Entscheidungsdatum
16.11.2017Index
10/11 Vereinsrecht VersammlungsrechtNorm
VereinsG §11 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Schmid über die Beschwerde des X., vertreten durch J. K., vom 27.2.2017, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, vom 17.2.2017, Zl. XIV-313, mit welchem die Anträge 1.) auf Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren zur Genehmigung von Statutenänderungen und 2.) auf Nichtigerklärung zur Statutenänderung zurückgewiesen wurden, nach durchgeführter Verhandlung am 9.11.2017 durch Verkündung zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Absatz 1 und 2 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen.
II. Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Der Spruch des angefochtenen Bescheids der Vereinsbehörde lautet:
„Die Anträge des Vereins X. – kurz X., vertreten durch dessen Präsidenten J. K., vom 26.09.2016 und 11.12.2016 auf
1.) Zuerkennung der Parteistellung im Sinne des § 8 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) im Verfahren zur Genehmigung von Statutenänderungen auf Grund eines Bundestagsbeschlusses des Ö. (kurz Ö.) vom 24.09.2016 und
2.) Nichtigerklärung des Bundestagsbeschlusses des Ö. (kurz Ö.) vom 24.09.2016 zur Statutenänderung im Sinne des Vereinsgesetzes 2002 (VerG), § 7 erster Satz,
werden gemäß § 8 AVG iVm § 12 Abs. 1 VerG iVm 13 Abs. 1 VerG iVm § 14 Abs. 1 VerG iVm 7 VerG zurückgewiesen.“
Gegen diesen Bescheid wendet sich der Beschwerde führende Verein X. (Beschwerdeführer; kurz BF).
Am 9.11.2017 hielt das Verwaltungsgericht Wien eine Verhandlung ab. Der BF war durch dessen Präsidenten J. K. vertreten. Die Vereinsbehörde hat auf die Teilnahme verzichtet. Das Verhandlungsprotokoll lautet auszugsweise:
„Der BFV gibt über Befragen des Verhandlungsleiters an:
Ich bin zur Vertretung des X.es als dessen Präsident befugt.
Anm.: Der BFV legt nochmals mit eigenen Worten den Sachverhalt und seinen Rechtsstandpunkt dar, wie er bereits im Schriftsatz vom 26.09.2016 von der BF dargelegt wurde.
Zudem möchte ich noch offenlegen, dass durch die neuen Statuten nicht mehr, wie bisher, die Vereine unmittelbar Mitglieder des Dachverbandes sind, sondern die Vereine Mitglieder in den Landesverbänden sind, die ihrerseits Mitglieder des Dachverbandes geworden sind.
Durch die neuen Statuten ist der X. aus dem Dachverband hinausgeworfen worden. Wir haben einen eigenen Bundesverband für den X. gegründet, der aber vom Weltverband nicht anerkannt wird, weil pro Staat nur ein Dachverband dort Mitglied sein darf. Gleiches gilt für die BSO.
Zum Zeitpunkt der Statutenänderung waren noch drei kärntner Vereine des Breitensport ... und einige Sportler Mitglieder des Dachverbandes. Daraus habe ich abgeleitet, dass der X. Stimmrecht im Dachverband haben müsste. Wir wurden aber, wie schon in den Jahren davor, völlig ignoriert. Es wurden uns keine Delegierten zuerkannt.
Ich habe später nur ein Schreiben des Dachverbandes bekommen, in dem mir mitgeteilt wurde, dass der Breitensport ... nicht mehr eine Sparte des Dachverbandes ist.
Aufgrund dieser Streitigkeiten kam es eben zur Gründung eines eigenen Bundesverbandes für den Breitensport ....
Es ist ein Gerichtsverfahren anhängig, in dem wir die Wahl des Präsidenten des Dachverbandes angefochten haben. Zudem ist ein Schiedsgerichtsverfahren anhängig, wo es aber ein Problem mit der Befangenheit der Schiedsrichter der Gegenseite gibt.
Meine Beschwerde zielt darauf, dass die Bestätigung der Statuten aufgehoben wird. Damit würde der alte Stand wiederhergestellt werden. Mit einem neuen Präsidenten ist dann eine Zusammenführung der Verbände vielleicht wieder möglich.“
Im Anschluss an die Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet. Der BF hat rechtzeitig eine volle Ausfertigung des Erkenntnisses beantragt.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Der BF ist ein Verein nach dem Vereinsgesetz und wird nach außen durch dessen Präsidenten vertreten. Diese Funktion hat zurzeit Herr J. K. inne.
Der BF vertritt die Ansicht, dass ihm eine Parteistellung im Verfahren des Ö. (Ö.) zur Statutenbekanntgabe (Änderung) an die Vereinsbehörde zukomme. Die Vereinsbehörde (LPD Wien) verneint dies unter Verweis auf die Literatur.
Für die vorliegende Entscheidung ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Der Ö. ist ein Verein nach dem Vereinsgesetz. Vor der verfahrensrelevanten Statutenänderung war der Bereich des Breitensport- und Freizeit... eine Sparte des Ö.. Der BF sieht sich als Vertreter der Kärntner Vereine, die dieser Sparte angehören und Mitglieder im Ö. zum Zeitpunkt der Statutenänderung waren. Mit der Statutenänderung wurde der Bereich des Breitensport- und Freizeit... von der Zuständigkeit des Ö. ausgenommen. Diese Statutenänderung wurde der Vereinsbehörde (LPD Wien) am 14.10.2016 angezeigt. Die Vereinsbehörde gab keine „Nichtgestattungserklärung“ ab und teilte dies dem Ö. mit Schreiben vom 11.11.2016 mit. Ein Bescheid erging in diesem Zusammenhang nicht. Der BF ist mit der Statutenänderung inhaltlich nicht einverstanden, weil ihm dadurch sportliche und finanzielle Nachteile (aus der Sportförderung) entstehen.
Rechtlich folgt daraus:
Nach § 14 Absatz 1 Vereinsgesetz gelten die Bestimmungen über die Vereinsgründung (§§ 1 bis 13) sinngemäß auch für Statutenänderungen.
Nach § 11 Absatz 1 in Verbindung mit § 14 Absatz 1 Vereinsgesetz sind Statutenänderungen unter Anschluss eines Exemplars der vereinbarten Statuten der Vereinsbehörde schriftlich anzuzeigen.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 11 Absatz 2 EMRK hat die Vereinsbehörde mit Bescheid die Statutenänderung nicht zu gestatten, wenn dadurch der Zweck des Vereins, sein Name oder seine Organisation rechtswidrig wäre (§ 12 Absatz 1 Vereinsgesetz).
Gemäß § 7 Vereinsgesetz sind Beschlüsse von Vereinsorganen nichtig, wenn dies Inhalt und Zweck eines verletzten Gesetzes oder die guten Sitten gebietet. Andere gesetz- oder statutenwidrige Beschlüsse bleiben gültig, sofern sie nicht binnen eines Jahres ab Beschussfassung gerichtlich angefochten werden. Jedes von einem Vereinsbeschluss betroffene Vereinsmitglied ist zur Anfechtung berechtigt.
Nach § 8 Absatz 1 Vereinsgesetz haben die Statuten vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Erst danach ist ordentliche Rechtsweg offen.
Der BF wendet sich gegen den Vereinsbeschluss über die Festlegung der künftigen Verbandsmitgliedschaft bzw. den Ausschluss der Freizeitsparte aus dem Dachverband Ö..
Dagegen muss nach § 8 Vereinsgesetz ein Schiedsgerichtsverfahren offenstehen. Dies ist auch in den Statuten des Ö. so vorgesehen. Ein solches Verfahren ist anhängig. Nach Abschluss dieses Verfahrens steht es dem BF offen, sich an die ordentlichen Gerichte zu wenden. Eine Zuständigkeit der Vereinsbehörde besteht nicht. Die Zurückweisung des Antrages auf Nichtigerklärung erfolgte daher rechtens.
Zudem bedarf es zur Geltendmachung einer Nichtigkeit in einem verwaltungsbehördlichen oder verwaltungsgerichtlichen einer Parteistellung, die dem BF im vorliegenden Fall nicht zukommt (siehe nachfolgend).
Eine Statutenänderung ist nach § 14 Absatz 1 in Verbindung mit § 11 Absatz 1 Vereinsgesetz von den bestellten organschaftlichen Vertretern der Vereinsbehörde anzuzeigen. Es handelt sich um ein Ein-Parteienverfahren. Den einzelnen Vereinsmitgliedern kommt keine Parteistellung zu (siehe VwGH vom 11.10.1965, 0130/65 und inzident VfGH vom 3.3.1987, B 682/86 und VfGH vom 12.12.2016, E 580/2016-3).
Der Vereinsbehörde ist auch hinsichtlich ihrer Ausführungen zu § 12 Absatz 1 Vereinsgesetz zuzustimmen, wonach auf eine Erklärung der Vereinsbehörde nach § 12 Absatz 1 leg. cit. (gemeint eine Nichtgestattung der Statutenänderung) niemand ein Rechtsanspruch hat, da es sich um ein öffentliches Interesse und nicht um sein subjektives Recht handelt.
Dem BF kommt daher kein rechtliches Interesse zu und besteht für ihn auch kein Rechtsanspruch und daher keine Parteistellung im Sinne des § 8 AVG.
Abschließend sei angemerkt, dass es die gesetzlich verankerte Privatautonomie der Vereine verletzten bzw. partiell beseitigen würde, wenn es der Vereinsbehörde zukäme, zu beurteilen, unter welchen Voraussetzungen wer als Mitglied in einem Verein aufgenommen bzw. davon ausgeschlossen werden soll. Ein über das in § 12 Vereinsgesetz verankerte Prüfungsrecht hinaus, besteht kein behördliches Eingriffsrecht in die Vereinsstatuten.
Der Bescheid der Vereinsbehörde ist daher nicht zu beanstanden und die Beschwerde ist abzuweisen.
Zur Revisionsentscheidung:
Gemäß § 25a Absatz 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Nach Artikel 133 Absatz 4 B-VG ist die (ordentliche) Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach der Rechtsprechung des VwGH liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dann vor, wenn die Entscheidung der Sache im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen, auf zusätzliche Argumente gestützte Rechtsprechung liegt. Das ist dann der Fall, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, die auch für eine Reihe anderer gleichgelagerter Fälle von Bedeutung ist und diese durch die Rechtsprechung des VwGH bisher nicht abschließend geklärt worden ist. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage des materiellen oder formellen Rechts handeln (vgl. Paar, ZfV, 892)
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor, wenn die Rechtsfrage klar aus dem Gesetz lösbar ist (vgl. Köhler, ecolex 2013, 596, mit weiteren Nachweisen; Nedwed, Die Zulässigkeit der Revision an den Verwaltungsgerichtshof, ÖJZ 2014/153 S 1042; vgl. auch VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053) oder bereits vom Verwaltungsgerichtshof entschieden wurde.
Da im gegenständlichen Fall eine solche Rechtsfrage nicht vorliegt, war die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen.
Schlagworte
Verein; Statutenänderung; Parteistellung; Vereinsmitglied; Vereinsbehörde; AnzeigeverfahrenAnmerkung
VfGH v. 27.2.2018, E 4462/2017; AblehnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.103.040.3685.2017Zuletzt aktualisiert am
09.05.2018