Entscheidungsdatum
02.05.2018Norm
AlVG §12Spruch
L510 2160496-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Vorsitzenden, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. WOLFARTSBERGER und Dr. PUNZENBERGER als Beisitzer, über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch AK XXXX , Kammer für Arbeiter und Angestellte, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 13.02.2017, GZ: XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 15.05.2017, GZ: XXXX , beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice XXXX zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Das Arbeitsmarktservice XXXX (folgend kurz: "AMS") hat mit Bescheid vom 13.02.2017, VNR: XXXX , ausgesprochen, dass dem Antrag der beschwerdeführenden Partei (folgend kurz: "bP"), XXXX , vom 19.01.2017 auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 7 Abs. 1 Z.1 und Abs. 2 iVm § 12 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben werde.
Begründend wurde dargelegt, dass das Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass die bP am 17.07.2012 ohne Rahmenfristerstreckung durch Heranziehung von Ausbildungszeiten innerhalb der letzten zwei Jahre (17.07.2010 bis 17.07.2012) nicht zumindest zwölf Monate arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung bzw. anwartschaftsbegründender Zeiten habe nachweisen können. Da sie seit 2006 nach wie vor demselben Studium nachgehe, würde sie auch jetzt weiterhin nicht als arbeitslos gelten.
Der vorliegende Verwaltungsakt beinhaltet u. a. eine Studienzeitbestätigung, ein Studienblatt für das WS 2016/2017, Bezugsverlauf, Versicherungsverlauf, Antrag auf Arbeitslosengeld, Niederschrift vom 03.02.2017.
2. Mit Schreiben vom 08.03.2017 wurde seitens der bP Beschwerde eingebracht. Es wurde dargelegt, dass der Bescheid rechtswidrig sei, da in der Begründung des Bescheides auf den Zeitraum 17.07.2010 bis 17.07.2012 Bezug genommen werde und somit auf den Beobachtungszeitraum für einen früheren Arbeitslosengeldanspruch, aufgrund dessen sie zwischen 17.07.2012 und 30.09.2012 Arbeitslosengeld bezogen habe. Sie sei zwischenzeitig und insbesondere in den letzten 2 Jahren vor der Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 19.01.2017 insgesamt mehr als 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen, sodass sie eine neue Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erworben habe. Trotz aufrechten Studiums erfülle sie die Voraussetzungen für die Gewährung des Arbeitslosengeldes, da sie auch die Voraussetzungen gemäß § 12 Abs. 4 AlVG erfülle. Selbst wenn ihr das Arbeitslosengeld für den Zeitraum 17.07.2012 und 30.09.2012 zu Unrecht gewährt worden sein sollte, könne sich dieser Umstand auf die Beurteilung ihrer neu erworbenen Anwartschaft nicht auswirken. Vielmehr sei bei einer Annahme, dass das Arbeitslosengeld für den Zeitraum 17.07.2012 und 30.09.2012 zu Unrecht gewährt worden sei davon auszugehen, dass bei der Beurteilung ihrer neu erworbenen Anwartschaft von einer erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes während der Ausbildung iSd § 12 Abs. 4 AlVG auszugehen sei. Auch bei Annahme einer wiederholten Inanspruchnahme während der Ausbildung habe sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da sie iSd § 12 Abs. 4 letzter Satz AlVG die Voraussetzungen des § 14 AlVG erfülle. Eine unrichtige Beurteilung eines früheren Anspruches auf Arbeitslosengeld könne nicht die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 4 AlVG für die Beurteilung eines neuen Anspruches auf Arbeitslosengeld ausschließen. Beantragt wurde die Aufhebung des Bescheides des AMS, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
3. Mit im Spruch angeführtem Bescheid vom 15.05.2017, wies das AMS im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde der bP vom 08.03.2017 gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.
Begründend wurde unter Zugrundelegung des bisherigen Verfahrensverlaufs dargelegt, dass wie aus ihren Unterlagen hervorgehe, die bP am 19.01.2017 beim AMS einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt und dabei angegeben habe, dass sie sich in Ausbildung befinde. In der am 03.02.2017 aufgenommenen Niederschrift habe sie bekannt gegeben, dass sie seit XXXX ein Studium als ordentliche Hörerin an der Universität in XXXX absolviere und es voraussichtlich am XXXX abschließen werde. Aus dem vorgelegten Studienblatt gehe hervor, dass sie seit XXXX dem Bachelorstudium XXXX als ordentliche Hörerin nachgehe.
Anlässlich der Bearbeitung ihres Antrages auf Arbeitslosengeld vom 19.01.2017 sei festgestellt worden, dass sie erstmalig während ihres laufenden Studiums am 17.07.2012 beim AMS einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt habe. Auch in diesem Antrag habe sie bekannt gegeben, dass sie einem laufenden Studium nachgehe.
Im Falle einer Ausbildung, die länger als drei Monate dauere, gelte eine Person nur dann als arbeitslos, wenn innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist ab Antragstellung 364 Tage vollversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten bzw. andere anwartschaftsbegründende Zeiten vorliegen würden und die Rahmenfrist gem. § 15 ALVG nicht durch Ausbildungszeiten hätte erstreckt werden müssen.
Eine Überprüfung Ihres Versicherungsverlaufes habe ergeben, dass innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist vom 17.07.2012 bis 17.02.2010 folgende anwartschaftsbegründende Zeiten gespeichert seien:
01.03.2012 bis 30.06.2012: Dienstverhältnis bei der XXXX 122 Tage
01.10.2011 bis 31.01.2012: Dienstverhältnis bei der XXXX 123 Tage
14.03.2011 bis 30.06.2011: Dienstverhältnis bei der XXXX 109 Tage
Das seien insgesamt 354 Tage.
Als rahmenfristerstreckende Zeiten würden innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist vom 17.07.2012 bis 17.07.2010 nur Zeiten des Studiums vom 16.07.2012 bis XXXX vorliegen.
Aufgrund eines EDV-Fehlers sei das AMS davon ausgegangen, dass sie zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 17.07.2012 die Ausnahmegenehmigung gemäß § 12 Abs. 4 ALVG erfüllt habe, weshalb ihr das Arbeitslosengeld ab 17.07.2012 zuerkannt worden ist.
Rechtlich führte die belangte Behörde unter Anführung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen aus, dass fest stehe, dass die bP seit dem XXXX dem ordentlichen Bachelorstudium der XXXX nachgehe. Weiter stehe fest, dass ihre erstmalige Antragstellung auf Arbeitslosengeld während des laufenden Studiums am 17.07.2012 erfolgt sei. Bei ihrer Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 19.01.2017 sei festgestellt worden, dass sie weiterhin dem ordentlichen Bachelorstudium der XXXX , das sie mit XXXX begonnen habe, nachgehe. Wie sie in der Niederschrift vom 03.02.2017 angegeben habe, werde sie dieses Studium voraussichtlich erst am XXXX abschließen.
Gern. § 12 Abs. 3 lit. f ALVG gelte nicht als arbeitslos, wer als ordentlicher Hörer einer Hochschule ausgebildet werde. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (ZI. 2008/08/08/0011 vom 26.01.2010, ZI. 2009/08/0005 vom 06.07.2011 u. a.) begründe die Zulassung als ordentlicher Hörer an einer Universität bzw. Hochschule kraft Gesetzes die unwiderlegliche Vermutung, dass die betreffende Person so lange nicht an einer neuen Beschäftigung, sondern an der Erreichung ihres Ausbildungszieles interessiert (und daher nicht arbeitslos) sei, solange sie sich dieser Ausbildung unterziehe. Eine allenfalls bestehende Arbeitswilligkeit könne nicht durch bloße Erklärung, arbeitswillig zu sein, sondern nur durch die Beendigung der Ausbildung wirksam dokumentiert werden. Zur Folge der formalen Anknüpfung des § 12 Abs. 3 lit. f. AlVG komme es nicht darauf an, ob eine Anwesenheitspflicht für Studierende besteht oder es faktisch möglich sei, neben dem Studium einer Beschäftigung nachzugehen.
Eine Ausnahme von der Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. f. AlVG normiere § 12 Abs. 4 AlVG. Der Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 4 AlVG sei zunächst dann erfüllt, wenn die Gesamtdauer der Ausbildung drei Monate nicht überschreite. Handle es sich um eine länger dauernde Ausbildung, sei der Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 4 AlVG nur dann erfüllt, wenn bei erstmaliger Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld während der Ausbildung eine "lange Anwartschaft" (§ 14 Abs. 1 erster Satz AlVG: 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung im Inland in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches) ohne Berücksichtigung einer Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten (§ 15 Abs. 1 Z. 4 AlVG) vorliegen würden (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 29.01.2014 ZI. 2012/08/0265).
Sie habe bei ihrer erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosgeld während der Ausbildung am 17.07.2012 die "lange Anwartschaft" ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten nicht erfüllt, weil nur 354 Tage anwartschaftsbegründende Zeiten vorliegen würden. Sie habe damit die Voraussetzung für die Erfüllung der Ausnahmegenehmigung gemäß § 12 Abs. 4 AlVG bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes während der Ausbildung am 17.07.2012 nicht erfüllt, weshalb sie bei ihrer Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 19.01.2017 weiterhin nicht als arbeitslos gelte. Diese Beurteilung gelte unabhängig davon, dass ihr fälschlicherweise vom AMS am 17.07.2012 das Arbeitslosengeld zuerkannt worden sei. Es sei auch unerheblich, dass sie bei ihrer Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 19.01.2017 die Voraussetzung für die Erfüllung der Ausnahmegenehmigung gemäß § 12 Abs. 4 AlVG erfüllt haben. Ihr Antrag auf Arbeitslosengeld vom 19.01.2017 sei daher zu Recht mangels Arbeitslosigkeit abgelehnt worden.
4. Dieser Bescheid wurde durch Übernahme rechtswirksam zugestellt.
5. Mit Schreiben der Vertretung der bP vom 19.05.2017 beantragte diese fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
6. Am 09.06.2017 langte der Verwaltungsverfahrensakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die bP geht seit XXXX dem ordentlichen Bachelorstudium der XXXX nach. Während laufendem Studium stellte sie erstmals am 17.07.2012 einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Damals wurde die "lange Anwartschaft" ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten nicht erfüllt. Fälschlicherweise wurde jedoch vom AMS das Arbeitslosengeld zuerkannt.
Am 19.01.2017 stellte die bP erneut einen Antrag auf Arbeitslosengeld und ging nach wie vor dem ordentlichen Bachelorstudium der XXXX nach.
In den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung am 19.01.2017 war die bP insgesamt mehr als 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes des AMS. Die Feststellungen zum Bachelorstudium ergeben sich aus der Vorlage entsprechender im Akt befindlicher Nachweise. Die Antragstellungen auf Arbeitslosengeld finden sich im Verfahrensakt. Das Nichterfüllen der "langen Anwartschaft" in Bezug auf die Antragstellung vom 17.07.2012 und die fälschlicherweise erfolgte Zuerkennung des Arbeitslosengeldes entspricht den Angaben des AMS und der bP im Verfahren. Die diesbezügliche Berechnung findet sich im Verfahrensakt. Die Feststellung zur arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung in den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung am 19.01.2017 ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Versicherungsverlauf.
Sämtliche oben getätigten Feststellungen wurden im Verfahren nicht bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Das AMS hat gegenständlich eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG erlassen und die Beschwerdeführerin hat fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG gestellt, mit dem die (gegen den ersten Bescheid gerichtete) Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist daher die an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung, wobei der Ausgangsbescheid Maßstab dafür bleibt, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht, da sich diese gegen den Ausgangsbescheid richtet und ihre Begründung auf diesen beziehen muss (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/09/0025; 17.12.2015, Ro2015/08/0026).
Zu A)
§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer
1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat
(...)
(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:
(...)
f) wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne dass ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht;
(...)
(4) Abweichend von Abs. 3 lit. f gilt als arbeitslos, wer eine die Gesamtdauer von drei Monaten innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten nicht überschreitende Ausbildung macht oder die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 erster Satz mit der Maßgabe erfüllt, dass diese ohne Rahmenfristerstreckung durch die Heranziehung von Ausbildungszeiten gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 erfüllt werden und für die erstmalige Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes während der Ausbildung gelten. Bei wiederholter Inanspruchnahme während einer Ausbildung genügt die Erfüllung der Voraussetzungen des § 14.
(...)
§ 14. (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.
(2) Bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt.
(3) In Zeiten empfindlicher Arbeitslosigkeit kann durch Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung für einzelne Berufsgruppen, in denen die Beschäftigungslage besonders ungünstig ist, bestimmt werden, daß die Anwartschaft auch dann erfüllt ist, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld im Inland insgesamt 26 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.
(...)
Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Der in § 12 Abs. 3 lit. f AlVG genannten Personengruppe gebührt grundsätzlich kein Arbeitslosengeld, es sei denn, es besteht eine Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG. Der Grund für diese Regelung ist darin zu erblicken, dass der Gesetzgeber - ungeachtet subjektiver Umstände und Erklärungen des Arbeitslosen, insbesondere seiner Arbeitswilligkeit - von der Vermutung der Unvereinbarkeit der Ausbildung mit einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung und damit auch von der Vermutung des Fehlens der Verfügbarkeit für eine Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice bzw. des Fehlens der Möglichkeit eines Bemühens um eine neue zumutbare Beschäftigung ausgeht. Dadurch soll verhindert werden, dass das Arbeitslosengeld - systemwidrig - zur Finanzierung einer solchen Ausbildung herangezogen wird, statt dazu zu dienen, nach Maßgabe der Bestimmungen des AlVG den Entgeltausfall nach Verlust der arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung bis zur Wiedererlangung einer neuen abzugelten. Das bedeutet, dass in diesen Fällen von Gesetzes wegen unwiderleglich vermutet wird, dass der Betreffende so lange einer Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice nicht zur Verfügung steht, als er in der Schule oder dem geregelten Lehrgang ausgebildet wird bzw. sich der praktischen Ausbildung unterzieht. Seine allfällig bestehende Arbeitswilligkeit kann der Anspruchswerber daher nicht durch die bloße Erklärung, arbeitswillig zu sein, sondern nur durch die Beendigung der Ausbildung wirksam dokumentieren (vgl. VwGH v. 18.11.2009, Zl. 2009/08/0217, mwN).
Im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG schließt schon die Zulassung als ordentliche Hörerin an einer Universität die Arbeitslosigkeit aus, wobei es nicht mehr darauf ankommt, in welchem Umfang das Studium, zu dem die bP zugelassen ist, auch tatsächlich betrieben wird. Maßgebend ist die Ausbildung, so wie sie nach den jeweiligen Ausbildungsvorschriften üblicherweise erfolgt, nicht die konkret-individuelle Art, in welcher der Auszubildende an der Ausbildung teilnimmt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Zulassung zum Studium an einer Universität in der Regel zu einer überwiegenden Inanspruchnahme des Studierenden durch die Ausbildung führt (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 18.11.2009). Die rechtliche Konsequenz der Zuordnung einer Ausbildung zu § 12 Abs. 3 lit. f AlVG besteht somit darin, dass der Betreffende nicht als arbeitslos iSd § 12 Abs. 1 und 2 AlVG gilt und daher - ungeachtet des Vorliegens der übrigen, nach § 7 AlVG erforderlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld, u.a. auch der Arbeitswilligkeit iSd § 9 bis § 11 AlVG - keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat (vgl. VwGH v. 11.09.2008, Zl. 2007/08/0199).
Die bP ist als ordentliche Hörerin an einer Universität zugelassen und liegt grundsätzlich somit keine Arbeitslosigkeit vor. Zu prüfen war gegenständlich jedoch, ob eine Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG vorliegen kann.
Zuvor ist festzustellen, ob gem. § 14 AlVG gegenständlich von einer erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld auszugehen ist.
Unter "Inanspruchnahme" (iSd § 14 Abs. 1 und 2 AlVG) ist die Geltendmachung iSd § 46 AlVG zu verstehen, sofern die materiellen Leistungsvoraussetzungen (§ 7 AlVG) erfüllt sind (vgl. Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz Praxiskommentar, 5. Lfg., § 14 Rz 343; Pfeil, Arbeitslosenversicherungsrecht3, § 14 Anmerkung 2.2; Gerhartl, Arbeitslosenversicherungsgesetz, § 14 Rz 2, VwGH v. 14.01.2013, Zl. 2012/08/0294).
Die bP hat bereits am 17.07.2012 eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung geltend gemacht und wurde ihr seitens des AMS fälschlicherweise Arbeitslosengeld zuerkannt. Maßgeblich ist jedoch, ob die materiellen Leistungsvoraussetzungen (§ 7 Abs. 1 Z. 2 AlVG: Anwartschaft) vorlagen, was gegenständlich zu verneinen ist, sodass es sich letztendlich durch die Auszahlung von Arbeitslosengeld seitens des AMS aufgrund des Antrages vom 17.07.2012 um keine "Inanspruchnahme" handelte. Weitere "Inanspruchnahmen" kamen verfahrensgegenständlich nicht hervor, weshalb sohin beim verfahrensgegenständlichen Antrag vom 19.01.2017 eine - versuchte - erstmalige Inanspruchnahme vorliegt.
Der Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 4 AlVG ist zunächst dann erfüllt, wenn die Gesamtdauer der Ausbildung drei Monate nicht überschreitet. Bei einer längerdauernden Ausbildung ist zu unterscheiden: Bei erstmaliger Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld während der Ausbildung muss eine "lange Anwartschaft" (§ 14 Abs. 1 erster Satz AlVG: 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung im Inland in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches) ohne Berücksichtigung einer Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten (§ 15 Abs. 1 Z 4 AlVG) vorliegen. Bei wiederholter Inanspruchnahme während einer Ausbildung reicht hingegen jede Anwartschaftserfüllung gemäß § 14 AlVG, auch unter Heranziehung der Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten. Vorliegend übersteigt die Ausbildungsdauer drei Monate, sodass Arbeitslosigkeit bei erstmaliger Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld während der Ausbildung nur dann anzunehmen ist, wenn die "lange" Anwartschaft (§ 14 Abs. 1 AlVG) erfüllt ist. Die Gewährung von Arbeitslosengeld setzt daher voraus, dass innerhalb der letzten 24 Monate vor Geltendmachung des Anspruches insgesamt 52 Wochen (§ 14 Abs. 1 AlVG) an für die Anwartschaft zu berücksichtigenden Zeiten (§ 14 Abs. 4 AlVG) vorliegen. Gegenständlich ergibt sich, dass die bP in den letzten zwei Jahren vor Antragstellung insgesamt mehr als 52 Wochen im Inland arbeitslosenverssicherungspflichtig beschäftigt war, sodass sie eine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erworben hat.
Der Rechtsansicht des AMS, dass es unerheblich ist, dass die bP bei ihrer Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 19.01.2017 die Voraussetzungen für die Erfüllung der Ausnahmegenehmigung gem. § 12 Abs. 4 erfüllt habe, wird somit nicht gefolgt. Die Abweisung des Antrages mangels Vorliegens von Arbeitslosigkeit erfolgte daher zu Unrecht.
Da aus der Aktenlage nicht ersichtlich ist, ob im Fall der bP die übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld im Einzelnen vorliegen - wodurch ein qualifiziert mangelhafter Sachverhalt im Sinne des Erkenntnisses des VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 vorliegt - und andererseits das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes (vgl. dazu VwGH 23.06.2017, Ra 2016/08/0179 mwN; 24.02.2016, Ra 2015/08/0209 mwN) auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war, kann das BVwG hier nur mit einer Zurückverweisung im Sinne von § 28 Abs. 3 VwGVG vorgehen, wobei das AMS gemäß § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG an die rechtliche Beurteilung durch das BVwG gebunden ist.
Im konkreten Fall bedeutet dies, dass der Antrag der bP auf Arbeitslosengeld nicht erneut unter Hinweis auf fehlende Voraussetzungen nach § 12 Abs. 4 AlVG abgewiesen werden darf.
Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist auszuführen, dass der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG bereits von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt. Dies wurde durch das AMS auch nicht aberkannt, weshalb sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erübrigte.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die gegenständliche Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Anwartschaft, Arbeitslosengeld, Ermittlungspflicht, Kassation,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L510.2160496.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2018