TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/27 W260 2193490-1

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Veröffentlicht am 27.04.2018
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Entscheidungsdatum

27.04.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W260 2193490-1/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, vom 20.03.2018, Zahl XXXX , zu Recht:

A) In Stattgebung der Beschwerde wird Spruchpunkt VI. des

angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Gang des Verfahrens:

1. Am 20.03.2018 erließ die belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "BFA") den angefochtenen Bescheid, mit dem

der Antrag des XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer") auf internationalen Schutz vom 22.12.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100/2005 (AsylG) abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.),

gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen wurde (Spruchpunkt II.),

dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde (Spruchpunkt III.) und gegen ihn

gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen wurde (Spruchpunkt IV.),

gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt wurde, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.),

die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Absatz 1 Z 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz aberkannt wurde (Spruchpunkt VI.),

gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII.),

gemäß § 13 Absatz 2 Ziffer 1 AsylG der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 03.10.2017 verloren hat (Spruchpunkt VIII.) und

gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen wurde (Spruchpunkt IX.).

2. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung führte das BFA zusammengefasst aus, dass der Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle. Das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers, insbesondere aufgrund des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften, sei das BFA der Auffassung, dass die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Interesses der öffentlichen Ordnung erforderlich sei.

3. Mit Verfahrensanordnung vom 21.03.2018 gab das BFA dem Beschwerdeführer den Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bei, welcher fristgerecht Beschwerde erstattete.

4. Der bezughabende Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 23.04.2018 übermittelt, wo dieser am 25.04.2018 eingelangt ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem, dem Bundesverwaltungsgericht übermittelten Verwaltungsakt, insbesondere aus der Niederschrift über die Erstbefragung des Beschwerdeführers, der Niederschrift über die Einvernahme durch das BFA, des Beschwerdevorbringens sowie der Länderberichte zur Lage in Afghanistan und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen und wird der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang als Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

Rechtskräftiges Urteil des Landesgerichtes Linz vom 03.10.2017 zu AZ 37 Hv 99/17k wegen §§ 27 Abs 2a ua SMG. Die verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aufgrund der unbedenklichen und unzweifelhaften Aktenlage des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes. Die Feststellung zu der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt erliegenden Urteil des Landesgerichtes Linz.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der - zulässigen - Beschwerde:

3.1. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

Unter den in § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG genannten, taxativ aufgezählten, Gründen hat das BFA (kein Ermessen) einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen (Böckmann-Winkler in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 18 BFA-VG (Stand: 1.3.2016, rdb.at).

3.2. Das BFA hat mit Bescheid vom 20.03.2018 gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.), da sein Verbleib in Österreich eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle.

3.3. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht "der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde".

3.4. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG zuletzt mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) ergangen war:

In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Zuletzt hielt der Verwaltungsgerichtshof auch fest, dass eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen habe (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

3.5. Im Lichte des oben Gesagten ist für das vorliegende Verfahren Folgendes auszuführen:

3.5.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den Bescheid des BFA zur Gänze. Die Ausführungen in der Beschwerde betreffend die dem Beschwerdeführer in Afghanistan drohende Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK sowie der Zusatzprotokolle zur GFK im Falle einer Rückkehr dorthin, wenden sich - ohne ausdrücklich darauf Bezug zu nehmen - (auch) gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides des BFA und die darin verfügte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr in Abspruch über die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. darüber zu entscheiden, ob die geltend gemachte Rechtsverletzung iSd § 18 Abs. 5 BFA-VG anzunehmen ist.

3.5.2. Die Beschwerdeausführungen zeigen im Falle einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Afghanistan vorderhand die reale Gefahr einer Verletzung ihrer Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK sowie der Zusatzprotokolle zur GFK auf. Ob eine entsprechende reale Gefahr vorliegt, wird erst durch eine Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers anhand des im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Berichtsmaterials zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan und der Bestimmung seines Gesundheitszustandes nach allfälliger Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beurteilen sein.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich bei dieser um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen scheint, dass die Angaben der Beschwerdeführer als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

3.5.3. In Zusammenschau der aktuellen Berichtslage zu Afghanistan und dem Vorbringen des Beschwerdeführers kann eine Verletzung in den nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechten nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit von vornherein ausgeschlossen werden. Angesichts des im Rahmen eines (binnen einer Woche abzuschließenden) Verfahrens nach § 18 BFA-VG eingeschränkten Prüfungsmaßstabes und des Vorbringens des Beschwerdeführers ist aus vorläufiger Sicht - unvorgreiflich des Ergebnisses der vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat sowie der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers - anzunehmen, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde.

3.6. Der die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkennende Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides ist daher aus den angeführten Gründen ersatzlos zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet, wird darüber gesondert entschieden werden.

3.7. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwecks Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Der im vorliegenden Fall entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt erscheint aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Insbesondere stand bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides aufzuheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Außerdem ist die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung idR das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung, die, wenn sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird, als einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, ersatzlose Behebung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W260.2193490.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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