Entscheidungsdatum
14.03.2018Norm
KFG 1967 §109Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin
HR Mag. Parich-Gabler über die Beschwerde des A, vertreten durch
B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 24.08.2017, Zl. ***, betreffend Entziehung der Fahrlehrerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A, B und E zu B, nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Bescheid vom 24.08.2017, Zl. ***, entzog die Bezirkshauptmannschaft Baden dem nunmehrigen Beschwerdeführer die Fahrlehrerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A, B und E zu B und schloss unter einem die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid aus. Begründend führte die Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer die Fahrlehrerberechtigung zu entziehen sei, da ihm mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 10.08.2017, Zl. ***, die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen AM, A, B, C1, C, BE, C1E, C und F bis einschließlich 24.08.2018 entzogen worden sei, weil er am 25.06.2017, um
11:49 Uhr, ein Kraftfahrzeug auf der ***, gelenkt habe und die auf Höhe des
StrKm *** erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mehr als 50 km/h überschritten habe, da die gefahrene Geschwindigkeit nach Abzug der Messtoleranz 199 km/h betragen habe. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Die Berechtigung als Fahrlehrer an einer Fahrschule praktischen Fahrunterricht zu erteilen, dürfe nur Personen erteilt werden, die die im § 109 Abs. 1 lit.b und g angeführten Voraussetzungen erfüllen. Die Fahrlehrerberechtigung sei zu entziehen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr gegeben sei. Aufgrund des Vorfalls vom 25.06.2017 könne er nicht als vertrauenswürdig angesehen werden, da ein Fahrlehrer eine Vorbildwirkung für Führerscheinwerber habe und der Vorfall deshalb als besonders schwerwiegend zu qualifizieren sei. Um zu verhindern, dass ein vertrauensunwürdiger Fahrlehrer Personen für den Straßenverkehr ausbilde, sei die vorzeitige Vollstreckung dieses Bescheides im Interesse der Verkehrssicherheit und somit im öffentlichen Interesse wegen Gefahr im Verzug dringend geboten, sohin habe die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen werden müssen.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
In der gegen diesen Bescheid durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führt der nunmehrige Beschwerdeführer aus, dass § 109 Abs. 1 lit.b KFG normiere, dass ein Fahrlehrer vertrauenswürdig zu sein habe. Die Definition „vertrauenswürdig“ sei zu hinterfragen. Der Schluss, dass ein Fahrschullehrer, der mit weit überhöhter Geschwindigkeit ein Fahrzeug lenke, automatisch nicht als vertrauenswürdig angesehen werden könne, sei nicht zulässig. Es sei bei jener Geschwindigkeitsübertretung zu keinerlei Gefährdung von irgendwelchen anderen Verkehrsteilnehmern, zu keinerlei Schaden gekommen und sei es eine einmalige Übertretung gewesen. Diese Verkehrsübertretung sei auch nicht bei der Ausübung der jeweiligen Lehrtätigkeit gesetzt worden, habe es sich um kein Alkohol- und kein Gewaltdelikt gehandelt. Es habe auch keine strafrechtliche Verurteilung gegeben. Die einmalige Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit auf einer Autobahn ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer sei nicht geeignet, um eine Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers festzustellen. Zur Geschwindigkeitsübertretung sei es gekommen, da die im Auto befindliche, durch einen Schlaganfall beeinträchtigte Mutter des Beschwerdeführers dringend die Toilette aufsuchen habe müssen. Es werde daher beantragt, nach Aufnahme der beantragten Beweise den Bescheid aufzuheben und dem Beschwerdeführer den Bescheid der MA*** vom 30.04.2009, Zl. ***, unverzüglich wieder auszuhändigen.
3. Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer in Anwesenheit seines Rechtsvertreters einvernommen wurde sowie der Verwaltungsakt der Behörde verlesen wurde.
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt als erwiesen fest:
4. Feststellungen:
Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung ***, zur Zl. ***, am 30.04.2006 eine Fahrlehrerberechtigung der Klassen A, B und E zu B erteilt. Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 10.08.2017, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen AM, A, B, C1, C, BE, C1E, C, F bis einschließlich 24.08.2017 entzogen, weil er am 25.06.2017, um 11:59 Uhr, als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen ***, auf der Autobahn die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mehr als 50 km/h überschritten hat, da die gefahrene Geschwindigkeit nach Abzug der Messtoleranz 199 km/h betrug.
Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der Behörde die Fahrlehrerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A, B und E zu B entzogen.
5. Rechtlich folgt dazu:
Die einschlägigen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung lauten:
„§ 109. (1) Eine Fahrschulbewilligung (§ 108 Abs. 3) darf nur natürlichen Personen und nur Personen erteilt werden, die
(...)
b) vertrauenswürdig sind,
(...)
§ 117. (1) Die Berechtigung, als Fahrlehrer an einer Fahrschule praktischen Fahrunterricht zu erteilen, darf nur Personen erteilt werden, die die im § 109 Abs. 1 lit. b und g angeführten Voraussetzungen erfüllen (...). Die Fahrlehrerberechtigung ist zu entziehen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr gegeben sind.
(...)“
Die Entziehung der Fahrlehrerberechtigung stellt keine Strafe, sondern eine Maßnahme zum Schutze anderer Personen dar, weshalb mit der Entziehung der erwähnten Berechtigung nur dann vorgegangen werden darf, wenn hierfür (noch) eine Notwendigkeit besteht (vgl. VwGH-Erkenntnis vom 23.05.1984, Zl. 82/11/0249).
In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zu dem im § 109 Abs. 1 lit.b KFG 1967 verwendeten Begriff der „Vertrauenswürdigkeit“ ausgeführt, dass – da weder der Gesetzeswortlaut, noch die Gesetzesmaterialien Aussagen zu näheren Bestimmungen dieses Begriffes enthalten – von der Bedeutung auszugehen ist, die diesem Ausdruck im allgemeinen Sprachgebrauch zukommt. Dem Wort „vertrauen“ kommt demnach inhaltlich die gleiche Bedeutung zu, wie einem „sich verlassen“. Verlässlich ist eine Person dann, wenn sie nach ihrer gesamten Geisteshaltung und Sinnesart ein Persönlichkeitsbild vermittelt, das bei Berücksichtigung aller für das Gemeinschaftsleben belangreichen Richtungen ein in sie gesetztes Vertrauen zu rechtfertigen vermag.
Bei der Entziehung der Fahrlehrerberechtigung kommt es daher auf die Prognose über die Wiedererlangung der Vertrauenswürdigkeit an.
Der Beschwerdeführer stellt sein Fehlverhalten nicht in Abrede. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die exzessive Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen als verwerflich und gefährlich anzusehen ist. Wenn er meint, die Vertrauenswürdigkeit im Sinne des Gesetzes sei nach dem Vorfall weiterhin vorgelegen, da sich sein Fehlverhalten nicht während der Ausübung der Fahrlehrertätigkeit ereignet habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur ein unmittelbar bei der Ausübung der jeweiligen Lehrtätigkeit gesetztes Fehlverhalten zum Wegfall der Vertrauenswürdigkeit führen kann. Dieser Wegfall kann vielmehr nach ständiger Rechtsprechung die Folge selbst eines außerberuflichen Fehlverhaltens sein, so führen etwa schwere Verstöße gegen die Verkehrsvorschriften zum Verlust der Vertrauenswürdigkeit. Es bedarf somit eines gewissen Zeitraumes, bis von einer Wiedererlangung der Vertrauenswürdigkeit ausgegangen werden kann.
Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, dass auch eine einmalige schwerwiegende Übertretung der Straßenverkehrsordnung, auch wenn diese in auffallendem Gegensatz zu dem sonst jahrelangen Verhalten eines Fahrlehrers (eine Verwaltungsvorstrafenabfrage bei der Behörde hat ergeben, dass dies die einzige Vormerkung ist, die zur Person des Beschwerdeführers vorliegt) steht, zum Verlust der bis dahin nie in Zweifel gezogenen Vertrauenswürdigkeit führt. Die Behörde konnte zu Recht annehmen, dass seine Einstellung zu den strafrechtlich geschützten Rechtsgütern durch die Begehung der ihm angelasteten Geschwindigkeitsübertretung nach außen hin in einem solchen Ausmaß in Erscheinung trat, dass sie für sich allein geeignet sein konnte, dem Beschwerdeführer die Vertrauenswürdigkeit, die von ihm als Fahrlehrer erwartet wird, abzusprechen.
Zumal seit dem Vorfall rund neun Monate vergangen sind und der Beschwerdeführer sich seit diesem Zeitpunkt wohlverhalten hat, kann sohin im Entscheidungszeitpunkt von der Wiedererlangung der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden, weswegen der Bescheid mit dem die Fahrlehrerberechtigung entzogen wurde, nunmehr zu beheben ist.
6. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Fahrschulwesen; Fahrlehrerberechtigung; Entziehung; Maßnahme; Vertrauenswürdigkeit; Prognose;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1252.001.2017Zuletzt aktualisiert am
09.05.2018