Entscheidungsdatum
30.04.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W151 2193779-1/5E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger, Rüdengasse 11, 1030 Wien, gegen Spruchpunkt VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2018, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:
A) In Stattgebung der Beschwerde wird Spruchpunkt VII. des
angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht
zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 08.07.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Eine Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes fand am nächsten Tag im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu statt, in der dieser ausführte, dass er aufgrund der allgemeinen, unsicheren Lage geflüchtet sei. In seinem Heimatort seien die Taliban sehr aktiv und würden diese junge Männer rekrutieren.
2. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 03.10.2016 wurde der Magistrat der Stadt Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Obsorge des Beschwerdeführers betraut.
3. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20.12.2017 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG mit einem Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe sowie einer Probezeit von drei Jahren, belegt.
4. In einer Einvernahme beim BFA am 05.03.2018 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari wurde der Beschwerdeführer neuerlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Zu in Kabul lebenden Verwandten befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass eine Tante mütterlicherseits dort lebe, er jedoch zu dieser keinen Kontakt habe.
5. Mit Schreiben vom 19.03.2018 wurde durch die gesetzliche Vertretung eine Stellungnahme zum Länderinformationsblatt eingebracht.
6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 21.03.2018, Zahl: XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 08.07.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Schließlich sprach das BFA aus, dass der Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wird (Spruchpunkt VII.).
7. Gegen diesen Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in dem u.a. der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt wurde.
Der Beschwerdeführer beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen und ihm den Status eines Asylberechtigten zuerkennen. In eventu wurde beantragt, dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder auszusprechen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG zu erteilen, in eventu den Bescheid aufzuheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen, jedenfalls Spruchpunkt VII. des Bescheides ersatzlos zu beheben.
8. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 27.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem unter Punkt I. dargestellten Verfahrensgang.
Auf Grundlage der Niederschrift über die Erstbefragung des Beschwerdeführers, der Niederschrift über seine weitere Einvernahme durch die belangte Behörde, des Beschwerdevorbringens sowie der Länderberichte zur Lage in Afghanistan und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen sowie dem beigeschafften Akt des Landesgerichts für Strafsachen Wien XXXX und dem Strafregisterauszug vom 27.04.2018 werden folgende Feststellungen getroffen:
Der minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 08.07.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung rechtskräftig strafrechtlich bedingt verurteilt wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG.
Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Paschtu. Der Beschwerdeführer ist im Entscheidungszeitpunkt minderjährig.
Er wurde in Kabul geboren, wo er nur ein Jahr verbrachte, bevor er mit seiner Familie nach Nangarhar zog, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. In Afghanistan verfügt er weiterhin über soziale und familiäre Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer war Schüler und besitzt keine Berufserfahrung, er hat lediglich in der Landwirtschaft des Vaters in Nangarhar mitgearbeitet.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 03.10.2016 wurde der Magistrat der Stadt Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Obsorge des Beschwerdeführers betraut. Der Beschluss ist nach wie vor aufrecht.
Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde im angefochtenen Bescheid nur festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Österreich straffällig und rechtskräftig verurteilt wurde. Im Übrigen bediente sich das BFA nur der verba legalia, eine inhaltliche Begründung erfolgte nicht.
Die Beschwerde langte am 27.04.2018 beim BVwG ein.
Es wird festgestellt, dass beim Beschwerdeführer keine schwerwiegenden Gründe für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung vorliegen.
Da es sich bei der Heimatprovinz des Beschwerdeführers (Nangarhar) um eine unsichere Herkunftsprovinz handelt, ist ihm eine Rückkehr dorthin - wie auch schon durch das BFA festgestellt wurde - weder möglich noch zumutbar.
Zu einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul:
Im Hinblick auf die aktuelle Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Kabul ist zwar festzuhalten, dass die afghanische Regierung nach wie vor die Kontrolle über die Stadt Kabul und größere Transitrouten innehat, es ist jedoch auszuführen, dass die Sicherheitslage (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor weiterhin angespannt ist. Hinsichtlich der in der Stadt Kabul bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist anzuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist und dass Personen, die sich ohne sichere familiäre Bindung, Fachausbildung und Geldmittel in der Stadt Kabul ansiedeln, mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein können.
Es wird eine Einzelfallprüfung durch das BVwG in Form einer mündlichen Verhandlung vorzunehmen sein, in der besonders auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, seinen Schulbesuch sowie auf die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme mit seiner in Kabul lebenden Tante sowie einer möglichen Versorgung durch diese bei einer Ansiedlung in Kabul und auch auf die Sozialisierungsunterschiede zwischen Stadt und Land einzugehen sein wird.
Im Zeitpunkt der Entscheidung kann nicht festgestellt werden, dass Kontakt zu der in Kabul lebenden Tante hergestellt werden kann.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA, dem beigeschafften Strafakt und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Derartige Regelungen kommen für das vorliegende Verfahren nicht zur Anwendung, weshalb es der Einzelrichterzuständigkeit unterliegt.
Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
3.1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Bestimmung des § 18 BFA-VG lautet wie folgt:
"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."
3.2. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG zuletzt mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) ergangen war:
In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof hierzu fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und es könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Schließlich hielt der Verwaltungsgerichtshof auch fest, dass eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen habe (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
3.3. Für die vorliegende Beschwerdesache bedeutet dies folgendes:
3.3.1. Der Beschwerdeführer stellte in seiner Beschwerde u.a. den Antrag, diesem die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Aus den Ausführungen und dem Aufbau des Beschwerdeschriftsatzes geht hervor, dass es sich dabei nicht um einen gesonderten Antrag handelt, der nach der dargestellten Rechtsprechungslinie des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen wäre; vielmehr wendet sich der Beschwerdeführer in einem eigenen Beschwerdepunkt unter Hinweis auf eine ihm in Afghanistan drohende Verletzung seiner Rechte nach Art. 2, 3 und 8 EMRK im Falle seiner Rückführung dorthin auch gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides des BFA und der darin verfügten Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr in Abspruch über die Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt darüber zu entscheiden, ob die geltend gemachte Rechtsverletzung iSd § 18 Abs. 5 BFA-VG anzunehmen ist.
3.3.2. Die Beschwerdeausführungen zeigen im Falle einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Afghanistan vorderhand die reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2, 3 und 8 EMRK auf. Ob eine entsprechende reale Gefahr vorliegt, wird erst durch eine Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers anhand des im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Berichtsmaterials zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan nach allfälliger Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beurteilen sein.
Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten, vielmehr handelt es sich bei dieser um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen scheint, dass die Angaben des Beschwerdeführers als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.
In Zusammenschau der vom Beschwerdeführer - unter Verweis auf die nicht gegebene Ausbildung, seine Minderjährigkeit, sowie der noch offenen Frage einer etwaigen Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit der Tante mütterlicherseits - vorgebrachten besonderen Vulnerabilität und der von ihm geltend gemachten Gefahren im Falle einer Rückkehr (z.B. Zwangsrekrutierung, Sklavenarbeit, Dasein als Straßenkinder, sexueller Missbrauch, Unterstellung einer religionsfeindlichen Gesinnung etc.) mit der aktuellen Berichtslage kann eine Verletzung des Beschwerdeführers in den nach Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechten nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Angesichts des im Rahmen eines (binnen einer Woche abzuschließenden) Verfahrens nach § 18 BFA-VG eingeschränkten Prüfungsmaßstabes und des unter Pkt. I.7. wiedergegebenen Vorbringens des Beschwerdeführers ist aus vorläufiger Sicht - unvorgreiflich des Ergebnisses der jeweils vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat sowie der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers - anzunehmen, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde.
Es wurde keine Einzelfallprüfung durchgeführt, ob zur Tante wirklich Kontakt aufgenommen werden kann. Dies wird - in Zusammenschau mit seiner Minderjährigkeit, der nicht gegebenen Berufserfahrung sowie seiner ländlichen Sozialisierung in Nangarhar - in einer mündlichen Verhandlung zu klären sein.
Sohin ist der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
3.3.3. Zudem ist dem BFA entgegenzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG nicht vorliegen.
Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.
Durch das ergangene Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 ist es im hier relevanten Bereich zu keiner Änderung gekommen, wodurch die herangezogenen Kommentare und Erkenntnisse, die zu einer früheren Rechtslage ergingen, weiterhin anwendbar sind.
Laut Kommentar Asyl- und Fremdenrecht Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer (Stand 15.01.2016, NW Verlag) handelt es sich bei § 18 Abs. 1 Z 2 AsylG um einen inhärent vagen Begriff, der einen gewissen Auslegungsspielraum zulässt und sei im Lichte der primär europarechtlichen Herleitung ein restriktives Verständnis angebracht.
Zum Erwägungsspielraum kann vergleichsweise § 6 AsylG (Aberkennung) denkmöglich herangezogen werden. Demgemäß kann der Status aberkannt werden, wenn der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.
Der VfGH hat in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2011, U 1907/19 (VfSlg. 19591), zur ebenfalls vergleichbaren Thematik der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ausgesprochen, dass eine Gefahr für die Sicherheit und Allgemeinheit eines Landes nur dann gegeben sei, wenn die Existenz oder territoriale Integrität eines Staates gefährdet sei oder wenn besonders qualifizierte strafrechtliche Verstöße (z.B. Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Drogenhandel, bewaffneter Raub) vorlägen. Zur Begründung verwies er darauf, dass § 9 Abs. 2 (Z 2) AsylG 2005 in Umsetzung der Statusrichtlinie ergangen sei und daher richtlinienkonform interpretiert werden müsse.
Laut VwGH, Ra 2017/18/0155, stellt ein Fremder jedenfalls dann eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 dar, wenn sich diese aufgrund besonders qualifizierter strafrechtlicher Verstöße prognostizieren lässt. Als derartige Verstöße kommen insbesondere qualifizierte Formen der Suchtgiftdelinquenz (wie sie beispielsweise in § 28a SMG unter Strafe gestellt werden) in Betracht, zumal an der Verhinderung des Suchtgifthandels ein besonderes öffentliches Interesse besteht (vgl. dazu etwa VwGH vom 22. November 2012, 2011/23/0556, mwN).
Im entscheidungsrelevanten Fall handelt es sich um eine Jugendstraftat eines minderjährigen Asylwerbers wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG, die Qualifizierung liegt hingegen nicht vor.
Für eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG war daher kein Raum.
3.4. Der die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkennende Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ist daher aus den angeführten Gründen mittels des vorliegenden Teilerkenntnisses ersatzlos zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet, wird darüber gesondert entschieden werden.
3.5. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwecks Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Der im vorliegenden Fall entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt erscheint aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Insbesondere stand bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. VwGH 24.02.2015, Ro 2014/05/0097).
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W151.2193779.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.05.2018