen Genitalverstümmelung unterzogen. Wegen der Infibulation hatte die BF massive Beschwerden, weshalb sie in Österreich eine Defibulation im Sommer 2016 durchführen ließ.

Die BF leidet an Bluthochdruck. Zudem wurde bei ihr eine Hypertensive Entgleisung diagnostiziert.

Festgestellt wird, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe anknüpfende aktuelle Verfolgung entsprechender Intensität droht. Bei einer Rückkehr nach Somalia müsste die BF eine entsprechende Reinfibulation erneut vornehmen lassen, um den herrschenden gesellschaftlichen Normen innerhalb ihrer Familie zu entsprechen und von ihrer Familie nicht getötet zu werden.

Die BF lebt in Österreich als subsidiär Schutzberechtigte und verfügt über eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Sie ist um eine Integration in Österreich bemüht und in Österreich nicht straffällig geworden. Es liegen keine Gründe vor, nach denen die Beschwerdeführerin von der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ausgeschlossen wäre.

1.2. Zur verfahrensrelevanten Situation in Somalia:

1.2.1. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

1.2.1.1. Süd-/Zentralsomalia

Die Präsenz von AMISOM in Somalia bleibt auch mittelfristig essentiell, um die Sicherheit in Somalia zu gewährleisten. Sollte AMISOM überhastet abziehen oder die Verantwortung zu früh an somalische Sicherheitsbehörden übergeben, besteht das Risiko von Rückschritten bei der Sicherheit (UNSC 5.9.2017; vgl. ICG 20.10.2017).

AMISOM hat große Erfolge erzielt, was die Einschränkung der territorialen Kontrolle der al Shabaab anbelangt (ICG 20.10.2017). Weite Teile des Landes wurden durch AMISOM und durch die somalische Armee aus den Händen der al Shabaab zurückgeholt (UNHRC 6.9.2017), und AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 9.2016). AMISOM und die somalische Regierung konnten ihre Kontrolle in zurückgewonnenen Gebieten etwas konsolidieren (AI 22.2.2017). Es ist aber kaum zur Einrichtung von Verwaltungen gekommen (BFA 8.2017).

Gleichzeitig hat AMISOM ihre Kräfte überdehnt. Die Mission tut sich schwer dabei, nunmehr den Kampf gegen eine Rebellion führen zu müssen, welche sich von lokalen Konflikten nährt. Die al Shabaab ist weiterhin resilient (ICG 20.10.2017). Außerdem beherrschen einige der neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr, als ein paar zentrale Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt jedoch in vielen Fällen auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert, auch wenn es teils zu weiteren Exkursionen kommt. In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (BFA 8.2017).

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 9.2016). Kämpfe - vor allem unter Beteiligung von al Shabaab, aber auch unter Beteiligung von Clans - sowie Zwangsräumungen haben zu Vertreibungen und Verlusten geführt (HRW 12.1.2017). Dabei haben AMISOM und die somalische Armee seit Juli 2015 keine großen Offensive mehr geführt (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2016 gab es zwar Kämpfe zwischen AMISOM/Regierung und al Shabaab, es kam aber kaum zu Gebietswechseln (AI 22.2.2017). Im Jahr 2017 ist es zu weniger direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen al Shabaab und AMISOM gekommen. Die am meisten vom militärischen Konflikt betroffenen Gebiete sind die Frontbereiche, wo Ortschaften und Städte wechselnder Herrschaft unterworfen sind; sowie das Dreieck Mogadischu-Afgooye-Merka (BFA 8.2017).

Die reduzierten Kapazitäten der al Shabaab haben dazu geführt, dass sich die Gruppe auf Guerilla-Taktik und asymmetrische Kriegsführung verlegt hat. Al Shabaab begeht verübt komplexe Angriffe, Selbstmordattentate, und gezielte Attentate auf Einzelpersonen (UKHO 7.2017). Die Gruppe setzt den Guerillakampf im ländlichen Raum Süd-/Zentralsomalias fort. Regelmäßig kommt es zu Angriffen auf somalische und AMISOM-Truppen, die sich auf Verbindungsstraßen bewegen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNSC 9.5.2017).

Al Shabaab kontrolliert weiterhin wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierungskräften Blockaden aufrecht (HRW 12.1.2017). Durch Guerilla-Aktivitäten isoliert al Shabaab mehrere Städte, die teils als Inseln im Gebiet der Gruppe aufscheinen (BFA 8.2017). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft versorgt werden, da die Überlandrouten nicht ausreichend abgesichert sind (UNSC 5.9.2017).

Es hat mehrere Fälle gegeben, wo internationale Truppen Gebiete in Bakool, Galgaduud, Hiiraan und Lower Shabelle ohne große Ankündigung geräumt haben. In der Folge ist al Shabaab unmittelbar in diese Gebiete zurückgekehrt und hat an der lokalen Bevölkerung zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Mord, Folter, Entführung, Vernichtung humanitärer Güter, Zwangsrekrutierung) begangen (SEMG 8.11.2017). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eben jene Orte, aus denen die ENDF oder AMISOM rasch abgezogen sind, am meisten unter dem Konflikt leiden. Sobald die Regierungskräfte abziehen, füllt nämlich al Shabaab das entstandene Vakuum auf. Vergeltungsmaßnahmen gegen Zivilisten folgen umgehend. Es gibt regelmäßig Berichte darüber, dass AS mutmaßliche Kollaborateure hingerichtet hat. Die Menschen dort leben unter ständiger Bedrohung (BFA 8.2017).

Im September 2017 überrannte al Shabaab mehrere Stützpunkte der somalischen Armee, namentlich in Bulo Gaduud, Belet Xawo, Ceel Waaq und Bariire (19.12.2017 VOA).

Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände der al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure der al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017). Al Shabaab ist dadurch nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 22.2.2017).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 9.2016). Politische Anstrengungen zur Etablierung bzw. Stärkung von Bundesländern verstärkten Clankonflikte in manchen Bereichen (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016, BFA 8.2017). Auch dabei kommen Zivilisten zu Schaden (HRW 12.1.2017).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 9.2016).

Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur mittels Selbstmordattentätern und anderen Sprengstoffanschlägen durch die al Shabaab haben weiterhin gravierende Folgen (HRW 12.1.2017). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, bei gezielten Attentaten, durch Sprengsätze oder Handgranaten und bei komplexen Anschlägen ums Leben oder werden verwundet (AI 22.2.2017). Generell hat al Shabaab vermehrt Gewalt gegen Zivilisten angewandt, nötigt oder bestraft in den Gebieten unter ihrer Kontrolle ganze Gemeinden. Aufgrund der durch die Dürre verstärkten Ressourcenknappheit hat al Shabaab Dörfern niedergebrannt und Älteste enthauptet, um ihre Steuerforderungen durchzusetzen - so z.B. im Raum Xaradheere im November 2016 (SEMG 8.11.2017). Im ersten Trimester 2017 wurden von al Shabaab 36 Personen entführt, davon wurden 15 später wieder freigelassen (UNSC 9.5.2017).UNSOM hat für den Zeitraum 1.1.2016-14.10.2017 insgesamt 2.078 getötete zivile Opfer in Somalia dokumentiert; hinzu kommen 2.507 Verletzte. Für 60% der Opfer ist die al Shabaab verantwortlich (UNHRC 10.12.2017a).

Für das Jahr 2016 berichtet das UN Mine Action Service von 267 durch Sprengstoffanschläge getötete und 727 verletzte Personen. Bei Kämpfen kamen zwischen Jänner und August 2016 492 Zivilisten ums Leben (USDOS 3.3.2017). Andererseits beruft sich die SEMG auf Zahlen von ACLED. Demnach seien im Zeitraum Jänner 2016 bis Mitte August 2017 bei 533 Zwischenfällen mit improvisierten Sprengsätzen insgesamt 1.432 Zivilisten zu Schaden gekommen, 931 davon wurden getötet (SEMG 8.11.2017). Das Rote Kreuz wiederum berichtet, dass im Jahr 2016 ca. 5.300 durch Waffen verletzte Personen in vom IKRK unterstützten Spitälern eine Behandlung erhalten haben; v.a. in Mogadischu, Baidoa und Kismayo (ICRC 23.5.2017). Es ist offenbar schwierig, die genaue Zahl festzustellen (AI 22.2.2017).

Im ersten Trimester 2017 wurden 646 Zivilisten getötet oder verletzt (UNSC 9.5.2017), im zweiten Trimester waren es 582 (ca. die Hälfte der letztgenannten Zahl ist al Shabaab zuzuschreiben, 12 Opfer der AMISOM, 41 den staatlichen Sicherheitskräften; bei durch die Dürre verschärften Ressourcenkonflikten kamen 175 Zivilisten zu Schaden) (UNSC 5.9.2017). Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 11 Millionen Einwohnern (CIA 6.11.2017) liegt die Quote getöteter Zivilisten:Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia im ersten Trimester 2017 bei ca. 1:17.000, im zweiten Trimester bei 1:18.900.

Auch wenn die Zahl von Gewalt gegen Zivilisten seit dem Jahr 2013 relativ konstant bleibt, so hat sich die Letalität - etwa aufgrund der Proliferation von destruktiveren Methoden - erhöht. Im Durchschnitt kommen bei jedem Vorfall also mehr Menschen zu Schaden (SEMG 8.11.2017). Absolutes Beispiel dieses Trends ist der Anschlag vom 14.10.2017 in Mogadischu, bei welchem mehr als 500 Menschen getötet wurden - wiewohl sich al Shabaab bislang nicht zu dem Anschlag bekannt hat (DS 2.12.2017).

Dahingegen ist bei den staatlichen Sicherheitskräften ein positiver Trend zu erkennen. Sie sind in keine größeren Angriffshandlungen gegen Zivilisten verwickelt (SEMG 8.11.2017).

Im zweiten Trimester 2017 kam es in ganz Somalia zu 16 Luftangriffen, die meisten davon in den Regionen Gedo (8), Lower Shabelle (4) und Lower Juba (3). Insgesamt kamen dabei 18 Zivilisten zu Schaden (UNSC 5.9.2017). Eine andere Quelle nennt als Gesamtzahl für die ersten beiden Trimester 2017 32 Luftangriffe durch Kenia, die USA und nicht identifizierte Kräfte (SEMG 8.11.2017). Insgesamt sollen alleine die USA im Jahr 2017 30 Luftschläge in Somalia durchgeführt haben (BBC 22.12.2017). Jedenfalls haben die USA ihre Angriffe verstärkt: Während sie im gesamten Jahr 2016 nur dreizehn Luftschläge führte, waren es alleine im Zeitraum Juni-September 2017 neun. Seit 2016 haben sich die Auswirkungen von Luftschlägen auf Zivilisten aufgrund gezielterer Angriffe verringert. Insgesamt wurden im Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2017 bei 58 Luftschlägen 36 zivile Opfer dokumentiert (SEMG 8.11.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017

BBC (22.12.2017): Who are Somalia's al-Shabab?

http://www.bbc.com/news/world-africa-15336689, Zugriff 5.1.2018

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-roject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI2016 Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

CIA - Central Intelligence Agency (6.11.2017): The World Factbook Somalia,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/so.html, Zugriff10.11.2017

DS - Der Standard (2.12.2017): Neue Bilanz: Mehr als 500 Tote bei verheerendem Anschlag in Mogadischu, http://derstandard.at/2000068930378/Neue-Bilanz-Mehr-als-500-Tote-bei-verheerendem-Anschlag-in?ref=rec, Zugriff 21.12.2017

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017

ICG - International Crisis Group (20.10.2017): Managing the Disruptive Aftermath of Somalia's Worst Terror Attack , http://www.refworld.org/docid/59e9b7e74.html, Zugriff 11.11.2017

ICRC - International Committee of the Red Cross (ICRC) (23.5.2017):

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

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UKHO - UK Home Office (7.2017): Country Policy and Information Note Somalia (South and Central): Fear of Al Shabaab, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1500368455_somalia-al-shabaab-cpin-v2-0.pdf, Zugriff 15.12.2017

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UNHRC - UN Human Rights Council (10.12.2017b): Protection of Civilians in Somalia 2016-2017, https://reliefweb.int/report/somalia/protection-civilians-somalia-2016-2017, Zugriff 12.1.2018

UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016

Somalia,http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year2016dlid= 265300, Zugriff 13.9.2017

VOA - Voice of America (19.12.2017): Somalia: Up to 30 Percent of Soldiers Unarmed,

https://www.voanews.com/a/somali-government-says-up-thirty-percent-its-soldiers-unarmed/4170388.html, Zugriff 5.1.2018

1.2.1.2. Mogadischu

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 22.2.2017). Die Stadtverwaltung von Mogadischu ist verhältnismäßig präsent und aktiv (BFA 8.2017). Schritte von Stadt- und Bundesregierung haben bei der Sicherheitslage zu einer Verbesserung geführt - speziell durch die Aufstellung der Mogadishu Stabilization Mission (MSM). Die Zahl von Angriffen der al Shabaab im jeweiligen Ramadan ist von 269 im Jahr 2015 auf 208 im Jahr 2017 zurückgegangen. Andererseits scheint sich die al Shabaab aufgrund der Erfolge der Sicherheitskräfte zunehmend auf Sprengstoffanschläge zu verlegen, welche unter der Zivilbevölkerung ein höheres Maß an Schaden verursachen (UNSC 5.9.2017). Regelmäßig kommt es zu sogenannten komplexen Anschlägen in Mogadischu, wobei ein Sprengstoffanschlag mit dem Einsatz einiger weniger bewaffneter Selbstmordkämpfer kombiniert wird. Ziele sind i.d.R. Hotels oder Restaurants, die häufig von Behördenbediensteten oder Sicherheitskräften frequentiert werden (SEMG 8.11.2017).

Der Einsatz von Artillerie (Mörsern) mit Ziel Mogadischu ist wieder im Steigen begriffen. Im ersten Halbjahr 2017 kam es zu zwölf derartigen Angriffen, im Gesamtjahr 2016 waren es 17 (SEMG 8.11.2017). Am 12.6. und am 4.7.2017 wurden insgesamt neun Mörsergranaten auf Stadtgebiet abgeschossen (UNSC 5.9.2017). Dabei verfügt al Shabaab nunmehr auch über schwere, von AMISOM erbeutete Mörser (120mm), was ihre Möglichkeiten erweitert (SEMG 8.11.2017). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vgl. EASO 2.2016). Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BFA 8.2017; vgl. UKUT 3.10.2014, vgl. EGMR 10.9.2015). Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017).

Die Sicherheitslage hat sich also verbessert (UNSOM 13.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017), bleibt aber volatil (UNSC 5.9.2017). Die MSM hat einige Erfolge verzeichnet, darunter Maßnahmen zur Entwaffnung von Milizen und Zivilisten. Auch die Polizei in Mogadischu funktioniert merklich besser, als vor drei oder vier Jahren. Das Polizeikontingent der AMISOM ist aktiv. Es werden in der ganzen Stadt regelmäßig Patrouillen durchgeführt. Zusätzlich befinden sich Stützpunkte der Armee an neuralgischen Punkten der Stadt. Auch die National Intelligence and Security Agency (NISA) und ihre Spezialeinheiten werden in Mogadischu eingesetzt. Der wichtigste Faktor in Mogadischu ist aber die Präsenz der AMISOM. Sie ist in Mogadischu mit je einem Bataillon aus Uganda und Burundi, mit dem militärischen Stab und mit rund 300 Polizisten präsent. In einem gewissen Ausmaß stellt sie für al Shabaab einen Abschreckungsfaktor dar. Sie macht es für AS schwieriger, in die Stadt zu gelangen (BFA 8.2017). Auch die Regierung zeigt einige Bemühungen, die Sicherheit in der Stadt zu verbessern. Allerdings sind diese ungenügend; korrupte, unbezahlte Soldaten und unzufriedene Clans in der Peripherie ermöglichen es der al Shabaab, Mogadischu zu infiltrieren (ICG 20.10.2017).

Mogadischu ist folglich nicht absolut abgeschottet (BFA 8.2017). Der Amniyat ist schon seit Jahren in der Stadt aktiv und konnte Sicherheitsstrukturen unterwandern (ICG 20.10.2017). Insgesamt reicht die in Mogadischu gegenwärtig gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte nicht aus, um eine flächeneckende Präsenz sicherzustellen. Al Shabaab hingegen verfügt eindeutig über eine Präsenz in der Stadt (BFA 8.2017). Diese Präsenz ist aber keine offen militärische, sondern eine verdeckte (DIS 3.2017). Diese ist in den Außenbezirken stärker, als in den inneren. Zentral-Mogadischu ist relativ konsolidiert. Gleichzeitig hängt die Präsenz der Gruppe auch von der Tageszeit ab. Die nördlichen Bezirke - v.a. Dayniile und Heliwaa - werden in der Nacht von al Shabaab kontrolliert (BFA 8.2017).

Insgesamt scheint sich die al Shabaab bei der Durchführung von Attentaten von Quantität auf Qualität verlegt zu haben. Dabei sucht die al Shabaab ihre Ziele v.a. im Bereich der Regierung. Für die Zivilbevölkerung ist das größte Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (DIS 3.2017; vgl. LI 1.4.2016). Ob Mogadischu als sicher oder unsicher bezeichnet wird, hängt maßgeblich von der subjektiven Wahrnehmung und von persönlichen Erfahrungen ab (BFA 8.2017). Die Situation in Mogadischu ist nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre (EGMR 10.9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014).

Mindestens einmal pro Monat kommt es zu einem signifikanten Sprengstoffanschlag. Tödliche, von al Shabaab inszenierte Zwischenfälle ereignen sich regelmäßig. Pro Monat töten die Islamisten ca. 20 Personen in Mogadischu. Dabei richten sich die Aktivitäten vorwiegend gegen die Regierung. Zusätzlich sind neben der al Shabaab auch andere Akteure für Mode und Attentate verantwortlich (BFA 8.2017). Bis in den Oktober 2017 hat Mogadischu eine moderate Verbesserung der Sicherheitslage erlebt. Die Zahl an Attentaten und Anschlägen ging zurück, die Sicherheitskräfte konnten einige Angriffe erfolgreich verhindern (ICG 20.10.2017). Andererseits schien sich al Shabaab später aus taktischen Überlegungen heraus auf Mogadischu zu konzentrieren. Dort sollen Anschläge - speziell auf sogenannte "soft targets" (z.B. Hotels und Märkte) - verstärkt werden (UNHRC 6.9.2017). In welche Richtung sich die Sicherheitslage mittelfristig entwickeln wird, ist schwer einschätzbar (BFA 8.2017).

An der im September 2015 dargestellten Situation hat sich gemäß der Informationen der Fact Finding Mission 2017 nichts Wesentliches geändert (BFA 3./4.2017):

In Mogadischu lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,65 Millionen Menschen (UNFPA 10.2014). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2016 insgesamt 120 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 102 dieser 120 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2017 waren es 217 derartige Vorfälle (davon 186 mit je einem Toten).

Quellen:

ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018

ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights, Somalia,http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258 _de.html, Zugriff 14.9.2017

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017):

Informationen aus den Protokollen der FFM

BFA - BFA Staatendokumentation (10.2015): Analyse zu Somalia:

Lagekarten zur Sicherheitslage

DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):

South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,

https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017

DIS - Danish Immigration Service (9.2015): Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Nairobi, Kenya and Mogadishu, Somalia; 2-12 May 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1443181235_somalia-ffm-report-2015.pdf, Zugriff 13.12.2017

EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

EGMR - Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (10.9.2015):

R.H. v. Sweden, Application no. 4601/14, Council of Europe: ECHR, http://www.refworld.org/docid/55f66ef04.html, Zugriff 21.12.2017

ICG - International Crisis Group (20.10.2017): Managing the Disruptive Aftermath of Somalia's Worst Terror Attack , http://www.refworld.org/docid/59e9b7e74.html, Zugriff 11.11.2017

LI - Landinfo (1.4.2016): Somalia - Relevant social and economic conditions upon return to Mogadishu, https://landinfo.no/asset/3570/1/3570_1.pdf, Zugriff 20.11.2017

SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017

SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

UKUT - United Kingdom Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (3.10.2014): UK Country Guidance Case. MOJ & Ors (Return to Mogadishu) (Rev 1) (CG) [2014] UKUT 442 (IAC), http://www.bailii.org/uk/cases/UKUT/IAC/2014/[2014]_UKUT_442_iac.html, Zugriff 21.12.2017

UNFPA - United Nations Population Fund (10.2014): Population Estimation Survey 2014 - Somalia, http://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Population-Estimation-Survey-of-Somalia-PESS-2013-2014.pdf, Zugriff 21.12.2017

UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):

SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017

1.2.1.3. Al Shabaab (AS)

Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an (EASO 2.2016). Je höher der militärische Druck auf al Shabaab anwächst, je weniger Gebiete sie effektiv kontrollieren, desto mehr verlegt sich die Gruppe auf asymmetrische Kriegsführung (Entführungen, Anschläge, Checkpoints) und auf Drohungen. Al Shabaab wird bei der Anwendung dieser Taktik immer besser und stärker. Dabei ist auch die al Shabaab in ihrer Entscheidungsfindung nicht völlig frei. Die Gruppe unterliegt durch die zahlreichen Verbindungen z.B. zu lokalen Clan-Ältesten auch gewissen Einschränkungen (BFA 8.2017).

Seit 2011 wurden die militärischen Kapazitäten der al Shabaab durch AMISOM und somalische Kräfte sowie durch innere Streitigkeiten beachtlich dezimiert (UKHO 7.2017). Die al Shabaab stellt aber weiterhin eine potente Bedrohung dar (UNSC 9.5.2017). Die Stärke der al Shabaab wird im Schnitt mit ungefähr 7.000 Mann beziffert (BFA 8.2017; vgl. LI 20.12.2017). Die Gruppe ist technisch teilweise besser ausgerüstet als die SNA und kann selbst gegen AMISOM manchmal mit schweren Waffen eine Überlegenheit herstellen. Außerdem verfügt die al Shabaab mit dem Amniyad über das landesweit beste Aufklärungsnetzwerk (BFA 8.2017). Die Gruppe hat sich bei Rückschlägen in der Vergangenheit als resilient und anpassungsfähig erwiesen. Der innere Kern blieb allzeit geeint, auch wenn es bei al Shabaab zu Streitigkeiten und Fraktionierung gekommen ist. Die taktische Entwicklung der Gruppe; ihre wachsenden Fähigkeiten; und die Ausführung komplexer Angriffe auf städtische und ländliche Ziele hat dies jedenfalls bewiesen (UNSC 9.5.2017). In der Vergangenheit hat die Gruppe auch eine konventionell-militärische Bedrohung dargestellt, etwa beim Angriff auf einen kenianischen Stützpunkt bei Kulbiyow im Jänner 2017. Beim Überrennen von AMISOM-Stützpunkten ist al Shabaab auch an schwere Waffen gelangt (SEMG 8.11.2017).

Die Regionalhauptstadt Buale (Middle Juba) sowie die Bezirkshauptstädte Saakow, Jilib (Middle Juba), Jamaame (Lower Juba), Sablaale, Kurtunwaarey (Lower Shabelle), Diinsoor (Bay), Tayeeglow (Bakool), Ceel Buur, Ceel Dheere (Galgaduud) befinden sich unter Kontrolle der al Shabaab. Alle anderen Regional- und Bezirkshauptstädte werden von anti-al-Shabaab-Truppen gehalten. Viele der Städte sind gleichzeitig auch Garnisonsstädte der AMISOM (BFA 8.2017). Eine andere Quelle nennt ebenfalls die o.g. Städte als unter Kontrolle der al Shabaab befindlich, fügt aber die Stadt Xaradheere (Mudug) hinzu und zieht Diinsoor ab (LI 20.12.2017).

In ihrem Gebiet hält al Shabaab vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen (LI 20.12.2017). Die Gruppe verfügt nicht nur über Kämpfer und Agenten, sie kann auch auf Sympathisanten zurückgreifen (NLMBZ 11.2017). Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia damit unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuschlagen zu können (BFA 8.2017). Die al Shabaab übt über das Jubatal Kontrolle aus und kann sich auch in vielen anderen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (USDOS 3.3.2017). Al Shabaab beherrscht weiterhin große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia, v.a. in Bay, Gedo, Lower Shabelle und Middle Juba (AI 22.2.2017; vgl. BFA 8.2017). Auch rund um Städte in Süd-/Zentralsomalia, die von nationalen oder regionalen Sicherheitskräften und/oder AMISOM gehalten werden (SEMG 8.11.2017), kontrolliert al Shabaab den ländlichen Raum und wichtige Versorgungsstraßen (SEMG 8.11.2017; vgl. UKHO 7.2017). Dadurch gelingt es der Gruppe, große Teile der Bevölkerung von einer Versorgung abzuschneiden (SEMG 8.11.2017).

Die al Shabaab übt auch über manche Orte, die eigentlich der Jurisdiktion der Regierung angehören, ein Maß an Kontrolle aus:

Humanitäre Organisationen und Empfänger humanitärer Hilfe werden besteuert oder in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt (SEMG 8.11.2017). Es gelingt der al Shabaab selbst nominell sichere Teile Mogadischus zu infiltrieren (BFA 8.2017). Außerdem verfügt die Gruppe in vielen Teilen Somalias über Verbindungen in alle Gesellschaftsebenen und -Bereiche (SEMG 8.11.2017). Generell variiert die Präsenz der al Shabaab konstant (BFA 8.2017).

Völkerrechtlich kommen der al Shabaab als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (AA 1.1.2017). Staatlicher Schutz ist in der Gebieten der al Shabaab nicht verfügbar (UKHO 7.2017).

Die Fähigkeit der al Shabaab, in den von ihr beherrschten Gebieten eine effektive Verwaltung zu betreiben, ist ungebrochen. Zusätzlich verfügt die Gruppe über Kapazitäten, um in neu eroberten Gebieten unmittelbar Verwaltungen zu installieren (BFA 8.2017). Die Gebiete der al Shabaab werden als relativ sicher beschrieben. Dort herrscht Frieden und eine Absenz an Clan-Konflikten (UNSOM 18.9.2017). In den von ihr kontrollierten Gebieten verfügt die al Shabaab über effektive Verwaltungsstrukturen, eine Art von Rechtsstaatlichkeit und eine effektive Polizei. Die Verwaltung der al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BFA 8.2017).

Die al Shabaab finanziert sich über unterschiedliche Steuern. Allein aus Abgaben auf den (illegalen) Holzkohlehandel lukriert die Gruppe pro Jahr - nach konservativen Schätzungen - 10 Millionen US-Dollar.

Auch von anderen Wirtschaftstreibenden werden Steuern eingehoben: In Mogadischu reicht die Spannweite von zehn US-Dollar monatlich für einfache Markthändler bis zu 70.000 US-Dollar für große Firmen. Im ländlichen Raum werden auch Viehmärkte besteuert. Außerdem verlangt al Shabaab entlang von Hauptverbindungsstraßen Gebühren und hebt den Zakat ein (SEMG 8.11.2017). Die Zahlung der Abgaben erfolgt in der Form von Geld, Tieren, landwirtschaftlichen Produkten oder anderen Werten. Die Höhe der Besteuerung hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen (LI 20.12.2017).

Einerseits zwingt al Shabaab mancherorts Kinder zum Besuch der eigenen Madrassen; andererseits konnte z.B. in einem ländlichen Ort in Middle Juba eine neue Schule eröffnet werden, die sogar Englisch im Lehrplan hat. Dafür musste die Gemeinde aber eine Sonderabgabe leisten (SEMG 8.11.2017).

Die Menschen auf dem Gebiet der al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Während dies zwar einerseits zur Stärkung der Sicherheit beiträgt (weniger Kriminalität und Gewalt durch Clan-Milizen) (BS 2016), versucht al Shabaab alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2016; vgl. DIS 9.2015). Alle Bewohner der Gebiete von al Shabaab müssen strenge Vorschriften befolgen, z. B. Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren, Spionieren, Bildung etc. (DIS 9.2015). Mit den damit verbundenen harten Bestrafungen wurde ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2016). Das Brechen von Vorschriften kann zu schweren Strafen bis hin zum Tod führen (DIS 9.2015).

Die al Shabaab hat im Juni 2017 für die Bundesstaaten Galmudug, Puntland und Hirshabelle ein Verbot der Verwendung des Somali Shilling ausgerufen. Wirtschaftstreibende weichen daher teilweise auf den US-Dollar und den Äthiopischen Birr aus (UNSC 5.9.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI-2016 Somalia .pdf, Zugriff 20.11.2017

DIS - Danish Immigration Service (9.2015): Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Nairobi, Kenya and Mogadishu, Somalia; 2-12 May 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1443181235_somalia-ffm-report-2015.pdf, Zugriff 13.12.2017

EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

LI - Landinfo (20.12.2017): Somalia: Al-Shabaab utenfor byene i Sør-Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1515415669_2012.pdf, Zugriff 10.1.2018

NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_ 1512376193 correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

UKHO - UK Home Office (7.2017): Country Policy and Information Note Somalia (South and Central): Fear of Al Shabaab, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1500368455_somalia-al-shabaab-cpin-v2-0.pdf, Zugriff 15.12.2017

UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (18.9.2017):

Countering Al-Shabaab Propaganda and Recruitment Mechanisms in South Central Somalia,

https://unsom.unmissions.org/sites/default/files/countering_al-shabaab_propaganda_and_ recruitment _mechanisms_report_final_-_14_august_2017.pdf, Zugriff 11.11.2017

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016

Somalia,http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016 &dlid =265300, Zugriff 13.9.2017

1.2.2. Sicherheitsbehörden

1.2.2.1. Ausländische Kräfte

Die Regierung hängt von den Kräften der AMISOM und von alliierten lokalen und regionalen Milizen ab. Die Abhängigkeit von lokalen Milizen verläuft dabei nicht friktionsfrei. Die Loyalität der Milizen liegt - trotz offizieller Allianz mit der Regierung - zuallererst bei den Kommandanten und beim Clan. Die Spannungen zwischen lokalen Milizen und der Armee traten bereits zutage, als die Verwaltungsstrukturen im Sinne der Föderalisierung geändert worden sind (BS 2016). AMISOM hat eine militärische, eine polizeiliche und eine zivile Komponente. Truppenstellerstaaten für die militärische Komponente sind gegenwärtig Uganda, Burundi, Dschibuti, Kenia und Äthiopien (EASO 2.2016). Die Stärke betrug im August 2017:

* Äthiopien: 4.324

* Burundi: 5.163

* Dschibuti: 1.885

* Kenia: 3.944

* Uganda: 6.040 (BFA 8.2017)

Obwohl die UN für AMISOM bereits im Jahr 2012 ein Mandat zur Stationierung von zwölf Hubschraubern erteilt hat, sind bis dato nur drei (kenianische) Helikopter im Rahmen von AMISOM im Einsatz (UNSC 5.9.2017). Rund 1.000 AMISOM-Soldaten erhielten eine Ausbildung durch Kräfte aus Großbritannien, dies hat u.a. zur Einsatzfähigkeit im Sektor 5 beigetragen (UNSC 9.5.2017). In manchen Gebieten kooperiert AMISOM eng mit lokalen Milizen oder anderen Kräften (BFA 8.2017).

Ein (teilweiser) Rückzug der AMISOM aus Somalia in den nächsten zwei bis fünf Jahren wird wahrscheinlicher (SEMG 8.11.2017). Ein baldiger Totalabzug bleibt aber sehr unwahrscheinlich (BFA 8.2017). Das Mandat der AMISOM wurde am 30.8.2017 bis Ende Mai 2018 verlängert. Dabei wurde eine leichte Reduzierung der Stärke von 22.126 auf

21.626 beschlossen (UNNS 30.8.2017; vgl. VOA 21.12.2017). Nach anderen Meldungen soll die Truppenstärke der AMISOM 2018 um 1.000 Mann reduziert werden (BBC 22.12.2017; vgl. VOA 27.12.2017). Mindestens zehn Stützpunkte an der Front (Forward Operational Bases) sollen von AMISOM 2018 an die somalische Armee übergeben werden (AMISOM 22.12.2017; vgl. VOA 21.12.2017). Allerdings wird ein solcher Abzug von der dann herrschenden Situation abhängig gemacht (VOA 27.12.2017). Insgesamt bleibt anzuzweifeln, dass die somalischen Kräfte in der Lage sein werden, diese Lücke zu schließen. Zwar erzielte die von den USA ausgebildete Spezialeinheit Gashaan Erfolge, doch dem Großteil der somalischen Armee fehlt es an Zusammenhalt (JF 15.8.2017). Eine Exit-Strategie für AMISOM könnte sein, vor einem Abzug das ganze Land von al Shabaab zu befreien (AMISOM 22.12.2017).

Im Land befindet sich auch eine mehrere hundert Mann starke AMISOM-Polizeikomponente unterschiedlicher afrikanischer Teilnehmerstaaten (BFA 8.2017). Mehr als 300 AMISOM-Polizisten bilden die somalischen Polizisten in den Bereichen Polizeiarbeit; Menschenrechte; Verbrechensprävention; Gemeindepolizei und Fahndungsmethoden weiter (USDOS 3.3.2017). Im Bereich der Polizeiausbildung bestehen Trainingsschulen der AMISOM und UNSOM, bilaterale Initiativen (v.a. zur Ausbildung von Polizeikräften in Mogadischu), Unterstützung durch UNDP und UNODC (v.a. im Strafvollzug) sowie IOM (Ausbildung im Counter-Trafficking-Bereich). Zudem wurde dieses Jahr eine "Police Project Coordination Cell" (PPCC) ins Leben gerufen um die internationale Unterstützung zu koordinieren (ÖB 9.2016). Die Polizei-Komponente der AMISOM soll trotz der im August 2017 beschlossenen Truppenreduktion verstärkt werden, die Resolution nennt eine Zahl von 1.040 Polizisten (UNNS 30.8.2017).

Neben AMISOM operieren auch noch bilateral eingesetzte Truppen unterschiedlicher Staaten auf somalischem Territorium. Einige davon beschränken sich auf die Ausbildung somalischer Einheiten (z.B. Türkei, Vereinte Arabische Emirate), andere werden auch im Feld eingesetzt. Dies betrifft vorwiegend äthiopische Kräfte in Hiiraan, Galgaduud, Bakool und Gedo, teils auch kenianische Kräfte in Gedo sowie kleinere US-amerikanische Einheiten. Den größten Teil bilateral eingesetzter Truppen stellt Äthiopien (ca. 3.000). Äthiopien hat kein Problem damit, bilateral eingesetzte Truppen zu verschieben oder abzuziehen (BFA 8.2017).

Zusätzlich gibt es noch eine UN Guard Unit (UNGU) mit 530 ugandischen Soldaten, deren einzige Aufgabe der Schutz der UN-Einrichtungen in Mogadischu ist (EASO 2.2016)

Auch die Liyu Police des äthiopischen Somali Regional State ist in Somalia aktiv. Die Angehörigen der Liyu sind ethnische Somali. Die Liyu betreibt keine festen Stützpunkte in Somalia. Sie operiert entlang der äthiopischen Grenze zu Somalia - auch auf der somalischen Seite der Grenze, von Puntland bis Gedo; beispielsweise in Luuq, Xudur und Ceel Barde. Insgesamt sind die Meldungen über Aktivitäten der Liyu Police in Somalia seit Beginn des Jahres 2017 stark zurückgegangen (BFA 8.2017).

Quellen:

AMISOM (22.12.2017): 2017 was hugely successful but challenges still lurk, says AU Special Representative for Somalia, https://reliefweb.int/report/somalia/2017-was-hugely-success

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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