TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/25 I401 1316937-2

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Veröffentlicht am 25.04.2018
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Entscheidungsdatum

25.04.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §46 Abs2a

Spruch

I401 1316937-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, Staatsangehörigkeit:

Nigeria alias Simbabwe, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 15.09.2017,

Zahl: IFA 433389403 - 161249279 (HRZ) 830 265 009/145 902 40, zu

Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 5 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.10.2008, A5 316.937-1/2008/7E, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem dessen Antrag auf internationalen Schutz vom 01.11.2007 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und die Ausweisung nach Nigeria für zulässig erklärt wurde, abgewiesen.

2. Die Landespolizeidirektion Wien erließ mit Bescheid vom 10.04.2013 gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum. Die von ihm gegen diesen Bescheid erhobene Berufung nahm der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien vom 20.06.2013 zurück.

3.1. Mit Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet), vom 27.05.2016 betreffend "Notwendige Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments" wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, zur Identitätsfeststellung an einem bestimmten Termin und Ort mitzuwirken, den er aber durch eine "Zeitbestätigung" des Krankenhauses B., welches er an dem Tag der Identitätsprüfung aus gesundheitlichen Gründen aufsuchte, nicht wahrnahm.

3.2. Auch den mit Ladungsbescheid der belangten Behörde vom 10.06.2016 vorgegebenen Termin vom 17.06.2016 und Ort zur Identitätsprüfung und Mitwirkung zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments leistete der Beschwerdeführer keine Folge, weil er am Vortag seinen "Hausarzt" aufsuchte und dieser ihn am selben Tag zu Blutuntersuchungen an ein Labor zuwies, er das Ergebnis der Untersuchungen durch den "Hausarzt" am 17.06.2016, also am "Delegationstermin", erfuhr und er von diesem an diesem Tag eine Überweisung zu einer Röntgenuntersuchung erhielt.

3.3. Mit Ladungsbescheid der belangten Behörde vom 03.08.2016 wurde der Beschwerdeführer neuerlich zu "notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments" durch eine nigerianische Delegation für den 19.08.2016, um 10:15 Uhr, bei der Regionaldirektion Wien geladen. Laut einem Aktenvermerk des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 19.08.2016, solle der Beschwerdeführer um 14:00 Uhr dieses Tages angegeben haben, um 10:00 Uhr hier gewesen zu sein, aber aufgrund eines dringenden (jedoch nicht belegten) Arzttermins wegen eines Herzleidens zwischenzeitlich gehen habe müssen.

3.4. Der mit (vierten) Ladungsbescheid der belangten Behörde vom 05.09.2016 angeordneten Aufforderung, wieder persönlich den mit 09.09.2016 vorgegebenen Termin und Ort zur Identitätsfeststellung durch eine nigerianische Delegation wahrzunehmen, kam der Beschwerdeführer zwar nach, behauptete dabei aber, Staatsangehöriger Simbabwes zu sein. Eine nigerianische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers wurde nicht festgestellt.

3.5.1. Die belangte Behörde ersuchte mit Schriftsatz vom 27.09.2016 die Botschaft der Republik Simbabwe in der Schweiz um Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer.

3.5.2. Die Botschaft der Republik Simbabwe teilte in ihrer Verbalnote vom 07.10.2016 der belangten Behörde mit, dass zur Identifizierung des Beschwerdeführers dessen nationale Identitätsnummer, der Vor- und Familienname seiner Eltern und der Ort der Geburt bekannt zu geben wären.

3.6. Mit bekämpftem Bescheid vom 15.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 2a Fremdenpolizeigesetz (FPG), aufgetragen, mit seiner zuständigen ausländischen Behörde seines Herkunftsstaates (Botschaft, Konsulat) Kontakt aufzunehmen und an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken. Diesem Auftrag hat er innerhalb von vier Wochen ab Durchsetzbarkeit dieses Bescheides nachzukommen und dies dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nachzuweisen. Wenn er diesem Auftrag ohne wichtigen Grund (Krankheit, Behinderung, andere wichtige Gründe) nicht Folge leistet, muss er damit rechnen, dass eine Haftstrafe von sieben Tagen verhängt wird.

Begründend wurde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer seit Jahren illegal in Österreich aufhalte und gegen ihn eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot von acht Jahren wegen Straffälligkeit bestehe. Er habe bisher behauptet, die angegebenen Personalien zu führen und nigerianischer Staatsangehöriger zu sein. Er habe wiederholt angegeben, dass dies seine richtigen Daten seien. Er sei am 09.09.2016 mittels Ladungsbescheid zu einem Interview bei der nigerianischen Delegation geladen worden. In diesem Interview habe er plötzlich behauptet, ein Staatsbürger aus Simbabwe und nicht aus Nigeria zu sein. Von der nigerianischen Botschaft sei kein Heimreisezertifikat ausgestellt worden. Am 27.09.2016 sei ein Ansuchen auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats an die Botschaft von Simbabwe übermittelt worden. Diese Botschaft habe in ihrer Verbalnote vom 07.07.2016 mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer für seine Identifizierung die nationale ID-Nummer, den Namen der Eltern und den Geburtsort anzugeben habe.

Die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest; er habe bisher die belangte Behörde absichtlich und wissentlich getäuscht und belogen und offensichtlich falsche Angaben zu seiner Identität gemacht. Seine wahre Identität und Nationalität seien unklar. Ein Heimreisezertifikat von Simbabwe habe nicht erwirkt werden können. Da noch nicht geklärt habe werden können, ob er aus Simbabwe sei, werde ihm nunmehr mit Bescheid aufgetragen, binnen vier Wochen entweder seine nationale ID-Nummer, den Namen der Eltern und den Geburtsort bekannt zu geben oder Nachweise darüber zu erbringen, woher er wirklich stamme (richtiger Name, richtige Staatsangehörigkeit, richtiges Geburtsdatum etc.).

Die Androhung einer Haftstrafe sei im konkreten Fall sinnvoll, weil er mittellos sei. Als ehemaliger Asylwerber, dessen Verfahren längst rechtskräftig abgeschlossen sei und dem gegenüber ein Einreiseverbot von acht Jahren wegen Straffälligkeit bestehe, habe er in Österreich kein Einkommen und keine Möglichkeit, legal an Geld zu kommen. Der Beschwerdeführer sei auf staatliche Hilfen angewiesen und erscheine daher eine Geldstrafe als sinnlos und uneinbringlich.

Da eine aufrechte aufenthaltsbeendende Maßnahme bestehe und ohne ein (Ersatz-) Reisedokument eine Durchsetzung dieser Maßnahme nicht möglich sei, sei ihm eine Verpflichtung zur Mitwirkung zur Erlangung eines solchen aufzuerlegen.

Gemäß § 46 Abs. 2a FPG i.V.m. § 19 Abs. 2 und 3 AVG sei anzugeben, welche Folgen die Nichtbefolgung des Auftrags hätten und sei das konkrete Zwangsmittel anzudrohen. Die möglichen Zwangsstrafen zur Erfüllung von unvertretbaren Leistungen, so des gegenständlichen Auftrags, seien gemäß § 5 Abs. 3 VVG eine Geldstrafe bis zu € 726,-- oder eine Haftstrafe bis zu vier Wochen. Zwar sei grundsätzlich das gelindeste, zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden, allerdings müsse dieses auch tauglich sein. Dies könne bei vermögenslosen oder wenig einsichtigen Personen eben auch durch die Androhung einer entsprechenden Haftstrafe erfolgen. Im gegenständlichen Fall erscheine eine Haftstrafe als das einzig taugliche Mittel. Eine zwangsweise Vorführung vor die Vertretungsbehörde scheide aus, weil die Botschaft von Simbabwe ihren Sitz in der Schweiz habe. Eine Ausreise sei mangels Dokumenten nicht möglich. Eine Geldstrafe komme aufgrund der finanziellen Situation bzw. der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers nicht in Betracht und wäre kein taugliches Mittel, das zu einem Erfolg führen würde.

Zuletzt führte die belangte Behörde die Adresse der ständigen Vertretung der Republik Simbabwe bei den Internationalen Organisationen in Wien an.

3.7. Mit dem am 12.10.2017 (per E-Mail übermittelten) Anbringen erhob der durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH vertretene Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde habe ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine identitätsfindenden Dokumente vorlegen habe können. Er habe aber sein Geburtsdatum angegeben und seien auch die Informationen zu seiner Familie bzw. die Namen der Eltern bereits im Akt und damit der belangten Behörde bekannt. Der Beschwerdeführer leide unter arterieller Hypertonie, weshalb er ständig unter Kopfschmerzen leide. An seine ID Nummer könne er sich aufgrund seiner ständigen Kopfschmerzen und dem jahrelangen Aufenthalt in Österreich nicht mehr erinnern. Auf diese "Beweismittel" werde im gegenständlichen Bescheid jedoch in keiner Weise Bezug genommen.

Ihm sei nicht nur die Mitwirkung an der Erlangung eines Ersatzreisedokuments aufgetragen, sondern auch die Beschaffung eines solchen durch Kontaktaufnahme mit der Botschaft bzw. dem Konsulat des Herkunftsstaates und die Vorlage dieses Dokuments bei der belangten Behörde binnen vier Wochen angeordnet worden. Aus dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 und Abs. 2a FPG ergebe sich aber, dass die Erlangung eines Ersatzreisedokuments Aufgabe der belangten Behörde sei und den Fremden eine Mitwirkungspflicht treffe, die sich auf das Tätigwerden der belangten Behörde beziehe. Sie habe alle notwendigen Schritte zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments - wie etwa die Übermittlung der notwendigen personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers an die Vertretungsbehörde Simbabwes oder die Durchführung einer Amtshandlung bei der zuständigen ausländischen Behörde - einzuleiten. Die Erlangung eines Reisedokuments sei zentrale Voraussetzung zur Durchführung der Abschiebung, wobei es sich dabei um einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt handle. Deren Wesen sei gerade die Überwindung eines Widerstandes. Durch § 46 Abs. 2 und Abs. 2a FPG solle keine derart weitreichende Mitwirkungspflicht aufgebürdet werden, um eine davon betroffene Person zu einer gegen sie selbst gerichteten Maßnahme zu verpflichten. Die Mitwirkungspflicht nach diesen Bestimmungen umfasse nicht die Beschaffung und Vorlage eines Ersatzreisedokuments. Daher sei der gegenständliche Auftrag zu weit gefasst.

Im Übrigen tätigte der Beschwerdeführer Ausführungen zu § 5 VVG und zur Unionsrechtswidrigkeit bezüglich der als Beugemaßnahme angedrohten Haftstrafe von sieben Tagen. Eine Inhaftnahme als Beugemittel sei unionsrechtlich nicht vorgesehen und stelle eine Abweichung der Vorgaben der Aufnahmerichtlinie dar, wodurch der Beschwerdeführer in seinem Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit gemäß Art. 6 GRC verletzt werde.

Neben der ersatzlosen Behebung des bekämpften Bescheides stellte der Beschwerdeführer auch den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt, insbesondere dass die belangte Behörde bei der Botschaft der Republik Simbabwe kein Ersatzreisedokument für die Abschiebung des Beschwerdeführers eingeholt oder für ihn ein Reisedokument für dessen Rückführung ausgestellt hat.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde und ist im Übrigen unbestritten. Dass die belangte Behörde bei der Botschaft der Republik Simbabwe kein Ersatzdokument für die Abschiebung eingeholt oder dem Beschwerdeführer ein Reisedokument für dessen Rückführung ausgestellt hat, ergibt sich aus dem bekämpften Bescheid, mit welchem der Beschwerdeführer verpflichtet wurde, selbst Kontakt mit der Botschaft der Republik Simbabwe aufzunehmen und an der Erlangung des Ersatzreisedokuments mitzuwirken.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BGBl I Nr. 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Im Fremdenpolizeigesetz 2005 ist eine Entscheidung durch Senate nicht vorgesehen. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.1.1. § 46 Abs. 2 und Abs. 2a FPG aF (in der bis 31.10.2017 und damit im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides geltenden Fassung BGBl. I Nr. 70/2015) lauteten:

"(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt. Der Fremde hat an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken.

(2a) Die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß Abs. 2 kann auch mit Bescheid auferlegt werden, § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt sinngemäß. Der Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments bei der zuständigen ausländischen Behörde, verbunden werden (§ 19 AVG)."

3.1.2. § 46 FPG (in der ab 01.11.2017 geltenden Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017 - FrÄG 2017, BGBl I. Nr. 145/2017) erfuhr inhaltlich (auszugsweise) folgende Änderung:

"(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt."

3.2. Es stellt sich zunächst die Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides jene (Sach- und) Rechtslage zu beachten hat, die - wie bei Maßnahmenbeschwerden (vgl. das Erk. des VwGH vom 06.08.1998, Zl. 96/07/0053) - im Zeitpunkt der Erlassung desselben in Geltung stand, oder ob es die (Beschwerde-) "Sache" nach der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebenden (Sach- und) Rechtslage zu beurteilen hat.

Im gegenständlichen Fall ist auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides abzustellen. Dies aus folgenden Überlegungen:

Der Beschwerdeführer hat ein subjektives Recht auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, weil insbesondere die mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit verbundene Aufhebung desselben für ihn von objektivem Nutzen ist. Die allfällige Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bewirkt, dass im vorliegenden Fall das Rechtschutzbedürfnis des Beschwerdeführers als noch immer aufrecht anzusehen wäre. Denn bei einer Aufhebung des bekämpften Bescheides fiele auch die mit der Verletzung seiner Mitwirkungspflicht bei der aufgetragenen Erlangung der für die Ausreise erforderlichen (Reise-) Dokumente normierte Grundlage für die (allfällige) Verhängung von Zwangsmaßnahmen, so auch die Anordnung einer Beugehaft, weg. Hätte das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Beschwerdeverfahren bei Erlassung seines Erkenntnisses von der im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszugehen, könnte der Fall eintreten, dass - wie im konkreten Fall - bei einer Änderung der Rechtslage die nach der zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides geltenden ("alten") Rechtslage zu beurteilende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nachträglich "saniert" wird. Damit würden die an den Beschwerdeführer gerichtete Aufforderung zu eigeninitiativ vorzunehmenden Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments und die dafür bestimmend gewesenen Gründe keiner rechtlichen Kontrolle (mehr) unterliegen, was dem Rechtschutzbedürfnis des Beschwerdeführers jedenfalls zuwider liefe. Zudem ist die Fassung des § 46 FPG aF im Vergleich zu jener nach dem FrÄG 2017 für den Fremden günstiger.

Da der Beschwerdeführer ein objektives Interesse an der allfälligen Aufhebung des in seine Rechtssphäre eingreifenden Bescheides hat, ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren die Rechtsmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit nach der zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides maßgebenden Sach- und ("alten") Rechtslage zu beurteilen.

3.3.1. Zur Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers:

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seinem Erkenntnis vom 23.03.2017, Ro 2017/21/0005, unter anderem die Rechtsansicht, dass der mit dem FrÄG 2015 dem § 46 Abs. 2 FrPolG 2005 angefügte letzte Satz die - nach den ErläutRV (RV582 BlgNR 25. GP 18) schon bisher bestehende - Verpflichtung des Fremden, "an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates im erforderlichen Umfang mitzuwirken", nunmehr ausdrücklich normiert. Diese Mitwirkungsverpflichtung bezieht sich evidenterweise auf die Regelung im ersten Satz dieser Bestimmung betreffend die Einholung eines für die Abschiebung erforderlichen Ersatzreisedokumentes bei der zuständigen ausländischen Behörde durch das BFA. Die mit dem FrÄG 2015 neu geschaffene Möglichkeit, die Verpflichtung zur Mitwirkung mit Bescheid aufzuerlegen, knüpft nun ausdrücklich an diese "gemäß Abs. 2" bestehende Verpflichtung zur Mitwirkung an. Demnach kommt die bescheidmäßige Auferlegung einer Verpflichtung zur Mitwirkung nur in Bezug auf die "zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes" notwendigen Handlungen in Betracht.

Eine Mitwirkung des Fremden selbst, ein Ersatzreisedokument bei der für ihn zuständigen ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu erlangen, ist durch den - mit dem FrÄG 2015 unverändert gebliebenen - ersten Satz des § 46 Abs. 2 FrPolG 2005 nicht gedeckt. Diese Bestimmung sieht nämlich für den Fall, dass der Fremde über kein für die Abschiebung erforderliches Reisedokument, also in der Regel über keinen Reisepass, verfügt, lediglich vor, dass das BFA bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument einzuholen hat. Demnach ist es allein Aufgabe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, um die Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes bei der ausländischen (Vertretungs-) Behörde zu ersuchen und die hierfür notwendigen Daten zu übermitteln (vgl. § 33 Abs. 3 BFA-VG 2014 betreffend die Übermittlung erforderlicher personenbezogener Daten eines Fremden an den Herkunftsstaat zur Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes). Dafür spricht auch, dass sich die Regelung im ersten Satz des § 46 Abs. 2a FrPolG 2005 idF vor dem FrÄG 2015, die sich nunmehr zwar gekürzt, aber inhaltlich unverändert im letzten Satz des § 46 Abs. 2a FrPolG 2005 befindet, ebenfalls ausdrücklich auf Personen bezog, "für die die Behörde ein Ersatzreisedokument bei der zuständigen ausländischen Behörde für die Abschiebung einzuholen hat". In diesem Sinne ist auch im Festnahmetatbestand des § 34 Abs. 3 Z 4 BFA-VG 2014 von "der Einholung eines Ersatzreisedokumentes bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde" die Rede. Geht es aber um die Erlangung eines "Ersatz"-Reisedokumentes durch das BFA, bleibt schon vom Ansatz her kein Auslegungsspielraum dafür, unter diesem Begriff ein nicht "ersatzweise" ausgestelltes Reisedokument, wie einen Reisepass, zu verstehen.

Der Fremde hat bei der amtswegig vorzunehmenden Erlangung des Ersatzreisedokumentes "im erforderlichen Umfang" mitzuwirken. Insoweit kann ihm ein die zu erbringende Mitwirkungsverpflichtung konkret umschreibender Auftrag mittels Bescheides nach dem ersten Satz des § 46 Abs. 2a FrPolG 2005 erteilt werden. Das kommt insbesondere in Bezug auf die in den ErläutRV (RV582 BlgNR 25. GP 18) genannten Handlungen ("Herausgabe von Dokumenten und Urkunden, über die der Fremde bereits verfügt, die Mitwirkung an der Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit sowie an den erforderlichen Handlungen bei der ausländischen Behörde") in Betracht. Die Gesetzesmaterialien weisen darauf hin, dass die "Vollziehungsverfügung" nach dem ersten Satz des § 46 Abs. 2a FrPolG 2005 im Regelfall mit einer Ladung nach dessen zweiten Satz zu verbinden sein wird, weil die Anwesenheit des Fremden regelmäßig notwendig ist. Die Ladung kann auch zu einer ausländischen Behörde erfolgen. Dabei ist stets eine Amtshandlung, das heißt die Leitung durch einen Organwalter des Bundesamtes, notwendig (vgl. das Erk. des VwGH vom 11.06.2013, 2013/21/0097; den Beschluss des VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/21/0354). Dieses Erfordernis würde aber unterlaufen, wenn es dem Fremden unter Androhung von Zwangsmaßnahmen selbst auferlegt wird, außerhalb einer behördlichen Amtshandlung aus Eigenem bei der ausländischen (Vertretungs-) Behörde die Erlangung eines Ersatzreisedokumentes zu begehren. Dass der Gesetzgeber insoweit widersprüchliche Regelungen hätte schaffen wollen, kann ihm freilich nicht unterstellt werden.

3.3.2. Der mit dem bekämpften Bescheid dem Beschwerdeführer erteilte Auftrag, selbst ein Ersatzreisedokument bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft, Konsulat) zu erlangen, findet im § 46 Abs. 2 FPG (in der Fassung des FrÄG 2015, BGBl. I Nr. 70/2015) keine Deckung.

Die belangte Behörde und nicht der Beschwerdeführer - wie es ihm nach der neuen Rechtslage mit Bescheid aufgetragen werden könnte - musste die entsprechenden Handlungen bei der zuständigen ausländischen Behörde zur Ausstellung eines Reisedokumentes für die Rückführung setzen. Er hatte nach der alten Rechtslage "nur" im erforderlichen Umfang an den Maßnahmen zur Erlangung des Ersatzreisedokuments mitzuwirken. Der an ihn erteilte Auftrag, eigeninitiativ mit der Botschaft von Simbabwe Kontakt aufzunehmen und sich selbst um die für die Ausreise erforderlichen Dokumente für die Abschiebung zu kümmern, war nach der "alten" Rechtslage nicht zulässig. Nach § 46 Abs. 2 aF war die Mitwirkung des Fremden an den Maßnahmen bzw. Amtshandlungen des Bundesamtes zum Zwecke der Erlangung der für die Abschiebung erforderlichen Bewilligung(en) eingeschränkt und die Pflicht des Fremden, Vorbereitungshandlungen für seine Ausreise eigenständig - und somit außerhalb einer Amtshandlung des Bundesamtes - zu setzen, nicht umfasst. Im vorliegenden Fall kam aber die belangte Behörde ihrer Pflicht nach § 46 Abs. 2 FPG aF, das Reisedokument bei der für den Beschwerdeführer zuständigen ausländischen Behörde einzuholen, nicht nach. Diese Pflicht konnte sie im Wege der Mitwirkungspflicht nicht dem Beschwerdeführer nach § 46 Abs. 2a FPG aF aufbürden.

Da der Auftrag an den Beschwerdeführer, Kontakt mit der (Vertretungs-) Behörde aufzunehmen und selbständig an den Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken, sowie die Androhung einer Haftstrafe von sieben Tagen für den Fall des Unterbleibens jeglicher Bemühungen nicht mittels eines Bescheides nach dem ersten Satz des § 46 Abs. 2a FPG aF hätte erteilt werden dürfen, war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Auf die in der Beschwerde aufgeworfene Frage der Unionswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie auf das Vorbringen, dass die Anordnung von Zwangsstrafen nach § 5 VVG nur bei unvertretbaren, nicht durch einen Dritten zu bewerkstellenden Handlungen in Betracht komme, was im gegenständlichen Fall auf Grund der die belangten Behörde treffende Pflicht zum Handeln gemäß § 46 Abs. 2 FPG aF nicht zutrifft, war infolge der Aufhebung des Bescheides nicht einzugehen.

3.3.3. Der bekämpfte Bescheid vom 15.09.2017 ist aber auch deshalb rechtswidrig, weil die belangte Behörde dem Beschwerdeführer aufgetragen hat, Kontakt mit der zuständigen ausländischen Behörde des Herkunftsstaates Simbabwe aufzunehmen (was sich nicht aus dem Spruch des Bescheides ergibt, sondern sich aus der Begründung erschließt) und die notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes zu setzen. Die belangte Behörde übersah dabei, dass der Beschwerdeführer nicht Staatsangehöriger von Simbabwe, sondern von Nigeria ist (vgl. das bereits zitierte in Rechtskraft erwachsene Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.10.2008; Pkt. I.

1. sowie den Beschluss des VwGH vom 05.10.2017, Ra 2017/21/0033).

Da die belangte Behörde diesen Umstand verkannt hat, war der angefochtene Bescheid auch aus diesem Grund ersatzlos aufzuheben.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG). Eine mündliche Erörterung hätte auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen. Die Voraussetzungen für den Entfall einer mündlichen Verhandlung sind gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 1 VwGVG erfüllt.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung stützt sich bei der konkret zu beurteilenden Rechtsfrage auf die durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015, BGBl. I Nr. 70/2015 geänderte und die (oben zitierte) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärte Rechtslage.

Schlagworte

Aufforderung, Behebung der Entscheidung, Behördenpraxis, ersatzlose
Behebung, Mitwirkungspflicht, Rechtswidrigkeit, Reisedokument

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I401.1316937.2.00

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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