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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §280 Abs1 lite;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des S B in B, vertreten durch Dr. Stefan Denifl, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Marktplatz 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 10. August 2016, Zl. RV/1100173/2015, betreffend Festsetzung von Kapitalertragsteuer gemäß §§ 93 iVm 95 Abs. 5 EStG 1988 für die Jahre 2007 bis 2010, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Bei der X GmbH, an welcher der Revisionswerber in den Streitjahren (über einen Treuhänder) als Gesellschafter beteiligt war, wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer stellte u. a. fest, dass der Revisionswerber und der Geschäftsführer der X GmbH in den Jahren 2007 bis 2010 Gelder von Bankkonten der X GmbH überwiesen bzw. in bar behoben hätten. Dem Revisionswerber, der in den Jahren 2007 und 2008 über eine Bankvollmacht der X GmbH verfügt habe, seien näher angeführte Transaktionen in Höhe von insgesamt 119.944,74 EUR eindeutig zuordenbar, weil er die mit diesen Transaktionen erfolgten Überweisungen auf sein Bankkonto veranlasst bzw. die Barbehebungsbelege unterzeichnet habe. Die verfahrensgegenständlichen Überweisungen und Barbehebungen seien laut den Angaben des Geschäftsführers und des Revisionswerbers für Schwarzzahlungen an Lieferanten bzw. Mitarbeiter der X GmbH und für den Ankauf einer Maschine verwendet worden. Ein Nachweis dafür sei aber - trotz mehrfacher Aufforderung hiezu - nicht erbracht worden. Die in Rede stehenden Beträge, die sich in der Verfügungsgewalt des Geschäftsführers der X GmbH und des Revisionswerbers befunden hätten, stellten daher verdeckte Ausschüttungen an den bzw. die Gesellschafter der X GmbH dar.
2 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und schrieb dem Revisionswerber gemäß § 93 iVm § 95 Abs. 5 EStG 1988 die Kapitalertragsteuer für die in den Jahren 2007 (15.000 EUR), 2008 (184.190,74 EUR), 2009 (34.532,67 EUR) und 2010 (50.000 EUR) als zugeflossen gewerteten verdeckten Ausschüttungen von 283.723,41 EUR vor.
3 Der Revisionswerber erhob gegen die Bescheide über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2007 bis 2010 Beschwerde und führte darin aus, er sei Gesellschafter der X GmbH, eines "Startup-Unternehmens", das sich ständig in Liquiditätsproblemen befunden habe, gewesen. Es sei viel in die Technik und den Vertrieb investiert worden. Fremdleistungen hätten teilweise nur durch Schwarzzahlungen generiert werden können. Er habe sich niemals persönlich bereichert. Die aus betrieblichen Motiven erfolgten "Schwarzzahlungen", die teilweise vom Revisionswerber durchgeführt worden seien, und die aus geschäftlicher Rücksichtnahme erfolgte Verweigerung der Empfängerbenennung hätten allenfalls zur Folge, dass die Betriebsausgaben nicht abziehbar seien (§ 162 BAO).
4 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab und führte zur Begründung u.a. aus, es lägen keine Nachweise für die bereits im Zuge der Außenprüfung aufgestellte Behauptung von Schwarzzahlungen vor. Ganz eindeutig hätten aber Zahlungen vom Bankkonto der X GmbH dem Revisionswerber zugeordnet werden können. Die Qualifizierung als verdeckte Ausschüttung sei erfolgt, weil "der Empfänger der Beträge ganz eindeutig der (Revisionswerber) (als Gesellschafter der gegenständlichen GmbH) war."
5 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge und stellte unter der Überschrift "entscheidungswesentlicher Sachverhalt" u.a. fest, die vom Geschäftsführer der X GmbH und vom Revisionswerber behaupteten Schwarzzahlungen an Lieferanten und Mitarbeiter hätten - trotz entsprechender Vorhaltungen - keine Bestätigung durch entsprechende Unterlagen gefunden. Keine der behaupteten Zahlungen sei durch eine Rechnung oder einen Zahlungsbeleg nachgewiesen. Anhand der vorgelegten Bankkontoauszüge habe lediglich nachvollzogen werden können, dass Bargeldabhebungen von den Bankkonten der X GmbH durch deren Geschäftsführer und den Revisionswerber stattgefunden hätten, wobei diesbezüglich auf die im Verfahrensgang dargestellten Ausführungen des Prüfers im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung verwiesen werde.
7 Da der Revisionswerber - so das Bundesfinanzgericht weiter -
nicht in der Lage gewesen sei, eine Weitergabe der in Rede stehenden von ihm behobenen Beträge an Lieferanten und Mitarbeiter durch aussagekräftige Unterlagen zu beweisen, könne der Einschätzung des Finanzamtes nicht entgegen getreten werden, "dass im fraglichen Zeitraum auf Grund der nachgewiesenen Bargeldabhebungen des (Revisionswerbers) von Bankkonten der (X GmbH) bzw. des Zuflusses der strittigen Gelder beim (Revisionswerber)" eine Vorteilszuwendung (verdeckte Ausschüttung) zugunsten des Revisionswerbers als Gesellschafter erfolgt sei. Die gemäß § 93 iVm § 95 Abs. 5 EStG 1988 erfolgte Vorschreibung der auf die verdeckten Ausschüttungen entfallenden Kapitalertragsteuer beim Revisionswerber sei zweckmäßig gewesen, weil über das Vermögen der X GmbH im September 2012 der Konkurs eröffnet worden sei. Es lägen auch keine Billigkeitsgründe vor, die gegen eine Vorschreibung der Kapitalertragsteuer beim Revisionswerber sprächen.
8 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil die im Revisionsfall zu lösenden Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet oder im Gesetz eindeutig gelöst seien. Im Übrigen hinge der Revisionsfall von der Lösung von Sachverhaltsfragen ab, die nicht über den Einzelfall hinausgingen.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, die Annahme einer verdeckten Ausschüttung setze u.a. eine subjektive Willensentscheidung der Körperschaft auf Vorteilsgewährung voraus. Bezüglich der Bankabhebungen des Geschäftsführers der X GmbH sei der Revisionswerber davon ausgegangen, dass mit den Geldern Lieferanten bezahlt worden seien. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Revisionswerber als in den Streitjahren für die Willensbildung der Körperschaft maßgebliches Organ dem Geschäftsführer bewusst einen Vorteil habe zuwenden wollen. Ferner sei das Bundesfinanzgericht entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Ansicht, dass es für die Annahme einer verdeckten Ausschüttung an einen Nichtgesellschafter ausreiche, dass "sich die Zuwendungen nur aus dem Gesellschaftsverhältnis erklären lassen".
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch das Bundesfinanzgericht, das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet, erwogen:
11 Die Revision ist zulässig und begründet.
12 Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach zum Ausdruck gebracht hat (vgl. grundlegend VwGH 28.5.1997, 94/13/0200), muss die Begründung eines Erkenntnisses erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen es die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung muss dabei in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist.
13 Diesen Anforderungen an eine Begründung genügt das angefochtene Erkenntnis nicht.
14 Das Bundesfinanzgericht stellte als "entscheidungswesentlichen Sachverhalt" fest, dass Bargeldabhebungen von den Bankkonten der X GmbH durch deren Geschäftsführer und den Revisionswerber stattgefunden hätten und verweist in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Prüfers im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung. In diesem Bericht wird u.a. ausgeführt, dass dem Revisionswerber, der in den Jahren 2007 und 2008 über eine Bankvollmacht verfügt habe, die Überweisungen bzw. Barbehebungen vom 10. April 2008 (48.000 EUR und 9.050 EUR), 20. Mai 2008 (11.000 EUR), 26. Mai 2008 (5.860 EUR), 5. Juni 2008 (6.000 EUR) und 21. Juli 2008 (40.034,74 EUR) in Höhe von insgesamt 119.944,74 EUR eindeutig zuordenbar seien, weil er die Überweisungsbzw. Barbehebungsbelege unterzeichnet habe. Abweichend dazu gelangt das Bundesfinanzgericht bei der rechtlichen Würdigung des als entscheidungswesentlich festgestellten Sachverhalts zur Überzeugung, dass der Revisionswerber im Streitzeitraum verdeckte Ausschüttungen von insgesamt 283.723,41 EUR erhalten habe. Feststellungen dahingehend, dass dem Revisionswerber neben den angeführten Beträgen von 119.944,74 EUR auch jene Beträge zugeflossen sind, die der Geschäftsführer der X GmbH von Bankkonten der Gesellschaft behoben hat, wurden vom Bundesfinanzgericht nicht getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass es sich beim Geschäftsführer der X GmbH um eine dem Revisionswerber nahestehende Person handelt (vgl. dazu etwa VwGH 27.2.2003, 99/15/0063), liegen ebenfalls nicht vor. Schon aus diesem Grund wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis der Begründungspflicht nicht entsprochen.
15 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit als mit Verfahrensmängeln belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz ergibt sich aus den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. März 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016150076.L00Im RIS seit
14.05.2018Zuletzt aktualisiert am
29.06.2018