TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/17 99/19/0211

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Veröffentlicht am 17.03.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §7 Abs3;
FrG 1997 §88 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des 1977 geborenen M M in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. September 1999, Zl. 124.999/2-III/11/99, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein philippinischer Staatsangehöriger, stellte am 21. Dezember 1998 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, der am 29. Dezember 1998 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Auf dem Antragsformular fehlt unter Punkt A die Angabe, ob es sich dabei um einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung oder einen solchen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis handelt. Ebenso wenig wurde unter Punkt A einer der formularmäßig vorgegebenen Aufenthaltszwecke angekreuzt. Hingegen findet sich unter Punkt F auf dem Antragsformular das Feld "Familiengemeinschaft mit Österreichern/EWR-Bürgern" angekreuzt. Als in Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Dauer des Aufenthaltes gab der Beschwerdeführer das Einkommen seiner Tante, nach der Aktenlage einer österreichischen Staatsbürgerin, an. Im Verwaltungsakt erliegt weiters eine Verpflichtungserklärung der Tante vom 18. Dezember 1998, der zufolge diese den Beschwerdeführer zu einem Besuch in der Dauer von drei Monaten zu sich einlade (vgl. OZl. 8 des Verwaltungsaktes).

Mit Bescheid vom 9. Februar 1999 wies der Landeshauptmann von Wien den als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewerteten Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei als philippinischer Staatsbürger am 13. Dezember 1998 mit einem Visum C, gültig für die Schengener Staaten vom 10. Dezember 1998 bis zum 8. Jänner 1999, in das Bundesgebiet eingereist. Mit dem am 21. Dezember 1998 in der österreichischen Botschaft Preßburg durch seine Tante eingebrachten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wolle er seinen nach dieser Einreise begonnenen Aufenthalt in Österreich fortsetzen, weshalb der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 verwirklicht worden sei.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, derzeit bei seiner Tante in Wien zu wohnen. Er ersuche um eine Verlängerung seines Visums, weil es ihm in Österreich sehr gefalle und er noch das ganze Land sehen wolle. Wörtlich führte der Beschwerdeführer abschließend aus:

"ICH MÖCHTE GERNE NOCH MIT MEINE TANTE BLEIBEN UND MIT DEM

SPAZIEREN GEHEN."

Mit Schreiben vom 30. Juli 1999 forderte der Bundesminister für Inneres den Beschwerdeführer auf, eine vollständige Kopie seines Reisedokuments beizubringen, den ausreichend gesicherten Unterhalt nachzuweisen, eine alle Risiken abdeckende Krankenversicherung beizubringen sowie eine Kopie der Einreichbestätigung bei der österreichischen Botschaft in Preßburg vorzulegen. Überdies wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels basierend auf einer Verpflichtungserklärung gemäß § 10 Abs. 3 FrG 1997 unzulässig sei, dass die bereits abgelaufene Reisekrankenversicherung des Beschwerdeführers nicht als eine alle Risiken abdeckende Krankenversicherung anerkannt werden könne, der Beschwerdeführer sich seit Ablauf seines Visums unberechtigt im Bundesgebiet aufhalte, weshalb der Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 vorliege, dass die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung direkt an das Einreisevisum anschließen würde, sowie dass von einer unrechtmäßigen Antragstellung bei der österreichischen Botschaft in Preßburg ausgegangen werde, weil kein Indiz vorliege, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich im Ausland befunden habe.

Eine Stellungnahme zu diesen Vorhalten erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 17. September 1999 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß §§ 14 Abs. 2, 10 Abs. 1 Z. 2, 10 Abs. 2 Z. 3 und 10 Abs. 3 FrG 1997 ab. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit einem Visum C, gültig für alle Schengener Staaten, gültig vom 10. Dezember 1998 bis zum 8. Jänner 1999, in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Durch eine Familienangehörige habe er "via der österreichischen Botschaft Preßburg" beim Amt der Wiener Landesregierung einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gestellt. Dieser Antrag sei von der ersten Instanz mit Bescheid vom 9. Februar 1999 gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 abgewiesen worden. Innerhalb der gesetzlichen Frist habe der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung erhoben. Darin sei ausgeführt worden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Tante in Wien lebe, wo es ihm sehr gut gefalle. Weiters wolle er noch das ganze Land besichtigen. In seiner rechtlichen Beurteilung führte der Bundesminister für Inneres aus, da gemäß § 10 Abs. 3 FrG 1997 eine Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung nicht erteilt werden dürfe, sei der Antrag des Beschwerdeführers aus diesem Grunde abzuweisen gewesen. Ein eigenes Vermögen habe der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht releviert. Weiters könne ihm, da er weder mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet noch das Kind eines Österreichers sei, für den von ihm beantragten Aufenthaltszweck gemäß § 49 Abs. 2 FrG 1997 eine Niederlassungsbewilligung nicht erteilt werden. Darüber hinaus sei ein ausreichender Krankenversicherungsschutz nicht gegeben, weshalb der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 verwirklicht sei. Im Falle des Beschwerdeführers liege des Weiteren der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 vor, weil er sich nach Einreise mit einem Visum C weiterhin (nunmehr unberechtigt) im Bundesgebiet aufhalte. Schließlich sei der Antrag auch deswegen abzuweisen gewesen, weil der Beschwerdeführer entgegen § 14 Abs. 2 FrG 1997 seinen Antrag nicht vom Ausland aus gestellt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in den gesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gewährung von Aufenthalt in Österreich nach den Bestimmungen des FrG 1997 verletzt. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung ausgeführt, dass er bei seiner Tante in Wien wohne, welche für seinen Unterhalt und seine Versicherung aufkomme, also mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebe. Gegenstand seines Antrages sei die Verlängerung des Visums, dezidiert jedoch nicht, wie die belangte Behörde annahm, eine Niederlassungsbewilligung "an sich". Es gefalle ihm in Österreich und er wolle noch das ganze Land sehen, er wolle noch bei seiner Tante bleiben und mit ihr "spazieren gehen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 7. (1) Die Aufenthaltstitel werden als

1.

Aufenthaltserlaubnis oder

2.

Niederlassungsbewilligung

erteilt.

(2) Aufenthaltstitel berechtigten zum Aufenthalt für einen bestimmten Zweck oder zum dauernden Aufenthalt sowie zu den mit diesen Aufenthalten verbundenen Einreisen.

(3) Auf Dauer niedergelassene Drittstaatsangehörige, das sind jene, die

1. in Österreich einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben oder

2. in Österreich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit an einem Wohnsitz niedergelassen sind,

brauchen außer den in Abs. 4 genannten Fällen eine Niederlassungsbewilligung.

...

§ 88. (1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese.

...

§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft der Landeshauptmann. ..."

Im vorliegenden Fall wäre die Behörde erster Instanz, der Landeshauptmann von Wien, nur dann zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers sachlich zuständig gewesen, wenn es sich dabei um einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gehandelt hat. Andernfalls wäre, wie sich aus § 88 Abs. 1 im Zusammenhang mit § 89 Abs. 1 FrG 1997 ergibt, die Bundespolizeidirektion Wien sachlich zuständig gewesen.

Da auf dem Antragsformular nicht angegeben war, ob es sich beim gegenständlichen Antrag um einen solchen auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung oder auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis handelt, hätte die Behörde erster Instanz zur Abklärung dieser Frage eine diesbezügliche Klarstellung abzuverlangen gehabt.

"Sache" des Berufungsverfahrens war vorliegendenfalls der Abspruch der Behörde erster Instanz über den von ihr als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gewerteten Antrages des Beschwerdeführers. Der belangten Behörde kam als der im Instanzenzug zuständigen Berufungsbehörde die Aufgabe zu, von Amts wegen den im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Verfahrensmangel hinsichtlich der Abklärung des Antragsinhaltes und damit der Zuständigkeit der Behörde erster Instanz aufzugreifen. Dazu bot sich auch der Inhalt der Berufung an. Diese - zum Teil in gebrochenem Deutsch formulierte (oben wiedergegebene) - Berufung des Beschwerdeführers, insbesondere sein Hinweis, er wolle noch das ganze Land sehen und gerne noch bei seiner Tante bleiben (und "spazieren gehen"), durfte angesichts des weiteren Umstandes, dass der Beschwerdeführer auf dem Antragsformular nicht angekreuzt hatte, eine Niederlassungsbewilligung zu beantragen, keineswegs dahingehend gedeutet werden, der Beschwerdeführer strebe in Österreich eine dauernde Niederlassung im Sinne des § 7 Abs. 3 FrG 1997 an.

Da der Beschwerdeführer hinreichend deutlich zu erkennen gegeben hatte, dass sein Antrag nicht darauf gerichtet ist, in Österreich einen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen zu begründen oder sich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit niederzulassen, er somit keiner Niederlassungsbewilligung bedurfte, wäre der Bescheid der somit unzuständigen Behörde erster Instanz von der belangten Behörde ersatzlos zu beheben gewesen.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. März 2000

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999190211.X00

Im RIS seit

31.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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