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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des F K in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 23. September 1996, Zl. 418.392/151-V.l/1996, betreffend Nichterteilung einer Auskunft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In einem als "ANTRAG auf Auskunftserteilung gemäß § 2 AuskunftspflichtG" bezeichneten Schreiben begehrte der Beschwerdeführer, zu diesem Zeitpunkt Strafgefangener, Antworten auf mehrere Fragen, darunter diejenige, welchen Wortlaut ein mit Datum und Geschäftszahl umschriebener Erlass "betreffend die Verpflichtung zum Tragen einer Schlüsselkette" habe (Punkt 2 des Auskunftsersuchens) bzw. für den Fall der Nichtbeantwortung dieser Frage, ob der Leiter einer Justizanstalt zum Tragen der im zitierten Erlass vorgeschriebenen Schlüsselkette verpflichtet sei (Punkt 1 des Auskunftsersuchens). Für den Fall der Abweisung des Auskunftsbegehrens beantragte der Beschwerdeführer, binnen acht Wochen ab Einlangen seines Antrages einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.
Mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 23. September 1996 wurde die Erteilung der erbetenen Auskunft u. a. zur Frage des Wortlautes des Erlasses sowie zur Frage, ob der Leiter einer Justizanstalt zum Tragen der im (vom Beschwerdeführer genannten) Erlass vorgeschriebenen Schlüsselkette verpflichtet sei, gemäß § 1 Abs. 1 des Auskunftspflichtgesetzes (AuskunftspflichtG) verweigert. In der Begründung führte der Bundesminister für Justiz aus, aus dem vom Beschwerdeführer, einem Strafgefangenen, zitierten Erlass des Bundesministers für Justiz ließen sich Rückschlüsse auf die "Dienststärken" der einzelnen Anstalten sowie auf die Gebarung und den Umgang mit den Anstaltsschlüsseln ziehen. Die Weitergabe derartiger Informationen würde die Sicherheit der Anstalt und damit auch die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen. Dies gelte insbesondere auch für Punkt 3.1 des Auskunftsbegehrens, aus dessen inhaltlicher Beantwortung Informationen gezogen werden könnten, ob der Anstaltsleiter Anstaltsschlüssel mit sich führt. Gemäß § 1 Abs. 1 AuskunftspflichtG hätten Organe des Bundes über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht. Gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG beziehe sich die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit auf alle ausschließlich aus der amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung unter anderem im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit geboten ist. Die Erteilung der unter den Punkten "2., 3.3.1. und 3.2." begehrten Auskünfte würde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erheblich gefährden, weswegen eine Geheimhaltung geboten ist. Nachdem daher die erbetenen Informationen der Amtsverschwiegenheit unterlägen, sei eine Auskunft gemäß § 1 Abs. 1 AuskunftspflichtG nicht zu erteilen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der ausdrücklich nur die Verweigerung der Auskunftserteilung zu Punkt 3.1 des Auskunftsersuchens bekämpft wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
§ 1 und § 4 AuskunftspflichtG lauteten in der im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides (am 8. Oktober 1996) maßgeblichen Stammfassung (auszugsweise):
"§ 1.(1) Die Organe des Bundes ...haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.
...
§ 4. Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen. ..."
Art. 20 Abs. 3 B-VG lautet in der Fassung derNovelle BGBl. Nr. 285/1987 (auszugsweise):
"Art. 20.
...
(3) Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe ...sind, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit,
...geboten ist (Amtsverschwiegenheit). ..."
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage eines Bundes-Verfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz idF von 1929 geändert wird, 39 BlgNR 17. GP, 3, zu Art. I Z. 1 (Art. 20 Abs. 3) lauten (auszugsweise):
"Die bisher allgemein umschriebene Geheimhaltung 'im Interesse einer Gebietskörperschaft' wird durch die Novelle präzisiert und dadurch gleichzeitig in ihrem Umfang eingeschränkt. Künftig soll nicht mehr jedes Geheimhaltungsinteresse einer Gebietskörperschaft, sondern sollen nur mehr die taxativ aufgezählten Interessen einer Geheimhaltung rechtfertigen.
Der Tatbestand 'Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit' schließt auch die im Art. 10 Abs. 2 EMRK gesondert genannte Verbrechensverhütung mit ein, geht aber ebenso wie die Geheimhaltungspflicht im Interesse der umfassenden Landesverteidigung und der auswärtigen Beziehungen über die Tatbestände dieser Norm nicht hinaus.
..."
Im entsprechenden Bericht des Verfassungsausschusses, 116
B1gNR 17. GP, 2, heißt es (auszugsweise):
"3. Der Begriff 'Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit' in Art. 20 Abs. 3 B-VG ist im Sinne der Tatbestände der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung bzw. des Strafrechtswesens im Sinne des Art. 10 Abs. 2 MRK bzw .des Art. 10 Abs. 1 Z. 6 B-VG zu verstehen."
Die vorliegende Beschwerde beschränkt sich auf die Bekämpfung der Nichterteilung der Auskunft zur Frage, ob der Leiter einer Justizanstalt zum Tragen der im (vom Beschwerdeführer) erwähnten Erlass vorgeschriebenen Schlüsselkette verpflichtet ist. Für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof kommt es daher nur darauf an, ob die Verweigerung der Auskunft in diesem Umfang durch § 1 Abs. 1 AuskunftspflichtsG gedeckt ist.
Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid darauf, dass einer Auskunftserteilung an den Beschwerdeführer eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht, und zwar vorliegendenfalls die Amtsverschwiegenheit nach Art. 20 Abs. 3 B-VG entgegenstand. Mit dieser Auffassung ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht.
Entscheidende Frage ist im vorliegenden Fall, ob die Geheimhaltung der hier in Rede stehenden "Tatsache", nämlich das Bestehen oder Nichtbestehen einer Pflicht eines Leiters einer Justizanstalt zum Tragen der im (vom Beschwerdeführer) erwähnten Erlass vorgeschriebenen Schlüsselkette, "im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" geboten ist. Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung mit der Überlegung, dass aus der Beantwortung der Frage über die Verpflichtung eines Anstaltsleiters eine sensible Information weitergegeben würde, die eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit befürchten ließe. Der Verwaltungsgerichtshof tritt dieser Einschätzung der belangten Behörde bei.
Zwar ist einzuräumen, dass die vom Beschwerdeführer gestellte Frage nicht dahin ging, ob Anstaltsleiter Schlüsselketten tasächlich tragen, doch ist ganz unzweifelhaft, dass auch aus dem Bestehen oder Nichtbestehen einer innerdienstlichen, durch Disziplinarvorschriften sanktionierten Verpflichtung zum Tragen einer Schlüsselkette mit den Anstaltsschlüsseln Rückschlüsse auf das faktische Verhalten von Vollzugsorganen gezogen werden können. Dass aber die Weitergabe einer solchen Information - und zwar unabhängig davon, ob die Antwort bejahend oder verneinend ausfällt - gerichtlich strafbare Handlungen, sei es durch einen Auskunftswerber selbst, sei es durch Dritte, mit denen er in Kontakt steht oder treten kann, zu begünstigen geeignet ist, kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ernsthaft bestritten werden. Wie die oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zur Neufassung des Art. 20 Abs. 3 B-VG zeigen, sollte der Begriff" Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" jedenfalls auch im Sinne des Tatbestands der "Verbrechensverhütung" im Sinne des Art. 10 Abs. 2 MRK zu verstehen sein. Die präventive Hintanhaltung der Begehung von Verbrechen, sei es durch Gefangene in der Anstalt, nach ihrem Entweichen oder auch durch Dritte, die etwa (vgl. § 300 StGB) die Befreiung von Gefangenen unternehmen, lässt es - unabhängig davon, ob gegen den Auskunftswerber ein diesbezüglicher Verdacht besteht - geboten erscheinen, einen Gefangenen über das Bestehen einer Pflicht zum Tragen einer Schlüsselkette durch den Leiter einer Strafvollzugsanstalt im Unklaren zu lassen.
Soweit der Beschwerdeführer vermutet, dass die Verweigerung der von ihm begehrten Auskunft auf andere Motive, insbesondere die Verschleierung von ihm behaupteter disziplinärer Vergehen, zurückzuführen ist, zeigt er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides deswegen nicht auf, weil es im vorliegenden Fall nur auf das Bestehen einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht im Sinne des § 1 Abs. 1 AuskunftspflichtG ankommt.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGB1. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 MRK steht dem aus den im hg. Erkenntnis vom 22. März 1999, ZI. 97/19/0022, genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, nicht entgegen.
Wien, am 17. März 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996193036.X00Im RIS seit
20.11.2000