TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/26 W115 2007897-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.04.2018
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Entscheidungsdatum

26.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W115 2007897-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen über die Beschwerde von

XXXX , geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch Mag. XXXX , Verein ChronischKrank Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX , vom XXXX , Pass Nr. XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß

§ 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin hat am XXXX beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am XXXX , mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH bewertet wurde.

1.2. Im Rahmen des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden von der Beschwerdeführerin unter Vorlage medizinischer Beweismittel Einwendungen erhoben.

1.3. Zur Überprüfung der Einwendungen und der neu vorgelegten medizinischen Beweismittel wurde von der belangten Behörde ein auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am XXXX basierendes Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Urologie, mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen noch die vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

1.4. Im Rahmen des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden von der Beschwerdeführerin unter Vorlage eines weiteren medizinischen Beweismittels neuerlich Einwendungen erhoben.

1.5. Zur Überprüfung der Einwendungen und des neu vorgelegten medizinischen Beweismittels wurde von der belangten Behörde eine mit XXXX datierte medizinische Stellungnahme von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen noch das neu vorgelegte Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

1.6. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH festgestellt.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 30 vH vorliegen würde. Die dagegen erhobenen Einwendungen seien einer abermaligen Überprüfung durch einen ärztlichen Sachverständigen unterzogen worden. Dieser habe festgestellt, dass durch die Einwendungen keine Änderung der getroffenen Einschätzung bewirkt habe werden können. Da somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

2. Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) an die damals zuständige Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten (in der Folge: Bundesberufungskommission) erhoben.

Unter Vorlage der erteilten Vollmacht und medizinischer Beweismittel wurde vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin an einer interstitiellen Zystitis leide. Da das Blasenfüllvolumen bei knapp mehr als 100 ml liege und der erste Drang schon bei 52 ml eintrete, habe dies zur Folge, dass die Beschwerdeführerin ihre Blase mindestens viertelstündlich entleeren müsse. Auch sei eine interstitielle Zystitis unter die Position 08.01.05 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 50 bis 70 vH einzuschätzen. Weiters würde die Beschwerdeführerin an einer relativen Harnröhrenstenose, chronischen Pelvic pain, Anpassungsstörungen, Agoraphobie mit Panikattacken und einer Persönlichkeitsakzentuierung mit psychasthenisch histrionisch instabilen Zügen leiden. Es werde daher die Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH beantragt.

2.1. Mit E-Mail vom XXXX wurde unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin zusammengefasst vorgebracht, die zahlreich vorgelegten fachärztlich-urologischen Befunde anzuerkennen und von einer für die Beschwerdeführerin schmerzhaften und unangenehmen persönlichen Untersuchung abzusehen. Es werde um eine Überprüfung des Gesundheitszustandes basierend auf der Aktenlage ersucht.

2.2. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden von der Bundesberufungskommission ein mit XXXX datiertes ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Urologie, basierend auf der Aktenlage, sowie ein ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am XXXX , mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 vH bewertet wurde.

2.3. Im Rahmen des von der Bundesberufungskommission gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin unter Vorlage medizinischer Beweismittel Einwendungen erhoben.

2.4. Zur Überprüfung der Einwendungen und neu vorgelegten medizinischen Beweismittel wurden von der Bundesberufungskommission mit XXXX sowie XXXX datierte ergänzende ärztliche Sachverständigengutachten der bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX und Dr. XXXX , basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen noch die vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

2.5. Ohne der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gemäß

§ 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis zu bringen, hat die Bundesberufungskommission mit Bescheid vom XXXX die Berufung (nunmehr Beschwerde) abgewiesen und den angefochtenen Bescheid bestätigt.

Nach Zitierung der maßgeblichen Bestimmungen des BBG wurde begründend zusammengefasst ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 30 vH vorliegen würde. Die dagegen erhobenen Einwendungen seien einer abermaligen Überprüfung durch die befassten ärztlichen Sachverständigen unterzogen worden. Diese hätten festgestellt, dass durch die Einwendungen keine Änderung der getroffenen Einschätzung bewirkt habe werden können. Da ein Grad der Behinderung von 30 vH festgestellt worden sei und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid wurde Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

3.1. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , XXXX , wurde der unter Punkt I.2.5. angeführte Bescheid der Bundesberufungskommission wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass im angefochtenen Bescheid der Bundesberufungskommission zwar die Gutachten und Stellungnahmen der Sachverständigen wiedergegeben worden seien, dass jedoch Feststellungen zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt (somit zu den bei der Revisionswerberin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihren Auswirkungen) zur Gänze fehlen würden. Klare Feststellungen zu den Funktionsbeeinträchtigungen wären gegenständlich von besonderer Wichtigkeit gewesen, weil die von der Bundesberufungskommission bestellten Sachverständigen bei der Einschätzung des Grades der Behinderung von einem Fassungsvermögen der Blase der Revisionswerberin von "deutlich über 100 ml" ausgegangen seien, wohingegen in einem von der Revisionswerberin vorgelegten urologischen Befund von "max." 100 ml die Rede gewesen sei und dieser Wert für die Zuordnung unter die Position 08.01.05 der Anlage zur Einschätzungsverordnung (mit einem Grad der Behinderung von

50-70%) von Bedeutung sei. Ein wesentlicher Verfahrensmangel bestehe insbesondere darin, dass die Bundesberufungskommission den angefochtenen Bescheid zentral auf das aktenmäßig erstellte urologische Gutachten von Dr. XXXX vom XXXX gestützt habe, in welchem der Sachverständige selbst ausführe, dass die Beurteilung einer interstitiellen Cystitis mittels aktenmäßigem Gutachten praktisch unmöglich sei, weil sie sich aus objektiv erhebbaren Befunden, aber auch aus einer Beurteilung des subjektiven Leidensdrucks ergeben müsse. Daher sei nach den Aussagen des Sachverständigen die Einschätzung des im erstinstanzlichen Verfahren tätig gewesenen Sachverständigen zu übernehmen gewesen. Angesichts dessen würde das ohne Untersuchung der Revisionswerberin erstellte Gutachten von vornherein keine taugliche Entscheidungsgrundlage darstellen. Der angefochtene Bescheid sei aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben gewesen.

4. Im fortgesetzten Verfahren wurden durch das nunmehr zuständige Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, und Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, basierend auf den persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin jeweils am XXXX , mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH bewertet wurde.

Im Rahmen der Begutachtung wurden von der Beschwerdeführerin weitere medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht, welche bei der Gutachtenserstellung berücksichtigt worden sind.

4.1. Mit Schreiben vom XXXX wurde dem bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern.

Weder die Beschwerdeführerin bzw. ihr bevollmächtigter Vertreter noch die belangte Behörde haben Einwendungen vorgebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Guter Allgemein- und Ernährungszustand. Caput/Collum: keine Lippenzyanose, keine Halsvenenstauung.

Thorax: Cor: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion, RR 115/60.

Pulmo: vesikuläres Atemgeräusch, sonorer Klopfschall, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe.

Abdomen: weich, keine Druckpunkte, keine pathologischen Resistenzen palpabel. Leber am Rippenbogen palpabel. Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig. Nierenlager bds. frei.

Wirbelsäule: HWS: Kopfdrehung und Kopfseitneigung: nach rechts und links, Inkl. und Rekl. frei. BWS: gerade. LWS: Rumpfdrehung und -seitneigung frei.

Obere Extremitäten: Rechtshändigkeit. Schultergelenk rechts:

Abduktion und Anteversion frei. Schultergelenk links: Abduktion und Anteversion frei. Nacken- und Schürzengriff beidseits frei durchführbar. Ellenbogengelenke: frei. Handgelenke: frei beweglich.

Finger- und Daumengelenke: bds. frei. Faustschluss bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar.

Untere Extremitäten: Hüftgelenk rechts: Flexion, Abduktion und Adduktion altersentsprechend frei. Hüftgelenk links: Flexion,

Abduktion und Adduktion frei. Kniegelenk links: Beweglichkeit frei, bandstabil. Kniegelenk rechts: Beweglichkeit frei, bandstabil. Sprunggelenke bds. frei. Sonstige Gelenke altersentsprechend frei. Fußheben und -senken bds. durchführbar. Einbeinstand bds. durchführbar. Hocke durchführbar. Beide unteren Extremitäten können von der Unterlage abgehoben werden. Fußpulse bds. palpabel. Venen unauffällig, keine Ödeme.

Gesamtmobilität/Gangbild: unauffällig, flüssig, sicher, ohne Hilfsmittel, freies Stehen unauffällig möglich, Zehenspitzen- und Fersenstand beidseits durchführbar. Aufstehen und Lagewechsel selbständig möglich.

Neurologisch: Die Hirnnerven sind unauffällig. Die Optomotorik ist intakt. An den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen. Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt. An den unteren Extremitäten bestehen keine Paresen, die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar. Die Koordination ist intakt, die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten negativ. Die Sensibilität wird allseits als intakt angegeben, Reithose frei. Das Gangbild ist ohne Hilfsmittel unauffällig.

Psychiatrisch: Örtlich, zeitlich, zur Person und situativ ausreichend orientiert. Keine Antriebsstörung. Auffassung regelrecht, keine kognitiven Defizite. Affekt ausgeglichen, Stimmungslage dysthym, mit Somatisierungstendenzen. In beiden Skalenbereichen affizierbar, zeitweise Ein- und Durchschlafstörung. Keine produktive Symptomatik, keine Suizidalität.

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Interstitielle Zystitis Oberer Rahmensatz, da bei - laut urodynamischer Untersuchung - maximalem Fassungsvermögen der Blase deutlich über 100 ml eine nachvollziehbare klinische Symptomatik mit häufigem Harndrang vorliegt.

08.01.04

30 vH

02

Anpassungsstörung Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da ohne Behandlung mit Somatisierungsneigung.

03.06.01

20 vH

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

 

 

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH, da zwischen dem führenden Leiden unter Nr. 1 und dem Leiden unter Nr. 2 keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Die im Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX , basierend auf den persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin, sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vorgelegten medizinischen Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen und die befassten Sachverständigen haben sich im Rahmen der Gutachtenserstellung eingehend damit auseinandergesetzt. Diese Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX jeweils dem befunddokumentierten Ausmaß der Funktionseinschränkung entsprechend beurteilt und unter die entsprechende Positionsnummer der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingeschätzt.

So führt Dr. XXXX zu den medizinischen Unterlagen schlüssig und nachvollziehbar aus, dass die vorliegenden Befunde und Behandlungsnachweise eine interstitielle Zystitis/überaktive Blase belegen. Eine vorliegende urodynamische Untersuchung vom XXXX beschreibt eine Blasenkapazität von maximal 130 ml sowie eine restharnfreie Harnentleerung. Die Blasenschleimhaut wird als unauffällig beschrieben. Weiters vorliegend ist eine urodynamische Untersuchung vom XXXX , in welcher ein maximales Blasenfüllvolumen von 145 ml Natriumchlorid sowie von 133 ml Kaliumchlorid beschrieben ist. Die Entleerung erfolgt vollständig und ohne Restharn. Der Befund des Urologen Dr. XXXX vom XXXX beschreibt eine auf Basis des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Miktionsprotokolls errechnete maximale Blasenkapazität von 100 ml. Aktuelle urodynamische Untersuchungen, welche eine Blasenkapazität von unter 100 ml objektiv beschreiben, liegen nicht vor. Die aktuell vorgelegten urologischen Befunde der Krankenanstalt XXXX nach Ambulanzbesuch am XXXX beschreiben im Rahmen der Zystoskopie eine unauffällige Harnröhre und eine bis auf eine Plattenepithelmetaplasie unauffällige Harnblase. Eine geringe Kapazität sowie Schmerzen und ein Drang bei geringer Füllung sind beschrieben. Ein Therapiebeginn mit Betmiga, physikalischen Therapiemaßnahmen im Rahmen einer Beckenbodenentspannung und eine Behandlung des Iliosakralgelenkes sowie eventuell eine Vorstellung beim Neurologen wurden empfohlen. Der Befund der urologischen Abteilung Krankenanstalt XXXX vom XXXX beschreibt eine interstitielle Zystitis, Schmerzen im Genitalbereich beim Geschlechtsverkehr sowie prämenstruelle Beschwerden und einen Kreuzschmerz. Eine Botox-Behandlung der Blase erfolgte am XXXX und eine Kontrolle wurde bei Bedarf vereinbart. Weitere Behandlungsberichte bzw. Berichte der Nachkontrollen liegen nicht vor. Der Bericht des Urologen Dr. XXXX vom XXXX beschreibt sonographisch unauffällige Nieren, eine restharnfreie Miktion und führt bei Blasenschmerzsyndrom/interstitieller Zystitis und chronischer Zystitis sowie Schrumpfblase eine aus dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Miktionsprotokoll abgeleitete maximale Blasenkapazität von 100 ml an. Eine aktuelle urodynamische Untersuchung, welche eine Blasenkapazität von 100 ml bzw. eine Kapazität unter 100 ml belegt, liegt nicht vor.

Weiters wird von Dr. XXXX nachvollziehbar ausgeführt, dass, wie bereits im urologischen Fachgutachten von Dr. XXXX vom XXXX angeführt, eine urodynamische Erstuntersuchung im AKH am XXXX ein maximales Blasenfüllungsvolumen von 147 ml beschreibt und eine overactive bladder diagnostiziert. Diese Diagnose bestätigte sich bei der urodynamischen Untersuchung am XXXX . Im Rahmen dieser Untersuchung ist auch ein Kaliumchlorid-Test durchgeführt worden, wobei sich das Volumen geringfügig auf 133 ml reduzierte. Eine im XXXX durchgeführte urodynamische Untersuchung zeigte eine Blasenkapazität von 130 ml und einen im Vergleich zur Untersuchung vom XXXX unveränderten Kaliumchlorid-Test.

Dr. XXXX hält abschließend schlüssig und nachvollziehbar sowie im Einklang mit den vorgelegten Befunden fest, dass, da in den vorliegenden urodynamischen Untersuchungen ein maximales Blasenfüllungsvolumen von deutlich über 100 ml beschrieben ist, eine Änderung der Rahmensatzposition bzw. eine Anhebung des Grades der Behinderung hinsichtlich des urologischen Leidens derzeit nicht begründbar ist. Da eine schwere chronische Entzündung der Harnblase bzw. eine Schrumpfblase mit einem Fassungsvermögen von unter 80-100 ml im Wachzustand durch objektive (urodynamische) Befunde nicht belegt ist, kann die Positionsnummer 08.01.05 der Anlage zur Einschätzungsverordnung nicht herangezogen werden.

Das urologische Leiden ist somit dem befunddokumentierten Ausmaß der Funktionseinschränkung entsprechend unter die Positionsnummer 08.01.04 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 30 vH korrekt eingeschätzt worden. Durch die getroffene Einschätzung innerhalb des vorgegebenen Rahmensatzes (Heranziehung des oberen Rahmensatzes) ist auch dem Ausmaß und der Schwere der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden interstitiellen Zystitis und der nachvollziehbaren klinischen Symptomatik mit häufigem Harndrang Rechnung getragen worden.

Ebenso hält Dr. XXXX fachärztlich nachvollziehbar fest, dass eine andere Einschätzung als unter Positionsnummer 03.06.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 20 vH hinsichtlich des neurologisch/psychiatrischen Beschwerdebildes der Beschwerdeführerin nicht möglich ist, da keine sensomotorischen Ausfälle vorliegen, die Anpassungsstörung mit Somatisierungstendenz nur mäßig ausgeprägt ist und auch keine diesbezügliche Therapie in Anspruch genommen wird. Dies steht im Einklang mit der Anamnese im Rahmen welcher die Beschwerdeführerin ausführt, nicht in nervenärztlicher Betreuung zu stehen und keine neurologisch/psychiatrische Medikation einzunehmen.

Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 vH vorliegt, zu entkräften.

Die Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Vielmehr haben die Verfahrensparteien den Inhalt der eingeholten Sachverständigengutachten im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Die im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) ist die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten anhängigen Verfahren auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 46 erster Satz BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 54 Abs. 12 BBG treten § 1, § 41 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 mit 1. September 2010 in Kraft.

Da im gegenständlichen Fall der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am XXXX gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

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sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

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zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs. 4 der Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Die Gesamteinschätzung vollzieht die Verwaltungsbehörde unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis, den sie im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung zu beurteilen hat (vgl. VwGH 01.06.1999, 94/08/0088 mit Hinweis auf E 19.11.1997, 95/09/0232, 0233).

Die Anhebung des aus dem Leiden 1 resultierenden Grades der Behinderung ist nicht gerechtfertigt, weil Leiden 2 auch im Zusammenwirken mit Leiden 1 keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht und das Gesamtbild der Behinderung dadurch nicht maßgebend ungünstig beeinflusst wird. Von einer besonders nachteiligen Auswirkung - im Sinne des § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung - des psychischen Leidens auf das urologische Leiden kann aufgrund des vorliegenden Ausmaßes der festgestellten Gesundheitsschädigungen nicht ausgegangen werden.

Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, sind weder das Beschwerdevorbringen noch die vorgelegten Beweismittel geeignet darzutun, dass der in Höhe von 30 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspräche.

Da ein Grad der Behinderung von 30 vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

Falls sich der Leidenszustand der Beschwerdeführerin maßgebend verschlechtert, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht (vgl. dazu etwa VwGH 20.11.2012, 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Im Rahmen der Beschwerde wurden auch keine Beweismittel vorgelegt, welche das Vorbringen fundiert erhärten bzw. die sachverständige Beurteilung überzeugend in Zweifel ziehen. Die Beschwerdeführerin wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch einen Arzt für Allgemeinmedizin sowie durch einen Facharzt für Nervenheilkunde persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und die vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet, vielmehr stehen diese nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter (VfGH 09.06.2017, E 1162/2017).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W115.2007897.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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