TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/26 I404 2146821-2

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Veröffentlicht am 26.04.2018
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Entscheidungsdatum

26.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I404 2146821-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Vorsitzende und den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch seine Sachwalterin Mag. Anneliese Markl, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol, vom 07.12.2016 betreffend die Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz nach nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und festgestellt, dass der Grad der Behinderung 80 % beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.Verfahrensgang

1. Herrn XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer) wurde am 03.03.2000 ein Behindertenpass ausgestellt. Der Grad der Behinderung wurde mit 60 % festgesetzt.

2. Mit formularmäßigem Vordruck, beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (in der Folge: belangte Behörde) eingelangt am 10.05.2016, beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde die Neufestsetzung des Grades der Behinderung.

3. In der Folge erstellte Dr. Martin J im Auftrag der belangten Behörde ein medizinisches Gutachten vom 03.10.2016, in welchem er folgende Funktionseinschränkungen feststellte:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos. Nr

GdB %

1

Zustand nach Polytrauma Begründung: Belastungsbeschwerden im rechten Kniegelenk, posttraumatische Abnützungen in verschiedenen Gelenksregionen Witterungsempflindlichkeit

02.02.03

60

Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.

4. Mit Bescheid vom 07.12.2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung ab. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten beträge der Grad der Behinderung weiterhin 60 %. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Sachwalterin, rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde. Begründend führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass das Gutachten vom 03.10.2016 weder schlüssig noch vollständig sei. Dies vor allem deswegen, da ohne Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Röntgenbilder divere Schädigungen im Bereich der Beine, des Knies und der Hüfte des Beschwerdeführers nicht feststellbar seien.

6. Mit Schreiben vom 01.02.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

7. In der Folge erstellte Dr. Martin J im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes eine medizinische Stellungnahme vom 03.04.2017, in welcher er insbesondere wie folgt ausführte:

Die vorliegenden Leiden wurden unter Richtsatzposition 02.02.03 aufgrund des Zustands nach Polytrauma mit Belastungsbeschwerden im rechten Kniegelenk, posttraumatischen Abnützungen in verschiedenen Gelenksregionen und Witterungsempfindlichkeit im mittleren Rahmenbereich eingestuft. Die posttraumatische Beinlängendifferenz ist in dieser Einschätzung inkludiert. Die bestehnden Gelenksabnützungen sind als nicht altersüberdurchsnittlich (für einen 61-Jährigen) anzusehen. Die gewünschte Erhöhung der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 70 vH kann nicht vorgenommen werden, da eine 70 vH-Einschätzung einer Einschränkung aufgrund einer Amputation im Oberschenkelbereich entsprechen würde.

8. Mit Schreiben vom 11.05.2017 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde das Gutachten vom 03.04.2017 und räumte beiden Parteien die Möglichkeit zur Stellungnahme ein.

9. Mit Schreiben vom 16.05.2017 führte die belangte Behörde aus, dass der Sachverständigenbeweis von Dr. Martin J vollständig und schlüssig sei. Die belangte Behörde schließe sich vollinhaltlich dem Gutachten an und verzichte auf eine weitere Stellungnahme.

10. In weiterer Folge erstellte Dr. Heinrich S, ein Facharzt für Neurologie, im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts ein Sachverständigengutachten vom 01.03.2018, in welchem er folgende Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers feststellte:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos. Nr

GdB %

1

Zn Schädelhirntrauma mit kaum motorischen Beeinträchtigungen, aber komplexer optomotorischer Störung, Hörstörung links, Trigeminusläsion V2 R und Dysexekutivem Syndrom sowie hieraus resultierend psychomotorischer Verlangsamung, Depressio und Konzentrationsstörung mit Defiziten in der Ausführung zu planender oder durchzuführender Handlungen

04.01.02

70

2

Peronäusläsion R mit Parese, keine sicheren Stürze nach langjähriger Gewöhnugsphase

04.05.13

20

3

Chronisches Schmerzsyndrom und Trigemimusneuralgie V2 R, Behandlung mit Schmerzmedikamenten Stufe 1 WHO

04.11.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 80 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 und 3 führen zu einer wechselseitigen negativen Beeinflussung von Leiden 1 (zusätzlich zur Enscheidungs-/Reaktionsstörung noch eine Gangbehinderung und Schmerzattacken), sodass eine Erhöhung um eine Stufe in der Bewertung erfolgt und eine Gesamt GdB von 80 % angenommen wird.

11. Mit Schreiben vom 21.03.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde das Gutachten vom 01.03.2018 und räumte beiden Parteien die Möglichkeit zur Stellungnahme ein.

12. Mit Schreiben vom 06.04.2018 führte der Beschwerdeführer aus, dass zum vorliegenden Gutachten keine Stellungnahme abgegeben werde. Des Weiteren werde mitgeteilt, dass keine Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt werde.

13. Mit Schreiben vom 10.04.2018 führte die belangte Behörde aus, dass nach Rücksprache mit dem ärztlichen Dienst festgestellt werde, dass der neu erstellte Sachverständigenbeweis von Dr. Heinrich S schlüssig und vollständig sei. Der Ordnung halber wolle die belangte Behörde darauf hinweisen, dass zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung durch Dr. Martin J weder kognitive noch psychische Einschränkungen feststellbar gewesen seien. Sowohl die Antragstellung als auch die eingebrachten Schriftsätze und Befunde würden sich nur auf seine orthopädischen Leiden beziehen.

14. Mit Schreiben vom 11.04.2018 führte die belangte Behörde aus, dass sie auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

1.1. Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat seinen Wohnsitz in Österreich. Dem Beschwerdeführer wurde am 03.03.2000 ein Behindertenpass ausgestellt. Der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers wurde mit 60 % festgesetzt.

1.2. Beim Beschwerdeführer liegen derzeit folgende Funktionseinschräkungen vor:

-

Z.n. Schädelhirntrauma mit kaum motorischen Beeinträchtigungen, aber komplexer optomotorischer Störung, daher mit einem Grad der Behinderung von 70 % laut Pos. Nr. 04.01.02 (Leiden 1)

-

Peronäusläsion rechts mit Parese, ohne sichere Stürze nach langjähriger Gewöhnungsphase, daher mit einem Grad der Behinderung von 20 % laut Pos. Nr. 04.05.13 (Leiden 2)

-

Chronisches Schmerzsyndrom und Trigeminusneuralgie V2 rechts, Behandlung mit Schmerzmedikamenten Stufe 1 WHO, daher mit einem Grad der Behinderung von 20 % laut Pos. Nr. 04.11.01 (Leiden 3)

1.3. Leiden 2 und 3 führen zu einer wechselseitig nevativen Beeinflussung von Leiden 1, sodass es zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe kommt und somit ein Gesamtgrad der Behinderung von 80% gegeben ist.

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Feststellungen zu Wohnort und Alter des Beschwerdeführers sowie zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

2.2. Die Feststelllungen bezüglich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vom BVwG eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. Heinrich S vom 01.03.2018.

Ein (ärztliches) Gutachten ist auf seine Vollständigkeit (also, ob es Befund und Gutachten im engeren Sinn enthält) und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten sind nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen.

Im vorliegenden Verfahren wird das von Dr. Heinrich S erstellte Gutachten als vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen beurteilt.

Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem erhobenen klinischen Befund und den vorgelegten medizinischen Beweismitteln und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen nach der Einschätzungsverordnung.

Hinsichtlich des Leidens 1 führt der Gutachter in seinem Gutachten begründend zur gewählten Positionsnummer 04.01.02 aus, dass kaum motorische Beeinträchtigungen jedoch eine komplexe optomotorische Störung, eine Hörstörung links, Trigeminusläsion V2 rechts und Dysexekutives Syndrom sowie hieraus resultierend psychomotorische Verlangsamung, Depressio und Konzentrationsstörung mit Defiziten in der Ausführung zu planender oder durchzuführender Handlungen vorliegen.

Bezüglich der Peronäusläsion rechts mit Parese (Leiden 2) legt der Gutachter insbesondere dar, dass keine sicheren Stürze nach langjähriger Gewöhnungsphase gegeben sind und stuft dieses Leiden somit nachvollziehbar mit einem Grad der Behinderung von 20 % unter die Positionsnummer 04.05.13 ein.

Hinischtlich des Leidens 3 führt der Gutachter nachvollziebar und schlüssig aus, dass dieses mit einer Behandlung mit Schmerzmedikamenten (Stufe 1 WHO) verbunden ist und somit ein Grad der Behinderung von 20 % gemäß der Positionsnummer 04.11.01 heranzuziehen ist.

Insgesamt ist festzuhalten, dass der Gutachter auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausreichend eingegangen ist, und die Beeinträchtigungen im Sinne der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft wurden.

2.3. Hinsichtlich des Gesamtgrades führt der Gutachter schlüssig aus, dass das Leiden 2 und das Leiden 3 zu einer wechselseitigen negativen Leidensbeeinflussung von Leiden 1 führen, sodass es zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um 1 Stufe kommt.

2.4. Das Gutachten von Dr. Heinrich S wurde dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde zur Stellungnahme übermittelt. Diese sind dem Gutachten in der Folge jedoch nicht entgegengetreten.

Das Gutachten steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht entgegen getreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat dieses Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

2.5. Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Neufestsetzung des Grades der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei dem Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. Heinrich S eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Dem Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht entgegengetreten. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Sowohl der Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde haben ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

§ 7 Abs. 1 BVwGG lautet wie folgt:

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:

§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A) -Stattgebung der Beschwerde

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lautet wie folgt:

§ 43 (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen.

(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpaß vorzulegen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

§ 4 der Einschätzungsverordnung (EVO) in der geltenden Fassung, lautet wie folgt:

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

3.2.2. Dem vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewerteten Sachverständigengutachten vom Dr. Heinrich S vom 01.03.2018 folgend, beträgt der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers nunmehr 80 %.

Die führende funktionelle Einschränkung wurde vom Gutachter unter die Positionsnummer 04.01.02 mit einem Grad der Behinderung von 70 % eingestuft. Die Anlage zur Einschätzungsverordnung sieht bei dieser Positionsnummer einen Grad der Behinderung zwischen 50 und 70 % vor. Der Gutachter führt begründend für den herangezogenen Grad der Behinderung von 70 % aus, dass eine komplexe optomotorische Störung, eine Hörstörung links, Trigeminusläsion V2 rechts und Dysexekutives Syndrom sowie hieraus resultierend psychomotorische Verlangsamung, Depressio und Konzentrationsstörung mit Defiziten in der Ausführung zu planender oder durchzuführender Handlungen vorliegen. Diese Einordnung entspricht den Voraussetzungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung.

Die Einstufung des Leidens 2 mit einem Grad der Behinderung von 20 % laut Positionsnummer 04.05.13 sowie die Einstufung des Leidens 3 mit einem Grad der Behinderung von 20 % laut Positionsnummer 04.11.01 entsprechen ebenfalls dem vorgegebenen Rahmen der Anlage zur Verordnung.

Auch bei der Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist der Gutachter nach den Vorgaben von § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung ausgegangen, wonach eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, (nur) dann vorliegt, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt oder zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen. Diesbezüglich hat der Gutachter angegeben, dass das Leiden 1 durch Leiden 2 sowie durch Leiden 3 wechselseitig negativ beeinflusst wird und begründete dies umfassend. Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers wurde daher zu Recht mit 80 % festgestellt.

3.2.3. Entgegen der Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach der Grad der Behinderung 60 v.H. betrage, beträgt der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers nunmehr 80 %.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision

§ 25a Abs. 1 VwGG lautet wie folgt:

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eindeutige Rechtsvorschriften stützen. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I404.2146821.2.00

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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